E-Book, Deutsch, 568 Seiten
Irons / Beaumont / Bolt Mitgefühlstraining
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-86781-371-6
Verlag: Arbor
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Wie Sie Schritt für Schritt eine mitfühlende innere Haltung entwickeln
E-Book, Deutsch, 568 Seiten
ISBN: 978-3-86781-371-6
Verlag: Arbor
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Dr. Chris Irons ist klinischer Psychologe, Autor, Wissenschaftler und Ausbilder. Er ist Co-Direktor von Balanced Minds (www.balancedminds.com), einer in London ansässigen Organisation, die Mitgefühlstrainings für Einzelpersonen und Organisationen anbietet. Bei seiner Forschungstätigkeit arbeitet er eng mit Paul Gilbert zusammen. Er ist einer der führenden Ausbilder und Supervisoren zur Compassion Focused Therapy (CFT). Dr. Elaine Beaumont ist Psychotherapeutin mit den Schwerpunkten kognitive Verhaltenstherapie (CBT), COmpassion FOcused Therapy (CFT) und EMDR. Sie hat einen Lehrauftrag an der Universität von Salford und erforscht die Auswirkungen des Mitgefühlstrainings bei Menschen, die in helfenden Berufen arbeiten und bei Traumata. Sie bietet Workshops zu psychischer Gesundheit, Mitgefühl und Wohlbefinden an. www.beaumontpsychotherapy.co.uk
Weitere Infos & Material
Einführung
Herzlich willkommen zum . Dieses Buch beschreibt, wie Selbstmitgefühl und Mitgefühl für andere uns dabei helfen können, mit Schwierigkeiten umzugehen, denen wir im Leben häufig begegnen. Forschungsergebnisse der letzten zwanzig Jahre haben gezeigt, dass das Praktizieren von Mitgefühl unser Denken, unsere Gefühle, unser Verhalten und sogar unsere Körper- und Gehirnfunktionen positiv verändern kann. Viele Menschen missverstehen Mitgefühl als eine weiche, passive oder sogar schwache Eigenschaft. In Wirklichkeit ist Mitgefühl sehr weise und mutig!
Bedenken Sie einmal: Oft steht ein mitfühlender Beweggrund hinter der Entscheidung, sich für den Rettungsdienst ausbilden zu lassen oder sonst einen helfenden Beruf wie Lehrer, Ärztin oder Krankenpfleger auszusuchen, für den man viele Jahre lang lernen beziehungsweise studieren muss. Jedes Mal, wenn wir für jemanden etwas bewirken möchten, wenn wir in schwierigen Zeiten hilfreich und unterstützend sein wollen, nutzen wir mitfühlende Beweggründe. Nehmen Sie sich kurz Zeit, und überlegen Sie sich, welche Menschen dafür bekannt sind, mitfühlend zu sein – vielleicht solche wie Jesus, Mahatma Gandhi oder Nelson Mandela. Sie waren keineswegs schwach, sondern entschlossen, der Welt eine mitfühlende Haltung zu vermitteln. An Mitgefühl gibt es absolut nichts Schwaches, Passives oder Weiches. Das Problem ist, dass wir häufig nicht daran denken, aus Mitgefühl heraus zu handeln, und unser Verhalten stattdessen von Wut, Hass, Angst, Scham oder sogar Selbstkritik und Selbstabneigung beeinflusst wird.
Obwohl wir in Kapitel 4 ausführlicher darauf zurückkommen werden, kann es jetzt schon hilfreich sein zu klären, was Mitgefühl ist und was nicht. Einer unserer Klienten sagte uns einmal: »Das größte Problem beim Mitgefühl ist das Wort selbst!« Dies stellte sich als eine wichtige Einsicht heraus, die von anderen Klienten, Therapeuten und Menschen im Allgemeinen geteilt wird, wenn es um die Entwicklung von Mitgefühl geht.
Was steckt in einem Wort?
Einige der Schwierigkeiten mit Mitgefühl beziehen sich also auf das Wort selbst. Wenn wir die Idee des Mitgefühls vorstellen und darum bitten, Wörter zu nennen, die diese Eigenschaft beschreiben, zählen die Leute viele positive Begriffe auf, darunter »Fürsorge«, »Freundlichkeit«, »Wärme«, »Geduld«, »Einfühlungsvermögen« und »Verständnis«. Manchmal nennen sie jedoch auch negativ konnotierte Wörter wie »Mitleid«, »Schwäche«, »Luxus«, »Verantwortungslosigkeit« und sogar »Wischiwaschi« genannt.
