Higgins Lieber Linksverkehr als gar kein Sex
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-95649-407-9
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 2, 448 Seiten
Reihe: Blue Heron
ISBN: 978-3-95649-407-9
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wenn man an seinem Geburtstag erfährt, dass man jetzt ein Alter erreicht hat, in dem die Qualität der Eizellen rapide abnimmt ...
Wenn der Mann, mit dem man seit Jahren sporadisch Sex hat, einen sitzen lässt ...
Und wenn selbst der Yorkshireterrier sich weigert, das Bett mit einem zu teilen ...
... dann kann das offenbar zu Kurzschlusshandlungen führen!
Anders kann sich Honor nicht erklären, warum sie sich spontan bereit erklärt, einen Fremden zu heiraten, damit der die Greencard bekommt. Einen sehr britischen Fremden. Mit Tweedsakko und Cordhose. Der so gar nicht zu ihr passt. Aber vielleicht taugt dieser Alibimann wenigstens dazu, ihren Ex eifersüchtig zu machen? Doch je länger die Zweckbeziehung dauert, desto deutlicher merkt Honor: Abwarten und Tee trinken ist so gar nicht das, was ihr beim Anblick ihres sexy Verlobten in den Sinn kommt ...
Die Romane der New-York-Times-Bestsellerautorin werden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt und sind mehrfach ausgezeichnet worden. Kristan Higgins lebt mit ihrem Ehemann, einem heldenhaften Feuerwehrmann, zwei ungewöhnlich liebevollen Kindern, einem neurotischen Rettungshund und einer manchmal freundlichen Katze in Connecticut.
Weitere Infos & Material
PROLOG
An dem Tag, als Honor Grace Holland 35 wurde, tat sie das, was sie an ihrem Geburtstag immer tat. Sie ging zur Krebsvorsorge.
Klar, Honor war sich durchaus bewusst, dass die Gynäkologie in der Hierarchie der Party-Aktivitäten ziemlich weit unten angesiedelt war. Es fiel ihr bloß leichter, den gefürchteten Termin zu vereinbaren, wenn sie ihn auf ein denkwürdiges Datum legen konnte. Ein rein praktischer Grund also, mehr nicht; und Honor war absolut praktisch veranlagt. Eigentlich hatten ihre Schwestern Faith und Prudence und ihre engste Freundin Dana Hoffman vor, sie zum Geburtstag auszuführen, doch wegen des Schneesturms am letzten Wochenende mussten sie absagen. Und die Familie würde sich dieses Wochenende zum Kuchenessen treffen; es war also keineswegs so, dass der PAP-Abstrich die einzige Würdigung ihres Wiegenfests darstellte.
Sie brachte sich auf dem Untersuchungsstuhl in Position, während der Arzt diskret wegschaute, und übte dieses tiefe Ein- und Ausatmen, das ihr geradezu beängstigend biegsamer Yogalehrer mit derartigem Elan vorgeführt hatte, dass sie und Dana kichern mussten wie zwei kleine Mädchen in der Kirche. Die Atmerei hatte damals nicht funktioniert und funktionierte auch jetzt nicht. Sie starrte auf den Jackson-Pollock-Druck an der Decke und versuchte, an etwas Erfreuliches zu denken. Sie müsste dringend die Website updaten. Und ein Etikett für den neuen Grauburgunder entwerfen, den das Weingut Blue Heron bald auf den Markt bringen würde. Und natürlich die Bestellungen des Monats checken.
Als ihr bewusst wurde, dass mit „positiv denken“ nicht ihre Arbeit gemeint war, versuchte sie, sich auf etwas zu konzentrieren, das nichts mit dem Job zu tun hatte. Zu Hause hatte sie ein paar Trüffelpralinen von Lindt. Das war gut.
„Na, wie geht’s, Honor?“, hörte sie Jeremy zwischen ihren Beinen fragen.
„Ich arbeite viel. Du kennst mich ja.“ Das tat er wirklich. Jeremy war sowohl ein alter Freund der Familie als auch der Exverlobte ihrer Schwester. Außerdem war er schwul, was aber keinen besänftigenden Einfluss auf das Abtasten ihrer Eierstöcke zu haben schien.
