E-Book, Deutsch, 292 Seiten
Hergovich Der Glaube an Psi
2. aktualisierte und ergänzte Auflage 2017
ISBN: 978-3-456-94190-5
Verlag: Hogrefe AG
Format: PDF
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)
Die Psychologie der paranormalen Überzeugungen
E-Book, Deutsch, 292 Seiten
ISBN: 978-3-456-94190-5
Verlag: Hogrefe AG
Format: PDF
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)
Kann die Wissenschaft paranormale Phänomene nachweisen? Dies scheint bis heute nicht der Fall zu sein. Warum glauben so viele Menschen dennoch an die Existenz des Paranormalen, unabhängig davon, ob dafür ein Nachweis erbracht werden kann? Der Autor informiert umfassend über die historischen und aktuellen Forschungsbemühungen der Parapsychologie sowie über die Ursachen für den individuellen Glauben an paranormale Phänomene aus psychologischer Sicht. Es werden wissenschaftliche Überlegungen und empirische Studien herangezogen. Argumente von Parapsychologen, Skeptikern und Trickkünstlern werden unvoreingenommen erörtert. Daraus ist eine hochinteressante Studie im Grenzgebiet zwischen Glauben und Wissen entstanden. Das Buch enthält zahlreiche Abbildungen, Tabellen und Fallbeispiele.
Zielgruppe
Interessierte in den Bereichen Psychologie, Soziologie, Philosophie, Theologie, Parapsychologie, Historiografie
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Der Glaube an Psi;1
1.1;Vorwort zur ersten Auflage;8
1.2;Inhalt;11
2;1. Einleitung;13
3;2. Geschichte der Parapsychologie;25
3.1;2.1. Von den Anfängen bis zu den Hexenverfolgungen;25
3.2;2.2. Das Zeitalter des Spiritismus;35
3.3;2.3. Wissenschaftliche Parapsychologie bis zur Gegenwart;48
4;3. Erklärungsansätze des Paranormalen;75
4.1;3.1. Paraphysikalische Erklärungen;76
4.2;3.2. Dualistische Ansätze;90
4.3;3.3. Das Synchronizitätsprinzip;100
4.4;3.4. Sozialanthropologische Ansätze;107
5;4. Philosophische Probleme;119
5.1;4.1. Mangelnde wissenschaftliche Gegenstandsbestimmung;119
5.2;4.2. Probleme der ontologischen Positionierung;122
5.3;4.3. Erkenntnistheoretische Voraussetzungen der Existenz von Psi;125
5.4;4.4. Paranormale Phänomene aus empiristischer Sicht;132
6;5. Probleme des empirischen Nachweises von Psi;137
6.1;5.1. Fehlen des u?berzeugenden Belegs;137
6.2;5.2. Prinzipielle statistische Probleme;143
6.3;5.3. Praktische Anwendbarkeit ist nicht gegeben;149
6.4;5.4. Verstoß gegen wissenschaftliche Fundamentalprinzipien;150
6.5;5.5. Konklusion;152
7;6. Determinanten des Glaubens an Psi;155
7.1;6.1. Betrug in Zusammenhang mit Leichtgläubigkeit;155
7.2;6.2. Paranormale Phänomene und Gedächtnistäuschungen;195
7.3;6.3. Illusion von Kontrolle;200
7.4;6.4. Dispositionale Erklärungen;207
7.5;6.5. Lerntheoretische Erklärungen;229
7.6;6.6. Paranormale Phänomene als Chimäre des Zufalls;234
8;7. Zur Irrationalität paranormaler Überzeugungen;253
9;8. Nachwort;265
10;9. Literatur;269
2. GESCHICHTE DER PARAPSYCHOLOGIE (S. 23-24)
2.1. Von den Anfängen bis zu den Hexenverfolgungen
Die Parapsychologie kann auf eine lange historische Entwicklung zurückblicken. Im Grunde begleitet die Beschäftigung mit dem Paranormalen (hier im weitesten Sinne von „rational bzw. sinnlich nicht fassbar“ zu verstehen ) die Menschheit von ihrem Beginn an. Hinweise auf magisch-fetischistische Praktiken mit religiöser Bedeutung finden wir bereits bei den schriftlosen urgeschichtlichen Kulturen. So entspricht das deutsche Wort „Zauber“ (von mittelhochdeutsch zouber, althochdeutsch zaubar, zu altisländisch taufr, töfr gehörig) im Angelsächsischen „teafor“, was soviel wie rote Farbe oder Mennige bedeutet (Duden, Herkunftswörterbuch, 1997). Das Färben mit roter Farbe ist ein uralter Ritus, mit der die Kraft heiliger Objekte erhalten