Huber | Das psychologische Experiment | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 221 Seiten

Huber Das psychologische Experiment

Eine Einführung
6. überarbeitete Auflage 2013
ISBN: 978-3-456-75299-0
Verlag: Hogrefe AG
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)

Eine Einführung

E-Book, Deutsch, 221 Seiten

ISBN: 978-3-456-75299-0
Verlag: Hogrefe AG
Format: EPUB
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Das schon seit Jahren bewährte Buch von Oswald Huber will auch in dieser inzwischen 5. Auflage Studienanfänger und -anfängerinnen mit den elementaren Grundlagen des Experimentierens und ganz allgemein der Prüfung von empirischen Hypothesen vertraut machen. Der Autor konzentriert sich dabei auf die wesentlichen Probleme. Zunächst wird die Experimentalpsychologie in den Rahmen der Formulierung und Prüfung wissenschaftlicher Hypothesen eingebettet. Anschließend werden die experimentelle Methodik und die dabei auftretenden Probleme behandelt. Es werden durchgängig konkrete Hinweise und Tipps aus der Praxis des Experimentierens gegeben. Der letzte Teil bringt eine Erweiterung und Vertiefung der Grundlagen (z.B. Versuchsleitereffekte, Quasi-Experimente, ethische Probleme beim Experimentieren). Zum besseren Verständnis und zur Auflockerung beim Lernen enthält der Text zahlreiche Cartoons. Das Konzept des Buches ist aus der jahrelangen Lehrtätigkeit des Autors in der Methodikausbildung entstanden. Es wurde vielfach erfolgreich in der Praxis erprobt. Interessenten: Studierende der Psychologie und der Nachbardisziplinen, Lehrende im Bereich der Methodenlehre, Nicht-Psychologen, die an einem besseren Verständnis der empirisch und experimentell arbeitenden Psychologie interessiert sind.

