Hirsch | Der berühmte Herr Leibniz | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 669 Seiten

Hirsch Der berühmte Herr Leibniz

Eine Biographie
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-406-70137-5
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine Biographie

E-Book, Deutsch, 669 Seiten

ISBN: 978-3-406-70137-5
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) gilt als das letzte Universalgenie. Beim Erwachen hatte der Philosoph, Mathematiker und Erfinder "schon so viele Einfälle, dass der Tag nicht ausreichte, um sie niederzuschreiben", hat er selbst bekannt. Die Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte hat den Blick vor allem auf seine Werke gerichtet, aber auch den Menschen Leibniz kennenzulernen ist faszinierend. In dieser Lebensbeschreibung wird er zum ersten Mal als Person lebendig. Dank der Darstellungskunst des Verfassers fühlt man sich dem Genie und dem Menschen Leibniz trotz all seiner Schwächen so nahe, dass man sein Altwerden und sein Sterben voller Mitgefühl, ja mit Trauer erlebt. Aber auch die neue Mathematik, die Monaden oder die Theorie von der besten aller Welten werden so einleuchtend erklärt, dass auch ein philosophischer Laie versteht, worum es dem großen Philosophen ging. Eike Christian Hirsch zeichnet mit dem Portrait dieses sonderbaren, schwierigen und doch liebenswerten Mannes auch ein Bild der Epoche um 1700, deren überragender Kopf Leibniz war.

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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1;Cover;1
2;Titel;3
3;Impressum;4
4;Zitat;5
5;Inhalt;7
6;Seinem Helden nahekommen;11
7;I Ein neues Leben (1667–1673);13
7.1;Nächtliche Begegnung;13
7.2;Ein Rückblick auf seine Jugend;21
7.3;Kein leichter Anfang;23
7.4;Das Wohlwollen steigt;29
7.5;Besuch bei Christiaan Huygens;30
7.6;Beim viel bedrängten Arnauld;35
7.7;Als Diplomat nach London;39
7.8;Lebensstellung gesucht;49
7.9;Aus London gefüttert und getadelt;52
7.10;Leibniz wollte politisch wirken;56
8;2 Pariser Ernte (1674–1676);62
8.1;Das Geheimnis der Zahl Pi;62
8.2;Ein Erfinder wird bestaunt;64
8.3;Geldnot, Beschäftigung, Stellensuche;68
8.4;Malebranche, ein mystischer Rationalist;70
8.5;Geld verdienen, zu einer Stellung kommen;73
8.6;Ehrenfried Walter von Tschirnhaus kommt;78
8.7;Die Erfindung der Infinitesimalrechnung;83
8.8;Es ist kein Bleiben;86
8.9;Die zweite Reise nach London;91
9;3 Berufen zum Berater (1676–1679);95
9.1;Zwei Genies aus der Nähe;95
9.2;Die Ankunft;101
9.3;Eingewöhnen;109
9.4;Die Reihe der Anregungen;117
9.5;Verlockende neue Ämter;121
9.6;Heil und Unheil aus dem Westen;125
9.7;Zur Rettung des Harzes;128
9.8;Abschied vom Herzog;135
10;4 In den Wind geschrieben (1680–1683);140
10.1;Der neue Herrscher;140
10.2;Drei Mühlen und ein neues Konzept;146
10.3;Ein Hofrat ohne Amt macht spontane Vorschläge;149
10.4;Eine Versicherung;153
10.5;Sorgenkind Catharina;157
10.6;Zum Frankfurter Deputationstag geladen;159
10.7;Sein Ansehen in Hannover und anderswo;163
10.8;Versöhnliche Religionsgespräche;167
10.9;Politischer Beobachter in der Einsamkeit;171
10.10;Das Harzer Krisenjahr geht zu Ende;173
11;5 Ein Ende und drei Anfänge (1684–1686);177
11.1;Eine neue Windkunst;177
11.2;Brandenburg wird gewonnen;180
11.3;Ein Mathematiker offenbart sich;183
11.4;Scheitern und noch ein Anfang;185
11.5;Alles für einen Kurhut;191
11.6;Grundsätze in Eis und Schnee;196
11.7;Die wichtigste These des Jahrhunderts;201