Denken Sie über das Wort »Mitgefühl« nach – hat es für Sie irgendwelche negativen Assoziationen? Was gefällt Ihnen daran nicht?
Wenn Ihnen einige negativ besetzte Begriffe in den Sinn kommen, ist das natürlich nicht Ihre Schuld. Es könnte es Ihnen jedoch schwerer machen, sich selbst oder anderen gegenüber mitfühlender zu werden! Zu Beginn möchten wir Sie also einfach wissen lassen, dass für uns »Mitgefühl« kein abfälliger Begriff ist.
Für uns ist Mitgefühl eine »Sensibilität für das Leiden bei sich selbst und anderen (und seiner Ursachen) mit dem Commitment, dieses zu lindern und zu verhindern«. Ausgehend von dieser Definition, erfordert Mitgefühl also eine bestimmte innere Haltung. Zunächst müssen wir die Bereitschaft entwickeln, auf Dinge zu achten, die schwierig sind, ohne uns von diesen abzuwenden, ihnen auszuweichen, abzuschalten oder einfach nach einer Flasche Wein zu greifen. Das bedeutet, dass wir den Mut aufbringen, uns unseren eigenen Schwierigkeiten und denen anderer zuzuwenden, und nicht vor ihnen weglaufen. In diesem Buch wird gezeigt, wie wir die Kraft und den Mut dafür entwickeln. Zweitens müssen wir Weisheit in unserem Wunsch entfalten, fürsorglich und hilfsbereit zu sein; da reicht gute Absicht allein leider nicht aus. Wir müssen eine Vielzahl von Fähigkeiten aufbringen, die uns dabei helfen, mit unseren eigenen Schwierigkeiten und dem Leid anderer umzugehen.
Hier ein Beispiel: Angenommen, Sie sehen jemanden in einen Fluss fallen. Weil die Person so aussieht, als würde sie ertrinken, rennen Sie im »Baywatch-Stil« ans Ufer des Flusses und springen hinein, um die Person zu retten. Das ist sicherlich mitfühlendes Verhalten, nicht wahr? Nun ja, aber nur, wenn man schwimmen kann. Wenn Sie nicht schwimmen können, werden Sie wahrscheinlich leider beide ertrinken, und das wäre mitfühlendes Verhalten gewesen.
Hier ist ein weiteres Beispiel: Wenn Sie Arzt werden und Menschen helfen wollen, ist es wichtig, dass Sie auf die Not, den Schmerz und das Leiden der Menschen achten, aber Sie müssten auch viele Jahre lang studieren, um zu wissen, wie Sie den Menschen am besten helfen können. Sie verfügen sicher über eine intuitive Weisheit und wissen, dass viele Fähigkeiten im Leben der Entwicklung von Kompetenz und Kenntnissen bedürfen. Was müssen Sie zum Beispiel machen, wenn Sie gut Gitarre oder Golf spielen oder unterrichten wollen? Wir alle wissen, dass die Übung und der Erwerb von Fähigkeiten in vielen Lebensbereichen wichtig sind.
Bei Mitgefühl und unserem Geist ist es genau dasselbe. Je mehr wir ihn verstehen und vor allem je mehr wir verstehen, wie wir ihn pflegen und entwickeln können, desto glücklicher werden wir wahrscheinlich sein. In unserem Kulturkreis werden in der Schule viele wichtige Fächer unterrichtet – Mathematik, Sprachen, Naturwissenschaften und so weiter –, aber leider lernen wir nicht, wie unser Geist funktioniert und welche Fähigkeiten wir trainieren müssen, um gesunde und unterstützende Beziehungen zu uns selbst und zu anderen aufzubauen. Tatsächlich ist es leider so, dass ein großer Teil des modernen Lebens – unsere Schulen, unsere Arbeitsplätze und die Medien – genau das Gegenteil bewirken; sie bringen uns in einen wettbewerbsorientierten Selbstfokus, und wir verbringen viel Zeit damit, uns Sorgen zu machen, ob wir genügend erfolgreich, attraktiv oder talentiert sind. Die Forschung zeigt, dass wir zunehmend unzufriedener mit uns selbst sind und vermehrt mit psychischen Problemen wie Angst und Depression zu kämpfen haben. Dies ist eine Tragödie der modernen Gesellschaft – und für unseren Geist und Körper.
