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E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2394, 127 Seiten

Reihe: Beck'sche Reihe

Herbers Jakobsweg

Geschichte und Kultur einer Pilgerfahrt

E-Book, Deutsch, Band 2394, 127 Seiten

Reihe: Beck'sche Reihe

ISBN: 978-3-406-62272-4
Verlag: C.H.Beck
Format: PDF
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Der Pilgerweg nach Santiago de Compostela erfreut sich weit über den Kreis frommer Pilger hinaus zunehmender Beliebtheit. Klaus Herbers beschreibt anschaulich, wie der Jakobuskult seit dem 8. Jahrhundert im Westen Spaniens entstand und zum Bollwerk gegen das muslimische Spanien wurde. Er erläutert die historische Funktion der Jakobswege als "Kulturstraßen Europas" und stellt ihre wichtigsten Stationen vor.
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1;Cover;1
2;Titel;2
3;Zum Buch;3
4;Über den Autor;3
5;Impressum;4
6;Inhalt;5
7;Einleitung: Ein ganz normaler Pilgerweg?;7
8;1. Wie der Apostel Jakobus nach Spanien kam;10
8.1;Die Entdeckung des Grabes;10
8.2;Die Übertragung der Gebeine nach Spanien;12
8.3;Jakobus und die Christen in Nordspanien;16
9;2. Santiago de Compostela: Die Karriere einer Stadt am Ende der Welt;21
9.1;Jakobus als Helfer Asturiens und Galiciens;21
9.2;Neue kirchliche und herrschaftliche Strukturen;23
9.3;Wege zur Erzbischofswürde;27
9.4;Königtum und Apostelgrab;29
10;3. Pilgerführer und Jakobspilger;33
10.1;Warum pilgern?;34
10.2;Besondere Wege für Pilger?;40
10.3;Der Pilgerführer des 12. Jahrhunderts: Vier Wege in Frankreich;41
10.4;Pilgerfahrten im hohen Mittelalter;46
11;4. Der Jakobsweg als «Kulturstraße Europas»;51
11.1;Spanien und Europa;51
11.2;Pyrenäenpässe ins «Jakobsland»;53
11.3;Epische Dichtung und Pilgerstraßen;58
11.4;«Pilgerkirchen» und Pilgerkunst;60
12;5. Unterwegs nach Compostela;62
12.1;Pilger und Pilgermassen;62
12.2;Aufbruch und Ausstattung;63
12.3;Gefahren und Riten unterwegs;64
12.4;Ankunft und Rückkehr;71
12.5;Eindrücke und Erinnerungen;73
13;6. «laß raisen wer da wil, bleib du dahaim»;78
13.1;Kritik an Reliquien, Wundern und Pilgerfahrten;78
13.2;Geistig-geistliche Pilgerfahrten;81
13.3;Veränderungen des Pilgerwesens;83
13.4;Der Spott der Humanisten;85
13.5;Martin Luther und die Folgen;86
14;7. Ein gewinnbringender Schlachtenhelfer;90
14.1;Die Eroberung von Coimbra;92
14.2;Die Schlacht von Clavijo – Abgaben für Compostela;94
14.3;Santiago-Orden und Königtum;96
15;8. Vom Niedergang zum Neuanfang;100
15.1;Theresia von Ávila gegen Jakobus;100
15.2;Europäische Pilger in der frühen Neuzeit;102
15.3;Die zweite Entdeckung des Grabes;107
15.4;Europa statt Spanien?;109
16;Bilanz und Ausblick;114
17;Dank;116
18;Zeittafel;117
19;Literaturhinweise;118
20;Register;122
21;Karte;127


