Iacono | Dolmetschen im Medizintourismus | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 16, 358 Seiten

Reihe: Translationswissenschaft

Iacono Dolmetschen im Medizintourismus

Anforderungen und Erwartungen an DolmetscherInnen in Deutschland und Österreich

E-Book, Deutsch, Band 16, 358 Seiten

Reihe: Translationswissenschaft

ISBN: 978-3-8233-0267-4
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Deutschland und Österreich sind aufgrund ihrer medizinischen Standards beliebte Zielländer für internationale PatientInnen, die nach einer Zweitmeinung zu einer Diagnose bzw. zu einem Therapievorschlag oder einer speziellen medizinischen Behandlung suchen. Der finanzielle und organisatorische Aufwand medizinischer Reisen führt zu hohen Erwartungen der PatientInnen an die Behandlung und an alle beteiligten AkteurInnen. In diesem Kontext werden DolmetscherInnen häufig zu Hauptansprechpersonen der PatientInnen, die sich an sie mit zusätzlichen organisatorischen Wünschen wenden. Dieser Band untersucht die Erwartungen und das erweiterte Anforderungsprofil, mit denen DolmetscherInnen im Medizintourismus in Deutschland und Österreich konfrontiert sind. Er richtet sich an DolmetscherInnen sowie an ÄrztInnen und VertreterInnen medizinischer Institutionen, die mit DolmetscherInnen zur Überwindung von Sprachbarrieren zusammenarbeiten.
Iacono Dolmetschen im Medizintourismus jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Einleitung

1 Medizintourismus als Marktsegment für DolmetscherInnen
2 Dolmetschen in medizinischen Settings unter Berücksichtigung des Medizintourismus
3 Erwartungen und Anforderungen an DolmetscherInnen
4 Forschungsdesign der Studie
5 Erkenntnisse aus der ethnografischen Feldforschung
6 Erkenntnisse aus den Expertinneninterviews
7 Erkenntnisse aus der Online-Erhebung
8 Zusammenfassende Erkenntnisse und Fazit

