Hesse / Wirth | Die Elster | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 4, 220 Seiten

Reihe: Karin Krafft

Hesse / Wirth Die Elster

Niederrhein Krimi
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-86358-337-8
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Niederrhein Krimi

E-Book, Deutsch, Band 4, 220 Seiten

Reihe: Karin Krafft

ISBN: 978-3-86358-337-8
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Bomben zerfetzen die prachtvolle Stadt Wesel. Als die Waffen kurz schweigen, begräbt der Bürgermeister mit einem feierlichen Zeremoniell einen Gefallenen. So rettet er die wertvollsten historischen Besitztümer der Stadt, die in Wirklichkeit im Sarg liegen. Niemand durchschaut das Geheimnis. Als am Rheinufer mehr als sechzig Jahre später ein Schädel von einem Kiesförderband in den Bauch eines Frachters purzelt, kommt die alte Geschichte hoch. Und eine abenteuerliche und mörderische Suche am Niederrhein beginnt.

Hesse / Wirth Die Elster jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


ZWEI Aktuelle Fälle hatten Vorrang, das Zeitgefühl geriet in Schieflage, wenn ein Wochenende den Ablauf durchschnitt. Kleine Lage am Montagmorgen. Staatsanwalt Haase hatte sich kränkelnd abgemeldet, sein Heuschnupfen plagte ihn. Das K1 wappnete sich für eine Stippvisite der Behördenchefin. Frau Dr. van den Berg wollte sich Zeit nehmen, um durch persönliche Präsenz ihr Interesse an der Arbeit des Teams zu dokumentieren. »Obligatorischer Kontrollgang«, nannte es die Hauptkommissarin, die sich eigentlich nicht aufregen sollte. Als Simon sie darauf aufmerksam machte, sah sie ihn nur lange wortlos an. Das war geklärt. Die aktuelle Entwicklung beeindruckte Jerry. »Dass es so flott einen ersten Hinweis auf einen Namen geben würde, hätte ich nicht gedacht.« Tom versuchte ständig einen Blick zum Himmel zu erhaschen. »Die haben für heute Gewitter prophezeit. Hoffentlich wird das endlich was.« »Erst am späten Nachmittag, Mensch, zu früh für Wolkenberge.« »Hast recht. Sagt mal, war die Frau denn glaubwürdig? Ich meine, es können sich in sechzig Jahre alten Erinnerungen Realitäten festsetzen, die nichts mehr mit dem Erlebten zu tun haben.« Burmeester, heute in Grasgrün mit knallrotem Gürtel und gleichfarbigem Handytäschchen an der Schlaufe, winkte ab. »Was die Frau erzählte, hatte sie völlig parat, gar keine Frage. Außerdem habe ich mal gehört, dass die Vergangenheit im Alter wesentlich besser erinnert wird, als die Zeitspanne der letzten Tage.« Karin Krafft öffnete eine Flasche Apfelschorle und goss das sprudelnde Getränk in einen Kaffeepott. »Kann ich bestätigen. Ganz so alt ist meine Mutter ja nicht und geistig voll auf der Höhe, trotzdem rutschte sie nach den Befragungen in dramatische Vorkommnisse ihrer Kindheit zurück. Plötzlich war alles wieder da, Orte, Namen, Wortwechsel, ja, selbst Gerüche. Sie hat erzählt, dass eine Frau im Bunker immer einen Stofffetzen zum Draufbeißen nutzte, um nicht schreien zu müssen. Als Kind hatte ich wohl die Angewohnheit an einem Ärmel meines Schlafanzuges zu subbeln. Einmal ist sie völlig ausgerastet, als sie es bemerkte, und konnte sich anschließend keinen Reim darauf machen, warum. Gestern ist ihr bewusst geworden, dass es eine kindliche Erinnerung an den Geruch von nassgekautem Stoff war, verbunden mit der kollektiven Angst in dem Schutzraum. Wir haben noch lange zusammen gesessen, bis es wieder ging.« Tom zeigte sich erstaunt. »Entschuldigung, aber ich komme nicht mit. Deine Mutter war bei den Befragungen anwesend?