E-Book, Deutsch, 218 Seiten
Höhn / Liedtke Der Weg von Ihrem Herzen bis zu Ihrer Tasche ist sehr weit
1. Auflage 2009
ISBN: 978-3-455-40186-8
Verlag: Hoffmann und Campe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Aus dem Briefwechsel zwischen Heinrich Heine und Julius Campe
E-Book, Deutsch, 218 Seiten
ISBN: 978-3-455-40186-8
Verlag: Hoffmann und Campe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Heine und seinen Verleger verband »eine gute literarische Ehe, wo man Lieben, aber auch Schmollen und grollen darf, damit wieder Platz für die Liebe gewonnen wird, die sich dadurch verjüngt«, wie Campe schrieb. Gemeinsam stritten sie für Geistesfreiheit, gegeneinander rangen sie um Honorare und Termine. Die Heine-Spezialisten Gerhard Höhn und Christian Liedtke präsentieren eine kommentierte Auswahl aus dem geistreichen Schlagabtausch der beiden und zeichnen ein Doppelporträt, das den Dichter der Liebe und der Revolution von einer unbekannten Seite zeigt und mit dem »Odysseus des deutschen Buchhandels« (Heine über Campe) eine der bedeutendsten Verlegerpersönlichkeiten Deutschlands vorstellt.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
EINE »LITERAIRISCHE EHE«
ZU BEGINN DER MODERNE
Heinrich Heine und Julius Campe War es Zufall, war es Schicksal, was sich Ende Januar 1826 in Hamburg zugetragen hat? Legenden ranken sich um die ungewöhnliche Begegnung zweier Männer, Stilisierungen haben die Zeugnisse der Zeitgenossen abgewandelt. Wie auch immer sich die Begegnung tatsächlich abgespielt haben mag: Das Zusammentreffen von Julius Campe und Heinrich Heine war eine Sternstunde der modernen deutschen Literatur. Zum einen trat ein wagemutiger frühkapitalistischer Verleger in Erscheinung, der über Jahrzehnte das Werk eines jungen und progressiven Autors betreuen und durchsetzen sollte – ein Prototyp des modernen Unternehmers traf auf einen Prototyp des modernen Berufsschriftstellers. Zum andern war die Begegnung so exemplarisch, weil die beiden zu Freunden gewordenen Geschäftspartner während ihres gesamten späteren Berufslebens über den ökonomischen Wert einer ganz neuartigen Ware erbittert gestritten und die neuen Marktgesetze manifest gemacht haben. Dreißig Jahre nach dem Ereignis hat Julius Campe folgende Eindrücke der ersten Begegnung mit seinem berühmtesten Autor festgehalten: Mein erstes Zusammentreffen [mit Heine] war folgendermaßen: ich stand in meinem Laden und verkaufte, da trat ein junger Mann herein und forderte Heine’s Tragödien. Ich reichte ihm ein sauber gebundenes Exemplar. »Ach, das ist mir lieb, daß das Buch gebunden ist.« Während er das Exemplar besah, ging ich nach der Seite, wo die Dichter aufgestellt waren, brachte ihm die Gedichte desselben Verfassers. »Lieber Herr, fiel er mir hastig in das empfehlende Wort, die mag ich nicht – ich verachte sie!« – »Wie, sagte ich, Sie verachten sie? dann haben Sie es mit mir zu thun!« – »Lieber Herr, ich kenne sie besser, als Sie, denn ich habe sie geschrieben.« – »Nun, mein Herr Doctor, wenn Sie wieder ein Mal so etwas Wertloses produciren und Sie haben gerade keinen bessern Verleger, so bringen Sie sie mir und ich werde mir eine Ehre daraus machen, meine Firma darauf zu setzen.« – »Scherzen Sie nicht mit mir, ich könnte Sie auf die Probe stellen.« – »Sie würden dann erfahren, dass ich probehaltig bin.« – Am andern Tag kam Heine, bezog sich auf jenes Gespräch und sagte: »Sie waren gestern so freundlich, sich zu meinem Verleger anzubieten, in der That habe ich etwas druckfertig; haben Sie nicht gescherzt, so bin ich bereit, Ihnen mein Werk zu übergeben. Es sind Reisebilder, Harzreise, 77 Gedichte.