Higgins Clark | Denn niemand hört dein Rufen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 432 Seiten

Higgins Clark Denn niemand hört dein Rufen

Thriller
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-641-10061-2
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Thriller

E-Book, Deutsch, 432 Seiten

ISBN: 978-3-641-10061-2
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein mörderisches Vermächtnis
Eine berühmte Schauspielerin wird brutal ermordet. Die junge Staatsanwältin Emily Wallace soll das Anklageverfahren gegen den Hauptverdächtigen übernehmen. Immer tiefer gräbt sie sich in den Fall - ohne zu erkennen, dass es eine unheimliche Verbindung zwischen ihr und der Toten gibt. Schon längst ist sie selbst in tödlicher Gefahr.

Mary Higgins Clark (1927-2020), geboren in New York, lebte und arbeitete in Saddle River, New Jersey. Sie zählt zu den erfolgreichsten Thrillerautoren weltweit. Ihre große Stärke waren ausgefeilte und raffinierte Plots und die stimmige Psychologie ihrer Heldinnen. Mit ihren Büchern führte Mary Higgins Clark regelmäßig die internationalen Bestsellerlisten an. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. den begehrten Edgar Award. Zuletzt bei Heyne erschienen: 'Denn du gehörst mir'.
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3


Sie hatte letzte Nacht wieder von Mark geträumt, es war einer dieser verschwommenen, unbefriedigenden Träume, in denen sie seine Stimme hören konnte und auf der Suche nach ihm in einem dunklen, höhlenartigen Haus herumirrte. Emily Kelly Wallace wachte mit dem ihr schon vertrauten Gefühl auf, eine schwere Last auf dem Herzen zu tragen. Es stellte sich immer nach dieser Art von Träumen ein, doch sie war an diesem Tag fest entschlossen, sich nicht davon niederdrücken zu lassen.

Sie schaute hinüber zu Bess, der vier Kilo schweren Malteserdame, die ihr Bruder Jack ihr zu Weihnachten geschenkt hatte. Bess schlief tief und fest auf dem anderen Kissen, und beim Anblick ihres Hündchens hob sich ihre Stimmung sofort. Emily schlüpfte aus dem Bett, griff zu ihrem warmen Morgenmantel, der in dem kalten Schlafzimmer immer in Reichweite lag, nahm die widerstrebend aufwachende Bess in den Arm und stieg die Treppe ihres Hauses in Glen Rock, New Jersey, hinunter, in dem sie die meisten ihrer zweiunddreißig Lebensjahre verbracht hatte.

Als Mark vor drei Jahren im Irak von einer Straßenbombe getötet wurde, wollte sie nicht mehr in ihrer gemeinsamen Wohnung bleiben. Etwa ein Jahr später, als sie sich gerade von ihrer Operation erholte, hatte ihr Vater Sean Kelly ihr dieses bescheidene Haus im Kolonialstil überschrieben. Nachdem er lange Zeit Witwer gewesen war, wollte er jetzt wieder heiraten und nach Florida ziehen. »Em, es ist einfach vernünftig«, hatte er gesagt. »Keine Hypothek. Steuern erträglich. Du kennst die meisten Nachbarn. Probier es doch einfach. Und wenn du nach einiger Zeit lieber etwas anderes willst, dann verkaufst du es wieder und hast gleich eine Anzahlung auf etwas Neues parat.«

Aber es stellte sich dann heraus, dass es genau das Richtige war, dachte Emily, als sie mit Bess unter dem Arm in die Küche eilte. Es ist wunderbar, hier zu wohnen. Der Kaffeeautomat, auf sieben Uhr eingestellt, kündigte piepsend an, dass der Kaffee bereits fertig war. Ihr Frühstück bestand aus frisch gepresstem Orangensaft, einem gerösteten englischen Muffin und zwei Tassen Kaffee. Mit der zweiten Tasse in der Hand eilte Emily wieder nach oben, um zu duschen und sich anzuziehen.

Ein neues knallrotes Top fügte dem anthrazitfarbenen Hosenanzug vom letzten Jahr eine fröhliche Note hinzu. Durchaus angemessen fürs Gericht, fand sie, außerdem ein gutes Gegengift gegen diesen grauen Märzmorgen und den Traum von Mark. Sie überlegte eine Zeit lang, ob sie ihre glatten braunen Haare lose auf die Schultern fallen lassen sollte, entschied sich aber dann doch, sie hochzustecken. Etwas Wimperntusche und Lippenstift zur Abrundung des Ganzen. Als sie ihre kleinen silbernen Ohrringe ansteckte, ging ihr durch den Kopf, dass sie nie mehr Rouge auftrug. Als sie krank gewesen war, hatte sie niemals ohne das Haus verlassen.

