E-Book, Deutsch, Band 166, 326 Seiten
Reihe: Das Schwarze Auge
Jödemann DSA: Das Blut der Castesier 2 - Schwarze Schwingen
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-96331-298-4
Verlag: Ulisses Spiele
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Schwarze Auge Roman Nr. 166
E-Book, Deutsch, Band 166, 326 Seiten
Reihe: Das Schwarze Auge
ISBN: 978-3-96331-298-4
Verlag: Ulisses Spiele
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Daniel Jödemann (*1978 in Bielefeld) ist ein Multitalent. Der studierte Architekt und ausgebildete Gestaltungsassistent für Industriedesign nahm an mehreren Schreibwettbewerben und Abenteuerwettbewerben für das erfolgreichste deutschsprachige Rollenspiel 'Das Schwarze Auge' teil, gewann einen und war zeitweilig in der Redaktion dieses Rollenspiels angestellt. Er wirkte an den Regionalspielhillfen 'Am Großen Fluss', 'Herz des Reiches', und 'Land des Schwarzen Bären' mit und verfasste mehrere Abenteuer sowie drei Romane in Aventurien, der Hintergrundwelt des 'Schwarzen Auges'. Außerdem ist er als Illustrator und Kartenzeichner für verschiedene Rollenspiele tätig. Der gebürtige Bielefelder lebt derzeit in Wuppertal.
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Kapitel 2
Sabella verharrte vor Quintus’ Studierzimmer, schloss die Augen und atmete tief durch. Erneut hatte sie verschlafen. Heute Morgen vermochte sie kaum längere Zeit zu stehen, ohne dass Schwindel sie befiel. Wieder einmal hatten sie verstörende Alpträume geplagt, in denen sie von einem Unbekannten verfolgt wurde – vielleicht Acinus oder Andronicus. Sie wusste nur eines mit Sicherheit: Immer wieder hatte sie in ihren Träumen das Schlagen gewaltiger Schwingen und ein leises, lockendes Wispern vernommen. Ein so leises Wispern, dass sie die Worte nicht verstand, egal, wie sehr sie sich auch bemühte.
Sie konnte nicht länger warten. Mit jedem weiteren Tag, der verstrich, riskierte sie, dass sich Andronicus einen Fehltritt leistete und ihre Tage am Pentagrammaton damit gezählt wären. Immer häufiger kam er erst spät abends heim. Sie musste etwas unternehmen.
Sabella öffnete die Augen wieder, fasste sich und klopfte an. Scirta, Quintus’ Leibsklavin und Secretaria, ließ sie ein und führte sie direkt in das Arbeitszimmer des Akademieleiters.
Spectabilitas Quintus schaute ihr entgegen, sein Lächeln schwand umgehend. »Du siehst so aus, als wärst du deinem eigenen Grab entstiegen, Sabella.«
Sie schaute an sich herab. Ihre Tunika war sauber und makellos. »Ich kann dir versichern, Spectabilitas, dass ich mich in letzter Zeit nicht auf einem Friedhof aufgehalten habe.«
Er lachte. »Tritt ein und setz dich. Ich hole dir einen Becher Wasser.«
»Nicht nötig, Spectabilitas, es geht mir gut.«
»Keine Widerrede. Setz dich.«
Sabella ließ sich auf einem Stuhl nieder. Sie musterte die karge Einrichtung des Kabinetts, Quintus’ Brustpanzer und die Auszeichnungen aus seiner Zeit in der Legion. Es sprach für ihn, dass er es als ehemaliger Legionsmagier bis zur Leitung des Pentagrammatons gebracht hatte. Hätte doch er sie vor vierzehn Jahren dem Waisenhaus abgekauft, nicht Andronicus.
Quintus schenkte ihr Wasser ein. »Dein Meister lässt dich wohl Tag und Nacht arbeiten. Oder halten dich deine Studien wach?« Er reichte ihr den Becher.
