Hofmann | Capucine | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 200 Seiten

Hofmann Capucine

Unsere vergessene Hollywood-Ikone
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7296-2318-7
Verlag: Zytglogge
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Unsere vergessene Hollywood-Ikone

E-Book, Deutsch, 200 Seiten

ISBN: 978-3-7296-2318-7
Verlag: Zytglogge
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Wer erinnert sich noch an Capucine? In den Fünfzigerjahren stieg die junge Französin, eine klassische Schönheit, vom gefragten Pariser Mannequin rasch auf zum gefeierten Hollywood-Star. Sie drehte mit Regisseuren wie Blake Edwards und Federico Fellini an der Seite von John Wayne, Peter Sellers, Romy Schneider u.v.a. und genoss ihr glamouröses Leben.Ihre letzten drei Jahrzehnte verbrachte sie in Lausanne, in der Nähe ihrer Freundin Audrey Hepburn, aber die Aufträge wurden seltener. Am 17. März 1990 beging Capucine, die das Alter und die Einsamkeit nicht länger ertrug, mit 62 Jahren durch einen Sturz von ihrem Balkon Suizid.Der Waadtländer Autor Blaise Hofmann nimmt uns mit auf seine Spurensuche nach dieser faszinierenden Frau, hinter die Kulissen der Haute Couture und des Filmbusiness. Barbara Traber hat ihre Geschichte aus dem Französischen atmosphärisch dicht übertragen.Filme u.a.: The Pink Panther, What’s New Pussycat?, Walk On The Wild Side, The Honey Pot, Song Without End, The Lion