« – »Es ist gut: Sie geben mir ein Buch, auf dessen Titel Ihr Name steht, und das 25 Bogen füllt. Wie viel Honorar nehmen Sie in Anspruch?« – »30 Louisdor. « – »Gut! Es wäre Ihnen genehm, wenn ich Ihnen die Zahlung leistete?« – »Oh, das wäre mir sehr genehm!« – Seit diesem Tage war Heine jeden Tag in meinem Laden und wir wurden intime Freunde.1 Heines überraschendes (Rollen-) Verhalten oder die Authentizität der Dialoge einmal dahingestellt – vieles springt bei dieser Schilderung bereits ins Auge, was für die lebenslange Verbindung der beiden typisch werden sollte. So fällt zuerst das spontane Einverständnis zwischen dem damals neunundzwanzigjährigen, stellungslosen Doctor juris und dem dreiunddreißigjährigen Verleger auf. Sofort erkennt Campe den literarischen Rang des schreibenden Akademikers, der in Berlin zwei vielversprechende, aber selten verkaufte Bücher publiziert hatte. Dann sticht die ›drohende‹ Bereitschaft des Verlegers hervor, seinen Autor auf Teufel komm raus zu verteidigen, für ihn durch dick und dünn zu gehen (»dann haben Sie es mit mir zu thun!«). Genauso verdient seine Entschlossenheit Beachtung, »probehaltig«, also standfest zu sein, hat sich doch Campe später tatsächlich für keinen anderen Autor so eingesetzt wie für sein Aushängeschild Heine. Ferner überrascht sein Bekenntnis zur »intimen« Freundschaft von der ersten Stunde an, die ihre ganze Beziehung prägen sollte. Schließlich versetzt die Regelung des Geschäftlichen in Erstaunen. Der Rhythmus ihrer gesamten späteren Korrespondenz wird von dem immer gleichen Ablauf bestimmt: Heine macht ein Angebot; der Verleger zeigt sich einverstanden; dann stellt sich die Frage des Umfangs, bevor der zentrale Punkt geklärt wird: das Honorar. Hier ist die Erinnerung bemerkenswert knapp und trocken: Wieviel? Soviel! Sofort? Bestens! Verwunderlich ist jedoch, was Campe in seiner Erinnerung übergeht, wenn nicht verdrängt, nämlich auf welch schlimme Proben der »probehaltige« Verleger ständig gestellt worden ist, etwa durch die zähen Honorardiskussionen, die verspäteten Manuskriptlieferungen oder die Zensurfrage, allesamt Konfliktquellen, welche die Partnerschaft gelegentlich bis an den Rand des Bruches gebracht haben. Doch sie hielt allen Belastungen stand. Die eigenartige Begegnung in dem Buchladen in der Hamburger Bohnenstraße war der Beginn einer dreißigjährigen Erfolgsgeschichte. Das Zusammentreffen kam für beide genau zur rechten Zeit. Der junge Dichter hatte durch seine Tragödien und einen Gedichtband zwar schon einiges Aufsehen erregt, wirklich bekannt war er aber bislang nur in literarischen Zirkeln. In Campe fand er nun den umtriebigen Verleger, der ihm zu dauerhaftem Erfolg in ganz Deutschland verhelfen konnte. Dieser wiederum war noch auf der Suche nach einem eigenen, unverwechselbaren Profil für seine Firma, die er erst vor knapp drei Jahren übernommen hatte. Als Heine in seinen Laden trat und ihm die Reisebilder anbot, hatte er gefunden, wonach er suchte: »Erst durch Heine erhielt der Verlag ein Gesicht. Durch ihn wurde Hoffmann und Campe zu Hoffmann und Campe, zu einem Verlag mit einem literarischen und politischen Programm.