Jakob | Liebe ist wie ein Vogel | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 121 Seiten

Jakob Liebe ist wie ein Vogel

Laß ihn frei und wenn er zurück kommt, gehört er dir
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7407-1395-9
Verlag: TWENTYSIX
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Laß ihn frei und wenn er zurück kommt, gehört er dir

E-Book, Deutsch, 121 Seiten

ISBN: 978-3-7407-1395-9
Verlag: TWENTYSIX
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Ermordung der eigenen Tochter! Das mitzuerleben ist wohl das Extremste was einem Menschen widerfahren kann. Ist es überhaupt möglich, mit diesem Alptraum weiterzuleben, wenn man gerade auch noch eine der schwersten medizinischen Therapien die es gibt hinter sich hat? Nach Blutkrebs und Gewalttat trotzdem ja zum Leben sagen. Als Mischung zwischen Autobiographie und Tagebuch werden die Ereignisse als Mutter und Zeugin des Mordes geschildert. Die Suche nach dem Warum führt zu Reisen in die eigene Vergangenheit. Die Tochter litt am Asperger Syndrom, nicht als einzige in der Familie, wie sich herausstellt. Instinktiv weiß die hinterbliebene Familie, daß es für sie jetzt nur einen Weg gibt: Sie nimmt zwei junge Mädchen aus Bosnien und Ungarn in ihre Familie auf, die sich hier eine Zukunft aufbauen wollen. Die Gewalt überall auf der Welt verdient nur eine Antwort: Liebe und Toleranz! Jetzt erst recht!

04.01.1961 geboren in Ulm 1967 - 1974 Besuch verschiedener Schulen in Ulm 1974 - 1980 Internat bei Schwäbisch Hall 1980 Abitur 1980 - 1982 Studium Ethnologie und Kunstgeschichte an der FU Berlin 1982 - 1988 Studium freie Malerei an der Hochschule der Künste in Berlin 1988 - 1995 Tätigkeit als freie Malerin in derAteliergemeinschaft Stettiner Strasse seit 1982 Tätigkeit als Pflegekraft im ambulanten Dienst zunächst ohne Diplom 1994 Diplom als staatlich anerkannte Altenpflegerin 1995 Umzug nach Ulm 22.08.1997 Geburt der Tochter Isabel 28.12.2000 Geburt der Tochter Viola Mai 2013 Diagnose Plasmozytom 04.01.2015 Ermordung der Tochter Isabel

