E-Book, Deutsch, 288 Seiten
Reihe: Piper Humorvoll
Imboden Die Pralinen-Prinzessin
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-492-98054-8
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, 288 Seiten
Reihe: Piper Humorvoll
ISBN: 978-3-492-98054-8
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wenn man den Hintern von Jennifer Lopez und die Beine von Nadja Auermann hätte, würde alles leichter gehen. So männertechnisch, jobmäßig und überhaupt. Oder? Das denkt sich zumindest Tina und fasst einen folgenschweren Entschluss: Abnehmen heißt die neue Devise! Nach 25Wochen ist sie schlank und rank– aber der Traumjob lässt auf sich warten, Mister Right ist noch nicht aufgetaucht, und so richtig toll fühlt sie sich auch nicht. Ehrlich gesagt, sogar überhaupt nicht. Was tun?
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»Sie wissen schon: Es ist die alte Geschichte von dem halb vollen oder halb leeren Glas. Sie entscheiden selber, wie Sie die Dinge betrachten, wie Sie sie empfinden. Sie können beispielsweise sagen: Mein armer Vater hat ein Holzbein. Sie können jedoch auch voller Stolz ausrufen: Mein Vater ist beinahe ein Tisch! Das ist natürlich nur ein Spaß, hahaha. Trotzdem führt er Sie in die richtige Richtung: Nur Sie allein entscheiden, ob Sie einen guten Tag haben, ein gutes Leben, ein gutes Jahr. Es liegt an Ihnen!« Aus. Fertig. Das reicht. Ich stelle den Fernseher aus und pfeffere die Fernbedienung verärgert aufs Sofa. Dieser schmierige Typ mit den blonden Locken und den mehrfach gebleichten Zähnen ist nicht auszuhalten! Er trägt eine Perlenkette, wie sie meine Großmutter sonntags immer aus ihrer Schmuckschatulle holte. Die Kette lenkt nur wenig von seinem Dauerlächeln ab, das in seinem Gesicht wie festgetackert wirkt. Soll das die Ansprache zu meinem Geburtstag sein? Mein Vater ist beinahe ein Tisch! Und wenn meine Mutter Krebs hat, dann hat sie wohl ein Haustier? Und wenn ich keinen Job habe, dann habe ich viel Freizeit? Und wenn mein Freund mich verlassen hat, habe ich endlich mehr Platz im Bett? Ich kann es nicht fassen, was man mir für meine Fernsehgebühren an meinem Geburtstag an Weisheiten offeriert. Manchmal frage ich mich, ob diese selbsternannten Optimismus-Gurus wirklich immer bestens drauf sind und über allem stehen, oder ob sie auch schon versucht haben, sich die Pulsadern aufzuschneiden, ganz im Geheimen, wenn es keiner sah, in verbotenen Momenten abgrundtiefer Verzweiflung? Der Typ mit der Perlenkette sieht allerdings wirklich so aus, als würde er seinen eigenen Worten glauben. Schön für ihn. Ich glaube, heute ist nicht mein Tag, Geburtstag hin oder her. Eigentlich hätte ich ja viel Grund zu feiern. Aber die Versuchung, falsche Dinge zu essen oder gar zu trinken, wäre zu groß. Früher habe ich vor meinem Geburtstag immer eine neue Sorte Pralinen kreiert, stand stundenlang in der Küche und beschäftigte mich mit flüssiger Schokolade und geheimnisvollen Zutaten. Peter liebte das, setzte sich gerne dazu und spielte Gitarre für mich. Er nannte mich liebevoll Pralinen-Prinzessin. Aber es hat sich »ausgepralint«, in jeder Beziehung. Ich feiere, wenn nichts dazwischenkommt, nächste Woche meinen großen Tag: Dann habe ich in 25 Wochen 25 Kilo abgenommen. Gerade stehe ich mal wieder vor meinem Spiegel im Flur und kann es selber fast nicht glauben, wie sehr ich mich