Horn | Von der Notwendigkeit des Widerspruchs | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

Horn Von der Notwendigkeit des Widerspruchs

Gedanken zur Gesundheit, zur Krankheit, zur Medizin, zu Arzt und Patient
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-942825-74-0
Verlag: Kaden, R
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Gedanken zur Gesundheit, zur Krankheit, zur Medizin, zu Arzt und Patient

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

ISBN: 978-3-942825-74-0
Verlag: Kaden, R
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Professor Dr. med. Johannes Horn beleuchtet mit seiner Erfahrung von über 40 Jahren als Arzt und Chirurg das Erscheinungsbild der heutigen Medizin. Am Anfang steht bei ihm die Überzeugung, dass eine christlich geprägte Wertevorstellung Widerspruch einzulegen hat gegen Entwicklungen, die zu einer Entfremdung des Menschen und zu einer Anonymisierung des Patienten geführt haben. Neben den Gedanken zu Gesundheit und Krankheit wird eine Vielzahl von Problemen angesprochen, die den Arzt und den Patienten im Wandel des medizinischen Selbstverständnisses gleichermaßen betreffen.

Johannes Horn, geboren am 23. März 1943 in Wüstegiersdorf bei Waldenburg in Schlesien. Schon während der Schulzeit interessiert er sich für Literatur und Malerei. In dieser Zeit entstehen erste Gedichte. Während seines Medizinstudiums befasst er sich intensiv mit psychologischen und philosophischen Fragestellungen. Es entstehen erste Abhandlungen und essayistische Schriften. Er versteht das Malen und Schreiben nicht als Ausgleich zu seinen beruflichen Ambitionen - er sieht sie als wesentliche Voraussetzung für die Verstehbarkeit des Lebens. Immer wieder beschäftigt er sich mit den Randbereichen der Medizin. So entstehen neben einer Vielzahl von wissenschaftlichen Publikationen umfangreiche Abhandlungen über gesellschaftliche Probleme und ethische Fragen in der Medizin ('Alle Zeit der Welt', 'Stille, du bleibende Sprache', 'Der mündige Patient', 'Goethe, der größte Chirurg'). Johannes Horn war von 1987 bis 2008 Chefarzt der Abteilung für Allgemein- und Visceralchirurgie des Städtischen Krankenhauses München-Harlaching.
Horn Von der Notwendigkeit des Widerspruchs jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Wesen und Bedeutung der Krankheit

Es ist charakteristisch für die heutige, vom wissenschaftlichen Denken geprägte Zeit, dass der Einstieg in ein Thema mit dem Versuch beginnt, eine treffende Definition des im Mittelpunkt stehenden Begriffes zu geben. Es sollen jedoch nicht die Krankheit bzw. die Krankheiten aus der Sicht der medizinischen Fachlichkeit erörtert werden, vielmehr soll uns im Folgenden das Krank-Sein als subjektive Erfahrung des Menschen beschäftigen. Ausgangspunkt ist ein Zustand, der durch das Fehlen irgendwelcher körperlicher oder psychischer Einschränkungen an sich nicht wahrgenommen wird. Gesundheit ist ein nicht bewusst werdender Zustand. Er ist deshalb selbstverständlich, weil er sich aus sich selbst heraus versteht, weil er da ist, präsent, gegenwärtig, verfügbar. Verfügbar ist er, weil er uns zur Verfügung steht für alles, was im Außen zu tun und zu verrichten ist. Trotz seiner Abhängigkeit von Schlaf, Ernährung und sozialer Eingebundenheit erweist sich dieser Zustand als äußerst stabil. Lange Zeit vermag der Mensch auftretende Defizite zu kompensieren, auch dies, ohne dass es ihm bewusst würde und ohne dass sich daraus zwangsläufig schwer wiegende Folgen ergeben müssten. Soweit also die ersten Feststellungen: Gesundheit ist ein Zustand, der nicht bewusst wird, ein Zustand, der a priori gegeben ist und ein Zustand großer Stabilität, mit weitreichenden Kompensationsmöglichkeiten. Gesundheit ist Ausdruck und Beleg dafür, dass das Leben geschenktes Leben ist.