Er streifte seine Handschuhe ab und lächelte. „Fertig.“
Honor setzte sich hastig auf, obwohl Jeremy ja wirklich schrecklich nett und berühmt für seine zarten Hände war. Jetzt reichte der liebe Onkel Doktor ihr sogar eine vorgewärmte Decke – so fürsorglich war er. Beim Befühlen der Brüste vermied er jeglichen Augenkontakt, und das Spekulum lag bei ihm immer auf einem Heizkissen. Kein Wunder, dass die Hälfte aller Frauen in Manningsport in ihn verliebt war. Dass er selbst Männer liebte, tat der Verehrung keinen Abbruch.
„Wie geht es Patrick?“ Sie verschränkte die Arme.
„Super“, antwortete Jeremy. „Danke der Nachfrage. Apropos, hast du derzeit einen Freund, Honor?“
Die Frage ließ sie erröten, nicht nur, weil Jeremys berühmte Hände „da unten“ gewesen waren, sondern auch, weil … na ja. Sie war nun mal eher der verschlossene Typ. „Warum fragst du?“ Wollte er sie etwa verkuppeln? Sollte sie Ja sagen? Vielleicht sollte sie das tun. Brogan war nie …
„Ich muss nur ein paar Fragen über dein, äh, über gewisse private Aspekte deines Lebens stellen.“
Honor lächelte. Jeremy war zwar inzwischen ein angesehener Mediziner, aber gleichzeitig immer noch der süße Junge von damals, der auf dem College mit Faith gegangen war und einfach nicht vergessen konnte, dass Honor ein paar Jahre älter war als er. „Wenn es unter die ärztliche Schweigepflicht fällt, dann ist die Antwort …“ Tja, was war denn die Antwort? „Die Antwort ist ja. Irgendwie schon. Und wenn du das irgendjemandem aus meiner Familie erzählst, bringe ich dich um.“
„Nein, nein, natürlich nicht.“ Er erwiderte ihr Lächeln. „Aber es freut mich, das zu hören. Weil, äh …“
Sie setzte sich eine Spur aufrechter hin. „Weil was, Jer?“
Er lächelte verlegen. „Es ist nur so, dass … dass du jetzt 35 bist.“
„Ja, ich weiß. Was hat das damit zu tun, ob … Oh.“ Sie hatte plötzlich ein flaues Gefühl im Magen – so, als stünde sie in einem rasant nach unten sausenden Fahrstuhl.
„Alles natürlich kein Grund zur Sorge.“ Er errötete jetzt ebenfalls. „Aber die Jahre sind kostbar. Eiertechnisch.“
„Wie bitte? Wovon redest du?“ Sie nahm ihren Haarreifen ab und schob ihn sich dann wieder auf den Kopf. Ein nervöser Tick. „Gibt es ein Problem?“
„Nein, nein. Es ist nur so, dass Frauen, die ab 35 ihr erstes Kind bekommen, als spätgebärend gelten.“
Sie runzelte die Stirn und versuchte sofort, wieder damit aufzuhören. Erst heute Morgen (verflucht sei dieses natürliche Licht!) hatte sich im Spiegel eine bleibende Falte zwischen ihren Augenbrauen gezeigt. Honor hätte schwören können, dass diese Falte vorige Woche noch nicht da gewesen war. „Tatsächlich? So früh schon?“
„Ja, tatsächlich.“ Jeremy lächelte entschuldigend. „Tut mir leid. Aber es ist nun mal so, dass die Qualität deiner Eier ab jetzt abzunehmen beginnt. Medizinisch gesehen ist das beste Alter, ein Kind zu bekommen, so zwischen 22 und 24 Jahren. Das ist der ideale Zeitpunkt.“
„24?“ Das war vor mehr als einem Jahrzehnt. Honor kam sich mit einem Mal wie eine Greisin vor. Sie hatte eine Falte zwischen den Augen, und ihre Eier wurden alt! Sie rutschte unbehaglich auf dem Untersuchungsstuhl hin und her. Ihr Hüftgelenk knackte. Oh Gott, sie war eine Greisin! „Muss ich mir Sorgen machen?“
„Aber nein! Nein. Allerdings wird es vielleicht langsam Zeit, über diese Dinge nachzudenken.“ Jeremy machte eine Pause. „Was ich sagen will, ist … Ich bin mir sicher, dass die Lage im Moment völlig unproblematisch ist. Aber ja, die Risiken von Schwangerschaftskomplikationen und Unfruchtbarkeit fangen ungefähr jetzt an zu steigen. Noch sind sie klein, und Unfruchtbarkeit lässt sich heutzutage ja schon sensationell gut behandeln. Dieser Arzt in New Hampshire hatte gerade Erfolg bei einer 54-jährigen Frau, die …“
„Ich habe nicht vor, mit Mitte 50 ein Kind zu bekommen, Jer!“
Jeremy nahm ihre schlaffe Hand und tätschelte sie. „Ich bin mir sicher, dass es nicht so weit kommt. Als dein Arzt muss ich es dir aber sagen. Genau so, wie ich dir sage, dass du dich gesund ernähren sollst. Dein Blutdruck ist eine Spur zu hoch, aber das ist möglicherweise der Weißkitteleffekt. Vielleicht bist du nur nervös.“
Sie war nicht nervös. Zumindest war sie es nicht gewesen, als sie hergekommen war. Total entspannt! Und jetzt hatte sie also hohen Blutdruck – zusätzlich zu einer Lederhaut und vertrocknenden Eierstöcken.