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Die Mauer ist vor vier Monaten gefallen, in der DDR wird gerade gewählt. Die Seiten der Tageszeitungen werden umgeblättert, sie werden ohne sie umgeblättert. Die Rumänen haben ihren Tyrannen gestürzt. Nelson Mandela ist frei, das ist ein Neubeginn. In einer bis zum Hals zugeknöpften weißen Bluse und doppeltem Perlencollier hebt sie das Gesicht mit den geschminkten Wangen und Lidern, die Augenringe kaschiert, sie ist da und doch nicht da. Der Kellner geht zu seinem Gast des Samstagmorgens. Er gehört zu den Hartnäckigen, er weiß, dass sich hinter dem hochmütigen Verhalten Humor verbirgt, er versucht, ins Gespräch zu kommen. Sie schaut ihn an, prüfend, wie man den Horizont absuchen würde. Teilweise sonnig am Morgen, vorübergehend bewölkt, manchmal dicht ab Mittag, Regenschauer nachmittags nicht ausgeschlossen, nachts Wetterverschlechterung. Auf der anderen Seite des Fensters im Café Le Gros Minet scheint die Sonne auf die Vorübergehenden. In drei Tagen wird es Frühling sein, sagt der Kellner noch. Ihr Lächeln ist leicht verkrampft. Ihr Winter endet nicht mehr. WAAGRECHT 1. «Verharmlosen» in zehn Buchstaben, «ohne dass man es vermeiden kann». 4. «Ein Stück Land, von Wasser umgeben» – fünf Buchstaben. 9. «Was große Mühe macht» – sieben Buchstaben. SENKRECHT 1. «Überraschend und zutiefst verstörend» – sechs Buchstaben, «traurig und entmutigt» – zehn Buchstaben. 6. «Nicht mehr zu den Jungen gehörend» – drei Buchstaben. Sie wirft einen zerstreuten Blick auf die Kultur-Seiten. Verbrechen und andere Kleinigkeiten läuft nach wie vor. Sie hat den letzten Film von Woody Allen bewundert, sie möchte es ihm sagen können. Was für ein Weg seit Was gibt’s Neues, Pussycat?! Sie kann sich sehr genau erinnern. Um ihn zu treffen, war der Produzent ins Bitter End, einen Club in Greenwich Village, gegangen. Er wollte seinem Casting Schwung verleihen. Er hatte ihm 30 000 Dollar angeboten. Woody wollte 40 000. Es war seine erste Rolle, sein erstes Drehbuch. Das war vor fünfundzwanzig Jahren. Im Nachspann von Was gibt’s Neues, Pussycat? stand ihr Name in größeren Buchstaben als jener von Woody Allen. Sie war der Star neben Peter Sellers, Peter O’Toole und Romy Schneider. Françoise Hardy hatte auch eine kleine Rolle. Der Produzent hatte sich dem Willen der Produktionsfirma Fox gebeugt, sich dem herrschenden Puritanismus angepasst und eine Sequenz, die auf der Terrasse eines Pariser Cafés gedreht worden war, gestrichen. Woody hat einen großen, schüchternen Kerl gespielt und sie eine bürgerliche Nymphomanin. Sie musste sich auf seinen Schoß setzen und schreien: Verführe mich! Charles Feldman – ihr Freund Charly – war der Produzent gewesen. Sie wohnten zusammen in Beverly Hills. Er, einer der bekanntesten Agenten von Hollywood, war es gewesen, der ihren Namen bei der Rollenbesetzung durchgebracht hatte. Das hatte sie erst viel später erfahren. Charly hatte ihr anvertraut: Du bist nie eine bessere Schauspielerin, als wenn du dich über deine Rolle als Dame von Welt lustig machst. Derweil in den Kinos von Lausanne: ABC: Gauner gegen Gauner von Claude Zidi ATHÉNÉE: Nikita von Luc Besson BOURG: Die Zeit der Zigeuner von Emir Kusturica CITY CLUB: Zu schön für Dich von Bertrand Blier GEORGES V: Verbrechen und andere Kleinigkeiten von Woody Allen PALACE: Geboren am 4. Juli von Oliver Stone ROMANDIE: Der Club der toten Dichter von Peter Weir Charly hatte das bevorstehende Ende der Filmsäle vorausgesagt, er fürchtete die negativen Auswirkungen durch das Fernsehen. SAMSTAG, 17. MÄRZ 1990 Sébastien, c’est fou von Patrick Sébastien, auf TF 1 Champs-Elysées von Michel Drucker, auf Antenne 2 Drei Einfrankenstücke für den Espresso und ein diskreter Blick zum Kellner. Sie überquert die Avenue de Cour und betritt die Metzgerei. Guten Tag, Madame Capucine, wie geht es Ihnen? Sehr gut, danke. Ihre Gesichtszüge verraten das Gegenteil. Sie wartet, bis sie an die Reihe kommt, sie zögert einen Moment und verlässt das Geschäft, ohne etwas zu kaufen. Der Verkäufer hat Augen wie ein besorgter Vater. Sie umgeht den Chemin de Primerose, schlägt stattdessen den Weg mit Büschen ein, eine Reihe Steinplatten über den Rasen einer öffentlichen Gartenanlage, ein kleines Paradies am Fuß ihres Wohngebäudes. Sie geht langsam, im Schatten von alten, moosüberwachsenen Kiefern. Es hat ein Bambuswäldchen und schon die ersten Primeln. Sie bleibt kurz stehen, schaut zum Himmel hinauf. Sie erreicht die Eingangshalle. Die Concierge scheuert den Boden, ohne den Kopf zu heben. Sie drückt auf