Jacobi | Ökologische Ökonomie und Monetarisierung der Umwelt. Was kostet die Welt? | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 74 Seiten

Jacobi Ökologische Ökonomie und Monetarisierung der Umwelt. Was kostet die Welt?

Zur Monetarisierung von Ökosystemen
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-656-23466-1
Verlag: GRIN Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Zur Monetarisierung von Ökosystemen

E-Book, Deutsch, 74 Seiten

ISBN: 978-3-656-23466-1
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Masterarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Kulturwissenschaften - Sonstiges, Note: 1,3, Humboldt-Universität zu Berlin, Sprache: Deutsch, Abstract: Ziel dieser Arbeit ist es, das Thema aus der ökonomischen Okkupation mit Fokus auf die Evaluation gegenwärtiger Ökosystemleistungen herauszulösen und in einen breiteren, auch für Laien verständlichen und für die Ökonomik unsichtbaren Kontext zu stellen. Dabei interessieren vor allem Prämissen und Implikate derer, die unsere Natur mit Preisen versehen, um sie zu retten (oder sich kommerziellen Erfolg zu sichern). Schließlich geht es um eine langfristige, grundlegende Neuausrichtung der alltäglichen Aneignung von Natur, womit das Thema alle Geisteswissenschaften etwas angeht. Meine Untersuchungen widmen sich zum einen der fachübergreifenden diskursanalytischen Aufarbeitung des Feldes und fragen somit nach der Entstehungsgeschichte, den Akteuren, Motiven und Instrumentarien der Inwertsetzung von Ökosystemen. Hierbei steht der geistesgeschichtliche Hintergrund, d.h. die zugrundeliegenden Konzepte von Ökonomie, Natur und Geld, im Vordergrund. Außerdem möchte ich die These diskutieren, ob diese Praxis und die dahinterstehende Konzepte neben der vermeintlichen Objektivierung und Entfremdung von ?der Natur? zugleich auch die Trennung des Urteilens in die Teilbereiche der Moral, der Ästhetik und der Theorie in eine werttheoretischen Synthesis überführen kann. Vereint der monetäre Wert - vermittelt über die ?Gleichgültigkeit? des Geldes - alle weiteren Arten von Werturteilen gegenüber der Natur, indem er diese Urteile in ihrer Funktion als Zahlungsmotivationen darstellbar und für die Logik von Kosten-Nutzen-Rechnungen kommensurabel macht? Und: Stellen die Kapitalisierung von Ökosystemleistungen und der damit gegebene wirtschaftliche Impetus zur Wahrung ihrer Funktionalität nicht eine neue Anerkennungsbeziehung zur Natur her, da Tausch- und Zahlungslogik, anders als ethisch-normative oder ästhetische Ratio, zugleich abstrakt und reell-praktisch sind?

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individuelle Wahrnehmung und Neigung des Bewerters, nicht zuletzt an Wissen und Kommunikation gebunden. Allein der älteste Naturfaktor der Ökonomik, Boden, ist ein äußerst komplexes lebendes System. In gerademal einem Teelöffel Wiesenbodens können sich bis zu fünf Milliarden Bakterien, 20 Millionen Pilze und eine Million Protozoen tummeln, höhere Lebewesen sind bereits ab 1 m³ zu Zigtausenden enthalten. Die Partikel eines Kilos lehmreichen Bodens bilden