Bibliografie
Anhang


1.1 Begriffsdefinition und -abgrenzung
Der Medizintourismus wurde in der Translationswissenschaft bis jetzt nur am Rande erwähnt (vgl. Tipton/Furmanek 2016: 114, Angelelli 2019: 32). Die in den vergangenen Jahren an den österreichischen Universitäten in Wien und Graz verfassten Masterarbeiten (vgl. Iva?cu 2014, Muršic 2015, Chistyakova 2016, Slavu 2017, Weissenhofer 2017, Horová 2018) zeigen jedoch erstes Interesse junger ForscherInnen am Dolmetschen in diesem Marktsegment. ForscherInnen aus den Bereichen Tourismus, Medizin, Wirtschaft und Marketing haben sich hingegen bereits der Erforschung des Medizintourismus gewidmet. Die verschiedenen Ansätze vorhandener Forschungsarbeiten finden sich nicht nur in den verwendeten Bezeichnungen Medizintourismus und Gesundheitstourismus, sondern auch in deren Definitionen wieder, die je nach Verständnis der zugrundeliegenden Begriffe Medizin, Gesundheit und Tourismus sehr stark variieren. Teilweise wird Medizintourismus mit Gesundheitstourismus (vgl. Berg 2008, Illing 2009) gleichgesetzt, teilweise wird er als Unterbegriff des Gesundheitstourismus gesehen (vgl. Quast 2009, Reisewitz 2015). Eine genaue Definition des Terminus Medizintourismus bedarf allerdings einer Abgrenzung vom Begriff des Gesundheitstourismus, wofür zuerst die in den Benennungen Medizintourismus und Gesundheitstourismus enthaltenen Begriffe erklärt werden sollen. Für den Begriff Tourismus wird in der Regel auf die Definition der Welttourismusorganisation zurückgegriffen: „Tourism is a social, cultural and economic phenomenon which entails the movement of people to countries or places outside their usual environment for personal or business/professional purposes“ (IRTS 2010: 1). Zu den Motiven für diesen temporären Ortswechsel zählen laut Berg (2008: 3), Experte für Tourismusmanagement, unter anderem Erholung, Regeneration, Heilung sowie Kultur. In der Entscheidung 1999/34/EG der Kommission vom 09.12.1998 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 95/57/EG des Rates über die Erhebung statistischer Daten im Bereich des Tourismus, Anhang 2.1, definiert die Europäische Union Tourismus als „[…] die Tätigkeit von Personen, die zu Orten außerhalb ihrer gewohnten Umgebung reisen und sich dort höchstens ein Jahr lang zu Urlaubs-, geschäftlichen oder anderen Zwecken aufhalten“ (1999/34/EG, Artikel 2, Absatz 2.1). Unfreiwillige Reisezwecke sind allerdings nicht Teil der Definition: „Ärztlich verordnete unfreiwillige Aufenthalte in Krankenhäusern und sonstigen medizinischen Einrichtungen, die klinische/medizinische Behandlungen bieten, sind ausgeschlossen“ (1999/34/EG, Artikel 2, Absatz 2.1). Je nach Auslegung dieser Definition könnte sie anerkannte Tourismusformen wie den Kurtourismus oder auch Teile des Medizintourismus ausschließen, da nicht eindeutig erläutert wird, wie sich Freiwilligkeit von Unfreiwilligkeit unterscheiden lässt. In vielen Fällen fassen nämlich PatientInnen, die sich trotz unterschiedlicher Beweggründe auf eine medizinische Reise begeben, selbstständig und ohne ärztliche Zuweisung oder Verordnung den Entschluss, eine Reise anzutreten. Außerdem nehmen viele von ihnen im Zielland übliche touristische Angebote in Anspruch. Der Duden bietet für den Terminus Medizin die folgende Definition: „Heilkunde, Lehre vom gesunden und kranken Organismus […], Wissenschaft von den Ursachen, der Heilung und Vorbeugung von Krankheiten“ (Dudenredaktion 2012). Illing, Experte für Gesundheitstourismus, Wirtschaft und Qualitätsmanagement, definiert Gesundheit wie folgt: „als der Zustand der optimalen Leistungsfähigkeit eines Individuums für die Erfüllung der Aufgaben und Rollen, für die es sozialisiert wurde“ (Illing 2009: 8).1 Er führt an, dass modernere Definitionen des Begriffes allerdings sowohl das medizinisch-wissenschaftliche als auch das biopsychosoziale Modell berücksichtigen. So versteht die medizinisch-wissenschaftliche Schule Gesundheit als Abwesenheit von Krankheit und sieht einen Menschen als gesund an, wenn dessen gesamter Körper richtig funktioniert. Aufgrund von messbaren und empirischen Kriterien kann das Ausmaß der Krankheit beurteilt werden, die eine „messbare Fehlfunktion bestimmter Körperteile“ (Illing 2009: 8) darstellt. Das biopsychosoziale Modell betont hingegen nicht nur die dichotomische Dimension von Gesundheit oder Krankheit, sondern hebt neben der biologischen Erkrankung auch die psychischen und sozialen Faktoren hervor. In diesem Modell gilt die Gesundheit als „positiver und funktioneller Gesamtzustand im Sinne eines dynamischen biopsychosozialen Gleichgewichtszustandes, der erhalten bzw. immer wieder hergestellt werden muss“ (Illing 2009: 8). Die holistische Dimension der Gesundheit ist auch in den Prinzipien der Weltgesundheitsorganisation festgehalten: „A state of complete physical, social and mental well-being, and not merely the absence of