1. Wie der Apostel Jakobus nach Spanien kam
«Gehet hin in alle Welt», so lautete der biblische Missionsauftrag an die Apostel. Aber wohin gingen die Apostel? Von einzelnen herausragenden Personen wie Petrus und später Paulus ist einiges über ihre Reisen und Wirkungsstätten überliefert, was freilich nur teilweise historischer Überprüfung standhält. Über Missionsreisen des Apostels Jakobus des Älteren wissen wir aber aus frühchristlichen Zeugnissen nichts, so daß es sich lohnt zu fragen, wie und warum es zu der Vorstellung gekommen ist, daß dieser Apostel nicht nur in Spanien missioniert habe, sondern auch dort begraben liege, nachdem sein Grab zunächst in Vergessenheit geraten sei. Jakobus und Johannes erscheinen in den Evangelien meist als Söhne des Zebedäus und der Salome; sie werden zu Jüngern Jesu und zu Aposteln berufen. Mit Petrus und Johannes gehört Jakobus zu den hervorgehobenen Begleitern Jesu, so bei der Verklärung auf dem Berg Tabor oder vor der Kreuzigung Jesu (vgl. u.a. Matthäus 4,21–22; 10,1–4; Markus 5,35–42; Matthäus 17,1ff., 26,36). Über seine Enthauptung unter Herodes Agrippa I. um das Jahr 44 berichtet die Apostelgeschichte (12,1–2): «Um dieselbe Zeit legte der König Herodes Hand an einige Angehörige der Gemeinde, um sie zu mißhandeln. Er ließ Jacobus, den Bruder des Johannes, mit dem Schwerte hinrichten.» In Palästina war der Apostel Jakobus der Ältere mithin getötet worden, sollte man nicht auch dort sein Grab vermuten? Die Entdeckung des Grabes
Die mittelalterlichen Traditionen, die Jakobus mit Spanien, genauer mit Santiago de Compostela, verbinden, haben anderes zu berichten. Nachdem himmlische Zeichen einen Eremiten namens Pelagius zu Beginn des 9. Jahrhunderts im Nordwesten der Iberischen Halbinsel auf die Ruhestätte eines Apostels gewiesen hatten, entdeckte dieser ein Grab, das man bald mit dem des heiligen Jakobus des Älteren (Sant’ Iago) gleichsetzte. Diese Nachricht verbreitete sich während des 9. Jahrhunderts nicht nur in Galicien und Spanien. Gelehrte in ganz Europa wußten schon bald Bescheid, vor allem (west-)fränkische und burgundische Märtyrer- und Heiligenverzeichnisse (Martyrologien) aus der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts, welche nach den Tagesdaten gegliedert sind, verzeichneten die Neuigkeit unter dem Festtag des 25. Juli. Weitere Quellen aus Spanien, aber auch aus dem übrigen Europa wollten seit dem 10. Jahrhundert wissen, daß dieses Apostelgrab zahlreiche Pilger anzog. Abb. 1 Der zu Beginn des 9. Jahrhunderts in Iria Flavia bzw. Compostela amtierende Bischof Theodemirus erscheint auf dieser Miniatur als Entdecker des Jakobusgrabes. Später wurde die Auffindung in die Zeit Karls des Großen datiert. Miniatur aus dem Chartular Tumbo A, Kathedralarchiv Santiago de Compostela, 12./13. Jahrhundert. Ausführlicher unterrichtet aber erst eine Urkunde vom 17. August 1077 in der einleitenden Passage: Zur Zeit König Alfons’ II. von Asturien (791–842) soll ein Einsiedler von Engeln auf ein Apostelgrab hingewiesen worden sein, sodann habe er dem damaligen Bischof Theodemirus aus dem benachbarten Iria Flavia von dieser Vision berichtet. Nach einem dreitägigen Fasten fand man im Beisein von vielen Gläubigen das Grab, das mit Marmorsteinen ausgekleidet war, und meldete dies dem König, der den Bau einer Kirche veranlaßte. Dieser Bericht entsprach vergleichbaren Quellen über die Auffindung anderer Heiligengräber. Es fällt auf, daß diese genaueren Details erst gut zweihundert Jahre nach der Entdeckung verzeichnet werden. Compostela war in dieser Zeit schon zu einem wichtigen Pilgerzentrum der lateinischen Christenheit geworden, und so lautet zumindest eine von mehreren möglichen Hypothesen zur Erklärung des detaillierten Berichtes, daß nun immer häufiger gefragt wurde: Wie hat denn alles angefangen, wie stieß man überhaupt auf dieses Grab? Daß dabei jeweils zeitgenössische Fragen und Sichtweisen auch die gegebenen Antworten mit prägten, gehört heute zu den Grundeinsichten der Forschung, die sich mit Geschichtsschreibung und Hagiographie beschäftigt. Die Übertragung der Gebeine nach Spanien
