E-Book, Deutsch, 144 Seiten, Format (B × H): 125 mm x 205 mm
Hoping / Striet / Orth Gott, Freund der Freiheit
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-451-82958-1
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Streitgespräch
E-Book, Deutsch, 144 Seiten, Format (B × H): 125 mm x 205 mm
ISBN: 978-3-451-82958-1
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Helmut Hoping, geb. 1956, Dr. theol. habil., Professor für Dogmatik und Liturgiewissenschaft an der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg i.Br. Magnus Striet, Dr. theol., Professor für Fundamentaltheologie und Philosophische Anthropologie der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg. Stefan Orth, Dr., geb. 1968, ist Chefredakteur der Herder Korrespondenz. Monatsheft für Gesellschaft und Religion. Er hat in Freiburg, Paris und Münster katholische Theologie studiert, im Fach Fundamentaltheologie promoviert und ist seit 1998 Redakteur der Herder Korrespondenz in Freiburg, von 2014 bis 2022 war er stellvertretender Chefredakteur.
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Zweites Kapitel:
Gott und der Mensch, dem er sich offenbart
Herr Striet, Sie plädieren wie in vielen Ihrer Publikationen für die zentrale Rolle der autonomen Freiheit des Menschen als Ausgang theologischer Reflexion. Wäre Gott – als der jeweils Größere – nicht der geeignetere Startpunkt für einen Theologen?
Striet: Schon aus theologischen Gründen darf das Autonomieprinzip, das den Kern modernen Freiheitsdenkens ausmacht, nicht länger ignoriert werden. Wenn Gott eine Beziehung zum Menschen und dessen freie Anerkennung will, darf er sich nicht außerhalb des moralischen Universums bewegen, in dem wir uns bewegen. Deshalb stellt das Autonomieprinzip auch die theologischen Debatten so scharf. Das Theodizeeproblem bricht da mit Härte auf, weil man der Frage von Johann Baptist Metz nicht mehr entweichen kann: »Wo bleibt Gott?« Das sich in dieser Frage artikulierende Vermissen Gottes hat ja seinen Grund darin, dass Gott an unseren moralischen Maßstäben bemessen wird. Wie gesagt: Autonomie hat nichts damit zu tun, autark sein oder nur die eigenen Interessen sehen zu wollen.
Gott und die Autonomie des Menschen
Hoping: Der Begriff der Autonomie ist unter säkularen Voraussetzungen tatsächlich schillernd und zumeist nicht mehr wie bei Kant mit einem Imperativ verbunden. Autonomie meint heute in der Regel selbstbestimmtes Handeln im Rahmen der staatlichen Gesetze. Anders als Magnus Striet gehe ich von der realen Freiheit zum Guten und Bösen aus, von der Schelling in seiner Freiheitsschrift spricht: also von der Freiheit, in der wir uns alle als Menschen vorfinden. Reale Freiheit ist zwar formal unbedingt, aber sie ist nicht selbstursprünglich. Wie mein Leibkörper mir gegeben ist, wird mir Freiheit ermöglicht. Aus dem schöpferischen Prozess, welcher der Evolution des Lebens zugrunde liegt, ging der Mensch mit seiner leibkörperlichen Existenz und seiner Freiheit hervor.
Das ist eine dezidiert theologische Perspektive. Inwieweit ist sie philosophisch anschlussfähig?
Hoping: Das ist richtig: Ich betreibe Theologie und keine Philosophie, obwohl ich auch Philosophie studiert habe. Die Theologie braucht die philosophische Reflexion, um gute Theologie zu sein. Aber wenn ich als Theologe argumentiere, erfolgt dies ausgehend von einer geschichtlich ergangenen Offenbarung und ihrer Voraussetzung in der Schöpfung.