«2 Wer war dieser Mann, der bis auf zwei Ausnahmen von den Reisebildern bis zu den Vermischten Schriften alle deutschsprachigen Bücher Heines gedruckt hat? Zeitzeugen beschrieben ihn als gedrungene Gestalt mit Stiernacken und abfallenden Schultern, mit markanten Gesichtszügen und hellen, entschlossen dreinschauenden Augen – insgesamt ein sehr norddeutscher Typ.3 Seine Persönlichkeit erscheint dagegen als eine originelle Mischung aus profiliertem Geschäftsinteresse und politischen Ambitionen, Kalkül und Witz, »Biederkeit und Durchtriebenheit« – eine für die Zeitgenossen verwirrende »Janusköpfigkeit«4, die sein Buchillustrator Johann Peter Lyser auf den Punkt brachte, als er ihn mit einem Heiligenschein aus Geldmünzen karikierte.5 Trotz aller Hochschätzung sah Heine sich sogar veranlaßt, seinen Schriftstellerkollegen Karl Immermann zu warnen: »Campe ist ein ächter Buchhändler – es ist alles damit gesagt; es ist eine Sünde wollte man generöse gegen ihn seyn. Sehen Sie sich vor.«6 In den hier ausgewählten Briefen an seinen Lieblingsautor charakterisiert Campe sich selbst als prinzipienfesten Mann mit starken Überzeugungen und hoher Pflichtauffassung, dessen Interesse über den Buchhandel weit hinausgeht. So ist er sich bewußt, als Verleger der jungen, oppositionellen Literatur über ein probates Mittel zu verfügen, »etwas wirken zu können« (S. 52). Dafür ist er bereit, Verfolgungen durch die Zensurbehörden und polizeiliche Verhöre in Kauf zu nehmen. Sein fortschrittlicher Patriotismus – 1813 nahm er als Freiwilliger im Lützowschen Freikorps an den Befreiungskriegen gegen Napoleon teil – ließ ihn zum Vorkämpfer des deutschen Buchhandels werden, Ausdruck seines politischen Engagements für Fortschritt und Freiheit in Deutschland, das sich spätaufklärerischer Tradition verdankt. Julius Campe wurde 1792 im niedersächsischen Deensen geboren und stammte aus einer Buchhändlerfamilie. Schon sein berühmter Onkel Joachim Heinrich Campe, Erfolgsautor und einer der bedeutendsten Reformpädagogen der Aufklärung7, war Verleger, wie seine Halbbrüder Friedrich in Nürnberg und August in Hamburg.8 Dort, in der von August geführten Sortiments- und Verlagsbuchhandlung Hoffmann und Campe, ging der dreizehnjährige Julius in die Lehre. 181 1 wurde er Gehilfe bei Maurer, einer der größten Buchhandlungen in Berlin. Nach dem Erlebnis der Befreiungskriege und insgesamt drei Jahren beim Militär prägte ihn vor allem ein zweijähriger Aufenthalt in Italien – eine Zeit, von der dieser gänzlich pragmatisch veranlagte Mann sein Leben lang in ungewöhnlich schwärmerischen Tönen sprach. Nach seiner Rückkehr wagte er den Schritt in die Selbständigkeit: 1 823 übernahm er die Firma seines einstigen Lehrherrn August, für die er nach eigenen Angaben zehn Jahre lang jeweils 10000 Mark Banco bezahlen mußte. Das Verlagsprogramm des vergleichsweise kleinen Unternehmens bestand in der Hauptsache aus schöner Literatur, gefolgt von Sachbüchern sowie politischen und pädagogischen Schriften, Lehrbüchern und Hamburgensien.9 Erst Band 1 der Reisebilder, den Campe – wenn man seiner Erinnerung vertraut – dem jungen Autor blind abkaufte, verhalf dem Verlag, der bis 1826 lediglich regional bedeutsam war, zum Durchbruch und machte ihn zu dem Verlag der modernen, politisch engagierten Literatur in Deutschland. Denn das Buch markierte den Beginn einer neuen literaturgeschichtlichen Epoche; das spürten bereits Zeitgenossen wie Arnold Ruge: »Heine, wie er [...] mit den Reisebildern [...] auftritt, ist der Poet der neuesten Zeit. Mit ihm lebt in der Poesie eine Emancipation von dem alten Autoritätsglauben und ein neues Genre auf.«10 Mit Heine profilierte sich ein neuer Schriftstellertypus, für den der Verlag der Reisebilder...