12;6 Reise in den Ruhm (1687–1690);206
12.1;Auf allerlei Umwegen;206
12.2;Der offizielle Teil der Reise;213
12.3;Es geht doch, wie Leibniz will;215
12.4;Kühne Pläne mit Bischof Rojas y Spinola;217
12.5;Warten auf eine Audienz beim Kaiser;220
12.6;Der Tag ist gekommen;225
12.7;Italien auf eigenen Wunsch;229
12.8;Ein Schatz wird gehoben;238
13;7 Wieder Alltag (1690–1692);244
13.1;Empfangen von der Herzogin;244
13.2;Kräftemessen mit Bossuet;249
13.3;Archivar und Briefautor;254
13.4;Nochmal Pellisson und Bossuet;259
13.5;Verbreitung der Physik;261
13.6;Das Neueste und Letzte vom Landgrafen;263
13.7;Leibniz wird berühmt als Mathematiker;264
13.8;Verdacht gegen eine Mutter;268
13.9;Ein Referent der Kurwürde;271
13.10;Den Kurhut auf dem Papier;276
13.11;Nachsicht mit den Schwärmern;277
13.12;Den neuen Hut liegen gelassen;279
14;8 Ein neues System (1693–1695);283
14.1;Der deutsche Patriot;283
14.2;Die Affäre Königsmarck;288
14.3;Hoffnung auf den Titel Geheimer Rat;291
14.4;Welfen und Este vereint;296
14.5;Nachfolger eines quälenden Vorbilds;297
14.6;Der Philosoph und die Kurfürstin;302
14.7;Hoch über den Konfessionen;305
14.8;Christian Thomasius und die Dissertation des Neffen;307
14.9;Vergleichende Sprachwissenschaft;309
14.10;Gesundheit, Selbstbeobachtung, Ärzte;313
14.11;Die Rechenmaschine;317
14.12;Das neue System seiner Metaphysik;319
15;9 Unter Papierbergen (1696–1698);324
15.1;Neu in der Klasse sieben;324
15.2;Verzettelt, auch aus Sorge vor Kritik;327
15.3;Rijswick, ein schmählicher Frieden;331
15.4;Das feindliche Wolfenbüttel entlarvt;332
15.5;Gespräche mit Helmont zu dritt;336
15.6;Familienpolitik;340
15.7;Novissima Sinica;343
15.8;Der allzu vielseitige Wissenschaftler;346
15.9;Der Zar wird bestaunt;351
15.10;Das Ende des Kurfürsten;356
15.11;Wie weit ist die Welfengeschichte?;358
16;10 Der höchste Ratgeber (1698–1704);363
16.1;Ein riskantes Spiel geht auf;363
16.2;‹The Jacobite Letter›?;367
16.3;Grosser Besuch;370
16.4;Ein Pfand für die Katholiken;374
16.5;Die Reise nach Wien im Jahre 1700;378
16.6;Den Gegner in die Zange nehmen;381
16.7;Die Union der Evangelischen;384
16.8;Dyadik und I Ching;387
16.9;Der Kaiser von China;391
17;11 Kalender für die Wissenschaft (1698–1703);394
17.1;Zunächst ein Observatorium;394
17.2;Ein erster Blick auf Berlin;398
17.3;Steht die Finanzierung, fällt die Entscheidung;400
17.4;Kleiner oder grosser Zuschnitt?;402
17.5;Theoria cum praxi;405
17.6;Ein Gelehrter am Berliner Hof;407
17.7;Unterschriften am Geburtstag;411
17.8;Es geht um Titel, aber auch um Geld;413
17.9;Schmerzlicher Abschied;417
17.10;Die Kärrnerarbeit bleibt;418
18;12 Die beste aller Welten (1701–1705);424
18.1;Berliner Gold;424
18.2;Argumente, frisch aus Rotterdam;427
18.3;Prinzenerziehung;432
18.4;Incognito unterwegs;433
18.5;Eine Komödie;436
18.6;Gott nimmt sich einen Anwalt;437
18.7;Feuerkopf John Toland;446
18.8;Ein Buch über John Locke;451
18.9;Prinzessin Caroline;454
18.10;Die Einzigartige geht;457
18.11;Ein Denkmal aus Worten, die Theodicée;460
19;13 Blüte und Frost (1706–1713;464
19.1;In Hannover an der Kette;464
19.2;Ein falscher Ratschlag – und doch wieder in Berlin;467
19.3;Gelehrte Herren in der Marine-Stube;472
19.4;Das Seidenwerk und eigene Räume;479
19.5;Drei Kronen;484
19.6;Die Miscellanea;486
19.7;Die Vertrauenskrise;488
19.8;Die Inauguration lockt;490
19.9;Die letzten Jahre als Präsident;493
20;14 England als Schicksal (1705–1712);496
20.1;Keine Einladung für die Welfen;496
20.2;Ein Sprengsatz auf Englisch;499
