E-Book, Deutsch, Band 2, 224 Seiten
Jarman Star Trek - Die Welten von Deep Space Nine 2
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-86425-053-8
Verlag: Cross Cult Entertainment
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Andor - Paradigma
E-Book, Deutsch, Band 2, 224 Seiten
Reihe: Star Trek - Die Welten von Deep Space Nine
ISBN: 978-3-86425-053-8
Verlag: Cross Cult Entertainment
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Am Vorabend einer großen Feier anlässlich ihrer Vergangenheit müssen die ungewöhnlichen und geheimnisvollen Andorianer, eine Spezies mit vier Geschlechtern, entscheiden, wie viel sie zu opfern bereit sind, um ihr Ãoeberleben zu sichern. Biologische Notwendigkeit kollidiert mit persönlicher Moral; kulturelle Verpflichtung kämpft mit Liebe - und Ensign Thirishar ch'Thane kehrt auf den Planeten zurück, dem er abgeschworen hatte, um nicht nur die Konsequenzen seiner Entscheidungen gegenüberzutreten, sondern auch einem geheimen Plan, um das Wesen seines ganzen Volkes zu verändern.
Heather Jarman
Heather Jarman ist eine Autorin von STAR TREK-Romanen. Sie hat vor allem für Deep Space Nine geschrieben. Einige ihrer Geschichten sind aber auch in der Voyager-Storyline angesiedelt.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Kapitel 1
Prynn Tenmei stand am Scheideweg des Universums, blickte auf und fühlte sich mit einem Mal ganz und gar unbedeutend. Von seinem breiten Fuß am Andockring bis zu der winzigen Schleuse in knapp einem halben Kilometer Höhe präsentierte sich der gebogene Turm namens Oberer Pylon eins als gewaltige Wand aus Metall, die schmaler wurde, je weiter sie Prynn überragte. Ihre graue Plattenoberfläche war ein krasser Gegensatz zum strahlenden Licht, das von Bajors ferner Sonne herüberschien. Das wäre mal ein Schwerelosigkeitsmarsch, den man nie vergisst, dachte Prynn. Nur widerwillig lenkte sie ihre Aufmerksamkeit weg von der Station und zurück zu ihrer eigentlichen Aufgabe. Mit jedem Schritt, den sie über die Außenhülle der Defiant machte, wuchs ihre Gewissheit, endlich den Ort gefunden zu haben, an dem sie niemand finden würde. Vor allem nicht Shar. Wenn er nicht pünktlich zu ihrer Verabredung erschien – ihrer Holodeckreservierung, wie sie sich schnell korrigierte –, dann durfte er auch nicht erwarten, dass sie brav im Quarks auf ihn wartete. Einen Vorteil hatte es, schräge Eltern zu haben: Mit den Jahren hatte Prynn ein Talent fürs Verschwinden entwickelt, und ein Weltraumspaziergang war definitiv eine Form des Verschwindens. Schließlich war die Wahrscheinlichkeit, im luftleeren Raum – nicht gerade der Szenetreff der Station – überhaupt jemandem (Shar!) zu begegnen, gleich null. Und außerdem konnte die Defiant Prynns Hilfe gut gebrauchen. Beim letzten Flug mit dem Schiff war ihr eine Diskrepanz in den Messwerten aufgefallen, und bevor die Ingenieure für sie Zeit hatten – laut denen ohnehin kein Anlass zum Handeln bestand –, war sicher B’hava’el erkaltet. Nein, Prynn wartete nicht gern. Auf halbem Weg über die Oberseite des Schiffes hielt sie an und korrigierte die Einstellungen ihrer Schwerkraftstiefel, sodass sie nicht befürchten musste, ins All abzudriften, aber dennoch ein paar Akrobatikübungen machen konnte. Mit Schwung im Schritt fielen einem die gelegentlichen Purzelbäume und Überschläge in der Schwerelosigkeit gleich viel leichter. Die Phobien, die manche Leute gegenüber