« »Sie war nebenan in der Küche, falls Getränkenachschub notwendig gewesen wäre. Die Wände sind dünn.« Tom sparte nicht mit kritischen Bemerkungen. »War es das wert? Befragungen auf privatem Terrain involvieren oftmals Unbeteiligte.« Karin sah keinerlei Anlass, sich zu rechtfertigen. »Ja, es hatte einen ganz besonderen Wert.« Selbst Tom konnte da nichts hinzufügen. »Am Abend hat meine Mutter mir noch einen Tipp gegeben. Wir sollen die Besitzerin des ersten Nachkriegskinos in Wesel aufsuchen, Name und Adresse habe ich. Der Mann mit dem einen Ohrläppchen war fasziniert vom Filmglamour. Kino war die einzige Ablenkung, bevor es wieder Theateraufführungen gab. Die gute Frau lebt noch, kannte und kennt Gott und die Welt. Alle kamen damals zu den großen Filmen. Das Kino hieß übrigens Scala, in der Nähe des Bahnhofs. Großer, hoher Saal und deshalb noch richtig Filmatmosphäre. Ist vor gar nicht langer Zeit endgültig geschlossen worden.« Simon Termath hatte bei seinen Nachforschungen herausgefunden, dass es eine Reihe von ten Bergens gab, die am Niederrhein lebten. Der Zugriff auf das kreisweite Melderegister brachte hier einen Hauch von Klarheit. Simon erläuterte seine Informationen. »Vom mutmaßlichen Alter unseres Opfers ausgehend, können die gefundenen ten Bergens nicht in gerader Linie voneinander abstammen. Vier männliche ten Bergens sind gemeldet, eine Frau. Die Männer sind lange nach seinem Ableben geboren, die Frau könnte aus seiner Generation stammen. Sie war allerdings eine angeheiratete ten Bergen und hätte uns vielleicht helfen können.« Burmeester horchte auf. »Hätte?« »Ja, sie ist vorgestern beerdigt worden. Vermutlich die Mutter der vier Männer.« »Gibt es zu denen noch den Vater?« »Nein, der ist schon vor drei Jahren gestorben.« »Wo wurde die Frau beigesetzt?« »In Xanten. Dort lebt auch der Jüngste der vier, Andreas ten Bergen.« Karin Krafft war der Name bekannt. »Der hat einen Betrieb im Gewerbegebiet, der Name taucht auf den Hinweisschildern auf. Ich glaube, ein Bauunternehmen ist das.« Eifrig notierten die Kollegen, was ihnen wichtig erschien. »Die anderen drei, wo leben die?« »Gerhard ten Bergen ist gemeldet in Moers, das ist der Älteste. In Dinslaken lebt Klaus-Peter ten Bergen. Von dem habt ihr bestimmt schon gehört, steht manchmal im Niederrhein-Teil der Zeitung. Ein richtiger Saubermann, nette Familie, gut laufende Armaturenfabrik, ein schlauer Politiker, so einer, dem alles gelingt. Ich glaube, der letzte Artikel beschäftigte sich mit seiner Tochter, die ein soziales Jahr in den Slums von São Paulo begonnen hat. Das ist ein aussichtsreicher Kandidat für die nächste Landtagswahl.« Simon erntete Kopfschütteln. »Nö, nie gehört.« »Bestimmt! Wenn einer im Dinslakener Stadtrat konsequent alles kommentiert, was sich populistisch ausschlachten lässt, dann er. Damit gewinnt man Wähler.« »Und der vierte Mann?« »Heinz ten Bergen. Der wohnt in Wesel und arbeitet beim Kreis im Katasteramt. Er lebt in Wackenbruch am Fusternberg.« Simon ließ seine Informationen auf einem PC-Ausdruck rundgehen. »Wie gehen wir vor?« Toms Augen hingen sehnsüchtig am immer noch unverändert blauen Himmel. Karin Krafft koordinierte die anstehende Arbeit. »Jeder der vier wird unabhängig von den anderen zu dem Toten befragt. Sie können ihn nicht persönlich gekannt haben, aber vielleicht gab es eine Geschichte, die sich um ihn rankte. Mag sein, dass alle die gleiche kennen, kann aber auch sein, dass man als Eltern von vier Kindern nur einem die Familienchronik anvertraut. Hört euch an, was sie wissen, bis wann ihre Kenntnisse zurückreichen. Ach ja, und einer von ihnen ist bestimmt als Nachlassverwalter eingesetzt. Vielleicht finden sich in den Papieren der vor Kurzem Verstorbenen noch Hinweise.