E-Book, Deutsch, Band 9, 272 Seiten
Reihe: Karin Krafft
Hesse / Wirth Das schwarze Schaf
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-96041-105-5
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Niederrhein Krimi
E-Book, Deutsch, Band 9, 272 Seiten
Reihe: Karin Krafft
ISBN: 978-3-96041-105-5
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Eine Terrorgruppe will den Ausbau der Bahnlinie am Niederrhein verhindern – und entführt Hauptkommissarin Krafft. Die Suche nach ihr bleibt erfolglos, bis eine Frauenleiche mit frappierender Ähnlichkeit ans Rheinufer gespült wird. Das LKA aus Düsseldorf unterstützt das K1 in Wesel in diesem Fall und erkennt: Karin Krafft muss als tot gelten, um zu überleben. Ein harter Weg für ihre Familie und die Kollegen vom K1 um Kommissar Gero von Aha.
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ZWEI Ein wildes Tier hatte sich im Schutz der Dunkelheit mit spitzen Zähnen in ihrem Oberarm verbissen. Es ließ nicht locker, dieses blutrünstige Viech, blieb in ihrem Fleisch stecken wie eine Kette unliebsamer Zecken und verursachte einen höllisch stechenden Schmerz. Giftig gelbe Augen, umgeben von einem Kranz aus stinkendem, verfilztem Fell, starrten sie an, wenn sie es schaffte, den Kopf zur linken Seite zu neigen – nicht, ohne eine migräneartige Welle unter ihrer Schädeldecke auszulösen. Es schmatzte und ließ nicht eine Sekunde von ihr ab, bohrte sich immer tiefer in ihren Arm, während sie nahezu regungslos dalag, unfähig zu klaren Gedankengängen oder planvollem Handeln. Das Tier musste weg. Karin Krafft wusste nicht, ob ihre Augen beeinträchtigt waren, ob sie sich in einer Art Koma befand oder welchen Grund es sonst für diese absolute Dunkelheit geben konnte, die sie umgab. Ihre Hände, Füße, alles an ihr fühlte sich fremd und schwer an, dazu kam dieser ungewöhnliche Schmerz, der ihren gesamten linken Arm besetzte. Wie war das mit dem gelbäugigen Tier? Hatte sie phantasiert? Sobald das Kribbeln ihre rechte Hand verließ und sie zumindest das Gefühl hatte, diese Extremität wieder bewegen zu können, langte sie vorsichtig über ihren Rumpf hinweg zu dem schmerzdurchfluteten Oberarm, strich zunächst in luftigem Abstand an ihm entlang. Da war kein Tier. Zögerlich berührte sie den Arm, ein Schrei entfuhr ihrer Kehle, durchzuckte den malträtierten Kopf. Was war das? Unter einer Schicht Verbandsmaterial schien sie verwundet zu sein. Eine Schießerei im Dienst? Ein Verkehrsunfall? War sie im Krankenhaus? Nein. Es roch anders hier, undefinierbar. Dort wäre Licht, es gäbe Menschen in ihrer Nähe. Vielleicht befand sich jemand in Hörweite, sie räusperte sich. »Hallo?« Sie erschrak über den gebrochenen Klang ihrer eigenen Stimme. »Ist hier jemand?« Keine Reaktion, nicht das kleinste Geräusch. Sie war allein. Was, wenn ihre Augen den Dienst quittiert hatten und ihr Geruchssinn sie täuschte? Karin betastete ihre Stirn. Auch dort eine Schmerzquelle, eine weitere Verletzung, mit einem breiten Pflaster abgeklebt. Von Minute zu Minute wurde ihr Geist wacher, während ihr Körper in Regungslosigkeit verharrte. Angestrengt dachte sie über die mögliche Ursache für ihren desolaten Zustand nach, fand jedoch keinen plausiblen Grund. Keine Erinnerung. Tilt. Error. Ein ratterndes Geräusch außerhalb des Raumes ließ ihren Körper in winzigen Erschütterungen beben, ohne dass sie deuten konnte, worum es sich handelte. Ihre Lippen