Sabella nahm einen großen Schluck. Das kalte Wasser belebte sie und vertrieb die Müdigkeit. Sie besann sich wieder auf die Worte, die sie auf dem Weg hierhin so sorgfältig vorbereitet hatte: »Ich habe dir für den Verlust deines Studiosus noch immer nicht mein Beileid ausgesprochen. Verzeih mir, Spectabilitas, es ist bereits Tage her.«
Quintus seufzte. »Ich danke dir. Ich muss gestehen, dass mich die Art und Weise seines Ablebens nicht gänzlich überrascht hat, bedenkt man Acinus’ Nachlässigkeit. Aber das möge bitte unter uns bleiben.«
Sabella nickte rasch und verzichtete auf eine Antwort. Sie empfand zwar keine Schuldgefühle, doch hatte sie auch kaum Übung im Lügen.
»Acinus’ und Tebellius’ Väter haben der Akademie selbstverständlich mit ernsten Konsequenzen gedroht«, fuhr der Spectabilitas fort. »Von Pallas Mutter in Bosparan habe ich noch keine Antwort erhalten, doch die Aurelier werden den Vorfall sicherlich auch nicht einfach akzeptieren. Dies ist ein Sturm, der nicht spurlos an uns vorbeiziehen wird, bedenkt man die Familiennamen dieser drei Studiosi. Und Felicita, das arme Ding, was macht sie nun wohl durch?«
Sabella starrte in ihren Becher. Es würde sie nicht wundern, wenn Acinus’ Schwester seit einigen Tagen genauso gute Laune an den Tag legte, wie Jandora es tat.
»Aber ich vermute, es ist kein Zufall, dass du mich darauf ansprichst.« Quintus lächelte. »Halt mich nicht für einen Narren, Sabella. Was hast du zu sagen?«
Sie stellte den Wasserbecher zur Seite und räusperte sich. »Andronicus unterrichtet mich im Grunde gar nicht mehr, er enthält mir seine Aufzeichnungen vor und weiht mich nicht in seine Studien ein. Er untersagte mir sogar, Magistra Litorias Vorlesungen beizuwohnen. Zudem trinkt er wieder.«
»Tut er das?« Der Akademieleiter runzelte die Stirn. »Bist du dir sicher?«
Sie nickte. »Ich habe den Alkohol an ihm riechen können.«
»Mir sind noch keinerlei Beschwerden über ausschweifendes Verhalten zu Ohren gekommen«, murmelte Quintus nachdenklich. »Es ist aber natürlich gut und richtig, dass du damit sofort zu mir kommst.«
Hoffnung keimte in ihr auf. »Dann wirst du meiner Bitte nachkommen?«
»So einfach ist es nicht. Es wäre mir eine Ehre, dich als meine Studiosa aufzunehmen. Ein solcher Schritt muss jedoch wohlüberlegt sein.« Sabella setzte zu einem Protest an, doch er brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Ganz sicher kann und werde ich nichts unternehmen, ohne zuvor mit Magister Andronicus zu sprechen. Er soll Gelegenheit erhalten, sein Verhalten zu überdenken und Stellung zu diesen Vorwürfen zu beziehen.«
Hilflosigkeit und Müdigkeit holten sie nun wieder ein, drohten sie zu übermannen. Ihr fehlte die Kraft, ihre Verzweiflung zu verstecken. »Es wurde Jahr für Jahr schlimmer«, stieß sie hervor. »Immerzu befanden wir uns auf der Flucht vor seinen Auftraggebern oder vor der Garde. Wir zogen von Perricum nach Ragathium, von Ragathium nach Rommilys, von dort nach Veratia, dann nach Havena und wieder zurück. Vor drei Jahren und zwei Monaten verscherzte Andronicus es sich mit einem Händler in Havena, nachdem er im Rausch einen seiner Sklaven verwundet hatte. Vor einem Jahr und drei Monaten jagte uns der Praetor von Veratia davon, da mein Meister …«
»Still«, beruhigte der Akademieleiter sie. »Ich bin mir deiner prekären Situation sehr wohl bewusst. Doch du bist nun in guten Händen. Der Götterfürst selbst hat dich zu mir geführt, alles wird sich zum Guten wenden.« Er trat an sie heran und legte ihr lächelnd die Hand auf die Schulter. »Komm. Ich bin auf dem Weg zum Rat, um mir Litorias Geplapper anzuhören. Vielleicht vermag ich dein Anliegen schon heute vorzubringen und kann dafür sorgen, dass der Rat Andronicus gleich morgen vorlädt und befragt. Auf dem Weg dorthin bringe ich dich beim Apothecarius vorbei. Ostafar wird dir etwas geben, das dich stärkt und dir helfen wird, erholsam zu schlafen.«
Ihr fehlte die Kraft, um zu widersprechen, und so nickte sie nur.
