E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Huber Professionell in ETFs investieren
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-98609-314-3
Verlag: FinanzBuch Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Einblicke, Hintergründe und Expertentipps
E-Book, Deutsch, 256 Seiten
ISBN: 978-3-98609-314-3
Verlag: FinanzBuch Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Michael Huber arbeitet seit mehr als 10 Jahren in der Finanzindustrie und ist aktuell für einen großen internationalen Asset-Manager im ETF-Bereich tätig. Er startete seine Karriere im Private-Wealth-Management einer amerikanischen Investmentbank.
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2 DER INHALT VON ETFs
Die ursprüngliche Idee von ETFs bestand darin, über die Nachbildung von breiten Standard-Indizes eine effiziente Möglichkeit für Investitionen in »den Markt« zu schaffen. Ausgehend von diesem Startpunkt wurden die Inhalte von ETFs kontinuierlich weiterentwickelt, sodass heute eine Vielzahl unterschiedlicher Anlagestrategien über ETFs angeboten werden. Neben den nach wie vor sehr beliebten Standard-Indizes sind hier sogenannte Smart-Beta-Indizes und auch aktiv gemanagte Anlagekonzepte zu nennen. Angesichts der großen Angebotsvielfalt ist ein detaillierter Blick auf die Inhalte von ETFs unerlässlich. Abbildung 7 gibt einen Überblick der wesentlichen Klassifizierungen.
Abbildung 7: Der Inhalt von ETFs
Klassische Indizes werden in der Praxis als Gradmesser für die Entwicklung eines bestimmten Marktsegments herangezogen, weshalb ihre Rendite als Marktrendite bzw. als Beta des jeweiligen Segments interpretiert wird. Sie werden daher gerne als Vergleichsmaßstab bzw. Benchmark für die Erfolgsmessung eingesetzt. Die Gewichtung der einzelnen Wertpapiere folgt bei klassischen Indizes meist der Marktkapitalisierung. Ob diese ein geeignetes Gewichtungskriterium darstellt, die generelle Entwicklung des Markts adäquat wiederzugeben, wird durchaus kontrovers diskutiert. Einige Investoren sehen hier andere Gewichtungsmethoden, wie zum Beispiel die Gleichgewichtung im Vorteil, und widersprechen damit dem Marktkonsens. Weichen Indizes in ihrer Gewichtung von der reinen Marktkapitalisierung ab, werden sie als Smart-Beta-Indizes bezeichnet. Im einfachsten Fall unterscheiden sich diese nur durch vorgelagerte Filterkriterien von ihren klassischen Pendants. Es sind jedoch auch Indizes verfügbar, die auf komplexen quantitativen Modellen beruhen. Smart-Beta-Indizes verfolgen für gewöhnlich das Ziel, im Vergleich zu klassischen Indizes eine höhere Rendite bzw. ein geringeres Risiko zu erzielen, also ein risikobereinigtes Alpha gegenüber dem Markt zu erwirtschaften. Sie sind damit eine Vorstufe zu aktiven Strategien, welche dadurch gekennzeichnet sind, dass ein Manager eine diskretionäre Anlageentscheidung trifft, ohne dabei an die regelbasierten Vorgaben einer ex ante festgelegten Methodologie gebunden zu sein.
Der Übergang zwischen Smart-Beta-ETFs und aktiven ETFs ist nicht immer leicht auszumachen. Neben dem eindeutigen Fall, bei dem ein Manager seine individuelle Anlagestrategie innerhalb des ETF umsetzt und frei über den Kauf bzw. Verkauf von Wertpapieren entscheidet, gibt es eine Reihe von ETFs, die lediglich eine aktive Komponente aufweisen. So werden etwa ETFs angeboten, die zwar in weiten Teilen einem quantitativen Modell folgen, darüber hinaus aber einem Manager erlauben, Anpassungen vorzunehmen. Durch die Eingriffsmöglichkeit des Managers würden diese ETFs ebenfalls als »aktiv« bezeichnet. Findet eine diskretionäre Entscheidung bzw. die Berücksichtigung der subjektiven Einschätzung eines Managers oder Spezialisten hingegen bereits auf Ebene des Index statt und bildet der ETF diesen Index lediglich nach, würde man streng genommen nicht von einem aktiven ETF sprechen.
In der Praxis sind mir häufiger Fragen zur Einordnung von Themen-ETFs begegnet, deren Beliebtheit in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Einige Anleger neigen dazu, diese ETFs als eigene Produktkategorie anzusehen. Persönlich würde ich aber dazu tendieren, themenbasierte ETFs unter dem weiten Feld der Smart-Beta-Produkte zu subsummieren. Themen-Indizes grenzen sich gegenüber ihren klassischen Pendants in erster Linie durch ein aktivitätsbezogenes Filterkriterium (das Thema) und gegebenenfalls durch eine abweichende Gewichtung ab.38
An dieser Stelle soll auch darauf hingewiesen werden, welche Strategien sich nicht für eine Umsetzung im ETF eignen. Als eines der liquidesten Anlagevehikel sind ETFs auf eine gewisse Mindestliquidität der enthaltenen Bestandteile angewiesen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Ausgabe neuer und die Rücknahme bestehender Anteilsscheine jederzeit möglich ist. ETFs stoßen folglich dann an ihre Grenzen, wenn das Anlageuniversum eine nur sehr geringe Liquidität aufweist. Dies ist auch der Grund, warum bislang noch keine ETFs angeboten werden, die sich auf ein direktes Immobilieninvestment beziehen.