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[15]Kapitel 1
Psychologie als Wissenschaft 1.1 Alltagspsychologie und wissenschaftliche Psychologie Damit wir im täglichen Leben bestehen können, benötigen wir eine Unmenge von Wissen aus den verschiedensten Sachbereichen. Ein Kind muss in den ersten Jahren seines Lebens u. a. lernen, dass Gegenstände auf den Boden fallen, wenn man sie aus der Hand lässt, dass ein Vogel fliegen kann, ein Dackel dagegen nicht, dass Menschen oder Gegenstände kleiner erscheinen, wenn man sich von ihnen wegbewegt, usw. All dies Wissen erarbeitet sich das Kind, ohne je Physik, Optik, etc. zu studieren. Vieles erfährt es auch von andern Menschen, die aber – wenigstens in den allermeisten Fällen – ebenfalls kein Studium absolviert haben. In ähnlicher Weise lernt das Kind auch psychologische Gesetzmäßigkeiten, z. B. dass fast immer in relativ kurzer Zeit die Mutter oder der Vater kommt, wenn es laut genug weint, dass sich andere Kinder oft zur Wehr setzen, wenn man versucht, ihnen ihr Spielzeug wegzunehmen, dass der Vater unwirsch reagiert, wenn er beim Fernsehen gestört wird, dass man Angst bekommt, wenn man in fremder Umgebung alleine sein muss, usw. Auch Erwachsene benutzen ein derartiges alltagspsychologisches Wissen im Umgang mit anderen Menschen und auch mit sich selbst. Wir verfügen also alle über eine Alltagspsychologie, Alltagsphysik, Alltagsbiologie, Alltagsastronomie, Alltagsmedizin, usw., ohne diese Fächer wissenschaftlich studiert zu haben. Ist unter diesen Umständen die wissenschaftliche Psychologie und ihr Studium nicht völlig überflüssig? Dagegen spricht vor allem, dass alltagspsychologisches Wissen ein Eintopf aus Richtigem und Falschem, Vorurteilen, unbewiesenen Annahmen, (selten) aktuellen und (meist) längst überholten wissenschaftlichen Theorien, etc. ist. Oft enthält es auch Widersprüche, die aber gar nicht weiter auffallen (z. B.: Gleich und gleich gesellt sich gern – Gegensätze ziehen sich an). Im Unterschied zur wissenschaftlichen Psychologie wird nämlich das Wissen der Alltagspsychologie normalerweise [16]nicht mit geeigneten Methoden daraufhin kritisch überprüft, ob es wahr oder falsch ist. Alltagspsychologische Behauptungen werden in der Regel überhaupt nicht hinterfragt. Geschieht es dennoch, dann üblicherweise mit untauglichen Methoden. So ist eine im Alltag beliebte Methode, eine Behauptung zu «begründen», die Berufung auf eine (natürlich möglichst anerkannte) Autorität: Professor X. Y., «die Wissenschaftler», etc. Ich werde im Kapitel 2.3 wenigstens die wichtigsten dieser untauglichen Methoden behandeln (und kritisieren). Weil in der Alltagspsychologie die Behauptungen nicht systematisch und methodisch kontrolliert auf ihre Richtigkeit hin geprüft werden, enthält sie einen wesentlich größeren Anteil an falschen Behauptungen als die wissenschaftliche Psychologie. Hier nur einige Beispiele, die ich persönlich gehört oder gelesen habe. Sie sind sicher in der Lage, diese Beispiele aus ihrer eigenen Erfahrung zu ergänzen: [17]• Türken sind faul. • Wer Alkohol gewohnt ist, der fährt auch mit 1,5 Promille genau so gut und sicher Auto wie ohne Alkohol. • Frauen sind technisch weniger begabt als Männer. • Ein paar Ohrfeigen haben noch keinem Kind geschadet. • Menschen, die im Sternbild des Stieres geboren sind, sind stur. • Ein männlicher Säugling, bei dem die Augenbrauen zusammengewachsen sind, wird einmal ein Taugenichts. • Arbeitsgruppen leisten unter allen Bedingungen mehr als Einzelarbeiter. Es gibt auch wissenschaftliche Untersuchungen, die sich mit alltagspsychologischen Annahmen beschäftigen. So fanden z. B. Secord, Dukes and Bevan bereits (1959) heraus, dass Männer mit grober Haut als aggressiver eingeschätzt werden als solche mit glatter. Das Buch von Atran und Medin (2008) behandelt die so genannte Folkbiology, also die Art und Weise, wie Menschen im Alltag die biologische Welt verstehen. Es sei betont, dass keineswegs alle Aussagen der Alltagspsychologie falsch sind. Das Problem liegt vielmehr darin, dass sie keine geeigneten Methoden (Werkzeuge) hat, um – wenigstens annäherungsweise – richtige von falschen Annahmen und Behauptungen trennen zu können. Der wesentliche Unterschied zwischen Alltags- und wissenschaftlicher Psychologie besteht darin, dass die wissenschaftliche Psychologie sich laufend bemüht, die Wahrheit oder Falschheit ihrer Behauptungen methodisch kontrolliert zu überprüfen. Methodisch kontrolliert meint, dass man Kenntnisse aus den verschiedensten Wissensbereichen anwendet, um Fehler und Irrtümer bei dieser kritischen Überprüfung zu vermeiden. «Normale Leute» und auch Wissenschaftler