E-Book, Deutsch, Band 11, 304 Seiten
Reihe: Karin Krafft
Hesse / Wirth Der Hahn
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-96041-413-1
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Niederrhein Krimi
E-Book, Deutsch, Band 11, 304 Seiten
Reihe: Karin Krafft
ISBN: 978-3-96041-413-1
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Der Kommissar, der eine Mörderin liebt.
Zwei Eheleute, ein Gedanke: Stirb! Sie will frei sein, er will reich bleiben. Sie stürzt von der Leiter, er rammt mit seinem Auto den größten Baum einer niederrheinischen Allee. So viel Unglück ist kein Zufall. Das Weseler K1 um Chefin Karin Krafft sticht in ein Wespennest und kommt Steuerbetrügern auf die Schliche. Die wehren sich mit allen Mitteln dagegen, dass ihnen die Geschäftsmethoden vermiest werden. Die Spur zieht sich vom Niederrhein in die Niederlande. Gleichzeitig steht das K1 vor der Zerreißprobe. Denn der eigenwillige Kommissar Gero von Aha verliebt sich. In eine Mörderin. Oder ist sie auch ein Opfer?
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Prolog
Drei Männer schlenderten in den Gastraum. Sie waren sehr ähnlich gekleidet, schmutzig gelbe Hosen und helle, dünne Hemden. Sie hielten kleine Flaschen in den Händen. Darin vermutete sie selbst gebrannten Alkohol. Dass die Männer davon getrunken hatten, war zu hören. Zu laut und zu aufdringlich waren sie in das kleine Restaurant gepoltert. Sie fielen auf, weil sie sich offensichtlich nicht darum scherten, dass Zurückhaltung eine Tugend indischer Lebensart zu sein hatte. Als die drei Männer an einem der Tische sie, die hellhäutige Frau mit dem Bubikopf, sahen, schwoll der unverständliche Dialekt aus ihren Mündern an. Sie hatte sich diesen Platz zwischen einer Ladentheke mit Kleinkram, den die einfache Bevölkerung bezahlen konnte, und einer offenen Garküche ausgesucht, wo sie das Treiben der Einheimischen beobachten konnte. Das Frühstücksbüfett im nahe gelegenen Resort-Hotel hatte sie mit den Worten »Ich will hier was erleben, nicht nur den Touristenkram« verlassen. Es waren zu viele Deutsche da. Das gefiel ihr nicht. Außerdem hatte sie es satt, sich morgens und abends in die Schlange zu stellen und einen Topfdeckel nach dem anderen zu lüften, um dann neben Mitreisenden mit ihren überladenen Tellern Platz zu nehmen. Geregelte Abläufe würde sie mit siebzig gebrauchen können, jetzt war sie knapp dreißig Jahre alt und hungrig auf das Leben. Am Vortag hatte sie sich zu einem Ausflug zu den Backwaters von Kerala im Süden des Subkontinents überreden lassen und bei der Hinfahrt vom Kleinbus aus diese kleine Kaschemme gesehen. Sie wirkte landestypisch und versprach andere Eindrücke als der übliche abendliche Besuch der Bar am Swimmingpool des komfortablen Hotels direkt am Strand von Kovalam. Sie war nur ein paar hundert Meter vom Hotel entfernt und saß nun dort, wohin kein anderer Hotelgast je kommen würde. Die Hitze des Tages hatte sich gelegt, aber noch war die Luft so feuchtheiß, dass sich ein dünner Schweißfilm wie eine zweite ölige Haut an ihr festhielt. Die Frau schnupperte an sich, sie hatte sich gerade gewaschen und roch leicht nach parfümierter Seife. Ansonsten verbreitete jede der vielleicht zehn Personen in dem Raum seine persönliche Duftnote. Säuerlicher Schweiß, Essensgerüche, der Duft von Gewürzen und Zigarettenrauch vermischten sich unter dem Deckenventilator zu schwerer Luft. Höflich hatte sie inzwischen mehrere Trinkangebote der Männer abgelehnt, die sich in ihrem Pidginenglisch an sie wandten. Sie wirkten