E-Book, Deutsch, 128 Seiten
Hofbauer Tanz mit dem eigenen Ich!
2. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7584-0819-9
Verlag: epubli
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Schicksale als Chancen sehen und Resilienz erfahren
E-Book, Deutsch, 128 Seiten
ISBN: 978-3-7584-0819-9
Verlag: epubli
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Michael Hofbauer ist 25 Jahre jung, kommt aus Oberösterreich, war seit 2019 bis 2023 berufstätig als Robotik Applikateur und arbeitet nun seit 2024 als Netzwerktechniker für Wasserkraftanlagen, hat langjährige Erfahrung als YouTuber und Mediendesigner. Lebt offen mit der Diagnose HIV-positiv und setzt sich gegen Diskriminierung und Stigmatisierung jeglicher Art mittels Öffentlichkeitsarbeit ein. Ist ehrenamtlich als Positiv Buddy, ein Begleiter für HIV-positive Menschen, bei der Aids-Hilfe Oberösterreich tätig. Hat am 1. Dezember 2022, am Welt-AIDS-Tag, sein erstes Buch namens 'Tanz mit dem eigenen Ich!' veröffentlicht. Im Sommer 2023 wurde dann sein zweites Buch 'Die Staffelei des Lebens' publiziert. Sein drittes Buch 'Ist es das was du willst?' folgte dann im Sommer 2024.
Autoren/Hrsg.
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Die rote Schleife
Beginnen wir mit einer intensiven Geschichte, welche mein Leben innerhalb kürzester Zeit auf den Kopf gestellt hat. Wissen Sie, das Leben bringt so viele verschiedene Eindrücke mit sich, es kann wunderschön, spannend, euphorisch, aber es kann ebenso oft verwirrend, traurig und frustrierend sein und manchmal steht man vor einer Wand und weiß einfach nicht mehr weiter. All diese Eindrücke zeichnen das Leben aus und eine Realität, in der man sich unglaublich sicher und wohl fühlt, kann von einem zum anderen Moment zu einem Albtraum werden. Meine Rede ist hier von Schicksalsschlägen, die uns unser Leben lang zeichnen, einschüchtern und oder verängstigen können. Für die einen ist der Verlust eines geliebten Menschen ein enormer Schicksalsschlag und für andere reicht es bereits, wenn die Kaffeemaschine an einem Morgen nicht die gewünschte Tasse Kaffee zubereitet. Wie Sie sehen, auch Schicksalsschläge werden von Person zu Person unterschiedlich bewertet und behandelt. Die Gesellschaft gibt uns jedoch oftmals vor, was ein Schicksalsschlag ist und wie man sich dabei zu verhalten hat, obwohl man das vielleicht gar nicht möchte. So müssen wir beim Verlust eines geliebten Menschen unbedingt Trauer und Niedergeschlagenheit zeigen. Würden wir das nicht tun, so würden wir unsere Mitmenschen dermaßen irritieren und von ihnen eventuell als unsensibel oder merkwürdig abgestempelt werden und das wollen wir doch nicht, richtig?
Alles Quatsch! Wir leben oft nach den Vorgaben der anderen, müssen einem perfekten Abbild des Menschen entsprechen und dürfen ja nicht aus der Reihe tanzen. Keine Frage, es gibt Menschen, die zum Beispiel Ihre Trauer wirklich genauso, wie vorhin beschrieben, zeigen wollen, weil sie sich dadurch besser fühlen, jedoch brauchen Viele etwas gänzlich anderes, um sich von so einem Schock wieder erholen zu können. Das Problem liegt darin, dass es meistens an Selbstbewusstsein und Mut fehlt, um diesen gesellschaftlichen Vorgaben entgegenzuwirken und seine selbstangelegten Ketten zu sprengen. Also, achten Sie unbedingt auf das was Sie in Ihrem Inneren fühlen und gehen Sie dem auch selbstbewusst nach!