2.1 Von klassischen Indizes zu aktiven Strategien
Als weltweit erster Vertreter seiner Art wird der Dow Jones Industrial Average Index bereits seit den 1890er-Jahren berechnet. Die Grundidee bei der Indexkonzeption war es nicht etwa, ein Investitionsportfolio zu schaffen, sondern vielmehr einen Gradmesser für die Marktlage der amerikanischen Wirtschaft. Entsprechend erwies sich zunächst auch eine wöchentliche Veröffentlichung des Indexstands als ausreichend. Die Gewichtung der einzelnen Aktien des Dow Jones Industrial Average Index erfolgte auf Basis des Aktienkurses, einer Praxis, die bis heute beibehalten wurde. Hatte bzw. hat eine Aktie also einen doppelt so hohen Preis wie eine andere Aktie, erhält sie entsprechend auch ein doppelt so hohes Indexgewicht. Ab den 1920er-Jahren veröffentlichte Standard Statistics die ersten Vorstufen des 1957 eingeführten S&P 500 Index, welcher die Aktiengewichtung basierend auf der Marktkapitalisierung der einzelnen Unternehmen vornimmt. Somit berücksichtigt er neben dem Aktienpreis auch die Anzahl der ausstehenden Aktien.39
Klassische Indizes sind heute bis auf wenige Ausnahmen marktkapitalisierungsgewichtet. Das bedeutet, dass das Indexgewicht eines Unternehmens umso höher ausfällt, je größer dessen Börsenwert ist. Genauer gesagt beziehen sich die meisten Indexanbieter auf die sogenannte Free Float adjustierte Marktkapitalisierung, also auf den Wert derjenigen Aktien, die sich im Streubesitz befinden. Dadurch soll eine ausreichende Liquidität der jeweiligen Titel sichergestellt werden. Die Unterscheidung zwischen der reinen Markkapitalisierung und dem um den Free Float adjustierten Wert kann einen signifikanten Einfluss auf das Gewicht einzelner Wertpapiere haben. Beim deutschen Aktienindex DAX führt sie beispielsweise dazu, dass die Aktien der Volkswagen AG weniger als halb so hoch gewichtet sind wie die Aktien der Siemens AG, obwohl beide Unternehmen eine ähnliche Marktkapitalisierung von rund 85 Milliarden EUR aufweisen.40 Grund dafür ist, dass sich Volkswagen zu mehr als der Hälfte im Besitz dreier strategischer Großaktionäre befindet und diese Aktien damit nicht dem Streubesitz zugerechnet werden.41
Die Marktkapitalisierungsgewichtung steht besonders bei Rentenindizes in der Kritik. Im Gegensatz zu Aktienindizes wird dabei nämlich nicht der Börsenwert des Unternehmens, sondern das Volumen der ausstehenden Anleihen als Maßstab für die Gewichtung zugrunde gelegt. Stark vereinfacht betrachtet, erhalten Unternehmen folglich ein umso höheres Gewicht, je mehr Anleihen und damit Schulden sie ausstehend haben.42
Mit dem Aufkommen der ersten Indexfonds und einem zunehmenden Kostenbewusstsein der Anleger wurden klassische Indizes zunehmend als Grundlage für Investitionsportfolios eingesetzt. Während diskretionäre Manager eine große Anzahl hochbezahlter Analysten beschäftigen, entfällt bei Indizes dieser Kostenblock. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass die Kursentwicklung von Indizes nicht zwangsläufig einen Performancenachteil mit sich bringt, sondern im Gegenteil häufig eine bessere Wertentwicklung vollzieht als manch aktiv verwaltete Strategie. Die SPIVA-Analyse von S&P Global Indices kommt zu dem Ergebnis, dass im Jahr 2021 rund 75 % der aktiven US-Aktienmanager über einen Zeitraum von fünf Jahren schlechter abgeschnitten haben als der S&P 500 Index.43 Ähnliche Ergebnisse zeigen sich auch für viele andere Aktienmärkte. Dieses Resultat muss sicherlich detaillierter analysiert werden, ist aber dennoch erstaunlich – insbesondere vor dem Hintergrund, dass klassische Indizes ursprünglich lediglich als Vergleichsmaßstab und nicht als Investitionsportfolio entwickelt wurden.44
Speziell für Investitionszwecke konzipierte Smart-Beta-Indizes kamen erst ab Beginn der 2000er-Jahre auf. Im Gegensatz zu ihren klassischen Pendants setzen sie auf den Einsatz bestimmter Filter und/oder auf alternative Gewichtungsmethoden. Ein einfaches Beispiel für einen Smart-Beta-Index ist die Anwendung einer Gleichgewichtung, bei der alle Wertpapiere des Index dasselbe Gewicht erhalten. Mit der Abkehr von der Marktkapitalisierungsgewichtung adressieren Smart-Beta-Indizes einen viel diskutierten Schwachpunkt klassischer Indizes, nämlich ihre pro-zyklische Eigenschaft. Klassische Indizes weisen teuren Wertpapieren systematisch ein zu hohes und günstigen Wertpapieren systematisch ein zu geringes Gewicht zu. Grund dafür ist, dass sich die Marktkapitalisierung bei Aktien als Produkt aus Aktienanzahl und Aktienpreis ergibt. Wird nun eine recht konstante Anzahl ausstehender Aktien angenommen, ist der Aktienpreis also der Haupteinflussfaktor auf die Veränderung der Marktkapitalisierung, und damit auf das Gewicht der Aktie im Index. Wird darüber hinaus unterstellt, dass der Preis einer Aktie um deren fairen Wert schwankt, so bekommt eine Aktie folglich immer dann ein zu hohes Gewicht, wenn sie gerade teuer bewertet ist. Im...