20.3;Das Bildnis des Pretenders;503
20.4;Drei Feldherren;504
20.5;Der Diener zweier Herren in der Klemme;506
20.6;Anton Ulrichs Verwandlung;510
20.7;Englands höchster Adel;511
20.8;Wettstreit mit Newton;512
20.9;Eine Kommission als Tribunal;515
20.10;Mit Widukind bei Premier Bernstorff;519
20.11;Haushistoriker und Bibliothekar;521
20.12;Die Rechenmaschine;525
20.13;Ein Schnellschuss-Gewehr;528
20.14;Von Helmstedt nach Zeitz;529
21;15 Für Zar und Kaiser (1707–1714);531
21.1;Mit den Gedanken in Russland;531
21.2;Mehr als nur Briefträger;534
21.3;Die Hochzeit in Torgau;536
21.4;Grosses Welttheater und ein Spielzeug;540
21.5;Karlsbader Papier;543
21.6;Die Nähe des Kaisers;547
21.7;Hannover besänftigen;552
21.8;Reichshofrat mit dem falschen Gehalt;556
21.9;Schwächen und Stärken;558
21.10;Kanzler von Siebenbürgen oder Archivdirektor?;560
21.11;Prinz Eugen;564
21.12;Ein Spiegel ohne Fenster;568
21.13;Leidenschaftliche Gefühle?;571
21.14;Hannover im Blick;573
21.15;Das andere hannoversche Genie;574
21.16;Ein tödlicher Konflikt;576
22;16 Dem Ende entgegen (1714–1716);581
22.1;Heimkehren, um überzusetzen;581
22.2;Ein sprechender Hund und ein Perpetuum mobile;587
22.3;Das Ende der Rechenmaschine;591
22.4;Druck auf einen säumigen Historiker;593
22.5;Vollendete Geschichtsschreibung;595
22.6;Noch einmal den Zaren sehen;597
22.7;Merkwürdige Helfer in Wien;600
22.8;Ein Kranker will reisen;603
22.9;Streit um den Weltuhrmacher;608
22.10;Schreckensmeldungen aus Wien;613
22.11;Besuch eines alten Berliners;615
22.12;Die letzten Tage;616
22.13;Das Sterben;618
22.14;Zweimal beigesetzt;621
23;Ein Nachruf;626
24;Danksagung;632
25;Bildnachweis;634
26;Zeittafel;636
27;Register;644
28;Tafelteil;661
29;Zum Buch;669
30;Über den Autor;669


2 Pariser Ernte
Das Geheimnis der Zahl Pi  Schon recht lange war Leibniz nicht bei seinem Mentor und Förderer zu Besuch gewesen, als er sich, wohl angemeldet und im Sonntagsstaat, am vorletzten Tag des Jahres 1673 auf den Weg zur Königlichen Bibliothek begab, um dem verehrten Christiaan Huygens in dessen Wohnung seine Aufwartung zu machen und zum bevorstehenden neuen Jahre den Segen des Himmels und gute Gesundheit zu wünschen. Diesmal hat er keine neue mathematische Entdeckung in der Tasche, aber während man so zusammensteht, sich nach dem werten Befinden erkundigt und sich gegenseitig Komplimente macht, lässt Leibniz die Bemerkung fallen, er sei im Besitz einer Formel, die den Inhalt einer Kreisfläche exakt angebe. Christiaan Huygens war sofort wie elektrisiert. Die Berechnung der Kreisfläche, auch die ‹Kreisquadratur› genannt, weil es seit langem um die Aufgabe ging, die Kreisfläche zu einem Quadrat umzurechnen, dies Problem beschäftigte ihn wie kaum ein anderes. Man vermochte die Zahl Pi, die man dazu brauchte, schon auf viele Stellen hinter dem Komma zu berechnen, wusste aber nicht, ob sie eine endliche Zahl sei. In der Hoffnung, nun doch jemanden gefunden zu haben, der ihm das beweisen konnte, riet Huygens dem Besucher, sich mathematische Bücher zu leihen, und wies ihn besonders auf ein Werk des bedeutenden Schotten James Gregory hin, seines alten Gegners. Die britischen Mathematiker hielten Pi für eine Zahl, die sich nicht als Wurzel oder Bruch ausdrücken lässt. Über diese Frage war Huygens fünf Jahre zuvor (1668) mit Gregory in Streit geraten. Seine Einwände hatte der cholerische Schotte dem Holländer nicht verzeihen können, und das hiess damals, dass sich Huygens gleich