Striet: Helmut Hoping hatte von einer – philosophisch betrachtet – möglichen Offenbarung gesprochen. Einverstanden. Nur wie will man jetzt begründen, dass eine als Offenbarung Gottes angenommene Offenbarung auch objektiv die Offenbarung des wirklichen Gottes ist? Hier findet eine Setzung statt. Und philosophisch ist noch nicht einmal klar, ob ein in der Tat als notwendig zu denkendes Absolutes im strengen Sinn mit derselben Notwendigkeit als ein sich durch Freiheit auszeichnender Gott bezeichnet werden kann. Es finden damit faktisch sogar zwei Setzungen statt. Erstens, dass der freie Gott existiert, und zweitens, dass der freie Gott sich dazu bestimmt hat, als dieser Jesus aus Nazareth dem Menschen in der Dimension der Geschichte begegnen zu wollen. Zu welchem Zweck ist dann aber eine Frage der Interpretation. Andernfalls könnte nicht erklärt werden, warum bis heute darum gerungen wird, wie das Leben und Sterben Jesu theologisch zu deuten sind.
Hoping: Eine Offenbarung im engeren Sinne gibt es nur als geschichtlich ergangene, im Glauben angenommene und überlieferte Offenbarung. Theologische Aussagen können im Kontext einer allgemeinen Wissenschaftstheorie zwar als Hypothesen betrachtet werden, wie dies Wolfhart Pannenberg in seinem Werk »Wissenschaftstheorie und Theologie« getan hat. Mit Blick auf den Glaubensvollzug und den damit verbundenen Inhalten des Glaubens kann man jedoch nicht hypothetisch glauben. Jede Wissenschaft bis hin zur Mathematik hat ihre Voraussetzungen, die nicht in Frage gestellt werden. Dies gilt auch für die Theologie. Thomas von Aquin betrachtete die Artikel des Credo als unbestrittene Grundlagen der theologischen Wissenschaft.
Striet: Ich kann mich nur wiederholen: Natürlich kann man nicht nur hypothetisch glauben. Wenn ich sage »Ich glaube«, stellt dies einen performativen Akt dar. In diesem Moment ist das ein Bekenntnis. Ich verlasse spätestens jetzt die Ebene des Abwägens, ob ich glauben kann. Worauf ich nur immer wieder hinweise, ist, dass schon die Überlieferungsgeschichte dieses Glaubens zeigt, dass sie von Kontinuitäten, Korrekturen und Brüchen bestimmt ist. Und das hängt meines Erachtens damit zusammen, dass von Anfang an interpretiert werden musste. Im Unterschied zu vorangegangenen Jahrhunderten sind heute allerdings die intellektuellen Unsicherheiten größer geworden. Wenn die Gewissheit des freien Gottes verloren gegangen ist, weil keine zwingenden Gründe mehr dafür aufgebracht werden können, dass er notwendigerweise existiert, muss sich ein theologisches Nachdenken darüber im Klaren sein, dass es von Anfang an Setzungen macht. Und diese Setzungen sind immer auch von dem Selbstverständnis abhängig. Wenn – und das ist mir wichtig – eine moralische Selbstbestimmung nur unter der Voraussetzung von Autonomie möglich ist, hat dies erhebliche Auswirkungen auch auf den geglaubten Gott. Dies kann so weit gehen, dass theologisch wirksam gemachte menschliche Selbstverständnisse von früher nun einer massiven Kritik unterzogen werden. Es darf dann keine Heteronomie mehr herrschen: keine knechtische Unterwerfung unter einen nicht akzeptierten, von wem auch immer vorgetragenen Willen Gottes. Die Auseinandersetzungen auf dem Synodalen Weg haben hier ihren Glutkern.
Hier sind die Differenzen zwischen Ihnen bekanntermaßen deutlich größer … Wie groß ist das Problem fehlender Verbindlichkeit aufgrund der Vorgaben der Offenbarung, Herr Hoping?