Quintus führte sie hinaus. In der dreistöckigen Versammlungshalle im Zentrum des Pentagrammaton eilten zu dieser Nachmittagsstunde nur wenige Akademiebewohner hin und her. Die meisten gingen ihren Studien nach oder lauschten in Vorlesungen den Magistern. Magistra Litoria, die Spectabilitas secunda, saß mit Luntillian, dem Magister für Magiehistorie, auf einer Bank in der Nähe.
Andronicus erwartete sie bereits in der Mitte des fünfeckigen Saals. Der alte Magus stützte sich auf seinen weißen Stab und blickte ihnen unter buschigen grauen Augenbrauen entgegen. »Machst du jetzt deinen entscheidenden Zug, Quintus?«, rief er laut genug aus, dass man seine Worte auch im zweiten Obergeschoss noch hören musste.
Der Akademieleiter bedeutete Sabella, zurückzubleiben, und trat vor. »Du musst schon genauer erötern, worauf du hinauswillst, Collega.«
In Andronicus’ Augen lag ein fiebriger Glanz. Er spie seine Antwort geradezu heraus. »Hast du mich deshalb in deine Nähe geholt? Damit du deine gierigen Klauen nach ihr ausstrecken kannst?« Er wies auf Sabella.
Die Umstehenden verharrten und beobachteten die Auseinander-setzung. Die beiden Magier standen sich nun in dem weiten, von Säulen umgebenen Rund in der Mitte der Versammlungshalle gegenüber.
»Beruhige dich«, setzte Quintus erneut an, »lass uns sprechen, nur unter uns.« Er wies zurück zu seinem Studierzimmer. »Bei einem Becher Wein.«
»Damit niemand hier die Wahrheit erfährt?« Andronicus wies mit dem Stab auf die Menge. Der ein oder andere Umstehende wich instinktiv zurück.
Der Spectabilitas hob die Hand, so als wollte er ein unruhiges Tier beruhigen. »Du bist verwirrt, Collega.«
Die beiden Männer umkreisten sich nun langsam im Abstand von etwa sieben Schritt – die maximale Reichweite vieler Zauber.
»Wenn du mir meine Studiosa abspenstig machen willst, Quintus«, stieß Andronicus aus, »dann steht mir laut Zunftordnung das Recht auf Provocatio zu!«
Quintus hob die Brauen. »Das sind archaische Regularien, auf die sich seit mehr als einhundert Jahren kein Magus mehr berufen hat.«
»Hat nicht euer Akademiegründer, der hochgelobte blutige Fran, jene Regularien noch zu Lebzeiten bestärkt?« Andronicus wies auf einen der umstehenden Magister. »Wenn du dich wirklich Hereditor nennst, dann solltest du mit diesen Direktiven bestens vertraut sein.«
Magister Luntillian, ein kahlköpfiger Magier mit geflochtenem dunklem Bart, trat vor. Sein Gesichtsausdruck zeigte Unglauben und Bestürzung. »Es ist nicht unwahr, Magister Andronicus. Doch der Spectabilitas hat Recht: Seit einhundert Jahren hat niemand mehr …«
»Weitere Ausführungen sind nicht vonnöten, Collega«, unterbrach Quintus ihn ruhig. »Wenn Andronicus auf ein Kräftemessen insistiert, dann bin ich bereit, ihm dies zu gewähren. Welcher Zeitpunkt ist dir recht? Wie lange benötigst du, um dich adäquat zu...