alle Briten zu Gegnern gemacht hatte. Leibniz ahnte, er werde, wenn er zu der Frage Stellung nähme, selbst zwischen die Fronten geraten. Trotzdem hat er sich in den folgenden Wochen, wie er sollte, eingehend mit den Ansichten von Gregory befasst. Seinem Mentor konnte er nach langen Mühen immerhin den Gefallen tun zu zeigen, dass der Beweis von Gregory (gegen die Möglichkeit einer algebraischen Kreisquadratur) einen Fehler enthielt. Insgesamt aber war dessen Ansicht und Beweis richtig, und Huygens’ Hoffnung trog. Bald hatte Leibniz jedoch Huygens etwas Aufregendes vorzulegen, als er ihm eine (in sehr deutlicher und schöner Handschrift angefertigte) Zusammenstellung eigener geometrischer Entdeckungen schickte, darunter tatsächlich eine Reihe für Pi, die er ein Jahr zuvor entwickelt hatte. Doch nicht einmal dem vertrauten Huygens mochte er dazu eine Ableitung liefern, sie blieb dem Meister daher unverständlich, und er musste erst um einen Beweis bitten. Den reichte Leibniz im Oktober (1674) nach. Die Reihe ist, so empfinden es viele Mathematiker, von ungewöhnlicher Schönheit. Doch auch Huygens erwies sich als Meister. Die von Leibniz nun endlich vorgelegte Ableitung konnte im November durch ihn, den grössten lebenden Mathematiker, mit kleinen Bleistiftnotizen noch verbessert werden, ehe er sie dem Verfasser zurückgab. Es ist eine Entdeckung, die auch auf den Aussenstehenden viel Eindruck macht und noch heute ‹Leibniz-Reihe› genannt wird. Mit ihr gelang es Leibniz, die unheimliche und unfassbare Zahl Pi scheinbar ganz einfach anzugeben, indem er zeigte, dass sie, wenn man sie zunächst einmal durch vier teilt, einer verblüffend einfach gebauten Summe entspricht: p/4 = 1/1 - 1/3 + 1/5 - 1/7 + 1/9 -  … und so weiter. Bis ins Unendliche. Erkennbar ist, dass nur die Vorzeichen immer wechseln und die Nenner der Brüche als ungerade Zahlen aufsteigen. Das Muster ist so einfach, dass man sich wundert, wieso sich Pi, teilt man es nur durch vier, als so regelmässig erweist. Noch erstaunlicher ist, wieso das der junge Jurist aufdecken und dann auch noch beweisen konnte. Er hatte die Reihe abgeleitet aus seinem neuen ‹Transmutationssatz›, mit dem sich generell Flächen bestimmen liessen. Er musste dabei den Vorgang nicht mehr mit Worten oder gezeichneten Strecken beschreiben, sondern rechnete mit Buchstaben-Bezeichnungen. Die Überlegungen seiner Vorgänger waren schwerfällig und starr; erst durch die Leibnizsche Kunst der Bezeichnung sind die Schritte leicht zu erfassen und flüssig darstellbar. Das genau ist der Fortschritt beim Übergang von der ‹geometrischen› Methode der älteren Schule zur ‹analytischen› Darstellungsweise bei Leibniz. Der gleiche Vorteil wird sich alsbald auch bei der neuen Mathematik der Kurven und Flächen zeigen. Huygens hat sich in den Transmutationssatz, den Leibniz ihm vorgelegt hatte, vertieft, war auch noch in der Lage, ihn zu verstehen, und billigte ihn, aber die weitreichende Bedeutung dieser neuen Schreibweise konnte er nicht mehr erkennen. Zum ersten Mal zeigte sich bei ihm eine Hemmung gegenüber den eleganten Neuerungen, die Leibniz vorschlug. Der 45-jährige Huygens war nicht mehr beweglich genug, um den Fortschritt zu sehen, den die neue Methode eröffnete. Die Leibniz-Reihe ist heute noch so verblüffend wie damals. Allerdings war Leibniz nicht der Erste, der eine Kettenreihe für Pi gefunden hat. Der Schotte James Gregory hatte sie so ähnlich drei Jahre vor Leibniz ebenfalls