Weltraumgängen entwickelten, konnte Prynn nicht nachvollziehen. Natürlich gab es Risiken wie Störungen der Luftzufuhr oder das Abdriften, doch solche Unfälle passierten in höchstens einem von fünfzig Fällen. Als Prynn zuletzt ein solches Problem hatte, hatte der Transporterchief sie zurück an Bord gebeamt, bevor die Hypoxie einsetzte. Aus ihrer Sicht wogen die Freuden der Schwerelosigkeit die paar Risiken mehr als auf. Prynn genoss es, sich völlig frei von terrestrischen Zwängen zu fühlen. Vor die Wahl zwischen Arbeitsbiene und Raumanzug gestellt, würde sie sich stets für letzteren entscheiden, so viel stand fest. Außerdem war die Defiant so etwas wie ihr Baby. Als leitende Pilotin kannte sie die Bedürfnisse des Raumschiffs besser als nahezu alle anderen – auch als die Ingenieure, die nur glaubten, es besser zu wissen. Als sie ihnen von den Temperaturschwankungen im Hüllenbereich Z-47 berichtete und eine außerschiffliche Analyse vorschlug, hatten die Ingenieure – konkreter gesagt: hatte Senkowski – nur abgewunken. Prynn vermutete, dass auch er zu denen zählte, die schlicht nicht begriffen, wie viel Spaß eine Reparatur im Raumanzug bereithielt. Beim ersten Auftauchen der Schwankungen hatte sie Senkowski gesagt, sie glaube, das Problem identifizieren zu können, wenn sie es aus der Nähe sähe. Doch er war blass geworden – was für einen so bleichen Typ eine echte Leistung war – und hatte gemurmelt, er müsse die Sensoren rekalibrieren. Bei der letzten Kontrolle vor zwei Tagen waren dieselben Werte wieder aufgetreten, und als Prynn ihn damit konfrontierte, sagte er, die Fluktuation sei statistisch nicht signifikant und sie entschieden zu neurotisch. Okay, er sagte nicht wirklich »neurotisch«, aber sie sah ihm an, dass er es dachte. Sein Gesichtsausdruck machte kein Geheimnis daraus, dass er Angst vor einem Einsatz im Raumanzug hatte. Von wegen statistisch nicht signifikante Werte. Feigling! Prynn bückte sich und strich über die Außenhaut des Raumschiffs. Ein visueller Scan der Hüllenpanzerung hatte keine Beweise für die Existenz eines Problems geliefert. Doch Prynn glaubte recht gut zu erahnen, was dem alten Mädchen fehlte. Sie tat einen weiteren Schritt, machte einen Überschlag, kam mit der Stiefelspitze auf der Außenhülle auf und machte einen weiteren Überschlag. Das war schneller – und lustiger –, als den Rest des Weges zu gehen. Und doch hielt sich der Spaßfaktor dieses Mal in Grenzen. Beim Orbitalsprung in der Holosuite wäre er größer gewesen. Besser gesagt, beim Orbitalsprung mit Shar. Ach, verflucht! Es passte nicht zu ihm, sie zu versetzen. Nog war eher der Typ, der sich nach besseren Angeboten umsah. Shar aber erschien stets sogar vor der vereinbarten Zeit. Genau deswegen war Prynn so irritiert gewesen, als er an diesem Abend nicht auftauchte – noch dazu ohne Vorwarnung! Sie hatte im ersten Stock des Quark’s gesessen und an einem Kernbruch genuckelt, aus dem schnell ein zweiter geworden war, und gar nicht groß darauf geachtet, wie viel Zeit verstrichen war, doch als ihr endlich eingefallen war, den Computer nach der Uhrzeit zu fragen, war Shar bereits fünfundvierzig Minuten zu spät gewesen. Der Versuch, ihn mittels Interkom zu erreichen, hatte sich schnell als Zeitverschwendung herausgestellt, er nahm ihre Anrufe nicht entgegen. Dann war Treir erschienen, um Prynns dritte Bestellung aufzunehmen, und hatte sie dabei derart mitleidig angesehen, dass