Wieder im Erdgeschoss, ließ sie Bess noch einmal kurz in den Garten, dann strich sie ihr ein letztes Mal über das Köpfchen und sperrte sie in ihre Hundebox.

Zwanzig Minuten später fuhr sie auf den Parkplatz des Gerichtsgebäudes von Bergen County. Obwohl es erst Viertel nach acht war, war der Parkplatz wie immer bereits halb voll. Seit sechs Jahren war Emily jetzt Assistenzstaatsanwältin, und sobald sie aus dem Auto stieg und über den Asphalt zum Gerichtsgebäude ging, fühlte sie sich so richtig in ihrem Element. Hochgewachsen und schlank wie sie war, fiel sie durchaus auf, doch sie war sich gar nicht bewusst, wie viele bewundernde Blicke ihr folgten, als sie mit raschen Schritten an den ankommenden Autos vorbeieilte. In Gedanken war sie bereits bei dem Beschluss, den die Grand Jury heute verkünden sollte.

In den vergangenen Tagen hatte die Anhörung vor der Grand Jury im Fall des Mordes an Natalie Raines stattgefunden, der Broadway-Schauspielerin, die vor fast zwei Jahren in ihrem Haus erschossen worden war. Obwohl er von Anfang an verdächtigt wurde, war ihr von ihr getrennt lebender Ehemann Gregg Aldrich erst vor drei Wochen verhaftet worden, nachdem ein mutmaßlicher Komplize sich gemeldet hatte. Es wurde erwartet, dass die Grand Jury in Kürze formell Anklage erheben würde.

Er war es, sagte sich Emily mit Nachdruck, als sie das Gerichtsgebäude betrat und die hohe Eingangshalle durchquerte. Sie ließ den Fahrstuhl links liegen und stieg die Treppe zum ersten Stock hinauf. Ich würde alles darum geben, diesen Fall vor Gericht zu vertreten, ging ihr durch den Kopf.

Zur Abteilung der Staatsanwaltschaft, im Westflügel des Gebäudes, gehörten vierzig Assistenzstaatsanwälte, siebzig Ermittler und fünfundzwanzig Sekretärinnen. Sie gab den Sicherheitscode an der Tür ein, drückte sie auf, winkte der Telefonistin zu, dann schlüpfte sie aus ihrem Mantel, noch bevor sie den kleinen fensterlosen Raum erreichte, der ihr als Büro zugeteilt worden war. Eine Garderobenleiste, zwei graue Aktenregale aus Stahl, zwei nicht zueinanderpassende Stühle für Zeugenbefragungen, ein fünfzig Jahre alter Schreibtisch und ihr Drehstuhl, das war in etwa die ganze Einrichtung. Zierpflanzen auf den Regalen und auf einer Ecke ihres Schreibtischs waren, wie Emily es nannte, ihr Beitrag zur Begrünung Amerikas.

Sie hängte ihren Mantel an die wackelige Garderobe, setzte sich auf ihren Stuhl und nahm sich die Akte vor, die sie am Abend zuvor studiert hatte. Der Fall Lopez, ein banaler Ehestreit, der mit einem Totschlag geendet hatte. Zwei kleine Kinder, von nun an mutterlos, und ein Vater im Bezirksgefängnis. Und meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass er drin bleibt, dachte Emily, als sie den Ordner aufklappte. Der Prozess war auf die kommende Woche angesetzt.

Um Viertel nach elf klingelte ihr Telefon. Ted Wesley, der Staatsanwalt, meldete sich. »Emily, könnte ich Sie einen Moment sprechen?«, fragte er. Er legte auf, ohne eine Antwort abzuwarten.

Der fünfzigjährige Edward »Ted« Scott Wesley, Staatsanwalt von Bergen County, war zweifellos das, was man einen gut aussehenden Mann nennt. Einen Meter fünfundachtzig groß, hatte er eine tadellose Haltung, die ihn nicht nur noch größer erscheinen ließ, sein Auftreten strahlte auch eine Autorität aus, die, wie ein Reporter einmal geschrieben hatte, »auf die guten Menschen beruhigend wirkt und diejenigen in Unruhe versetzt, die aus gutem Grund nachts nicht schlafen können«. Seine dunkelblauen Augen und seine dichten dunklen Haare, in denen sich erste graue Fäden eingenistet hatten, vervollständigten das Bild einer imponierenden Führungspersönlichkeit.