verändert habe. Ich habe mir selber wohl das größte Geburtstagsgeschenk gemacht, mir einen richtigen Traum erfüllt. Obwohl: Ein wirkliches »Geschenk« war das ja nicht. Ich habe dafür gelitten, geflucht, geweint, gehungert. Ich habe sogar Sport getrieben, als würde mir das Spaß machen – und allen Theorien zum Trotz: Noch immer muss ich mich dazu zwingen. Die täglichen Joggingrunden sind mir nicht zum Bedürfnis geworden, und auch nicht zur Selbstverständlichkeit oder gar zum guten Freund. Ich könnte mich jederzeit davon verabschieden. Auch müsste ich beim Fernsehen nicht auf meinem Trainingsrad sitzen und strampeln. Ich könnte problemlos meine Beine hochlegen und Paprika-Chips in mich reinschieben oder Pralinen essen. Sport ist für mich nach wie vor kein Bedürfnis. Ich bin kein Bewegungsmensch. Aber ohne Sport hätte ich diesen Diätrekord sicher nicht geschafft. Nächste Woche werde ich in meiner Diätgruppe groß gefeiert. Ich muss allerdings bis Mittwoch noch läppische zweihundert Gramm abnehmen. Das müsste zu schaffen sein. Dafür verzichte ich gerne auf eine Geburtstagsparty. Es klingelt an der Wohnungstür. Besuch? Ich erwarte niemanden. So spontan fällt mir auch keiner ein, den ich jetzt gern sehen möchte. Warum also sollte ich öffnen? Außerdem trage ich schon meinen Schlafanzug, den neuen, in Größe 36, in einer gewagten Farbmischung aus Pink und Hellgrün. Er sieht ziemlich schräg aus, als hätte ich ihn selber mit Leuchtstift bemalt. Es klingelt weiter. Ich lasse es klingeln. Es klingelt weiter. Da kommt mir meine gute Erziehung in die Quere, und ich öffne schicksalsergeben die Wohnungstür. »Überraschung!«, rufen meine Freundinnen Liz, Jenny und Sonja strahlend und halten irgendwelche Mitbringsel in die Höhe. »Halt! Das ist verkehrt. So läuft das nicht. ICH müsste irgendwo reinkommen, und IHR wartet dort und ruft: Überraschung!«, wehre ich mich. Genau deshalb bin ich doch heute eben nicht ausgegangen. »Tina, sei doch nicht päpstlicher als der Papst!«, protestiert Liz. »Du lässt uns hier doch nicht stehen?«, fragt Jenny empört. »Sei mal ein wenig locker, Tina, entspann dich!«, schimpft Sonja. Eine Überraschungsparty. Wie es aussieht, kann ich dieser wohl nicht entkommen, denn ich wohne hier. Keine Fluchtmöglichkeit. Ich mache also die Tür weit auf und lasse sie rein, meine Überraschungsgäste. Ich werde dafür geküsst und geherzt und mit Glückwünschen überhäuft. »Du siehst großartig aus, sogar in diesem unmöglichen Schlafanzug«, sagt Liz und strahlt mich an. »Ich bin so stolz auf dich und bewundere deine Ausdauer.« »Aber deswegen kannst du doch nicht an deinem Geburtstag alleine bleiben«, erklärt Jenny, die Sportlerin. Alle steuern die Küche an. »Wir haben Spaghetti mitgebracht.« Liz hat in einem Plastiktöpfchen sogar eine fertige Sauce dabei. »Für dich habe ich ganz viel Gemüse aus dem Garten mitgebracht«, beruhigt sie mich. Sonja hat zwei Flaschen Rotwein dabei. »Hoffentlich reichen die«, zweifelt sie. »Ich habe auch noch ein paar Flaschen da«, beruhige ich sie. »Außerdem trinke ich sowieso nicht mit.