E-Book, Deutsch, 232 Seiten
Hiller Paranoid
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7386-8088-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
- Die Bestie in mir -
E-Book, Deutsch, 232 Seiten
ISBN: 978-3-7386-8088-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
"PARANOID", ist die Geschichte des alleinerziehenden Peter Kelly, der in Isny im Allgäu lebt. Der Verlagsangestellte träumt davon, endlich einen Bestseller zu schreiben. Während eines Schreibseminars ereignen sich in seinem Umfeld mehrere mysteriöse Morde und Unfälle. Immer mehr gerät auch er in Verdacht, zumal er einige Motive für die Taten hätte. Kelly hat auch ein weiteres Problem: Seit dem Tod seiner Frau leidet er zunehmend unter Wahnvorstellungen. Immer mehr verwischen die Grenzen zwischen Realität und Fantasie.
Wolfgang Hiller ist ein Autor aus dem Allgäu. "PARANOID" ist sein neuntes Buch.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
PROLOG
Nikolaustag, 6. Dezember 2014 Mein Name ist Peter Kelly und neben mir im Auto sitzt meine achtjährige Tochter. Ich wusste noch gar nicht, dass meine Sophie anhand der Sterne die Himmelsrichtung bestimmen konnte. Sophie hinterließ Nasenabdrücke auf dem Beifahrerfenster, während wir auf der Fahrt von Isny Richtung Bad Hindelang zum Weihnachtsmarkt waren. Sie zählte die Sternenbilder auf und murmelte: „Süden, Osten oder Norden“, wenn ich abbog. „Wo hast du das gelernt?“, fragte ich sie. „Wo hab ich was gelernt?“ „Na, die Sternenbilder.“ „In Büchern.“ „In welchen Büchern?“ „Einfach Bücher.“ Ich wusste, dass ich von Sophie nicht mehr erfahren würde. Das lag daran, dass wir beide Vielleser sind. Nicht unbedingt aus reiner Leidenschaft, sondern weil wir nicht anders konnten. Wir waren von Natur aus Beobachter, Deuter und Kritiker. Wir lasen nicht nur Bücher, sondern auch Comics, Reiseprospekte, Wanderführer, Zeitschriften, ja sogar Rezepte. Egal was, Hauptsache wir würden dadurch die Welt besser verstehen. „Osten“, sagte Sophie und presste wieder ihre Nase an die Scheibe. Beide spähten wir auf die weithin sichtbare, zauberhafte Beleuchtung des vielleicht schönsten Christkindlmarktes im Allgäu. Es war kurz vor achtzehn Uhr, und langsam wie bestellt, fielen leichte dicke Schneeflocken vom Himmel, um dem Weihnachtsmarkt die richtige winterliche Atmosphäre zu verleihen. Nur wenige Meter vom Kurhaus entfernt konnte ich meinen Ford Focus parken. Ich war wie jedes Jahr, seit 2010, auf Sophies Wunsch hin, hierhergefahren. Aber nicht nur ihr, auch mir gefiel der zauberhafte und hübsch dekorierte Markt, wie auch zehntausenden von anderen Besuchern aus Nah und Fern. Es gab sogar Touristen, die jedes Jahr ihren Urlaub genau zum Zeitpunkt des Marktes hier verbrachten. Julia - Sophies Mutter, meine Exfrau - ist im achten Monat der Schwangerschaft gestorben. Nur mit viel Glück konnte das noch nicht geborene Kind, mit einer waghalsigen Operation gerettet werden, sodass mir wenigstens das Mädchen blieb, während meine geliebte Julia unter grauenvollen Umständen viel zu früh von dieser Welt ging. Seitdem ziehe ich die Kleine mit Hilfe meines Kindermädchens Alexa alleine auf. Wie alle kleinen Kinder liebte sie die Weihnachtsfiguren, die vielen Süßigkeiten, und natürlich auch den Nikolaus, der heute kam, um die (hoffentlich) braven Kinder zu beschenken. Wir stiegen aus dem Auto und ich nahm Sophie an die Hand. Die Kleine sah mich erwartungsvoll aus ihren rehbraunen Augen an. Jetzt wo ihr Gesicht halb im Schatten lag erkannte ich ihre Mutter darin. Von ihr waren auch ihre Freundlichkeit und Verletzlichkeit. Sie in ihren Zügen zu sehen, weckte das Gefühl in mir, jemanden zu vermissen, der noch immer da war, zumindest in meinem Herzen und Kopf. „Papi, was ist los? Wollen wir nicht weitergehen?