E-Book, Deutsch, 224 Seiten
Hess Digital anders arbeiten
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-96267-157-0
Verlag: REDLINE
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Effektive Methoden und neue Tools für den heutigen Büroalltag
E-Book, Deutsch, 224 Seiten
ISBN: 978-3-96267-157-0
Verlag: REDLINE
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Sigrid Hess ist Trainerin, Beraterin und Teamcoach. Prozessoptimierung im Büro ist ihr Ziel - vom großen Konzept bis zur täglichen PC-Praxis. Nach einigen Jahren als Ingenieurin in der Pharmaindustrie wechselte Sigrid Hess in die Freiberuflichkeit. Sie arbeitet seit 1999 in allen Branchen, auf allen Hierarchieebenen und mit gleichbleibender Begeisterung für das Thema. Von ihr erschienen bereits Perfekt im Office und Überleben in der Informationsflut im Redline Verlag.
Autoren/Hrsg.
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Neue Formen der Arbeit
Wird es das papierlose Büro geben?
Worum es hier geht: | Beobachtungen aus 25 Jahren an der Bürofront mit einem mutigen Blick nach vorne. |
Sie haben Nutzen von diesem Kapitel, wenn: | Sie sich fragen, wie wir eigentlich hierhergekommen sind und wo es nun hingehen soll. |
Bis vor etwa 20 Jahren waren die Prozesse in den Büros noch recht statisch – wie das dargestellte Haus. Dann wuchs nebenan ein kleiner Busch namens EDV – die ersten E-Mails kamen, man druckte sie aus und heftete sie in einem Ordner unter einem Register namens »Korrespondenz« ab. Der Arbeitsprozess per se blieb davon zunächst unberührt.
Dann wuchs der Busch weiter und brachte das Haus in Schieflage – oder veränderte die Prozesse. In diesem Veränderungsprozess stecken wir im Moment. An manchen Stellen ist er bereits weitgehend abgeschlossen, wie es das Baumhaus symbolisiert – doch der Baum ist lebendig und wächst weiter. Vom papierlosen Büro ist schon seit den 80er-Jahren die Rede – doch der Verbrauch an Papier stieg seitdem an. Aktuelle Zahlen zum Verbrauch in Büros sind schwer zu bekommen, doch meine Beobachtung von der Front zeigt: Wir arbeiten zwar zunehmend papierarm, aber nicht papierlos.
Sehr befördert wird dies durch wirklich leichte und komfortable Hardware. Tablets für Kundenbesuche, Scanner-Apps für das Smartphone und nicht zuletzt die Verfügbarkeit der Daten auch von unterwegs – sei es im Besprechungsraum, auf Reisen oder bei Kundengesprächen. All das führt dazu, dass mitzuschleppende Papierstapel zunehmend an Attraktivität verlieren.
Das digitale Format hat in meinen Augen drei Vorteile:
- Verfügbarkeit: An verschiedenen Orten oder auch für unterschiedliche Personen sind online gespeicherte Informationen zugänglich. Papier liegt dort, wo es nun mal liegt.
- Suchfunktion: Suchen kann man digital viel schneller und umfassender.
- Gewicht: Zugegeben, nicht immer wiegt das mitzunehmende Papier mehr als Laptop oder Tablet, doch in der Summe gewinnen die digitalen Medien auf jeden Fall.
Natürlich hat das Papier auch Vorteile:
- unabhängig vom Ladezustand des Geräts
- unabhängig von einem Internetzugang
- haptisch ansprechender – das händische Schreiben setzt bei vielen Menschen kreative Energie frei
Für die Vorbereitung von Moderationen sind Moderationskarten und die Sortierung dieser oft Teil eines Entscheidungsfindungsprozesses, der die Haptik des Legens braucht. In diesem Fall sehe ich (noch) keine papierlose Alternative. Zwar gibt es nützliche digitale Whiteboards – doch dieser kreative Teamprozess kann damit nicht hinreichend abgebildet werden.
Zum kreativen Denken, Konzipieren, Gedanken Sammeln greife ich selbst gerne zum Stift. Dann arbeite ich für mich alleine. Früher nahm ich dafür ein Etui Buntstifte und ein quergelegtes DIN-A-3-Blatt. Das Konzept für dieses Buch habe ich allerdings direkt auf einem Microsoft-Whiteboard erstellt. Es hatte einfach den Vorteil, dass das Blatt nie endet oder voll ist und ich es umstandslos im Anschluss als Grafikdatei speichern konnte.
Wo geht es hin? Ich glaube, dass die Reise wirklich in Richtung papierarme Organisation gehen wird. Doch bei allem, was man lange aufbewahren muss (wie Zeugnisse oder ganz besonders auch Baupläne), würde ich noch nicht auf ausschließlich digitale Archivierung setzen wollen. Ein Freund unserer Familie entwickelt Verkehrsflugzeuge. Ein Flugzeug wird circa 30 Jahre lang entwickelt, 30 Jahre lang gebaut und das letzte aus der Baureihe kann dann noch 30 Jahre im Dienst sein. Das heißt im Ernstfall: 90 Jahre lang muss die Dokumentation verfügbar gehalten werden. Das traue ich den aktuellen Systemen im Moment (noch) nicht zu. Doch der Alltag wird zunehmend papierloser, was sich in jedem neuen Bürogebäude zeigt. Schrankwände? Fehlanzeige. Jeder Mitarbeitende auf neu konzipierten Büroflächen bekommt ein kleines Schrankfach für Laptop etc. Das muss genügen. Für klassische Pultordner ist kein Platz mehr vorgesehen.