rund 8000 m² Oberfläche, auf denen biochemische Reaktionen stattfinden. 15 Man monetarisiert daher nicht die Vielzahl all dieser Mikroprozesse, sondern deren Makroeffekte, die uns als Ökosystemdienste, als ›free gifts of nature‹ (D. Ricardo) erscheinen: Schutz vor Überschwemmungen durch Speicherung von Wasser, Filterung von Giften, Fruchtbarkeit durch Umwandlung von Abfällen in Nährstoffe, Regulierung des Klimas durch Mitwirkung im Kohlenstoff-, Stickstoff- und Schwefelkreislauf der Erde, u.a. Es wird dabei in der neueren Literatur zwischen dem eigentlichen Dienst und seinem Nutzeffekt unterschieden. Erholung beispielsweise ist ein Nutzen und kein Ökosystemdienst, da hierfür zumeist auch bestehende Kapitalformen und technische Infrastruktur benötigt werden. Würden einfach solche Nutzeffekte monetarisiert, würden bestimmte Funktionen der Natur doppelt und dreifach addiert. Hierzu Fisher, Turner & Morling: »For example, in the M[illenium] A[ssessment], nutrient cycling is a supporting service, water flow regulation is a regulating service, and recreation is a cultural service. However, if you were a decision maker contemplating the conversion of a wetland and utilized a cost-benefit analysis including these three services, you would commit the error of double counting. This is because nutrient cycling and water regulation both help to provide the same service under consideration, providing usable water, and the MA's recreation 16 service is actually a human benefit of that water provision.« Hinzu kommt, dass Nutzeffekte sich oft widersprechen: Uns mag der Regenwald auch als klimaregulierende grüne Lunge des Planeten dienen, für lokale menschliche Gemeinschaften 14 Grafik: Edam, H.(2004). Patent - Schutz für die Biodiversität? Ökologische, ökonomische und soziale Aspekte der Zuweisung globaler Verfügungsrechte an pflanzengenetischen Ressourcen. Diplomarbeit (Uni Hamburg): 67.
hingegen ist er vielleicht in erster Linie Brennstoffreservoir und Geldquelle. Überhaupt determiniert das kommerzielle Interesse vieler Inwertsetzungsstudien die Klassifikation. Wer Trinkwasser verkauft, sieht die Selbstreinigungskapazität eines Flusses als entscheidenden Ökosystemdienst; wer Fischerei betreibt, für den ist sie ein sekundärer Faktor neben anderen.
Fisher, B., Turner, R.K. & Morling, P. (2008). Defining and classifying ecosystem services for decision making: 650. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Trinkwasserverbesserung der Stadt New York in den 1990er Jahren. Anstelle des Baus eines acht Milliarden Dollar teuren Werks zur Reinigung des Süßwassers, entschied sich die Stadt, die oberhalb gelegenen Waldgebiete in den Catskills Bergen aufzukaufen, bzw. die Eigentümer für ökologische Bewirtschaftung zu entlohnen. Die intermediären Dienste der Wälder resultierten in saubererem Wasser als finalem Dienst und schließlich besserem Trinkwasser als Nutzeffekt - und das für 1,5 Mrd. Dollar. 17 Das Millennium Ecosystem Assessment hat 2003 eine etwas genauere Darstellung von Ökosystemdiensten gegeben:

Hier finden sich die Ökosystemleistungen in verschiedene Typen differenziert, sowohl auf der Seite der Ursachen als auch auf der Seite der Wirkungen. 18 der Evaluationen:

Wir sehen drei verschiedene Prinzipien, die in fünf Bewertungsmethoden Ausdruck finden. a) Die ersten drei sind klassische Instrumente der Preisbildung, d.h. Ableitungen vom Marktpreis des Produkts und den Kosten des Angebots. Diesen direct use value (auch production value genannt 20 ) ermitteln etwa Industrien und Infrastrukturplaner; er hängt stark davon ab, ob man von den Kosten der Produzenten ausgeht oder vom Wert des Endprodukts, das mit Hilfe der Dienstleistung oder Substanz erzeugt wird. Der Unterschied könnte gravierender nicht sein. So ermittelte eine Studie am Beispiel der Pharmazeutik mit beiden Ansätzen jeweils einen Preis von 44$ (Kosten der Industrie) und 23.700.000$ (Marktwert des Medikaments) für dieselbe Spezies! 21 b) Die replacement costs sind die Kosten einer menschlichen Kompensation der betreffenden Ökosystemleistung, verrechnet mit den Kosten, die aufträten, wenn die Dienstleistung völlig, d.h.