“, fragte mein kleiner Schatz, und riss mich aus meinen wehmütigen Gedanken, als ich sie solange anstarrte. Immer mehr Besucher strömten jetzt von allen Seiten auf den Weihnachtsmarkt. Dutzende von Busse aus ganz Süddeutschland, luden tausende von Besucher aus. Heute am Samstag war der vorletzte Tag. Ich zog Sophie die Kapuze hoch, dass ihre Pudelmütze nicht gleich nass war, da der Schneefall etwas stärker wurde. Wir liefen weiter bis zum Rundbogen am Kurhaus, wo ich den Eintritt zahlte. Der süße Duft gebrannter Mandeln, sowie von Bratwurst und Pommes, erweckte unsere Hungergefühle. Sophie und ich hatten weitestgehend den gleichen Geschmack, weniger nach Lebkuchen oder Mandeln, sondern vielmehr auf Currywurst und Pommes mit reichlich Ketchup. Ich bestellte an einer Bratwurstbude zwei normale Portionen, schließlich aß Sophie genauso viel wie ich, und musterte die herbeiströmenden Menschenmassen. Zu weihnachtlichen Klängen verschlangen wir genüsslich unser Lieblingsgericht, während der Schneefall immer stärker wurde. Das soll jetzt aber nicht heißen, dass es das fünfmal in der Woche bei uns daheim zum Essen gab. Alexa war eine ausgezeichnete Köchin, die uns fast jeden Abend mit genügend Vitaminen und Ballaststoffen versorgte. Während ich uns noch an der Bude zwei Cola light besorgte, entdeckte ich drei Stände weiter, Monika Ehret, eine Kollegin, die in dem gleichen Verlag arbeitete wie ich, bei den „Schwäbischen Nachrichten“. Seit wenigen Wochen war sie aufgestiegen zur stellvertretenden Chefredakteurin, manch einer munkelte, sie hätte sich hochgeschlafen. Zuzutrauen wär`s ihr, auch bei mir hatte sie nach dem Tode meiner Frau, diverse Annäherungsversuche gestartet. Sie war Mitte dreißig, vier Jahre jünger als ich, und bereits zweimal geschieden. Das sagte fast alles, dachte ich mir, als sie mir mit einem Glühweinbecher zuprostete und lächelte. Sie war mit einer weiteren Frau hier, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Ich nickte ihr nur kurz zu, sonst würde sie womöglich noch unseren Platz ansteuern. Als wir unseren Hunger gestillt hatten, schlenderten wir weiter. Wir mussten uns Richtung Rathausplatz orientieren, da dort in zehn Minuten die Geschenke verteilt wurden. An einem Stand mit kunstvoll geschnitzten Figuren und bezaubernden Krippen blieb ich kurz stehen. Ich nahm einen schicken Engel in beide Hände, und musterte ihn aufmerksam. Dann stellte ich ihn wieder ab und griff in die Innenseite meiner Jacke, um nachzusehen wie viel Geld ich noch dabei hatte. Nachdem ich sah, dass es noch für mehrere Kostbarkeiten dieser Art reichen würde, wollte ich aber erst mal meine kleine Maus nach ihrer Meinung fragen. Ich blickte nach unten und bekam einen Schreck. Meine Hände zitterten stark und ich begann zu schwitzen. Sie war weg! Nur wenige Sekunden hatte ich