„Du siehst fantastisch aus“, fuhr Jeremy fort. „Es gibt also wahrscheinlich keinen Grund zur Sorge …“ Wahrscheinlich? Es war nie gut, wenn ein Arzt wahrscheinlich sagte! „… aber wenn du einen Freund hast, wird es möglicherweise langsam Zeit, über die Zukunft nachzudenken. Ich meine, nicht, dass du einen Mann brauchst. Es gibt eine wirklich gute Samenbank …“
Sie zog ihre Hand ruckartig weg. „Okay, Jeremy, du kannst jetzt damit aufhören.“
Er lächelte. „Entschuldige.“
Sie startete einen weiteren Versuch, sich durch tiefes Atmen zu entspannen. „Ich soll also besser schleunigst ans Kinderkriegen denken – ist es das, was du sagen willst?“
„Genau. Und ich bin ganz sicher, dass du keinerlei Anlass hast, dir Sorgen zu machen.“
„Außer über Schwangerschaftsrisiken und Unfruchtbarkeit.“
„Richtig.“ Er lächelte. „Hast du noch irgendwelche Fragen?“
Sie rief Dana von Jeremys Parkplatz aus an. Im warmen Inneren ihres Prius fühlte sie sich sicher. Quasi wie im Mutterleib. Kein Wunder, dass sie plötzlich alles mit Schwangerschaft und Geburt assoziierte.
Dana meldete sich mit dem üblichen „House of Hair“, was Honor jedes Mal innerlich zusammenzucken ließ. Haus der Haare …
„Ich bin’s“, sagte sie.
„Gott sei Dank. Ich bin gerade mit Phyllis Nebbins monatlicher Dauerwelle und der Silbertönung fertig geworden und war schon knapp vor einem Schreikrampf. Will ich wirklich alles über ihre neue Hüfte hören? Aber egal, warum rufst du an?“
„Ich komme gerade von Jeremy. Ich bin alt und muss Kinder kriegen. Schnell.“
„Wirklich?“, fragte Dana. „Ich weiß nicht, ob ich es ertrage, noch eine Freundin ans Muttersein zu verlieren. Das ständige Gerede vom Schreien, von Koliken und den ach so entzückenden kleinen Engeln.“
Honor lachte. Dana wollte partout keine Kinder – sie fand, die seien der Hauptscheidungsgrund – und rief sie oft an, um das schlechte Benehmen der verzogenen Gören, die sie im „House of Hair“ zu sehen bekam, in allen grauenvollen Details zu schildern.
Honor aber liebte Kinder. Sogar Teenager. Nun ja, sie liebte ihre 17-jährige Nichte Abby, und sie liebte ihren Neffen Ned, der noch immer das geistige Alter eines 14-Jährigen hatte, obwohl er jetzt schon 22 war.
„Gibt’s – davon mal abgesehen – sonst was Neues?“, erkundigte sich Dana. „Hast du Lust, heute Abend auszugehen und mit ein paar Drinks darauf anzustoßen, dass du ein altes Weib bist?“
Honor schwieg kurz. Ihr Herz begann zu hämmern. „Ich glaube, angesichts der Neuigkeiten sollte ich vielleicht besser mit Brogan reden.“
„Worüber?“
„Darüber.“
Schweigen. „Im Ernst?“
„Nun ja … ich denke schon.“
Wieder Schweigen. „Klar, ich schätze, ich verstehe...