auch synthetisiert, fehlen würde (damage). c) In der Ökonomie gilt jede Kaufentscheidung als Ausdruck von Wertschätzung. Die CVM, contingent valuation method, befragt Akteure nach ihrer hypothetischen Zahlungsbereitschaft für ein natürliches Gut bzw. für ihre Akzeptanz für Kompensationsleistungen. Sie kann dadurch an lokale Besonderheiten angepasst werden; so wurde beispielsweise in einer Umfrage in Madagaskar im Vorfeld der Gründung des Mantadia Nationalparks der Wert der Waldnutzung für ansässige Bevölkerung durch die Personen nicht in Geld ausgedrückt, sondern in Reis (der natürlich auch einen Preis auf dem Weltmarkt hat). 22 »Dem Verfahren liegt die Annahme zugrunde, daß Individuen auch nicht marktlich gehandelte Güter monetär bewerten können, wenn sie mit hypothetischen Märkten konfrontiert werden, auf denen die entsprechenden Güter "gekauft" werden können. Kernelement dieses Verfahrens ist somit die Konstruktion eines 23 hypothetischen Marktes.« Es wird von einigen gefordert, diesen Wertausdruck nicht mit den anderen zu vermengen, da er hoher Manipulierbarkeit unterliege und nicht marktbasiert zustande kommt. 24 Experimente haben außerdem gezeigt, dass diese Methode systematisch zu hohe Zahlungsbereitschaften darstellt. Es erstaunt, wie stark die Preisbildung natürlicher Güter mitunter von subjektiven Momenten abhängt (s.u.). Es erstaunt hingegen kaum mehr, wenn man bedenkt, dass Preisbildung am Markt an sich ein hochgradig irrationaler Vorgang sein kann, was uns nicht nur bewusst wird, wenn Cola billiger gehandelt wird als Wasser, sondern bereits im berühmten Wertparadoxon der klassischen Ökonomik mitschwingt. 25 Doch der ›zwieschlächtige Charakter‹, den Marx der Ware als Ding von Gebrauchs- und Tauschwert zuschreibt und der letztlich auf den Unterschied zwischen Vernunft und Verstand führt, soll hier nicht weiter behandelt werden.
1.6 Akteure der Inwersetzungen Die Inwertsetzung von Ökosystemen erfordert, so sie nicht völlig willkürlich aussehen soll, gewisse Mittel, die ihre Ausführung auf einen relativ überschaubaren Anteil der letztlich von ihr Betroffenen beschränken: Spezialwissen in Wirtschaft und Ökologie, Zeit und Kapital zur Durchführung aufwendiger Messungen und Umfragen. Nicht nur sind die Autoren von Monetarisierungsstudien daher ausnahmslos Akademiker. Sie sind mitunter in Kollektiven organisiert, die sich mehrere Jahre der Forschung widmen, um ausführliche Berichte über die tatsächlichen monetären Wirkungen von Ökosystemleistungen sowie die Kosten von Naturzerstörung zu veröffentlichen. Beispiele sind der Club of Rome, der den gesamten Globus zum Thema seiner Berichte macht, oder das Projekt Valuing the Arc, das die Gebirgsregionen Tanzanias untersucht. Hier sind Wissenschaftler der Ökologie und Ökonomik aus vielen Universitäten sowie Experten aus NGOs wie etwa dem WWF eingebunden. Das Motivationsspektrum der Evaluatoren bzw. ihrer Auftraggeber lässt sich grob in drei Kategorien einteilen. Da gibt es zum einen die überzeugten Naturschützer, die, zum Ärger einiger Kollegen 26 , die Monetarisierung als eher rhetorisches Mittel nutzen. Frederic Vester mit seiner Blaukehlchenkalkulation war womöglich der erste dieser Sorte und beteiligte sich auch an anderen Werken zur Artenschutzthematik. Vester berechnet in seinem Buch Der Wert eines Vogels (1987) für das Blaukehlchen mit rund 315 DM. Ein sehr aktiver Vertreter dieser Gruppe ist heute Andrew Balmford, Mitglied bei Valuing the Arc. Er errechnete mit Kollegen beispielsweise eine Rentabilität von Artenschutzausgaben: »Loss and degradation of remaining natural habitats has continued largely unabated. However, evidence has been accumulating that such systems generate marked economic benefits, which the available data suggest exceed those obtained from continued habitat conversion. We estimate that the overall benefit:cost ratio of...



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