Nachdem Gesundheit, solange sie gegeben ist, nicht ins Bewusstsein tritt, wird sie kaum oder gar nicht auf ihr Zustandekommen hin reflektiert. Gerade aus der Erfahrung des Kindesalters wissen wir, dass jedem Menschen mit seinem Eintreten in die Welt eine ihm eigene Lebensausstattung zur Verfügung steht. Das Kind nimmt die Außenwelt, nicht aber sich selbst wahr; es hinterfragt seine Lebensausstattung nicht, unabhängig davon, wie sie sich aus der Sicht des Erwachsenen, das heißt von außen darstellt. Einen evtl. bestehenden Mangel stellt das Kind nicht fest, auch wenn er de facto gegeben sein sollte. Das Kind folgt demnach ausschließlich seinem inneren Drang, der ihm sagt: Lebe! Nach seiner Gesundheit befragt, wüsste es nichts zu antworten. Die Frage stellt sich ihm nicht. Die Antwort, gäbe es eine, könnte nur lauten: Ich bin, wie ich bin. Die Augen sind wach, frei und aufnahmefähig für die Welt; das Kind folgt einem inneren Drang, der ihm ein Leben aus sich selbst ermöglicht! Mit der Entdeckung des »ich« und dem reifenden Selbstbewusstsein gerät die Lebensausstattung zunehmend ins Blickfeld aufmerksamer Beobachtung. Das Eigene wird mit den gewonnenen Erfahrungen verglichen, die aus Elternhaus, Schule und dem sich ständig weitenden Umfeld immer konkretere Formen annehmen. Es ist in vieler Hinsicht eine Zeit intensiver Prägungen. Erst jetzt fallen durch vergleichende Beobachtungen dem Kind evtl. bestehende oder empfundene Mängel, Störungen oder Defektbildungen auf, doch auch unabhängig von solchen Feststellungen entscheidet sich in diesen frühen Jahren, wann und ob etwas als gesund oder krank eingeschätzt wird, wann Stärke gefühlt und wann Schwäche empfunden wird. Es bildet sich gleichsam der Bewertungsmaßstab für das Gefühl von »gesund« oder »krank«, von stark und schwach, von Selbstsicherheit und Abhängigkeit, ein Vorgang, der stark von äußeren Einflüssen abhängig ist. In den frühen Entwicklungsjahren entscheidet sich, inwieweit das kindliche Urvertrauen auch in der weiteren rationalisierten Lebenswahrnehmung Bestand hat oder ob es sich mit ständigen ängstlichen und zweifelnden Selbstbeobachtungen auseinandersetzt.

Im Tarieren, Ausloten und Vergleichen zwischen dem, was Gabe und Begabung ist und dem, was der junge Mensch im Außen wahrnimmt, spielen Verhaltensweisen im Elternhaus, im Bekanntenkreis und im vertrauten Umfeld eine maßgebliche Rolle für sein eigenes späteres Verhalten. Ist etwa ein Elternteil oder sind gar beide Eltern hypochondrisch veranlagt und pflegen ständig über Krankheiten zu sprechen, dann wird dies in der entstehenden Bewertungsskala des Jungen seinen entsprechenden Niederschlag finden. Eine solche Form von larvierter Ängstlichkeit vermag das gesunde Lebensvertrauen eines jungen Menschen ebenso zu beeinträchtigen, wie ein unbeirrt vorgelebter Heroismus und eine lebensfremde, gefühllose Selbstdisziplinierung. So ist ein Kind schon frühzeitig Prägungen ausgesetzt, die sein Verständnis von Gesundheit maßgebend beeinflussen. Auch die Medizin hat in vergangener Zeit nicht selten dazu beigetragen, ein gestörtes Gesundheitsempfinden entstehen zu lassen. Wurde etwa ein Kind wegen häufig beobachteter Tachykardien (schneller Puls) dem Arzt vorgestellt, dann waren es oft unbedachte, beiläufige Bemerkungen des Arztes (»das Herz ist wohl eine Schwachstelle; man muss das sorgfältig beobachten« oder »das muss unbedingt kontrolliert werden«), die bei einem solchen, für das jugendliche Alter durchaus normalen Befund, lebenslange Fixierungen bewirken können. Das Kind oder der Jugendliche geht davon aus, ein schwaches Herz zu haben, zumindest aber dort einen bleibenden Schwachpunkt vermuten zu müssen. Eine derartige Fixierung kann in gleicher Weise durch verunsicherte und überängstliche Eltern entstehen. Dies zeigt wie empfindsam ein Kind in der frühen Prägephase des Lebens ist und wie sehr es abhängig ist von den unmittelbaren Eindrücken und Einflüssen vonseiten seiner Umwelt. Diese aber vermittelt nicht nur Fakten, Befunde und Tatbestände sondern auch die Art und Weise, wie mit ihnen umzugehen ist. Diese Überlegungen zeigen, wie wichtig es ist, bei Kindern und Jugendlichen das ursprüngliche Vertrauen in das Leben zu erhalten und es zu stärken. Dies gilt besonders in Situationen auftretender Krankheit oder anderweitiger Beeinträchtigungen. Es ist ihnen zu vermitteln, dass das Leben bei richtigem Verständnis Kräfte freisetzt, die einerseits zum Erhalt des Lebens beitragen, zum anderen, dass es sinnvoll und lohnend sein kann, sich trotz einstellender Beeinträchtigungen dem Leben anzuvertrauen und es sich mutig und zuversichtlich zu eigen zu machen. So bilden sich früh schon Eigenschaften und Haltungen, die für das spätere Verhalten gegenüber Krankheit und auftretenden Gesundheitsstörungen von großer Bedeutung sind. Denken wir an den tragischen Fall einer erlittenen Querschnittslähmung. Ein solches Schicksal kann dazu führen, sich völlig aufzugeben und sich vollständig dem Leben zu entziehen. Es gibt aber auch Menschen, denen es gelingt, ein solches Schicksal zu akzeptieren, dem inneren Drang folgend, der ihm sagt: Lebe! Was würde er als Gewinner einer Goldmedaille bei den paralympischen Spielen antworten, wenn man ihn fragte, ob er sich gut fühle, ob er gesund sei? Dieses Beispiel zeigt, dass sich Gesundheit nicht nur als Summe erhobener Normalbefunde definieren lässt sondern im Wesentlichen Ausdruck ist einer geistigen Haltung, Ausdruck einer Lebenskultur.