entwickelt, was aber noch niemand auf dem Kontinent ahnte. Immerhin konnte Leibniz die Reihe viel eleganter ableiten und beweisen und in schönerem Gewand niederschreiben, denn Gregor hatte die numerische Darstellung von Pi/viertel, die Leibniz gelang, nicht bemerkt. Dass Pi eine irrationale und transzendentale Zahl ist, wurde erst mehr als zweihundert Jahre später, 1882 durch die deutschen Mathematiker Ferdinand von Lindemann und Karl Weierstraß bewiesen. Das bedeutet unter anderem, dass, wenn man Pi mit Stellen nach dem Komma schreibt, diese Stellen niemals abbrechen. Unnötig deshalb, dass man Pi in der Gegenwart mit starken Computern auf zwei Milliarden Stellen ausgerechnet hat, denn es kann sich kein Muster und kein Ende ergeben. So elegant, wie Leibniz ein Viertel Pi als Kettenbruch dargestellt hat, wollte sich diese Zahl nie wieder zeigen. Ein Erfinder wird bestaunt Es war ein mühsamer Weg zur Rechenmaschine. Alle Handwerker, die Leibniz in Paris beschäftigte und aus seinen geringen Ersparnissen bezahlen musste, hatten die Lust verloren, doch dann fand Leibniz in dem Mechaniker Olivier einen ungewöhnlichen Könner, der die revolutionäre Maschine herzustellen wusste. Im Sommer 1674 ist das neue Modell endlich einigermassen funktionsfähig. Nun hat der stolze Erfinder das Stück gern in seiner Nähe, er führt es, ohne sich lange bitten zu lassen, anderen Leuten vor, und sein Ruhm als Erfinder verbreitet sich unter Pariser Wissenschaftlern. Wie seine Erfindung im Inneren aussieht, hat Leibniz jedoch nie verraten. Da diese Maschine später verloren ging, wüsste man es auch heute nicht, wenn er sich nicht Einzelheiten auf Zetteln notiert hätte, die er so wenig wegwerfen konnte wie alle seine Papiere und Notizen. Ausserdem ist ein späterer Bau, der wohl recht ähnlich ist, bis heute erhalten. Mit der Rechenmaschine sozusagen unter dem Arm, traut sich Leibniz am 15. Juli (1674), endlich wieder – nach fast einem Jahr des Schweigens – an Oldenburg zu schreiben. Das Instrument errege Aufsehen, und er hoffe, der Royal Society die Maschine bald vorführen zu können. Nur wisse er noch nicht, wann er kommen könne, denn seine Zeit sei sehr ausgefüllt mit Aufträgen hochgestellter Persönlichkeiten. Dabei beschreibt er die Maschine: Alles sei leicht auszuführen, ohne dass man den Geist anstrengen müsse. Im gleichen Brief an Oldenburg heisst es: In der Mathematik habe er einiges gefunden, und zwar «mehr durch glückliche Eingebung als durch langwieriges Studium». Natürlich erwähnt er gern sein Prunkstück, die Reihe für Pi, doch die Engländer bekommen, wie damals üblich, nur Andeutungen. Oldenburg antwortet erst am 18. Dezember (1674), und er schreibt recht zurückhaltend. Die Rechenmaschine, mit deren wohlwollender Bewertung sich Oldenburg in London einmal blamiert hat, begrüsst er zwar, nennt sie aber nun «das Instrumentchen». Von der Kreisquadratur meint er ganz allgemein, Newton und Gregory hätten da umfassende Methoden. Leibniz soll offenbar ebenfalls nichts Näheres erfahren und deutet sich die Mitteilung so, die Engländer seien überhaupt noch nicht in der Lage, solche Flächen zu berechnen. Der Brief, der den Empfänger wohl eher...


Eike Christian Hirsch war nach seinem Studium der Theologie und Philosophie jahrzehntelang Redakteur im Hörfunk des NDR und ist heute Journalist in Hannover. Einem breiten Leserkreis ist er bekannt geworden durch seine Sprachglossen.



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