fühlten sich spröde an, der Mund staubtrocken. Erschöpft dämmerte Karin Krafft zurück in die innere Dunkelheit. Ein metallisches Klappern, Klirren wie von einem Schlüsselbund, drang an ihr Ohr, näher und direkter als das Rattern zuvor, weckte ihre Sinne schlagartig wieder. Da kam etwas auf sie zu. Das gelbäugige Tier? Quatsch. Schalte dein Hirn ein, denk logisch, schalt sie sich. Als Nächstes traf sie dieser Blitz, der sich in ihre Augen bohrte, sich rot hinter reflexartig geschlossenen Lidern abzeichnete. Licht, klein, beweglich, bevor es direkt neben ihr an der Wand haften blieb. Eine Frauenstimme tauchte aus dem Raum auf. »Bist du wach? Das ist ein LED-Licht. Wenn du drauftippst, geht es aus. Hier sind Batterien zum Wechseln. In der Kühlbox findest du was zum Essen. Was machen Kopf und Arm? Brauchst du Schmerzmittel?« Wer war das, und in welchem Alptraum fand diese Szene gerade statt? Sie öffnete blinzelnd die Augen, das Gesicht zu der Stimme erschien im kalten Lichtkegel. Irgendwo in Karins Kopf machte es klick. »Greta, bist du das?« »Neben der Kühlbox ist eine Plastikdose mit Verbandsmaterial und Desinfektionsmittel. Ich denke, du kannst dich selbst versorgen. Und ich lasse dir einen Streifen Paracetamol da. Jeden Tag einen, damit du dich nicht wegschießt.« »Greta, was soll das? Wo bin ich hier?« »Keine Fragen. Hör zu, ich bringe gleich noch ein paar Flaschen Wasser. Am besten drehe ich die Verschlüsse auf, du wirst das sonst nicht schaffen. Am anderen Ende des Raumes findest du ein Campingklo. Deine Beine sind ja fit, oder?« Karin wagte es nicht, sich aufzurichten, jede Bewegung des Oberkörpers schien ihren Arm zu zerreißen. Die Frau strebte zur Tür des schmalen Raumes. »Halt, warte. Greta – du bist das doch, oder? Wo bin ich hier, und wieso bin ich verletzt?« Die Frau zögerte und drehte sich um. »Du bist verletzt, um zu leben, glaub mir. Frag nicht nach den Gründen, die willst du gar nicht wissen. Je weniger du weißt, umso besser. Ich werde dich versorgen, bis alles vorbei ist.« »Was soll das heißen? Erklär es mir.« Die Frau hielt in ihrem Bewegungsablauf inne, einen kleinen Moment nur, und Karins schlagartig aufgewecktes Hirn erkannte scharfsinnig eine winzige Chance. »Komm, um der alten Zeiten willen. Wir haben uns doch immer alles erzählt. Bitte, was ist hier los?« »Ich … kann nicht.« Sie verriegelte die Tür hinter sich, schloss eine zweite zunächst auf, um sie sorgfältig von außen wieder zu verschließen. Karin schaute sich um. Sie lag auf einem Campingbett, es wirkte nicht neu und benutzt und füllte die Stirnseite des Raumes gegenüber der Tür aus, die ein kleines Sichtfenster in Kopfhöhe hatte, ebenfalls verriegelt. Bekleidet war sie mit ihren Sachen, die Schuhe standen am Fußende auf dem Boden. Blut hatte überall auf ihrer Kleidung dunkle Flecken hinterlassen und diesen metallischen Geruch, der sich mit ihrem Schweiß vermischte, getrocknetes Blut ließ sich von der Haut abreiben, klebte in ihrem Haar. Lädiert und schmuddelig fühlte sie sich, verwirrt und gelähmt von aufflackernder Angst. Die Ruhe bewahren. Der Raum war schmal, die Wände mit Rigipsplatten verkleidet, kein Verputz, kein Anstrich. Der Boden war ebenfalls isoliert, es gab ferner die von Greta beschriebenen Gegenstände, kein Fenster, kein Lichtschalter, keine Steckdose, nur am anderen Ende die verriegelte Tür. Von ihrem Rucksack keine Spur. Karin Krafft resümierte. Ich