Jetzt aber genug geredet, ich schätze, Sie wollen nun sicher wissen, welch vermeintlicher Schicksalsschlag mich getroffen hat und warum ich nun solche Reden schwinge. Machen wir einen kleinen Ausflug in meine Vergangenheit. An dem Tag, an dem ich diese Zeilen schreibe, ist es ungefähr dreieinhalb Jahre her seit dem Geschehnis. Alles begann im Oktober 2018. Damals war ich als Sanitäter bei der Rettung tätig und absolvierte meinen neunmonatigen Zivildienst. Es war eine großartige Arbeit, welche mir immer wieder die Augen öffnete. Ich realisierte, dass es so vielen Menschen auf dieser Welt schlechter im Vergleich zu mir geht und diese ständig mit ihren Problemen zu kämpfen haben. Die Wehwehchen, über die wir immer jammern, sind nichts im Vergleich zu dem, was Menschen, die zum Beispiel täglich zur Dialyse oder sich einer Chemotherapie unterziehen müssen, durchmachen müssen! Tag für Tag durfte ich interessante und teils erschreckende Geschichten der Betroffenen erfahren und lernte viele verschiedene Blickwinkel kennen, wie Menschen ihre Schicksalsschläge behandelten. Eine wahnsinnig lehrreiche und wichtige Zeit, welche mein Leben definitiv bereichert hat!
Parallel lernte ich in dieser Zeit einen sehr lieben Mann über eine Dating-Plattform kennen. Wir trafen uns, verstanden uns bestens und wie es das Schicksal so wollte wurden wir Anfang Dezember 2018 ein Paar. Dies war eine ganz neue Situation für mich, da es meine erste richtige Beziehung mit einem Mann war und ich selbst wenig Erfahrung hatte mit Beziehungen bzw. damals generell erst seit kurzem in der Szene aktiv war. Also ließ ich mich ganz und gar fallen und wartete, dass die Dinge auf mich zukamen. Mit einem Partner an der Seite ist es einfach wunderbar, man schenkt sich Vertrauen, ist füreinander da und baut sich ein gemeinsames Leben auf. Alles lief harmonisch und die Zeit verging wie im Flug.
Eine Beziehung umfasst sehr viele verschiedene Aspekte und in Partnerschaften spielt bei den einen Sexualität eine größere und bei den anderen eine kleinere Rolle. Wir zwei wussten, dass dies ein wichtiges Thema für uns sei, und dementsprechend mussten wir es gemeinsam auch so behandeln. Wenn es aber um Sexualität geht, so darf man Geschlechtskrankheiten nicht außer Acht lassen! Wie Sie wissen, Sex kann so wundervoll und leidenschaftlich sein, man lässt den Gefühlen freien Lauf und fühlt sich ganz und gar großartig. Man darf jedoch nicht vergessen, dass Sex ebenso viele Gefahren bergen kann. Leider passiert es oftmals, dass das Thema Geschlechtskrankheiten untergeht und nie mit der Partnerin oder dem Partner behandelt wird, obwohl es so wahnsinnig wichtig ist. Mein damaliger Partner und ich waren zwar keine scheinheiligen Schafe und uns waren definitiv nicht alle Risiken bewusst, jedoch testeten wir uns beide auf HIV und führten eine monogame Beziehung. So vertrauten wir uns vor allem in diesem Aspekt sehr und ließen dementsprechend auch häufig das Kondom weg.
Ende Jänner 2019 wurde mein damaliger Partner schwer krank. Er bekam eine heftige ‘‘Grippe‘‘ mit allerlei Symptomen wie Gliederschmerzen, Kopfschmerzen, Schüttelfrost und er hatte rund 40° Fieber. Zuerst dachten wir uns nicht viel dabei und dass er sich schlicht und einfach wieder auskurieren müsse. Für uns war es nicht weiter besorgniserregend, da er bereits, seit mehr als einer Woche in seiner eisigen Wohnung schlafen musste. In demselben Zeitraum, wo sich alles abspielte, ist nämlich seine Heizung ausgefallen und die Temperaturen draußen waren unglaublich eisig. Das war somit die logischste Erklärung, weshalb er sich so eine starke “Grippe“ eingefangen hatte. Nachdem das Fieber nach drei Tagen noch immer nicht sank und schlimmer wurde, ließ ich ihn in meiner Wohnung schlafen, sodass er sich wieder erholen konnte. Weitere drei Tage hat es gedauert, bis er wieder einigermaßen fit war und wieder arbeiten gehen konnte. Irgendetwas war jedoch komisch. Das spürte er. Er erklärte mir, dass er sich nach dieser ‘‘Grippe‘‘ irgendwie merkwürdig fühlte, es war nicht zu vergleichen wie nach herkömmlichen Krankheitsphasen, die er bereits hinter sich hatte. So fühlte er sich noch nie.
