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E-Book, Deutsch, Band 1, 320 Seiten
Reihe: Little & Harrison ermitteln
Humberg Der Tod kommt im Kilt
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7517-7459-8
Verlag: Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Little & Harrison ermitteln im ersten Fall – Ein schottischer Cosy Crime mit Tieren, Tee und Toten
E-Book, Deutsch, Band 1, 320 Seiten
Reihe: Little & Harrison ermitteln
ISBN: 978-3-7517-7459-8
Verlag: Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eine Tierarztpraxis in der Einöde, stolze Hochmoorschafe und eine Leiche in der Scheune
Den Uni-Abschluss als Veterinärin frisch in der Tasche, findet sich Jenny Little plötzlich in einer Tierarztpraxis in der schottischen Provinz wieder. So hat sie sich den Start ins Berufsleben aber nicht vorgestellt! Nun, da hätte sie wohl besser mal das Kleingedruckte in ihrem Vertrag gelesen ... Doch damit nicht genug! Kaum angekommen, verwickelt der derzeit noch amtierende Dorftierarzt und Hobbydetektiv Dr. Dagobert Harrison Jenny in seinen neuesten Kriminalfall, der einige Fragen aufwirft: Wer ist der tote Mann im Königskostüm, den Bauer Bryce in seiner Scheune gefunden hat? Hat die 1000-Jahr-Feier des Ortes etwas mit dem Fund zu tun? Zwischen stolzen Hochmoorschafen, verzogenen Pfarrerskatzen und hustenden Seemöwen nehmen Dag und Jenny die Ermittlungen auf ...
Ein Wohlfühlkrimi mit schottischem Flair und tierischem Spaß
Christian Humberg wurde 1976 in Gerolstein geboren und studierte in Mainz Buch- und Literaturwissenschaft. Er arbeitet als freier Autor von Büchern und Theaterstücken, als Comicszenarist, Literaturübersetzer und Lektor. Seine Werke erreichen Leserinnen und Leser auf der ganzen Welt und wurden bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Humberg lebt in der Eifel.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Kapitel 1
Die Kälte hätte sie stutzig machen müssen. Es war nie kalt in diesem Haus – ganz egal, wie wild und unerbittlich der schottische Nachtwind vor den dunklen Fensterscheiben auch wütete. Nie.
Und doch …
Auch der Hund war eine deutliche Warnung gewesen. Er war doch sonst immer das reinste Seelchen, das keiner Fliege etwas Böses wollte. Der Inbegriff der vierbeinigen Gemütlichkeit, der höchstens durch seine Blähungen gefährlich wurde. Nun aber hatte der Basset geknurrt, aggressiv und drohend, und die Zähne gezeigt, als gelte es, das Revier gegen einen Feind zu verteidigen.
Wie untypisch! Hier im Wohnzimmer hatte es doch noch nie Feinde gegeben. Und selbstverständlich gab es auch jetzt keine.
Oder?
Jenny Little war langsam, zu langsam. Sie sah die Zeichen, die förmlich »Warnung!« schrien, konnte sie aber noch nicht zu einem sinnhaften Bild zusammensetzen. Dafür war ihr Verstand nach dem langen Tag schlicht zu müde, waren ihre kleinen grauen Zellen schlicht nicht mehr aktiv genug.
Und dann ging alles ganz schnell: Noch immer eher verwundert als besorgt, drehte Jenny sich um und sah in Richtung Hausflur – just als der dunkle Schatten von dort auf sie zugeflogen kam! Noch bevor sie richtig begriff, wie ihr geschah, riss er sie auch schon von den Füßen.
Und mit einem Mal verstand sie.
Wir lagen falsch! Es war der letzte Gedanke, der durch ihren Geist zuckte, bevor panische Angst in ihr aufwallte und alles Rationale und Beherrschte überflutete. Von Anfang an!
Sie wollte sich wehren, wollte schreien und um sich schlagen, doch der Schatten gab ihr keine Chance dazu. Schon schlug ihr Hinterkopf auf den Bodendielen auf, hart. Ein stechender Schmerz fuhr durch ihren Körper wie ein warmes Messer durch wehrlose Butter.
Dann wurde die Welt schwarz. Es war fast eine Erlösung.
Einige Tage zuvor
Der Knall war laut und ließ Jenny Little zusammenfahren.