bin verletzt. Ich befinde mich in einem simplen, spärlich eingerichteten Raum ohne Tageslicht. Ein Ausweg führt durch zwei Türen, eine ist verriegelt, die andere verschlossen. Ich werde mit dem Notwendigsten versorgt. Für all das verantwortlich ist anscheinend meine alte Freundin Greta. Ihre rechte Hand suchte das Licht. Ein leichter Druck auf das runde Gehäuse ließ es erlöschen. Aus. Eingeschlossen und allein gelassen. An. Ich weiß nicht, was sich unter den Verbänden auftut, ich kann meinen Kopf ja nicht einmal betrachten. Und den Arm nicht bewegen. Es ist Blut geflossen, mein Blut. Aus. Wie lange bin ich schon hier? Das Handy, meine Jacke, nichts kann ich entdecken. An. Ich bin gefangen. Aus. *** Maarten kam spät. Er wirkte verstört. Tiefe Ränder unter den Augen zeugten von der seelischen Belastung, die er gerade durchlief. Sein langes Haar fiel in Strähnen über die Schultern. Johanna hatte ihrer Enkelin erlaubt, aufzubleiben, um ihrem Vater noch Gute Nacht zu sagen, nachdem sie gemeinsam eine dicke Kerze in einer Laterne in das große Wohnzimmerfenster gestellt hatten. Hannah lief ihm in die Arme. »Für dich stehen zwei supergute Pfannkuchen im Backofen. Wir haben extra nachgeschaut, ob noch genug Zucker im Haus ist, damit es dir schmeckt.« »Das ist lieb, meine Große, aber du musst jetzt ins Bett. Mach dich fertig, ich komme gleich nach.« Erst als sich die Tür zum Badezimmer in der oberen Etage hinter ihr schloss, berichtete er Burmeester von seiner Angst vor der Konfrontation mit Karins Tod, davon, zum ersten Mal eine Wasserleiche gesehen zu haben, und der Erleichterung, als feststand, dass dieser leblose Körper nicht der seiner Frau war. Henner hielt Johanna im Arm, die flach atmend angefangen hatte zu zittern. Burmeester fand sich schlecht im Trostspenden, speziell bei Männern. Er legte seine Hand auf Maartens Schulter, klopfte mehrmals, ließ seine Finger dort ruhen. »Mann, das ist aber auch ein Ding. Zunächst steht fest, dass sie lebt.« Maarten kramte in seiner Hosentasche, brachte ein Haargummi zum Vorschein, umfasste mit einer hastigen Bewegung seinen dunklen Schopf und band ihn zu einem Zopf. »Ja? Meinst du? Vielleicht gibt es ja eine zweite Frau mit einer identischen Tätowierung. Entschuldige meinen Sarkasmus, ich stehe echt neben mir. Meinst du wirklich, Karin hat sich freiwillig das Tattoo herausschneiden lassen?« Johanna meldete sich mit klarer Stimme zu Wort. »Hör bitte auf, wir müssen positiv denken, für Hannah, für Karin, und damit wir alle hier genügend Kraft für die nächste Zeit haben.« Die Badezimmertür öffnete sich, Hannah rief die Treppe hinab. »Gewaschen, Pyjama an, Zähne geputzt. Ich bin so weit, Papa. Und gute Nacht alle da unten und gute Nacht, Mama.« Die Erwachsenen im Erdgeschoss schauten einander an, bevor Maarten aufstand und nach oben ging. Johanna richtete sich neben Henner auf. »Da hast du’s. Sie bringt uns bei, was Hoffnung bedeutet.« Henner nickte anerkennend. »Ein tolles Kind, deine Enkelin, aber deine Vorgabe war ja auch genau richtig. Sie hofft, weil du es ihr gezeigt hast.« »Ich zermartere mir die ganze Zeit schon das Hirn auf der Suche nach dieser Greta in ihrer Kindheit. Es taucht einfach kein Nachname auf. Dabei war Karin doch erst vorgestern noch mein kleines Mädchen. Henner, das ist furchtbar, wenn sich im Oberstübchen zu ganz bestimmten Themen einfach nichts mehr regt.« »Ich finde es nicht...