Hoping: Es ist wichtig, dass Theologen und Theologinnen sich darüber verständigen, was Offenbarung ist, wie Offenbarung geschieht, was Inhalt der Offenbarung ist und vor allem, was uns in der Glaubensüberlieferung bindet und was nicht. Das ist heute zunehmend strittig. Aber wenn man von einer Offenbarung im Sinne einer unüberbietbaren Selbstmitteilung Gottes ausgeht, wie sie sich in der Person Jesu Christi ereignete, muss es aus theologischen Gründen möglich sein, definitive Entscheidungen in Glaubensfragen zu fällen. Wenn über die Zeiten hinweg verbindliche Glaubensaussagen nicht möglich wären, könnte auch die Offenbarung selbst – als für uns nur im Glauben angenommene und überlieferte – nicht definitiv sein.
Striet: Sicher müssen wir uns darüber verständigen, was der Inhalt der Offenbarung ist und was uns bindet. Ich kenne auch keine Theologen und Theologinnen, die nicht ihre Überlegungen um die Frage kreisen lassen, was der Glaube an die Menschwerdung Gottes bedeutet. Allerdings sieht man dann auch sehr schnell, dass dies so eindeutig gar nicht zu sein scheint – wir kommen auf aktuelle kirchenpolitische Fragen ja noch zu sprechen. Aber mich irritiert schon, welche Fragen dann zu grundlegenden, geoffenbarten Glaubenswahrheiten erklärt werden. Für entscheidender halte ich hingegen die Frage, ob der Glaube selbst in der Instanz eigener Autonomie zustimmungsfähig ist. Wenn ich sage »Ich will, dass ein Gott sei«, liegen offensichtlich die Gründe dafür, dass dieser Gott sein soll, in mir selbst – und werden hoffentlich dann auch als diese verantwortet. In einem Glauben, der den Satz, Freiheit soll sein, verinnerlicht hat, findet definitiv kein Gott mehr Platz, der dem Menschen seine Selbstentfaltungsbedürfnisse verweigert, solange die Rechte anderer anerkannt bleiben.
Hoping: Für mich ist Gott kein Postulat des Willens. Und glauben können wir an Gott nicht unter Vorbehalt oder im Sinne der Pascal’schen Wette. Zum Glauben gehört Gewissheit. Ich muss für den Glauben einstehen, eventuell bis zum Martyrium. Menschen gehen nicht für eine mathematische Formel in den Tod, unter Umständen aber für ihren Glauben.
Eine Kritik an Ihrem Kollegen Magnus Striet?
Hoping: Das kommt darauf an. Wenn Magnus Striet sagt, Theologie können wir nur auf der Grundlage eines Postulats betreiben, teilen wir nicht dasselbe Verständnis von Theologie.
Striet: Der existentielle Glaubensakt und die Reflexion dessen, was durch die Geschichte hindurch überliefert als der Glaube gilt, sind nicht identisch. Setzt die Reflexion ein, so setzt auch die kritische Reflexion ein, ob denn überhaupt geglaubt werden kann, was überliefert ist, oder ob dies modifiziert werden muss. Dies hat selbstverständlich auch Auswirkungen auf den Glaubensakt, wenn dieser vernünftig sein will. Aber der Akt selbst ist kein hypothetischer. Insofern bin ich für die Klarstellung von Helmut Hoping sehr dankbar. Wichtig ist aber auch ein Punkt, den er vorhin schon kurz erwähnt hat. Der Glaubenszweifel kehrt immer wieder, und er wird vor allem durch die Frage herbeigeführt: Woher das Leid?
Kirche der Freiheit?
Magnus Striet hat seinen Ansatz jüngst auch in seinem Bändchen »Für eine Kirche der Freiheit. Den Synodalen Weg konsequent weitergehen« entfaltet. Seine bisher schon vertretenen Überzeugungen hat er darin noch einmal zugespitzt. Wie bewerten Sie die dort vorgetragenen Argumente, Herr Hoping?
Hoping: Das schmale Buch enthält nicht nur Reflexionen zum Synodalen Weg, sondern auch einige scharfe Repliken auf Kritiker der von ihm vertretenen Theologie der Freiheit. Auf die Selbstreferentialität und den polemischen Tenor der Schrift will ich hier nicht näher...