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Was wäre, wenn


Warum? Diese Frage, philosophisch gestellt, läßt sich nicht beantworten. Es gibt keinen Grund, warum wir so gestraft werden sollten. Es gibt überhaupt keinen Grund, warum Dinge prinzipiell passieren, außer , sie haben eine feststellbare Ursache . Wenn eine Lawine abgeht, wissen wir, daß sich vorher Energie aufgestaut haben muß. Wenn bei einer Handlung eine Überlegung dahintersteckt, können wir versuchen, zu verstehen. Aber warum grundsätzlich jemand so ein schweres Schicksal hat, diese Frage läßt sich nicht beantworten. Schon gar nicht was Krankheiten betrifft. Selbst Jesus hat keine Antwort gefunden, sonst hätte er am Kreuz nicht in tiefer Verzweiflung gerufen: „Warum hast du mich verlassen?“. Wenn die Dinge nach Plan verlaufen wären, hätten Ulf und ich uns am Abend des 3. Januar auf eine Einladung gefreut bei einer befreundeten Pfarrerin. Diese wollte ein „ehemals glückliches“ Biohühnchen zubereiten. Ich empfand das schon als Einstimmung auf meinen Geburtstag, den ich ja am nächsten Tag feiern wollte. Entspannung und „es sich gut gehen lassen“ war angesagt nach anstrengenden Tagen. So war der Plan. Es kam etwas dazwischen. Das Gehirn arbeitet auf seine eigene, oft nicht vom Bewußtsein steuerbare, Weise. Man kann die Verbindungen der Nervenzellen nicht einfach abschneiden und die Weiterverarbeitung stoppen. Irgendwo sind die schrecklichen Bilder einzementiert im Kopf und schleichen sich immer wieder ins Bewußtsein. Manchmal plötzlich, oft heimlich . Man weiß, was kommt, will es verhindern , ist aber machtlos. Auch wenn es mir gelingt, den Film nicht wieder ablaufen zu lassen, weiß ich , daß es passiert ist. Der Film bleibt auf der Rolle, aber das Wissen lastet tonnenschwer. Der Schmerz ist unbeschreiblich und endlos. Wir waren so nah bei unserer Tochter und trotzdem konnten wir nicht helfen. Das größte mögliche Unglück ist passiert. Für uns alle gibt es keine Rettung. Für Isabel sowieso nicht und unsere noch lebenden Seelen sind schwer und unheilbar verletzt. Es gibt keine Therapie, keine Linderung. Die Macht der schlimmen Tat ist gnadenlos und dauerhaft. Selbst wenn der Mörder irgendwann zur Einsicht über die Entsetzlichkeit des Getanen käme, gäbe es keine Möglichkeit der Wiedergutmachung. Mord ist das einzige Verbrechen bei dem das unmöglich ist. In der Rechtsprechung wird versucht, Ausgleich durch Sühne zu schaffen. Aber wie kann jemand sühnen, der sich schon vorher mit den unausweichlichen Folgen arrangiert hat, der sowieso nicht viel verloren hat? Der auch vorher nur seine vier Wände sehen und auch nicht mehr von der (für ihn verhassten ) Welt wissen wollte? Ist jemand überhaupt leidensfähig, dem es nicht möglich ist, das Leiden anderer auch nur ansatzweise nachzuempfinden ? Wie sollte man es sich sonst erklären, daß einer alle Konsequenzen, die ja zwangsläufig und sofort eintreten, völlig außer acht läßt, wissend , daß sich die Tat Sekunden später schon nicht mehr verbergen läßt. Auch diese Gedanken sind überflüssig, man denkt sie trotzdem: Wenn es nicht passiert wäre, würde es mir jetzt gut gehen. Ich fühle mich gesund und auch die Laborwerte sprechen die gleiche Sprache. Ich hatte gerade gelernt, das Glück jeden Tages zu genießen. Jetzt habe ich das Gefühl, jeder einzelne Tag wird mir weggenommen. Die Euphorie des wieder Genesenseins, die Lebensfreude ist weg. Jedes mal, wenn meine Seele anfängt, sich wieder über etwas freuen zu wollen, wird sofort eine Notbremse aktiv, die alles wieder zum stoppen bringt. Ich kann nur noch im Konjunktiv reden und denken. Ich würde mich jetzt auf Weihnachten freuen, ich wäre glücklich über meinen Gesundheitszustand, usw. In einer Phase, in der mir klar geworden war, was die wenigen wichtigen Dinge im Leben sind, sind mir genau diese weggenommen worden. Die Vögel haben wieder aufgehört zu singen. Die meisten unangenehmen Gegebenheiten haben eine Kehrseite, auf der man zumindest irgendetwas positives finden kann. Diese Sache nicht. Global gesehen ist natürlich keine Katastrophe passiert. Gibt es nicht etwas Wichtigeres, als den Tod eines Individuums? Tausenfach wird jeden Tag überall auf der Welt gestorben. Das ist der unpersönliche Tod. Da wird nichts aus mir herausgeschnitten. Es ist nachvollziehbar, wenn wir hier wenig empathisch reagieren. Für die meisten Menschen sind die realen persönlichen Bindungen die man aufbaut zu Anderen im Leben das Wichtigste, weil sie mit Emotionen verbunden sind ohne die wir nicht leben können.Wer das nicht kann, wer keine Liebe , keine Fürsorglichkeit, keine Barmherzigkeit empfinden kann , ist krank. Die stärkste zwischenmenschliche Bindung die es geben kann ist die zwischen Eltern und Kind, mehr noch zwischen Mutter und Kind. Das brutal zu zerstören