bzw. aktiviert werden soll (Heiler, 1999). Praktisch alle Religionen beinhalten in ihrer Urform magische Kulte und Praktiken (z.B. die vedische Religion, die Religion der alten Ägypter oder die chinesische Religion, Heiler, 1999). In der Gründungslegende „moderner“ Religionen werden vielfach „paranormale Phänomene“ in Form von Wundern geschildert. Von solchen Wundern berichten die Überlieferungen um Gautama Buddha, Moses oder Jesus. Buddha verfügte über Wunderkräfte, um Mara, dem Fürsten der Todeswelt zu widerstehen. „Viele Erlebnisse Buddhas, welche dem modernen abendländischen Menschen als unwirklich erscheinen, wie seine Zwiesprache mit göttlichen Wesen [...], desgleichen seine ‚Wunderkräfte‘ müssen gemäß parapsychologischer Betrachtungsweise auf der Ebene des Geistes [...] als wirklich (wenn auch keineswegs im materialistischen Sinne) angesehen werden“ (Heiler, 1999, S. 173). Die Schilderungen mancher Wunder Moses‘ erinnern stark an die Verwendung von Hypnose (z.B. die Verwandlung eines Stockes in eine Schlange), hellseherische Fähigkeiten oder den Gebrauch der Wünschelrute (Wasser mit einem Stab aus einem Felsen schlagen). Es gibt auch Erzählungen psychokinetischer Phänomene. Im 2. Buch Moses z.B. wird berichtet, dass Moses mit göttlicher Hilfe die Wassermassen des Roten Meeres teilte, so dass das jüdische Volk ungehindert durchziehen konnte. Seine Verfolger, die Ägypter, wurden von den Fluten des Meeres verschlungen. Das Neue Testament steht dem Alten Testament an Wundern nicht nach (man denke an die zahlreichen Krankenheilungen bis zur Erweckung aus dem Tode, die wundersame Brotvermehrung etc.). Die Transsubstantiation (die wundersame Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi) wird später sogar zum Dogma erklärt (in thomistisch-aristotelischer Argumentationsweise ist die Rede von der Verwandlung der Substanz, während die Akzidentien wie Farbe, Geschmack, Geruch unverändert bleiben, Heiler, 1999).
In der Antike holte sich der Mensch Rat bei Orakeln, Sehern und Magiern. Allgemein bekannt ist das Orakel von Delphi. Herodot erzählt in seiner Geschichte der Perserkriege, dass Krösus, der letzte König der Lydier (im 6. Jh. v. Chr.), beunruhigt von der wachsenden Macht der Perser beschloss, bei den Orakeln Rat einzuholen. Doch zuvor wollte er die Zuverlässigkeit der Orakel testen. So schickte er Boten zu den Orakeln aus mit der Frage, was Krösus in diesem Augenblick gerade tue. Von allen Antworten, die er erhielt, entsprach die Antwort der Seherin Pythia von Delphi am ehesten der Wahrheit. „Duft einer Schildkröte kam zu mir, einer fest geschalten. Kochend mit Fleisch zusammen vom Lamme in eherner Pfanne. Erz umschließt es von allen Seiten, so oben wie unten“ (Bender, 1971, S. 87). Das war nach Herodot die richtige Antwort, denn Krösus hatte eine Schildkröte und ein Lamm in Stücke geschnitten und in einem Topf aus Bronze gekocht.
Prokop und Wimmer (1987) machen allerdings darauf aufmerksam, dass bereits Plinius Herodot als „König der Lügner“ bezeichnet hatte und dass es daher von einiger Naivität zeuge, den Weissagungen der Pythia echte Psi-Leistungen zu unterstellen, wie Bender (1971) dies tat. Allgemein bekannt ist auch die Vieldeutigkeit der Orakelsprüche. So erhielt Krösus auf die Frage nach den Kriegsaussichten gegen die Perser zur Antwort, er werde ein großes Reich zerstören. Diese Weissagung stimmt in jedem Fall, da mit Sicherheit ein Reich zerstört wird, wer auch immer den Krieg gewinnt (so wurde Krösus eigenes Reich zerstört). Prokop und Wimmer (1987) erwähnen weiters, dass die „Allwissenheit“ des Orakels auf einem gut organisierten Nachrichtendienst beruhte und dass die Pythia auch zu politischen Zwecken bestochen wurde.