den Knopf des Aufzugs, sie wühlt in ihrer Handtasche. Die zwei Türen öffnen sich, sie findet ihre Schlüssel nicht. Die Concierge richtet sich auf, geht zu ihr, steckt ihren Generalschlüssel ins Schloss und entfernt sich. Merci, Madame Demierre. Die Türen schließen sich hinter ihr. Ein, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, die Türen öffnen sich wieder, sie ist zu Hause. Es ist bald Mittag, aber sie hat den Appetit eines kleinen Vogels, füttert lieber ihre Katzen. Heute gibt es die doppelte Ration für Abyssinien, Burmese und Perceval. Auf ihrem Bridge-Tischchen liegen ein Brief und eine alte Predigt in Englisch, die sie sorgfältig kopiert hat. Sie legt diese so hin, dass man sie gut sieht, setzt sich aufs Sofa, zieht die Pumps aus, den Aschenbecher näher heran, steckt eine Mary Long auf ihre Zigarettenspitze. Sie raucht, sie macht nichts anderes als rauchen. Schließlich hebt sie den Deckel ihres Plattenspielers. Wie wenig wir doch sind.
Meine Freundin, die Rose,
sagte es mir heute früh.
In der Morgenröte wurde ich geboren,
getauft mit Tau.
Ich bin aufgeblüht,
glücklich und verliebt
mit den Sonnenstrahlen.
Nachts hab meine Blüten ich geschlossen,
bin morgens alt geworden aufgewacht. Die Stimme von Françoise Hardy tröstet sie nicht. Sie hält jetzt einen Zettel in der Hand, auf dem eine Telefonnummer und eine Mitteilung ihrer Freundin Audrey stehen: «Wenn du wieder daran denkst, versprich mir, mich vorher anzurufen!» Siehe, Gott, der mich erschaffen hat,
lässt mich das Haupt neigen.
Und ich spüre, dass ich falle.
Mein Herz ist beinah nackt.
Mit einem Fuß steh ich im Grab.
Schon gibt es mich nicht mehr. Sie nimmt den Hörer, gibt die Nummer ein, legt den Hörer wieder auf und geht auf die Terrasse hinaus. Audrey ist ohnehin in New York. Wie finster die Terrasse ist ohne ihre Petunien. Vor ihr liegt der See, riesig, wie ein Spiegel. Frankreich. Man hört das dumpfe Brummen der Autos. Kinder gehen zur Schule, die Alten bleiben zu Hause. Im Nachbargebäude sind die Angestellten der Vaudoise Versicherungen an der Arbeit. Sie sind vielbeschäftigt, haben Besseres zu tun, als sich um eine verrückte Alte zu kümmern, die ihnen von ihrer Terrasse aus bei der Arbeit zuschaut. Vor dem Gebäude, das ist SIE, sie erkennt sich, seit Längerem hat sie diese Vision. Sie geht heim und schenkt sich ein Glas Bourbon ein, obwohl sie nie Alkohol trinkt. Sie stimmt sich auf das Bevorstehende ein. Es ist vielleicht die Rolle ihres Lebens. Zwei Stimmen versprechen ihr, sie werde unsterblich werden. Aber sie zittert, sie sieht die Menge unten, die Blitzlichter, sie hört Schreie. Capucine! Capucine! Capucine! Sie erkennt bekannte Gesichter, aus Saumur, Paris, London, Rom, Hollywood, sehr wenige sind da. Die Menge ist ungeduldig. Sie macht auf Diva, sie bleibt zu lange vor dem Spiegel, der Assistent rauft sich die Haare. Plötzlich ist sie da. Der Techniker beleuchtet die Beflügelte. Es wird kein Double geben. Ruhe bitte, Ton läuft! Der Tod ist nichts. Ich bin nur in das Zimmer nebenan gegangen. Das, was ich für euch war, bin ich immer noch. Lacht weiterhin über das, worüber wir gemeinsam gelacht haben. Spielt, lacht, denkt an mich … Die Bise trägt die Worte des alten Gebets hinweg, das Blatt Papier schwebt schwerelos. Sie hat sich entschieden, ihre Wahl ist getroffen, sie wird das Ende des Films nicht mehr sehen, sie wird nicht auf dem Sofa einschlafen, sie wird bis ans Ende gehen, sie wird wie ein Stern fallen, sie ist es müde, gegen den Wind zu fliegen, sie wird ein Komet sein, nur drei oder vier Sekunden lang, sie denkt an die Taschentücher, die von Hand zu Hand gereicht werden, wenn der Nachspann abgespult wird, an die feuchten Augen, wenn das Licht im Saal langsam wieder angeht. Wie der Philosoph in Woody Allens Film Verbrechen und andere Kleinigkeiten hat sich die französische Schauspielerin Capucine durch einen Sturz vom achten Stock...


Blaise HofmannGeb. 1978 in Morges, ist Autor von einem Dutzend Romanen und Reiseberichten, darunter Marquises (Zoé, 2014). Für Estive (Zoé, 2007) erhielt er den Nicolas-Bouvier-Preis.
Barbara TraberGeb. 1943 in Thun. Freie Publizistin, Autorin, Übersetzerin. Zahlreiche eigene Veröffentlichungen.

Blaise HofmannGeb. 1978 in Morges, ist Autor von einem Dutzend Romanen und Reiseberichten, darunter Marquises (Zoé, 2014). Für Estive (Zoé, 2007) erhielt er den Nicolas-Bouvier-Preis.
Barbara TraberGeb. 1943 in Thun. Freie Publizistin, Autorin, Übersetzerin. Zahlreiche eigene Veröffentlichungen.



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