erschüttert das ganze Lebensfundament. Was soll mich jetzt trösten? Daß ich selber nicht mehr unbegrenzt auf dieser Welt bin? Das ist nicht Trost, sondern Trostlosigkeit. Isabel war auf dem Weg, ihr Leben in eine Bahn zu bringen. Sie fing an, „normale“ Dinge zu tun. Sie plante Unternehmungen und freute sich darauf, Freunde zu treffen. Ich gönnte ihr das so sehr und es machte auch mich glücklich, daß sie endlich nicht mehr an ihrem Anderssein litt .Die große Erleichterung, die die Diagnose mit sich brachte ging auch auf uns über. Jahrelang grübelte zumindest ich oft darüber nach, was wir wohl falsch gemacht hätten. Oft schwang bei Anderen ein unausgesprochener Vorwurf mit, warum wir unser Kind nicht anders „hinbekommen„ haben. Sie hatte es nicht einfach gehabt . Wahrscheinlich wissen wir vieles gar nicht, weil sie es uns nie gesagt hat. Was ich aber gemerkt habe, war, wenn sie wieder einmal unglücklich nach Hause kam. Manchmal hat sie etwas erzählt, manchmal nicht. Wir gaben ihr ein sicheres Umfeld . Wir haben sie nicht immer verstanden. Das ist nicht außergewöhnlich bei Eltern pubertierender Kinder, aber sie wußte, daß sie bei uns Geborgenheit fand. Es war manchmal schwierig, wir haben aber unseren Weg und unsere Sprache gefunden. Da ich in vielem Ähnlichkeit mit Isabel habe, fühlte ich mich ihr ganz besonders verbunden. An einer schweren Krankheit leidend war klar, daß ich kämpfen mußte. Ich hatte die Möglichkeit , meine Situation zu verbessern. Jetzt gibt es nichts zu kämpfen. Ich muß aushalten, weil es nichts zu ändern gibt. Die Fakten sind geschaffen. Desillusion und Resignation könnten die Folge sein. Hilflosigkeit läßt aber Kräfte schwinden, also muß irgendetwas passieren. Als ich gekämpft habe, schien es so, als ob ich gewonnen hätte. Das was jetzt auszuhalten ist übersteigt meine Kräfte. Jeder Tag ist nur ein Versuch, mit dem Mord an meiner Tochter weiterzuleben. Wir haben beide gekämpft, Isabel und ich. Jetzt hat der gewonnen, der es nie für nötig erachtet hat zu kämpfen geschweige denn an sich zu arbeiten, der nur sich selber gesehen und die Schuld auf andere geschoben hat. Egoismus als Krankheitsbild. Im Fachjargon: „Narzistische Persönlichkeitsstörung“. Er ist krank, deshalb kann man ihm keine Vorwürfe machen. Wo soll ich dann hin mit meiner Wut? Und wie kann jemand so krank werden , daß er ohne zu zögern eine so unbeschreiblich grausame Tat auszuführen in der Lage ist? Jeder annähernd normale Mensch hätte zumindest gezögert , wäre nach dem ersten Messerstich zur Besinnung gekommen oder hätte angesichts der Gegenwehr des Opfers von dem Vorhaben abgelassen. Er aber bereut auch Monate nach der Tat nichts. Es gehe ihm besser seitdem, sagte er in der Gerichtsverhandlung. Wie geht es uns? Ich habe das Gefühl, als habe er sein mieses Lebensgefühl auf uns abgeladen. Ich würde es ihm gerne zurückgeben. Ich würde ihm gerne aufzählen, wie viele andere Möglichkeiten es gegeben hätte, wie viele Menschen ihm Hilfe angeboten hatten. Für unzählige gute oder schlechte Wege hätte er sich entscheiden können, nur nicht für den einen. Aber vielleicht wollte er von Anfang an nur wissen, wie es ist , einen Menschen umzubringen? Die Welt ist nicht gerecht. Es macht keinen Sinn was überall auf der Welt passiert. Wenn man nicht an den lieben Gott glaubt, macht man sich noch nicht einmal Hoffnungen, daß es im Jenseits zur ausgleichenden Gerechtigkeit kommt. Diese besänftigende Vorstellung haben sich irgendwann Menschen ausgedacht, um nicht in Verzweiflung und Wahnsinn zu enden. Wenn es nicht passiert wäre, hätten wir am 22. August Isabels 18. Geburtstag gefeiert. Wir hätten irgendetwas ganz besonderes gemacht. So aber habe ich die Zähne zusammengebissen und gar nichts gemacht, weil ich es nicht ausgehalten hätte, eine Trauerfeier abzuhalten, genauso wie ich es nicht aushalte , auf den Friedhof zu gehen. Es war ein Tag wie jeder andere , nur, daß sich in einer Ecke meines Gehirns die Verbitterung eingenistet hat. Ich habe es später bereut, daß ich nicht wenigstens eine Kerze aufgestellt habe. Vor allem Viola gegenüber war es nicht richtig. Ich habe dann doch noch, wie es immer bei uns üblich war am Geburtstag des Geschwisterkindes, ein kleines Geschenk für Viola gekauft. Ein paar Tage vorher muß wohl der Täter in der Psychiatrie seinen 18. Geburtstag gefeiert haben. Wenn sie sich früher in den Sommerferien besuchten, brachten sie sich immer gegenseitig Geschenke mit. Isabel hat dann immer lange überlegt, was sie ihm schenken könnte. Wir leben noch. Ich versuche Dinge zu tun, die mir auch früher Freude gemacht haben. Ich spiele Klavier, ich kümmere mich um unsere Vögel und ich gehe arbeiten. Ja, erstaunlicherweise tut es mir gut. Es hilft mir, anderen zu...



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