ungelenk, schüchtern, aber auch, als werteten sie es als offenes Angebot, wenn sich eine Frau, dazu noch eine blonde, allein in dieser Männerwelt bewegte. Sie ahnte, dass sie eine Herausforderung war. Gott sei Dank war dieser gurgelnde Slang kaum zu verstehen. So konnte es zu keinem Gespräch kommen. Die Männer hatten sie stattdessen angeblinzelt, sie angelacht und die kaputten Zähne entblößt. Die Frau streckte sich ein wenig, als sie aufstand. Schon so war sie größer als die meisten im Raum. Sie schlängelte sich leichtfüßig an den Tischen und Stühlen vorbei und ging an die Ladentheke, um sich eine Mischung Nüsse auszusuchen. Schlank, mit freien Schultern, einer luftigen Bluse, die dünnen Träger ihres BHs waren zu sehen. Ihre Sommerhose ließ die Waden frei. So viel sichtbare Haut war eine Provokation in diesem prüden Land. Einer der drei Männer drückte sich an sie und hielt ihr die Flasche mit dem stinkenden Selbstgebrannten an den Mund. »Drink!«, raunzte er sie an. Seine Kumpels johlten. »Come with me«, befahl der Mann und bedrängte sie noch mehr. Die Frau erstarrte, ihre Hände zitterten. Das war nicht das Abenteuer, das sie gesucht hatte. Flehentlich blickte sie den Ladenbesitzer an. Es gelang ihr nicht, ein einziges Wort hervorzubringen. Dafür belegte der Ladenbesitzer die Männer mit einem Schwall von Flüchen. Gestikulierend schob er sich auf die Gruppe zu. Sie erkannte die Chance, drehte sich um, wand sich um Tische und Stühle herum und stürmte an den geifernden Männern vorbei ins Freie. Mit einer herrischen Geste stoppte sie eins der vorbeifahrenden Motorräder, dem auch für die kleinsten Gassen tauglichen Lieblingstransportmittel der Inder. Hier fuhren keine Tuk-Tuks mehr, dennoch waren alle mobil und stets in Eile. Eine ältere, mit rot glänzender Verkleidung aufgepeppte Honda stoppte aus voller Fahrt. Der Fahrer kuppelte aus, der Motor grollte in einem gleichmäßig kraftvollen Ton. Die Frau unterbrach ihre Fluchtbewegung abrupt. Sie wollte Schutz, war sich aber nicht sicher, ob sie sich in die Hand eines Motorradfahrers begeben sollte, dessen Gesicht sie nicht einmal sah. Er trug den im Land vorgeschriebenen Schutzhelm, viele fanden solche Sicherheitsvorschriften lästig und scherten sich nicht darum. Mr. Anonym saß breitbeinig auf dem Motorradsattel, löste den Gurt des Helms, zog ihn ab und sagte: »Lady, Sie brauchen Hilfe? Ich würde mich an Ihrer Stelle schnell entscheiden.« Er zeigte auf die drei feixenden Männer mit den Schnapsflaschen am Straßenrand. Er brüllte sie kurz und schneidend an. Sie zogen sich zurück. »Lady, wohin? Ins langweilige Hotel oder in irgendeine charmante Bar in der Stadt, die nachts offen hat?«, fragte der Mann. Der Sitz des Fahrzeugs war breit genug, hier war man darauf eingerichtet, zu mehreren Personen auf dem Zweirad unterwegs zu sein. Platzmangel und zu viel Nähe zum Fahrer waren nicht der Grund, warum sie zögerte und schwieg. Es lag eher an der spärlich beleuchteten Straße und den dunklen Hütten. Wer fuhr da schon als Anhalter mit? Sie schaute am Fahrer vorbei, um zu sehen, ob da noch die aufdringlichen Männer standen. Aber es gab nur Dunkelheit und die Ungewissheit, wer sich darin verbarg. Der Fußweg zum Hotel am dunklen Palmenhain entlang war keine angenehme Lösung. Wenn sie ehrlich war, hatte sie die Ansprache überzeugt. Jetzt erst wurde ihr klar, dass der Fahrer sie auf Deutsch mit einem sympathischen niederländischen Zungenschlag angesprochen hatte. Das erinnerte sie an den Niederrhein, wo sie herkam und der an den Nachbarn Holland grenzte. Sie fasste Mut und trat einen Schritt auf das Motorrad zu. »Dann spring auf.