Die Erzählungen über ein Jakobusgrab widersprachen indirekt dem oben zitierten Bericht der Apostelgeschichte, denn zunächst mußte man doch das Jakobsgrab eher am Ort der Hinrichtung oder in der Nähe vermuten. Wenn aber die Nachricht von einem Begräbnisort in Compostela zutraf, dann galt es zu erklären, wie der Leichnam von Jerusalem dorthin gekommen war. Das zitierte Dokument von 1077 gibt zwei Hinweise. So heißt es, daß die Grabstelle lange Zeit unbekannt und versteckt geblieben sei. Aus dem Brief eines Papstes Leo wisse man aber Genaueres über eine Bootsfahrt mit dem Apostelleichnam. Nach der Enthauptung hätten Anhänger des Apostels dessen Gebeine nach Joppe (Jaffa) gebracht, von wo Jakobus dann, durch die Hand Gottes geleitet, nach längerer Zeit zu den Grenzen Galiciens gelangt sei. Auch die variationsreichen Geschichten um diese Übertragung von Ost nach West sind erstmals im 9. Jahrhundert deutlicher greifbar und wurden dann in zahlreichen weiteren Fassungen ausgeschmückt. Das Interesse an Einzelheiten dieser Übertragung schien fast noch größer zu sein als dasjenige an weiteren Details zur Auffindung. Im wesentlichen gibt es zwei Überlieferungsstränge: Ein Translationsbericht ist von dem schon genannten Brief zu unterscheiden, den angeblich ein Papst oder Bischof Leo (vielleicht Papst Leo III., 795–816) verfaßt haben soll. Dieser Brief ist in mehreren Versionen überliefert. Die in das Jakobsbuch des 12. Jahrhunderts (Liber Sancti Jacobi) aufgenommene Fassung berichtet beispielsweise, wie Jakobus in Jerusalem gefangen genommen und gemeinsam mit seinem Schüler Josias zur Enthauptung verurteilt wurde. Als die Jünger den Leichnam aus Furcht vor den Juden an sich nahmen und nach Jaffa gelangten, fanden sie ein abfahrbereites Schiff, das sie bei günstigen Winden nach Westen bis nach Iria Flavia in der Nähe des heutigen Padrón brachte. In der Nähe eines Landgutes mit Namen Liberum donum (vielleicht heute: Libredón) legten sie den Apostelleichnam nieder. Einen heidnischen Tempel rissen sie ab, bestatteten den Apostel dort und errichteten darüber eine Kirche. Zwei der Jünger des Jakobus, Theodorus und Athanasius, blieben hier zurück, während die anderen zur Bekehrung Spaniens aufbrachen. Die zwei an der Kirche wachenden Jünger verfügten, nach ihrem Tode neben ihrem Meister bestattet zu werden, was dann auch geschah. Diesem Brief Leos wird im Jakobsbuch eine ausführlichere Geschichte über die Translation vorangestellt, die andere Akzente setzt und vor allem die Ankunft des Leichnams in Galicien ausführlicher beschreibt. Demnach predigte Jakobus in westlichen Ländern das Wort Gottes und gewann sieben besonders treue Anhänger. Nach Jerusalem zurückgekehrt, missionierte er dort weiter, wurde aber nach verschiedenen Anfeindungen hingerichtet. Seine Jünger brachten heimlich den entseelten Leib ihres Meisters zum Strand. Mit einem bereitliegenden Schiff gelangten sie vor den Hafen von Iria Flavia in Galicien und ruderten an Land. Bei einem Luparia genannten Besitztum baten sie eine Frau von vornehmer Herkunft (Lupa), sie möge ihnen einen kleinen Tempel überlassen. Diese Frau mit programmatischem Namen (lupa = Wölfin) versuchte zunächst, den Jüngern zu schaden. Nach verschiedenen Fährnissen blieben die Jünger mit Gottes Hilfe vor schlimmen Folgen dieser Nachstellungen verschont. Als die vornehme Frau von verschiedenen Wundern erfuhr, lenkte sie ein und übergab ihnen ein kleines Gebäude, empfing die Taufe und schwor den alten Göttern ab. Die Jünger errichteten daraufhin ein Grabmal, bestatteten den Leib des Apostels und ließen eine Kirche bauen. Die beiden im 12. Jahrhundert in dieser Form schriftlich greifbaren Geschichten zeigen unterschiedliche Interessen und Ausrichtungen. Im Brief Leos spielt die päpstliche Autorität für die Bestätigung der zunächst unglaublichen Translation der Gebeine eine wichtige Rolle; nach der Beschreibung der Reliquienankunft in Galicien erzählt die Quelle jedoch nur noch knapp von den beiden Jüngern und der angemessenen Ruhestätte. Demgegenüber bezieht der Translationsbericht in viel stärkerem Maße lokale galicische Traditionen ein. Dies betrifft die Topographie, die Auseinandersetzungen mit einer noch heidnischen Bevölkerung und Führungsschicht sowie die Kraft des Christengottes gegenüber heidnischer Verschlagenheit. Beide Schriftstücke gehören allerdings nicht zu den ältesten Versionen, sie sind auch nicht die einzigen Berichte. Die Erzählungen von der Übertragung der Gebeine dienten – bei aller Ausschmückung, die auch mehr oder weniger stark lokales Kolorit einbezog – vor allem dazu, die Auffindung des Grabes in Compostela im 9. Jahrhundert mit Nachrichten der Apostelgeschichte in Einklang zu bringen. Nur so konnte einsichtig werden, warum ein in Jerusalem enthaupteter Jakobus in Compostela verehrt wurde. Darüber hinaus ließ sich die translatio aber...


Klaus Herbers ist Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Erlangen-Nürnberg.


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