disease or infirmity“ (WHO 1946: 1). Dieses ganzheitliche Verständnis der Gesundheit wird in den meisten Definitionen von Gesundheitstourismus (vgl. Berg 2008, Illing 2009) berücksichtigt, in denen ein temporärer Ortswechsel aus gesundheitlichen Gründen oder zu Heilungszwecken angeführt wird. Für Illing ist das Ziel die Erreichung eines „Gleichgewichtszustandes zwischen körperlichem und seelischem Leistungsvermögen“ (Illing 2009: 49). Berg betont hingegen die „Erhaltung, Stabilisierung oder die Wiederherstellung der Gesundheit“ (Berg 2008: 39), während Tourismusexperte Claude Kaspar (1996: 55) „das körperliche, geistige und soziale Wohlbefinden“ hervorhebt. Verfolgt wird das Ziel der Genesung an einem fremden Ort durch die Inanspruchnahme medizinischer oder balneologischer Leistungen, therapeutischer Beratung und Betreuung, sportlicher Aktivitäten und gesunder Ernährung (vgl. Berg 2008: 39). Im Rahmen des Gesundheitstourismus erfolgen jedoch weder medizinische Notfallbehandlungen noch geplante Behandlungen, die in erster Linie die Gesundheit wiederherstellen sollen: Gesundheitstourismus hat das Ziel, einen Gleichgewichtszustand zwischen körperlichem und seelischem Leistungsvermögen und den tagtäglichen Anforderungen von Umwelt, Mitwelt und Selbstwelt zu erreichen. Die zur Zielerreichung verwendeten Verfahren (Methoden) sind salutogenetische, medizinische sowie ergänzende und werden an Orten (Spa, Region) abseits vom gewöhnlichen Lebensumfeld angeboten, die durch die behandlerische Kompetenz der dort arbeitenden Fachkräfte wie auch des Gebäudes und der natürlichen Umwelt gekennzeichnet sind. (Illing 2009: 49) Medizinische Behandlungen, die einen Aufenthalt in einem ausländischen Krankenhaus und eine ärztliche Untersuchung im Ausland voraussetzen, sind hingegen dem Medizintourismus zuzuschreiben (vgl. Illing 2009: 6, Quast 2009: 9). In ihrer betriebswirtschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Medizintourismus definiert ihn Quast wie folgt: Medizintourismus ist ein Synonym für die Begriffe Patienten-, Klinik- und Operationstourismus und beschreibt die Bewegung von Patienten, die aus unterschiedlichen Gründen medizinische Dienstleistungen an Orten außerhalb ihres gewöhnlichen Umfeldes in Anspruch nehmen, wobei der Aufenthalt die Dauer eines Urlaubes nicht überschreitet und vielfach mit der Nachfrage touristischer Aktivitäten kombiniert wird. (Quast 2009: 6) Medizintourismus kann für Quast einen nationalen oder einen internationalen Charakter aufweisen und in freiwilligen Patiententourismus und staatlichen Operationstourismus unterteilt werden.2 In der ersten Kategorie sind günstigere Behandlungen im Inland oder Ausland anzuführen, deren Kosten zum größten Teil von den PatientInnen getragen werden. Im staatlichen Operationstourismus sind PatientInnen hingegen aufgrund von Versorgungsengpässen gezwungen, medizinische Dienstleistungen im Ausland zu beziehen, deren Kosten von der Krankenversicherung übernommen werden. Der freiwillige Patiententourismus kann laut Quast wiederum in medizinische Patientenreise und touristische Patientenreise unterteilt werden, abhängig davon, ob die Reise hauptsächlich aus medizinischen Gründen unternommen oder ob die medizinische Behandlung mit einem Urlaub kombiniert wird (vgl. Quast 2009: 7f.). Differenziert wird des Weiteren zwischen krankheitsorientierten Reisen, die darauf abzielen, einen Krankheitszustand zu bekämpfen, und nicht krankheitsorientierten Reisen, deren Ziel die Durchführung von gründlichen Untersuchungen oder kosmetischen Eingriffen darstellt (vgl. Quast 2009: 7). Beide Behandlungsarten können sowohl ambulant als auch stationär erfolgen. Für Quast ist Gesundheitstourismus eine Unterform des Tourismus und erfolgt präventiv oder aus medizinischen Gründen. Unter den präventiven Gesundheitsreisen finden sich als Sonderformen der Erholungs-, Wellness-, Fitness- und Sport- sowie Beauty-Tourismus, während die medizinische Gesundheitsreise in Rehabilitations-, Kur- und Heilbäder- sowie Medizintourismus unterteilt werden kann (vgl. Quast 2009: 9ff.). Berg beschreibt den Medizintourismus ebenfalls als spezielle Unterform des Gesundheitstourismus und bezeichnet ihn als Patiententourismus. Dabei geht es um „die selbstbestimmte und bewusste Entscheidung, medizinische Leistungen in einem anderen Land als dem Herkunftsland in Anspruch zu nehmen und diese überwiegend selbst zu bezahlen“ (Berg 2008: 169). Er weist darauf hin, dass in der Vergangenheit diese Art des Gesundheitstourismus vorwiegend in eine bestimmte Richtung ging – aus dem Ausland nach Deutschland, Österreich, in die Schweiz und USA –, während heutzutage auch BürgerInnen der oben erwähnten...


Dr. Katia Iacono forscht und lehrt am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien und ist als Fachübersetzerin und Dolmetscherin tätig.


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.