Ich bin getroffen!, dachte sie entsetzt. Der … Der hat mich erwischt!
Instinktiv wartete sie auf den Schmerz, doch der kam nicht. Erst nach einigen Sekundenbruchteilen, als die Verwirrung überhandnahm, öffnete sie vorsichtig die Augen.
Und sah Heidekraut.
Eine hügelige Landschaft zog an ihr vorbei, geprägt von felsdurchsetzten Weiden, kleinen Wäldern und jeder Menge Heidekraut. Einen Mörder entdeckte sie nirgends.
»Schlecht geschlafen?«, erklang eine Stimme neben ihr.
Blinzelnd drehte Jenny den Kopf. Erst jetzt begriff sie wieder, wo sie überhaupt war. Nicht in dem Kriminalroman, der ihr im Schlaf vom Schoß und auf den Boden des Reisebusses gefallen war, sondern mitten im schottischen Niemandsland. Auf dem Fensterplatz in Reihe vier.
»Sie haben leise vor sich hin gemurmelt«, sagte die Frau, die Jenny angesprochen hatte. Sie musste über siebzig sein – ein teigig blasses Gesicht über einer geblümten Bluse. Graue Locken, grüne Augen und ein richtig ausgeprägter Akzent – eine Schottin, unverkennbar. »Schon eine ganze Weile. War wohl kein allzu schöner Traum, hm?«
»Nein«, bestätigte Jenny. Müde rieb sie sich die Augen. »Das nicht gerade.«
Sie hatte sich dem Mörder aus ihrer Reiselektüre gegenübergesehen. Der Killer hatte ihr in einer Wohnung aufgelauert, die im Traum die ihre gewesen war. Kaum hatte Jenny sie betreten, war er aus dem Schatten gesprungen und auf sie losgegangen.
Die Einunddreißigjährige schüttelte den Kopf, tadelte sich innerlich für ihre abstruse Fantasie. Dann bückte sie sich nach dem Roman.
»Beim nächsten Mal nehme ich mir ein anderes Buch mit«, versprach sie ihrer Sitznachbarin. Wie zur Erklärung hielt sie ihr das Cover entgegen, das den Killer als dunklen Schemen zeigte – mitsamt Waffe. »Dann träume ich auch besser. Hoffentlich.«
Die Frau lachte und widmete sich wieder ihrer Strickarbeit.
Abermals sah Jenny sich um. Wie lange hatte sie geschlafen? Der Bus war gut gefüllt gewesen, als sie den Bahnhof von Gourock verlassen hatten. Nun gehörten sie und die ältere Dame zu den letzten verbliebenen Passagieren.
Kein Wunder, bei der Landschaft, dachte sie. Wer will hier schon hin? Hier ist doch nichts.
Die schmale Straße führte durch absolutes Nirgendwo. Wo Jenny auch hinsah, fiel ihr Blick auf grüne Wiesen, felsige Abhänge und hüfthohe Mauern aus Bruchstein, die aussahen, als wären sie älter als die Zeit. Moos wuchs auf nahezu jeder freien Fläche, und die einzigen Anzeichen von Leben waren die grasenden Schafe, die ihr gelegentlich in der Ferne auffielen. Der Himmel über dieser Ödnis tat sein Übriges, ihren trostlosen Eindruck zu unterstreichen: Er war grau und wolkenverhangen, ein stummes Versprechen von nahendem Regen.
Du meine Güte.
Jennys Reise hatte vor einer gefühlten Ewigkeit begonnen. In London war sie in den ersten von vielen Zügen gestiegen. Er hatte sie und ihr Gepäck gen Norden befördert, wo weitere Züge und sogar ein Grenzübergang gewartet hatten. Nun zuckelte sie durchs schottische Hinterland, erschöpft und reisemüde.
Sie hatte sich nie sonderlich für die Details ihrer Route interessiert und war schon froh, sich all die Umstiege und verschiedenen Stationen merken zu können. Eins war ihr aber klar: Dieser klapprige alte Bus mit seinen abgewetzten Sitzbezügen und dem wortkargen Stiernacken von Fahrer stellte die letzte Etappe dar. Er brachte sie ans Ziel – endlich.