« Es ist immer alles herrlich unkompliziert mit meinen Freundinnen. Wir kennen uns noch aus der Schulzeit, und wir kennen uns gut. Leider treffen wir uns nicht mehr so oft. Jenny, unsere Sportlerin, gibt fast jeden Abend irgendwelche Kurse. Sonja arbeitet an einer Hotelrezeption in Luzern und hat unmögliche Arbeitszeiten. Und Liz hat zwei Kinder und ein Haus mit viel Garten und will unbedingt eine perfekte Hausfrau und Mutter sein. Es ist also eigentlich schon ein Geburtstagsgeschenk, dass wir heute alle hier zusammen sind. Ich ziehe mir etwas anderes an und setze dann Wasser auf. Wir decken den Küchentisch. Jenny öffnet die Balkontür und erschrickt über den Lärm im Innenhof. »Wie hältst du das bloß aus?«, wundert sie sich und hängt neugierig ihren Oberkörper über das Balkongeländer. Seit meiner Trennung von Peter wohne ich in einem multikulturellen Wohnblock. Ein begrünter Innenhof wird von vier Häusern eingerahmt. In denen wohnen über zweihundert Leute. Sie kommen aus der ganzen Welt: aus Italien, der Türkei, Portugal oder dem ehemaligen Jugoslawien. Im Innenhof ist es so laut, weil die Kinder hier einen paradiesischen Spielplatz haben. Von Tischtennis über Volleyball bis Basketball kann man hier alles machen. Es gibt einen kleinen Bach, einen großen Sandkasten, die üblichen Schaukeln und Rutschbahnen. Dazu Bänke und Bäume. Jenny zuckt erschrocken zurück. »Wääh, mir ist etwas auf den Kopf getropft. Gießt jemand Blumen? Hat mir ein Vogel auf den Kopf geschissen?« Sie hält uns ihren Kopf zur Begutachtung hin. Ich lache nur. »Das waren sicher die Kinder über uns. Die spucken manchmal auch runter, wenn ich meine Füße beim Lesen in der Sonne auf das Geländer lege.« »Wie kannst du nur hier wohnen?«, meint Jenny schockiert und kommt in die Küche zurück. »Mir gefällt es gut«, erkläre ich. Die Wohnung ist hell und freundlich, und wenn ich die Fenster schließe, höre ich nichts mehr von den Leuten rundherum. Ich habe genug Platz und kann die Wohnung bezahlen, was auch noch ein wichtiges Argument bei der Suche war. »Pralinen können wir dieses Jahr wohl keine erwarten?«, fragt Liz und schaut sich suchend um, öffnet sogar frech ein paar Schränke. »Nein. Ich habe sogar die Pralinen-Rezeptbücher auf dem Flohmarkt verkauft.« »Schade«, meint Sonja und verzieht das Gesicht. »Aber du könntest es ja sowieso ohne Rezept. Deine eigenen Kreationen waren ohnehin immer die besten«, sagt Liz. »Wie läuft es mit deiner Diät? In der Badewanne darfst du nun den Stöpsel nicht mehr ziehen, bevor du ausgestiegen bist«, spöttelt Sonja. Sie selber war ja schon immer schlank, hat aber in letzer Zeit etwas zugelegt. »Nächste Woche habe ich mein Ziel mehr als erreicht: Ich habe in 25 Wochen 25 Kilo abgenommen«, verkünde ich und strahle. Alle schweigen ehrfürchtig. Es ist auch wirklich ein großer Erfolg. Ich kann es manchmal selber nicht glauben. Man hat schon angedeutet, dass bei meiner Diätfirma noch keiner in diesem Jahr so gut abgenommen habe. Ich werde wohl das Schweizer Gesicht 2009 der Slim-Happy-Gruppen werden. Wir schnipseln gemeinsam Gemüse und bereiten Salat vor, als müssten wir eine ganze Kompanie füttern. Ich bin meinen Freundinnen dankbar, dass sie an meine Ernährung gedacht haben. »Hast du nichts mehr von Peter gehört?«, fragt Liz neugierig. Sonja schubst sie mit dem Ellbogen. »Ach, lass sie doch fragen«, beruhige ich sie. »Den gröbsten Seelenschmerz habe ich längst überwunden, aber manchmal tut es schon noch weh.« Ich habe während meiner Diät nicht nur Kilos verloren, sondern auch meinen Freund Peter. Er hatte zwar immer an meiner Figur herumkritisiert, mich gehänselt und verspottet und jeder Frau mit schlanker Figur...