Stellen wir uns einmal vor, wir könnten die Fähigkeiten entwickeln und lernen, mit den Schwierigkeiten umzugehen, denen wir im Leben begegnen, indem wir uns auf unseren Wunsch konzentrieren, hilfreich, unterstützend, stark und verständnisvoll zu sein. Stellen Sie sich vor, wir könnten lernen, langsamer zu werden und uns auf unsere innere Weisheit einzustimmen, um uns selbst zu helfen, mit welchen Schwierigkeiten auch immer wir konfrontiert werden. Wenn Sie das anspricht, dann lesen Sie gerade den richtigen Text! Darum geht es beim Mitgefühlstraining, und deshalb haben wir dieses Buch für Sie geschrieben. Sind Sie jemand, der selbstkritisch wird, wenn er Fehler macht? Oder sich über vieles sorgt, zum Beispiel darüber, was andere Menschen über ihn oder seine Leistung bei der Arbeit denken? Oder grübeln Sie viel über Probleme und Fehler, die Sie gemacht zu haben glauben? Stellen Sie sich jetzt einmal vor, Sie würden lernen zu merken, was in Ihrem Kopf geschieht, und in der Lage sein, das Problem mit Ihrem mitfühlenden Mut und Ihrer mitfühlenden Weisheit anzugehen.
Wenn Sie dies lesen, denken Sie vielleicht: »Das ist nicht möglich! Ich war schon immer ein selbstkritischer Mensch und jemand, der sich viele Sorgen macht oder viel grübelt.« Oder Sie denken vielleicht auch: »Aber all diese Eigenschaften sind wichtige Teile dessen, was ich bin – ich bewältige meine Schwierigkeiten, indem ich mich selbst kritisiere/mir Sorgen mache/grüble.« Dieses Buch wird Ihnen dabei helfen, sich darin zu üben, eine bessere Art und Weise zu entwickeln, mit sich selbst und anderen umzugehen, wenn die Umstände schwierig sind. Eine beträchtliche Anzahl von Forschungsergebnissen hat gezeigt, dass wir durch das Praktizieren von Mitgefühl weniger selbstkritisch, ängstlich, wütend und depressiv werden und gleichzeitig unser Wohlbefinden und unsere Beziehungszufriedenheit steigern können. Einige der Übungen, die wir in diesem Mitgefühlstraining mit Ihnen teilen möchten, wurden über viele Hundert Jahre hinweg entwickelt. Andere hingegen sind aus der Arbeit mit Menschen mit emotionalen Schwierigkeiten entstanden und wurden im Rahmen einer Therapieform generiert, die sich »Compassion Focused Therapy (CFT)« nennt. Aber Sie brauchen nicht in Therapie zu sein oder den Eindruck zu haben, dass Sie therapiert werden müssten, um von den Ideen und Übungen zu profitieren, die wir uns in den kommenden Kapiteln gemeinsam anschauen werden. Jeder von uns wird im Leben Leid erfahren – Rückschläge, Misserfolge, Ablehnungen, schmerzhafte Emotionen und leider auch Krankheit und Tod. Deshalb ist die Entwicklung einer mitfühlenden inneren Haltung etwas, von dem wir alle profitieren können.
Begeben wir uns also auf eine Reise, um herauszufinden, wie wir unsere mitfühlende innere Haltung entwickeln können. Dabei lernen wir, wie wir Mitgefühl in unseren Alltag zu bringen vermögen und wie dies uns dabei helfen kann, mit den Schwierigkeiten, Rückschlägen und Ängsten umzugehen, die uns so leicht gefangen nehmen und Leid verursachen können.
Wie ist dieses Buch aufgebaut?
Der Ansatz in diesem Buch leitet sich zum Teil von der Compassion Focused Therapy (CFT) ab. In dieser Therapie werden viele verschiedene Übungen angewendet, zum Beispiel die Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Art und Weise zu...