neigen dazu, Informationen und Daten zu ignorieren, die ihrer Meinung widersprechen (vgl. z. B. Markman & Gentner, 2001). Die wissenschaftliche Methodik hilft den Wissenschaftlern jedoch, diesen Fehler weniger häufig zu machen. Wissenschaftliche Methodik kann also auch als Bemühen gesehen werden, unser Denken zu disziplinieren und zu verbessern. In den folgenden Kapiteln werden wir uns mit dem Problem der methodisch kontrollierten Überprüfung von Behauptungen ausführlich auseinandersetzen. Wir sollten uns noch kurz überlegen, wieso uns falsche alltagspsychologische Annahmen, Vorurteile, etc. in unserem täglichen Leben meistens gar nicht auffallen. Dies ist nämlich auch wichtig für die methodisch kontrollierte Überprüfung in der wissenschaftlichen Psychologie. [18]Ich sehe vier Hauptgründe: (1) Auch wenn ich mein Handeln (oder meine Vorhersage) auf einer falschen Annahme aufbaue, kann das gewünschte (oder vorhergesagte) Ergebnis ohne mein Zutun trotzdem eintreten, weil ich Glück oder Pech (o. ä.) habe. Herr K. hat die alltagspsychologische Theorie, dass man bei ausreichender Gewöhnung an Alkohol auch noch mit mehr als zwei Promille sicher fahren kann. Am vergangenen Mittwoch fuhr er nach dem Genuss von sechs großen Pils mit den dazugehörigen Schnäpsen mit dem Auto vom Stammtisch nach Hause, ohne auch nur in den kleinsten Unfall verwickelt zu werden. Herr K. sieht das als weitere Bestätigung seiner Theorie. In Wirklichkeit hat er nur Glück gehabt, dass er in keine kritische Verkehrssituation geraten ist. Es ist aber auch durchaus möglich, dass das Ereignis ohnehin eintritt, unabhängig von meinem Handeln. Ein Beispiel ist der Medizinmann eines Stammes, der mit einem bestimmten Ritual jeden Morgen dafür sorgen musste, dass die Sonne aufging. Solange der Medizinmann jeden Morgen sein Ritual vollzieht, bestätigt der Sonnenaufgang für alle Beteiligten die Annahme, dass der Medizinmann dafür verantwortlich ist. [19](2) Alltagspsychologische Annahmen (auch falsche) beeinflussen unser Handeln. Durch unser Handeln können wir aber u. U. das erwartete Ergebnis herbeiführen, auch wenn diese alltagspsychologische Annahme falsch ist. Ein Elternpaar hat z. B. die falsche alltagspsychologische Hypothese, dass Mädchen technisch weniger begabt sind als Knaben. Aus diesem Grund versorgen sie ihre Tochter auch hauptsächlich mit typischem Mädchenspielzeug: Puppen, Puppenküche, etc. Spielzeug, welches das technische Verständnis fördert (z. B. technische Baukästen), bieten sie nicht an. Beschäftigt sich das Mädchen dennoch gelegentlich mit technischen Dingen, machen sie abwertende Bemerkungen («Das verstehst Du doch nicht», «Das ist doch nichts für ein Mädchen», etc.). Damit – und durch noch andere Verhaltensweisen – erreichen die Eltern im Lauf der Zeit (und ohne das speziell geplant zu haben), dass das Mädchen sein Interesse an technischen Dingen tatsächlich verliert, und sich ihr sehr wohl vorhandenes technisches Verständnis nicht weiterentwickelt. Für die Eltern ist aber dann ihr Mangel an technischem Verständnis wieder ein weiterer Beweis für ihre Alltagstheorie, dass dies eine spezifische Eigenschaft von Frauen ist. (3) Was wir wahrnehmen und erinnern, ist oft von unseren Wünschen, Erwartungen, etc. beeinflusst und verzerrt. Dies kann z. B. dazu führen, dass eine falsche alltagspsychologische Annahme nicht als solche erkannt wird. Herr S. ist davon überzeugt, dass Leute, die im Sternbild der Zwillinge geboren sind, neugierig sind. Nun kann man aber sehr viele menschliche Verhaltensweisen als mehr oder weniger neugierig interpretieren: fernsehen, lesen, tratschen, etc. Es kann durchaus sein, dass Herr S. ein-und-dieselbe Verhaltensweise anders wahrnimmt und interpretiert, je nachdem, ob die handelnde Person Zwilling ist oder nicht. Was ihm bei einem Zwilling als typisch neugierig erscheint, fällt ihm vielleicht bei einem Löwen gar nicht auf. Es findet also bereits auf der Ebene der Wahrnehmung eine Verzerrung zugunsten der Erwartung statt. Tatsächlich lässt sich zeigen, dass derartige Verzerrungen ungemein wirksam sind und uns helfen, unsere Vorurteile beizubehalten, solange es irgendwie geht. Aber auch das Gedächtnis spielt mit: Wir tendieren z. B. dazu, uns an die Fälle, welche unserer Erwartung entsprechen (also in unserem Beispiel: neugierige Zwillinge) gut zu erinnern, während wir solche, bei denen derartige Erwartungen nicht erfüllt werden, eher vergessen. Auch das bewahrt uns davor, unsere Annahmen ändern zu müssen. (4) Bei der Anwendung alltagspsychologischen Wissens ist es oft schlicht irrelevant, ob das Wissen richtig...



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