Dies ist nun auch der Grund dafür, dass es keine Definition von Gesundheit geben kann. Gesundheit ist nicht nur ein Raster von Objektivierbarem, von Befunden und einfachen Feststellungen, vielmehr Ausdruck von Positivität, Lebensbejahung und Lebensvertrauen, von einer Einstellung, die sich dem Leben zugehörig weiß – dem Leben als Glaubensgewissheit, nicht nur dem Leben als Realität! Es ist unzweifelhaft, dass sich das moderne Leben im Wesentlichen auf die Realität konzentriert, dass das Realitätsbewusstsein geradezu als ein Wesensmerkmal der Moderne gelten kann. Das Leben wird reduziert auf das Sichtbare, das Gegenständliche, auf Beschreibungen von Zuständen und Abfolgen, auf messbare und beweisbare Werte. Im Sichtbaren erschöpft sich das Denken der Lebensverneinenden. Es ist, als wollte man die Großartigkeit einer Mozart-Symphonie allein mit mathematischen und physikalischen Parametern erfassen. Es ist, als wollte man den Schmerz einer krebskranken Frau mit Scores (Schweregraden) verstehbar machen. Es ist, als wollte man die Liebe zwischen zwei Menschen allein hormonell bzw. mit Vorgängen im Zentralnervensystem erklären. (Einstein: »Der Geist ist wichtiger als das Wissen, denn das Wissen ist begrenzt.«)

Das Leben beschränkt sich nicht auf die Realität, nicht allein auf das Sichtbare und Verstehbare, es folgt vielmehr einer Idee, einem geistigen Überbau, einer Zusage, einem Versprechen und eben dieses Versprechen ist es, auf das sich Vertrauen gründet, welches allein Vertrauen rechtfertigt. Die Realität erschöpft sich in den vergänglichen Erscheinungsformen von Materie und Zeit. Für diese sichtbaren und verstehbaren Erscheinungsformen hat der Mensch Kriterien ersonnen, die ihm die Möglichkeit geben zu messen, zu definieren und zu vergleichen. Weil nun der Geist nicht sichtbar und wissenschaftlichen Methoden nicht zugänglich ist, gerät der Mensch in Entscheidungsnot: Entweder den Geist, der das Leben ausmacht, als solchen zu erkennen und sich einzufügen in seine Ordnungen, oder aber sein Leben ausschließlich von eigenen Vorstellungen, vom Wollen und Wünschen auf der Ebene realitätsbezogener Parameter abhängig zu machen. Im letzteren Fall begibt sich der Mensch in die Situation, zwar vom Geist des Lebens zu leben, ihn aber nicht als solchen anzuerkennen und schließlich das Leben in den Kategorien des Messbaren, des Verstehbaren, des Machbaren und schließlich als Besitz zu betrachten. Das Leben wird zum Produkt der eigenen Vorstellungen, der eigenen Fähigkeiten und Gestaltungsmöglichkeiten. Das Leben folgt auf diese Weise allein materiellen und zeitlichen Zielsetzungen. Der Mensch frönt dem Ziel, möglichst lange und uneingeschränkt funktionieren zu können. Die Vergänglichkeit, die dem Leben immanent ist, führt dazu, dass sich der Mensch...


Johannes Horn, geboren am 23. März 1943 in Wüstegiersdorf bei Waldenburg in Schlesien.

Schon während der Schulzeit interessiert er sich für Literatur und Malerei. In dieser Zeit entstehen erste Gedichte. Während seines Medizinstudiums befasst er sich intensiv mit psychologischen und philosophischen Fragestellungen. Es entstehen erste Abhandlungen und essayistische Schriften. Er versteht das Malen und Schreiben nicht als Ausgleich zu seinen beruflichen Ambitionen – er sieht sie als wesentliche Voraussetzung für die Verstehbarkeit des Lebens. Immer wieder beschäftigt er sich mit den Randbereichen der Medizin. So entstehen neben einer Vielzahl von wissenschaftlichen Publikationen umfangreiche Abhandlungen über gesellschaftliche Probleme und ethische Fragen in der Medizin ("Alle Zeit der Welt", "Stille, du bleibende Sprache", "Der mündige Patient", "Goethe, der größte Chirurg"). Johannes Horn war von 1987 bis 2008 Chefarzt der Abteilung für Allgemein- und Visceralchirurgie des Städtischen Krankenhauses München-Harlaching.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.