« Die Frau stieg aufs Krad und rutschte an den hinteren Rand des Beifahrersitzes, sodass sie sich an einen Haltegriff krallen konnte und den Mann nicht berühren musste. Er schob sich ein Stück nach vorn und von ihr weg. Ihr gefiel, dass er Distanz hielt. »Zu welcher Bar willst du nun?« »Zu einer zivilisierteren als der, aus der ich komme.« »Das ist keine Bar, eher so etwas wie ein düsterer Treff mit angeschlossener Gastronomie. Eigentlich kein Problem, aber als Frau solltest du hier nicht allein einkehren.« »Also, eine sympathische Location mit freundlichem Personal, da möchte ich hin.« »Es gibt eine gute Bar, nördlich von hier, direkt an der Hauptstraße mitten zwischen diesen Hütten mit kleinen Geschäften. Dahin fahre ich sowieso.« Sie wusste nicht, warum sie sich diesem Mann anvertraute. Plötzlich fühlte sie sich sicher und war von sich selbst überrascht. »Wie heißt du?«, fragte sie rasch, bevor der Motorenlärm ihre Worte verschlucken würde. »Thijs. Und du?«, erwiderte er. Die aufheulende Maschine übertönte ihren Namen. *** Er folgte der kleinen Straße, die auf eine Autobahn mündete. Die war wie an so vielen Stellen in Indien gerade im Bau und schlug eine Schneise mitten durch Wohnbebauung und freie Fläche. Gnadenlos. Der Mann bog auf die staubige Straße ein, jeder fuhr hier einfach auf die Autobahn, wie es ihm behagte, vom Pferdekarren bis zum Reisebus. Zu dieser Zeit waren nur wenige Fahrzeuge unterwegs, beleuchtete Baustellen machten die Strecke gut sichtbar. Das änderte sich, als sie wenig später die Autobahn verließen und die Gegend einsamer wurde. Das Licht des Motorrads tastete sich durch die Dunkelheit, der Fahrer schien es gewohnt zu sein, sich nachts durch die Uferzone am Indischen Ozean zu bewegen. Die Frau spürte eine seltsame Mischung aus Sicherheit und Spannung. An eine besondere Gefahr dachte sie nicht. Der gut gebaute Rücken, hinter dem sie saß, verhieß Sicherheit. Die Palmenhaine lichteten sich. Die breit gefächerten Blätter schwankten im auffrischenden Wind. Das Meeresrauschen wurde lauter, sie konnte es hören, wenn sich das Motorrad mit verminderter Geschwindigkeit in eine Kurve legte. Da sie in nördliche Richtung fuhren, lag links das Ufer. Sie schaute zum Wasser und sah die Schattenrisse nachtfischender Boote. Kleine Positionslichter tanzten auf den Wellen, und es schien ihr, als würden sich immer dichtere, dunklere vom Wind gehetzte Wolken vor den Mond schieben. Sie huschten an kleinen Menschengruppen vorbei, die sich um Lagerfeuer gruppierten. Die meisten wohnten hier zwischen den Palmen und den Kautschukbäumen in selbst gezimmerten Hütten. Dann folgten immer mehr gemauerte Häuschen am Wegesrand. Je größer und je farbiger sie angemalt waren, desto mehr waren es Bessergestellte, die ein kleines Geschäft hatten oder den nächtlichen Fang an Hotels verkauften und das Viertel belebten. Ab und an leuchtete das Schild »Bar« zwischen den Gebäuden auf. Thijs ließ das Motorrad ausrollen. »Woher kommst du?«, fragte die Frau. »Aus Nijmegen.« »Seit wann bist du hier?« »Immer mal wieder. Wir Niederländer haben eine Beziehung zu dem Land. Wir waren Kolonialmacht mit eigenen Stützpunkten und Überseehandel. Jetzt bin ich seit ein paar Tagen hier.« Mehr sagten sie nicht. Der Wind wurde stärker. Sie beeilten sich, unter das Holzdach der Bar zu kommen. Sie lag direkt am Straßenrand, dahinter führte ein schmaler Weg zum Strand. Durch die lichten Palmen erkannte...