Prynn den Wink verstand. Sie beglich die Zeche und verließ schnellstens das Lokal. Ihr Schiff brauchte sie, auch wenn Shar es nicht tat. Abermals erinnerte sich Prynn, warum sie Beziehungen aus dem Weg ging: Partnerschaften machten aus stabilen, rationalen Individuen Wesen, die sich, um ihr Verhalten zu rechtfertigen, einer Logik bedienten, die an Zeitreiseparadoxien erinnerte und einem die Hirnwindungen verknotete. Damit wollte sie nichts mehr zu tun haben. Ein für alle Mal. Oder waren die Männer an allem schuld? Vor einigen Jahren hatte Prynn etwas mit einem gutaussehenden rebellischen Kadetten angefangen, der ihr aber schnell deutlich gemacht hatte, kein Interesse an einer Beziehung, sondern nur an Sex gehabt zu haben. Hochgradig erniedrigt, hatte Prynn danach eine Kommilitonin angesprochen, eine Pilotin. Sie war zu der Erkenntnis gelangt, dass ihre bisherigen Katastrophen im Bereich Romantik weniger dem Pech zuzuschreiben waren als einem irreparablen Defekt des männlichen Geschlechts. Schließlich waren Männer emotionale Krüppel, wenn es um Romanzen ging, oder etwa nicht? Prynns Argumentation war einleuchtend gewesen: Vermeide das Geschlecht und du vermeidest den Fehler. Doch als sich endlich die Gelegenheit bot, die Kommilitonin um ein Date zu bitten, kamen zu Prynns eigenem Erstaunen ganz andere Worte aus ihrem Mund: »Unglaublich, was für ein Vollidiot dieser Jack DiAngelo ist, oder?« Den ganzen Abend lang hatten sie danach an der Bar gesessen und sich gegenseitig ihre Beziehungsgruselgeschichten erzählt. Seit jenem Tag war Prynn überzeugt, dass sie der alte Spruch »Männer – man kann nicht mit ihnen leben, darf sie aber auch nicht töten« bis ins Grab verfolgen würde. So ungern sie es sich auch eingestand, hatte sie insgeheim gehofft, der einer anderen Spezies angehörige (Quasi-)Mann Shar möge sich nicht so dumm anstellen wie seine Geschlechtsgenossen jedweder anderen Hautfarbe, planetaren Abstammung und körperlicher Form. Und, so seltsam es auch war, bis zum heutigen Abend war er auch perfekt gewesen. Nicht ein Mal hatte Prynn das Gefühl gehabt, ihre knospende Beziehung bereite ihm Unbehagen. Natürlich war es kurzzeitig seltsam gewesen, als Prynn das Thema vor einigen Monaten erstmals aufbrachte, doch sie hatten diesen Punkt schnell hinter sich gelassen und ihren eigenen Rhythmus gefunden, der aus gemeinsamen Mahlzeiten, Sport- und Unterhaltungsaktivitäten sowie Besuchen der Holosuite bestand. Nach einigen Wochen, in denen Prynn die Annäherungsversuche hatte machen müssen, hatte er die Initiative ergriffen. Auch der heutige Ausflug in die Holosuite war seine Idee gewesen. Shar schien ihre Gesellschaft zu genießen und öffnete sich zusehends. Erst kürzlich hatte er seine Gefühle über den Tod von Thriss mit Prynn geteilt und erklärt, warum er seine Bündnispartner allein nach Andor hatte aufbrechen lassen. Während sie ihm zuhörte, hatte Prynn mit ihm gelitten und begriffen, welch großes Vertrauen er ihr auf diese Weise schenkte. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie zuletzt jemandem so nahe gewesen war wie Shar in diesen Momenten. Ihre emotionalen Narben und chaotischen Familienverhältnisse boten ihnen massig Gesprächsstoff, doch was sie wirklich aneinander band, war das Gefühl, vom anderen tatsächlich verstanden zu werden – so, wie es nur jemand konnte, der dasselbe durchlebt und überstanden hatte. Shar bedeutete ihr etwas....