Nachdem sie an die halb offen stehende Tür geklopft und sein Büro betreten hatte, bemerkte Emily zu ihrer Überraschung, dass ihr Chef sie aufmerksam musterte.

Schließlich sagte er knapp: »Hallo, Emily, Sie sehen toll aus. Geht es Ihnen gut?«

Die Frage war nicht einfach nur nebenher gestellt. »Ich habe mich nie besser gefühlt.« Sie versuchte, beiläufig zu klingen, sogar etwas wegwerfend, als wundere sie sich, dass er überhaupt danach fragte.

»Es ist wichtig, dass Sie sich gut fühlen. Die Grand Jury hat Anklage gegen Gregg Aldrich erhoben.«

»Wirklich?« Sie spürte einen Adrenalinstoß. Obwohl sie sicher gewesen war, dass es so kommen würde, war ihr dennoch bewusst, dass sich der Fall zu einem beträchtlichen Teil auf Indizienbeweise stützte und der Prozess mit Sicherheit kein Selbstläufer sein würde. »Es war schwer zu ertragen, wie dieser widerliche Kerl die ganze Zeit die Klatschspalten beherrscht hat und ständig in aller Munde war, und gleichzeitig zu wissen, dass er seine Frau einfach hat verbluten lassen. Natalie Raines war eine so wunderbare Schauspielerin. Immer wenn sie die Bühne betrat, war es reine Magie.«

»Regen Sie sich nicht zu sehr über Aldrichs Gesellschaftsleben auf«, sagte Wesley begütigend. »Sorgen Sie einfach nur dafür, dass er hinter Schloss und Riegel kommt. Der Fall gehört Ihnen.«

Es war genau das, was sie gehofft hatte. Dennoch dauerte es eine ganze Weile, bis sie es begriff. Dies war die Art von Prozess, die ein Staatsanwalt wie Ted Wesley normalerweise für sich reservierte. Er würde mit Sicherheit die Schlagzeilen beherrschen, und Ted Wesley liebte Schlagzeilen.

Er lächelte über ihre Verblüffung. »Emily, was ich Ihnen jetzt sage, muss unter uns bleiben, aber es wurde bei mir vorgefühlt wegen eines höheren Postens, der im Herbst mit der neuen Regierung frei wird. Ich bin daran interessiert, und Nan würde liebend gern nach Washington ziehen. Wie Sie wissen, ist sie dort aufgewachsen. Ich würde ungern mitten in einem Prozess stecken, wenn sich diese Situation ergibt. Deshalb gehört Aldrich Ihnen.«

Aldrich gehört mir. Aldrich gehört mir. Das war die große Herausforderung, auf die sie gewartet hatte, bevor sie vor zwei Jahren aus der Bahn geworfen worden war. Zurück in ihrem Büro, überlegte Emily, ob sie ihren Vater anrufen sollte, entschied sich jedoch dagegen. Er würde sie nur ermahnen, nicht zu viel zu arbeiten. Und das war auch genau das, was ihr Bruder Jack, ein Informatiker, der im Silicon Valley arbeitete, ihr sagen würde, dachte sie, und außerdem war Jack jetzt vermutlich gerade auf dem Weg zur Arbeit. In Kalifornien war es erst halb neun.

Mark, Mark, du wärst so stolz auf mich gewesen …

Sie schloss für einen Moment die Augen, während eine Woge von Sehnsucht sie erfasste, dann schüttelte sie den Kopf und nahm die Lopez-Akte in die Hand. Noch einmal ging sie Zeile für Zeile durch. Beide vierundzwanzig Jahre alt; zwei Kinder; getrennt; er ging zu ihr, um sie zu einem Neuanfang zu überreden; sie stürmte aus der Wohnung und versuchte, auf der Treppe an ihm vorbeizukommen, die Marmorstufen waren reichlich abgetreten in dem alten Gebäude. Er behauptet, sie sei gestürzt. Die...


Higgins Clark, Mary
Mary Higgins Clark (1927–2020), geboren in New York, lebte und arbeitete in Saddle River, New Jersey. Sie zählt zu den erfolgreichsten Thrillerautoren weltweit. Ihre große Stärke waren ausgefeilte und raffinierte Plots und die stimmige Psychologie ihrer Heldinnen. Mit ihren Büchern führte Mary Higgins Clark regelmäßig die internationalen Bestsellerlisten an. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. den begehrten Edgar Award. Zuletzt bei Heyne erschienen: »Denn du gehörst mir«.



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