Schöne Notizbücher werden ähnlich ihren Platz behalten wie schöne Füllfederhalter. Zur Gewöhnung und für bestimmte Einsätze, aber nicht mehr als Gebrauchsgegenstand für Alltagsaufgaben.
Qualität entsteht an der Schnittstelle
Worum es hier geht: | Woran wird Qualität sichtbar? Was sich am Qualitätsverständnis ändert – und was nicht. |
Sie haben Nutzen von diesem Kapitel wenn: | Sie sich Gedanken machen, wie Sie Ihre eigene Arbeit oder die Ihrer Mitarbeitenden beurteilen und einordnen sollen. Wenn Sie Leitlinien dafür suchen. |
Der klassische Qualitätsbegriff kommt aus der Produktion. Besonders in den 1980er-Jahren wurde alles bis ins kleinste Qualitätsdetail gemanagt und optimiert. Daran ist nichts falsch – ich habe selbst im Qualitätsmanagement gearbeitet. Doch die Kriterien aus der Welt der industriellen Produktion lassen sich auf administrative Prozesse nicht so einfach übertragen. Das hat vor 30 Jahren nicht funktioniert – und tut es bis heute nicht. Warum? Die Werkzeuge des Qualitätsmanagements funktionieren für stark strukturierte Prozesse. Gibt es solche im Büro, kann auch dort die Qualität ermittelt werden, beispielsweise bei der Erfassung von Stammdaten, bei der telefonischen Bestellannahme oder Ähnlichem.
Doch genau diese Aufgaben sind auf dem Abstellgleis. Man ruft nicht mehr beim Lieferanten an, um einen Artikel zu ordern, sondern erledigt das bequem per App auf dem Smartphone. Damit wurde der Aufwand der Bestellerfassung aus dem Unternehmen auf den Kunden verlagert, der somit selbstverantwortlich für die Qualität der erfassten Daten ist.
Hier kommen wir nicht weiter. Um das Thema zu verdeutlichen, will ich einen Vergleich wagen. Eine wie oben skizzierte App entwickeln – verglichen mit dem Verfassen und Gestalten einer Werbebroschüre:
Werbebroschüre | App |
1 | Sind alle Texte lesbar? | Läuft die App auf den wichtigen Oberflächen? |
2 | Sind die Informationen sachlich richtig? | Findet der Benutzer die wichtigsten Funktionen auf Anhieb? |
3 | Sind die Bilder passend? | Findet der Benutzer die Oberfläche ansprechend? |
4 | Motiviert die Broschüre zum Kauf? | Hat der Nutzer einen Mehrwert von dieser App? |
Bei diesem kleinen Vergleich wird deutlich, ein Ja oder Nein ist:
- zweifelsfrei und leicht überprüfbar
- nach entsprechenden Tests überprüfbar
- meinungsabhängig
- abhängig von Meinung, Erwartung und Vorerfahrung des einzelnen Nutzers.
Nun geht es also darum, am Ende viermal ein Ja zu erreichen oder – im Falle der App – optimalerweise eine lobende Fünf-Sterne Rezension zu erhalten. Bei vielen solcher Rezensionen gilt die Qualität als einigermaßen sicher – zumindest in den Augen der Nutzer (wobei diese Wahrnehmung aufgrund gekaufter Bewertungen gerade wieder infrage gestellt wird).
Das ist eine ganz andere Welt als die der ISO-Norm oder eines anderen Prüfzertifikats. Der Mensch und seine Meinung, seine Erfahrungen spielen plötzlich wieder eine größere Rolle bei der Produktentwicklung als noch vor 20 Jahren. Zumindest gilt das dann, wenn das Produkt direkt an Endkunden geht.
Die Frage lautet nicht mehr: »Ist das angebotene Produkt perfekt?«, sondern vielmehr: »Entspricht das angebotene Produkt den Bedürfnissen des Kunden?« Erst durch die Rückmeldung des Nutzers oder Kunden kann dies ermittelt werden, also entsteht die Qualitätsoptimierung zuerst im Feedback. Feedbackschleifen gibt es heute – ganz besonders in agil strukturierten Entwicklungsprozessen – deutlich früher und öfter.
Was heißt das nun für unseren Arbeitsalltag?
Zuerst einmal: Man muss die Schnittstellen anschauen. Wir sind alle Informationsarbeiter. Wir erhalten Input, verarbeiten diesen und produzieren Output – der wiederum der Input einer anderen Person/eines anderen Prozesses sein wird. Ist wirklich genau geklärt, was für den nächsten Prozessschritt benötigt wird? Mehr ist in diesem Fall nicht immer besser. Es muss das Richtige zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein – und das muss kontinuierlich überprüft werden. Denn die Qualität entsteht an der Schnittstelle: bei der Übergabe der Information von einer Hand in die andere.
Zum Weiterdenken:
- Wer ist mein Kunde?
- Wer erhält die Ergebnisse meiner Arbeit, also die von mir produzierten Informationen?
- Passt das...