ihre Hand losgelassen. Ich schrie nach ihr, und drehte mich dabei mehrfach um die eigene Achse. Außer den nassen Schneeflocken, die mir in die Augen flogen, und grinsende Leute, die schon vom Glühwein angetrunken waren, sah ich nichts. Ich hatte sie keine Minute aus den Augen gelassen, und jetzt war sie wie vom Erdbeben verschluckt. Trotz der Kälte öffneten sich jetzt überall meine Schweißporen und meine Augenlider zuckten unkontrolliert. Wo war sie, verdammt noch mal? Sie ging nie einfach weg wenn wir irgendwas unternahmen. Wie ein Irrer durchstreifte ich den Markt, und fragte viele Budenverkäufer nach dem kleinen, süßen Mädchen mit der pinkfarbenen Pudelmütze. Viele starrten mich entgeistert an und musterten mich misstrauisch. Alle schüttelten nur den Kopf. Nichts. Mein Blutdruck stieg in bedenkliche Höhen. Als ich den Markt verließ, rempelte ich vor lauter Hektik noch eine Frau an, die daraufhin ihren Glühwein verschüttete. Ihr Freund beschimpfte mich wüst und drohte mir Schläge an. Dann war ich außerhalb der Menge und atmete erst einmal tief durch. Ich lief ohne Sinn und Verstand im Schneetreiben umher, als ich auf einmal eine Entdeckung machte. Vor mir auf dem Boden lag unverkennbar, einer ihrer beiden roten Handschuhe! Ich erkannte sie sofort, da Sophie sie zum Geburtstag von ihrer Oma bekommen hatte. Wieder brüllte ich ihren Namen, vernahm aber nichts, außer dem leicht pfeifenden Wind der mir die Flocken ins Gesicht peitschte. Hektisch lief ich weiter, bis ich Abdrücke von Spuren im Schnee sah. Sie konnten aufgrund der Größe nur von Sophie sein. Hechelnd wie ein Hund trottete ich weiter Richtung Wald. Ich kam an einem Bauernhof vorbei, und sah eine alte Frau, die mich ängstlich aus ihrem Fenster beobachtete. Als ich an dem Anwesen vorbei war, wurde es noch stürmischer und meine Angst nahm weiter zu. Keuchend hielt ich kurz inne und stützte die Hände auf meine Knie. Panik befiel mich und düstere Fantasien. Dann verlor ich die Spur an einem Wiesenhang. Ich stapfte mühsam weiter bei beißender Kälte, und benutzte die integrierte Taschenlampe meines Handys. Ich war jetzt ungefähr einen halben Kilometer außerhalb der Gemeinde, um mich herum nur gespenstische Stille. Der Halbmond verbreitete etwas Licht, sodass ich auf einmal einen Schatten wahrnahm, vielleicht dreißig Meter vor mir. „Sophie!“, brüllte ich wie am Spieß. Aber das konnte unmöglich Sophie sein, der Schatten war riesig, wie von einem Monster, das über zwei Meter groß war. Dann sah ich einen zweiten kleineren Schatten, wenige Meter vor mir, auf dem Boden liegend. Daneben eine pinkfarbene Mütze. Sophie! Mein Gott, sie lag wie tot im Schnee, und der große Schatten kam unaufhaltsam näher. Verzweifelt tastete ich meinen Körper ab, auf der Suche nach einer möglichen Waffe. Der Schatten wirkte übermächtig und bedrohlich. Der Mann verfügte bestimmt über Bärenkräfte. War es überhaupt ein Mann? Noch fünfzehn Meter Distanz zwischen uns. Hatte er meiner Tochter was angetan? „Wer sind Sie? Was wollen Sie von mir? Was haben Sie mit meiner Tochter gemacht?“, fragte ich keuchend. Außer dem Stapfen seiner Fußspuren vernahm ich keinen Laut. Verzweifelt sah ich auf den Boden, auf der Suche nach einem Stein oder Holzprügel. Nichts, außer diesem verdammten Schnee, der mich immer mehr...