Ein paar Tage später, als ich ihn wieder besuchte und wir einen schönen Abend miteinander verbringen wollten, zeigte er mir seine Brust. Darauf war ein eigenartiger roter Ausschlag zu sehen. Er selbst war ein bisschen besorgt, weil er nicht wusste, weshalb er diesen Ausschlag nun plötzlich hatte. Es sprach wieder nichts dafür in Panik zu geraten, da der Ausschlag womöglich eine Nachwirkung der ‘‘Grippe‘‘ war.
Weitere Tage vergingen. Der 5. Februar 2019, es war ein entspannter Dienstagabend, ich trainierte gerade und war total in meinem Element, als mir mein Exfreund plötzlich ein Bild sendete. Ich entsperrte mein Handy, öffnete den Messenger, downloadete das Bild und erkannte einen HIV-Schnelltest. Ich dachte mir im ersten Moment: “Na gut, was soll ich nun damit?“. Ich zoomte in das Bild hinein und dann erkannte ich es. Wie bei allen Antikörpertests wird auch ein HIV-Antikörpertest mit zwei Streifen ausgewertet. Den Test selbst erhält man in jeder Apotheke um rund 20 - 25€ und dieser liefert innerhalb von 20 Minuten ein Ergebnis. Hierbei ist wichtig, dass der Antikörpertest erst nach drei Monaten nach einem Risikokontakt verlässliche Ergebnisse liefert. Der erste Streifen des Tests, welcher normalerweise sofort sichtbar wird, nachdem die Probe hinzugefügt wurde, zeigt der Testperson an, ob der Antikörpertest gültig oder ungültig ist. Der zweite Strich gibt Aufschluss, ob der Test nun positiv oder negativ ausgefallen ist.
Nun hatten wir ein Problem. Der erste Streifen auf dem Antikörpertest meines Exfreundes war klar zu sehen, alles so weit so gut, jedoch konnte man den zweiten Streifen ebenso ganz leicht erkennen. Jetzt bahnte sich langsam, aber sicher, ein unwohles Gefühl in mir an. Ich merkte, dass irgendetwas in meine Komfortzone eingedrungen ist und meine Gelassenheit und positive Einstellung in den Abgrund ziehen wollte. Dies war eine gänzlich unbekannte Situation für mich.
Da stand ich nun in meiner Wohnung, ohne zu realisieren was eigentlich los war. Mein Handy begann daraufhin zu vibrieren. Ich starrte auf das Display, wartete kurz und nahm danach unsicher den Anruf entgegen, ohne zu wissen, was gleich passieren wird. Plötzlich hörte ich am anderen Ende der Leitung jemanden weinen. Es war mein Exfreund. Er war am Boden zerstört und konnte sich wegen seiner Angst und Trauer kaum mehr einkriegen. Wissen Sie, mein Exfreund ist damals vor zirka fünf Jahren aus seinem Heimatland geflohen, aufgrund seiner Homosexualität. Man mag es kaum glauben, dass so etwas möglich ist, jedoch werden in seinem Heimatland homosexuelle Menschen verfolgt, entführt, gefoltert, erfahren sexuelle Gewalt oder werden skrupellos von ihren Mitmenschen getötet. Und das alles, weil sie einen Menschen lieben, welcher das gleiche Geschlecht besitzt. Die Welt kann einfach so grausam sein! Sogar die Polizei, die normalerweise als Freund und Helfer angesehen wird, hilft dort queeren Menschen nicht. Vielmehr wirkt sie bei den Verfolgungen mit und verhaftet homosexuelle und lesbische Menschen eher als sie zu unterstützen…
Ein Mensch, geprägt von seiner traumatischen Vergangenheit, aufgrund der Flucht aus seiner Heimat muss nun ebenfalls damit klarkommen, womöglich HIV-positiv zu sein. HIV-positiv zu sein bedeutet, dort wo er herkam, Sünde und diese wird in den meisten Fällen mit dem Tod bestraft. In seinem Heimatland wird der HIV-Status, genauso wie es bei uns oft der Fall ist, als Krankheit der Schwulen abgestempelt,...