« Karin gönnte allen eine kurze Atempause. »Simon, du gehst rüber ins Kreishaus, der Heinz ten Bergen müsste um diese Uhrzeit bei der Arbeit zu finden sein. Tom, du machst den Politiker ausfindig, und Jerry übernimmt den Mann in Moers. Burmeester und ich werden erst die Königin der Filmdiven aufsuchen, und danach übernimmt er den Junior in Xanten. Ich werde mich in meine Wellnessoase in Bislich zurückziehen, neben dem Handy ausharren und auf eure ersten Eindrücke und Neuigkeiten warten.« Tom bemerkte den erneuten Abstecher seiner Chefin zur Arbeit vor Ort. Er konnte sie gut verstehen. Sie sei schwanger, nicht krank, hatte sie zu Anfang protestiert, und Frau Dr. van den Berg hatte strikt auf der Einhaltung der Richtlinien des Mutterschutzgesetzes bestanden. Innendienst war für Karin wie eine Strafversetzung nach Detroit, einfach undenkbar. »Du machst also quasi außen Innendienst?« »Genau, und ihr wisst von nichts.« Ein Blick in die Runde besagte eben dies. Ahnungslose, emsige Kollegen bewaffneten sich mit Adressenlisten, Sonnenbrillen wurden auf das Haupthaar gesteckt, Autoschlüssel klimperten, Simon nahm sein Handtäschchen, alle machten sich auf den Weg. Jerry drehte sich noch einmal kurz zu Karin um. »Du bist zu beneiden, ehrlich. Hier drinnen ist es viel angenehmer als draußen. Heute gibt es wieder Rekordtemperaturen …« »Ich weiß, und am späten Nachmittag Wärmegewitter.« Dieses Wort erreichte Tom, der bereits auf dem Flur war. Er schien besessen von der Vorstellung abkühlender, prasselnder Regentropfen. »Vielleicht erreicht es den Westen ja schon eher.« Jerry half mit einer fulminanten Idee aus. »Wenn du dich nach dem Prasseln sehnst, fahr doch einfach zwischendurch in eine Waschstraße und bleib im Wagen sitzen. Klasse Illusion, sag ich dir, meiner wird momentan wöchentlich gewaschen.« Karin und Burmeester lachten den beiden nach, bis der Hauptkommissarin schlagartig bewusst wurde, dass ihr komplettes Kommissariat ausgeflogen sein würde, wenn sie beide sich auf den Weg machten. Sie rief bei der Pforte an. »Eingehende Anrufe auflisten und in Ihre E-Mail-Adresse eingeben, Besucherliste führen, kein Problem, Frau Krafft. Und mit unserer Frau Doktor werde ich schon fertig.« Etwas schüchtern und dennoch neugierig wollte der Pförtner es genauer wissen. »Ist es denn schon so weit?« »Nein, es hat noch etwas Zeit. Das wird eine gesetzlich vorgeschriebene Pause für Schwangere, und leider sind alle Kollegen auf Ermittlungstour, wir können uns keine Stallwache aus den Rippen schneiden.« »Sowieso schon alles eng besetzt, wegen der anstehenden Fußball-EM. Bei der Hitze wird die Schnittstelle zwischen Randale und Freudentaumel minimal sein.« »Da sagen Sie was.« Die beiden winkten ihm freundlich zu, als sie beim Verlassen des Gebäudes an seinem Fenster vorbeigingen. Durch die Fußgängerzone wollten sie in Richtung Bahnhof gehen. Schön langsam. Nicht zu schnell und immer auf der Suche nach Schatten. * * * Vor dem Weseler Kaufhof, unter den Kastanien, in denen die Stadttauben brüteten, saß das philosophische Quintett auf seinem...


Thomas Hesse, Jahrgang 1953, ist Redakteur bei der Rheinischen Post in Wesel. Renate Wirth, Jahrgang 1957, ist Gestalttherapeutin, Künstlerin und Autorin



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.