»Entschuldigung«, wandte Jenny sich erneut an die Frau neben ihr. »Wissen Sie zufällig, wo wir sind? Ich muss nach North Hubbington.«
Sie hatte dem Fahrer ihr Ziel genannt, schon beim Einsteigen. Entsprechend sicher war sie sich eigentlich, es nicht im Schlaf verpasst zu haben. Doch die Ödnis draußen vor den Fenstern weckte unangenehme Zweifel an dieser Sicherheit.
»Ach, da wollen Sie hin.« Die Dame lächelte, und ein erstaunter Ausdruck schlich sich auf ihre teigigen Züge. »Ich hab mich das schon die ganze Zeit gefragt. Normalerweise kenne ich die Leute auf dieser Strecke, aber Sie habe ich noch nie gesehen. Ich bin übrigens Katherine, Katherine Douglas.«
»Angenehm.« Jenny erwiderte das herzliche Lächeln und schüttelte die ihr dargebotene Hand. Sie war kaum weniger teigig als das Gesicht. »Jenny Little.«
»Little?« Katherine hob die Brauen. »Na, das ist mal …«
»… ein passender Name, ich weiß«, fiel Jenny ihr schnell ins Wort. »Das höre ich schon mein ganzes Leben lang.«
Sie war eins zweiundsechzig groß und hatte schon als Mädchen zu der Sorte Mensch gezählt, die einfach nicht zunahmen. Ganz egal, was sie aß oder wie viel Sport sie trieb – ihr Körper blieb, wie er war: schlank, drahtig und eben klein. In puncto Figur war ihr das sehr recht … und Eric, ihrem Freund, nicht minder. Doch bei der Körpergröße hätte sie sich gerne noch ein paar Handbreit mehr gewünscht, erst recht wegen ihres Namens. Wer Little hieß und little war, konnte sich vor Scherzen nicht retten.
»Und Sie wollen wirklich nach North Hubbington?«
Jenny nickte. »Ich fange dort eine neue Arbeit an, wissen Sie? In der Forschung.«
»Forschung?« Ihre Nachbarin runzelte die Stirn. »Woran forscht man denn in North Hubbington?«
»Tiermedizin«, antwortete Jenny. Irgendetwas an der sympathischen Art dieser Katherine weckte die Plauderlust in ihr. Oder lag das an dem Nickerchen, das sie gemacht hatte? »Ich komme quasi frisch von der Uni, aus London. Und das Labor in North Hubbington ist für die nächsten Jahre mein Arbeitgeber. Da werden Arzneimittel entwickelt, verstehen Sie? Für Haus- und Nutztiere.«
»In North Hubbington?«, vergewisserte sich Katherine erneut. Sie klang überrascht. »Na, man lernt nie aus. Waren Sie früher schon einmal in Schottland?«
Jenny schüttelte den Kopf. »Bedaure. Meine Ortskenntnis ist gleich null. Ich hoffe, die Menschen im Labor sprechen so deutlich wie Sie, Katherine. Andernfalls wird das noch schwierig mit der Verständigung. Es soll hier ja die wildesten Dialekte geben.«
Das Land war dreisprachig, zumindest das wusste sie. Nahezu überall wurde Englisch gesprochen und verstanden, aber es gab auch noch die altertümlicher anmutenden Sprache Scots und natürlich das Gälische. Von den Letztgenannten hatte sie in etwa so viel Ahnung wie eine Milchkuh von Biochemie, weshalb sie voll und ganz auf ihr Glück und auf die lingua franca setzen musste. Es würde schon alles gut werden, davon ging sie aus. Menschen, die in Laboren arbeiteten, weiße Kittel trugen und Periodensysteme auswendig konnten, sprachen bestimmt nur ausgesprochen selten irgendwelche kruden Hinterwäldler-Akzente.
»Ja, die gibt es«, bestätigte die Siebzigjährige. »Bei uns im Dorf beispielsweise, da sprechen die Alteingesessenen ganz anders als die Leute zwei Dörfer weiter. Und wenn die Familie meines Ewan zu Besuch kommt …«
Nun war Katherine es, die plauderte. Mit sichtlicher Freude erzählte sie von Ehemann, ihrer Verwandtschaft, ihrem Dorf an der Küste und von den lästigen Arztbesuchen, die sie zwei Mal im Monat zu einer Fahrt mit dem Bus in die nächstgrößere Ortschaft zwangen. Ihr Nachbar habe zwar schon mehrfach angeboten,...