E-Book, Deutsch, Band 2, 346 Seiten
Reihe: Klara Golder ermittelt
Jöst Das Geheimnis um den toten Pfarrer
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-8412-2509-2
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 2, 346 Seiten
Reihe: Klara Golder ermittelt
ISBN: 978-3-8412-2509-2
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Heiliger BimBam.
Klara Golders neue Putzstelle hat es wieder in sich: nach einem Bestseller floppten die nachfolgenden Bücher des ehemaligen Erfolgsautors und nun ertränkt er seinen Kummer in Alkohol und lässt sich von seiner Schwester bedienen. Als diese eine Auszeit benötigt, engagiert sie kurzerhand Putzperle Klara, damit sie in der Wohnung ihres exzentrischen Bruders Ordnung hält. Doch als der beliebte Pfarrer ermordet im Beichtstuhl aufgefunden wird, ist Klara sofort klar: hier ist ihre Spürnase gefragt! Mit Monsieur Bloque an ihrer Seite stößt Klara auf einige Ungereimtheiten, die ihr zu denken geben. Als sie dann auch noch von ihrer eigenen Vergangenheit eingeholt wird, nimmt das Chaos seinen Lauf ...
Simone Jöst lebt im Odenwald. Beflügelt von der Lust, sich ständig neue Geschichten auszudenken, schreibt sie humorvolle Unterhaltungskrimis, die nicht nur von Mord und Totschlag erzählen, sondern auch die Lachmuskeln ihrer Leser fordern. Für sie gibt es nichts Schöneres als schwarzen Humor und weiße Schokolade. Sie veröffentlichte zahlreiche Kurzgeschichten und Romanserien und ist Herausgeberin von Krimi-Anthologien.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Dienstag
Jedes Mal, wenn Klara eine neue Putzstelle antrat, war sie nervös. Genau wie heute. Als sie noch bei ihrem Mann Harald gelebt hatte, verlief ihr Leben in geregelten Bahnen. Sie hatte einen festen Job in einer Putzkolonne und brauchte sich nicht um ihren Lebensunterhalt sorgen. Doch seit ihrem fünfzigsten Geburtstag vor fünf Wochen stand ihr Leben kopf. Sie hatte Harald verlassen und den Sprung ins kalte Wasser gewagt. Endlich! Weit fort von zu Hause, dort, wo sie einst ihre große Jugendliebe Adrian getroffen hatte. Was war sie in den jungen Mann verknallt gewesen, der so kühne Pläne für die Zukunft gehabt hatte, davon träumte, eines Tages ein eigenes Hotel zu leiten. Leider dauerte ihre Romanze nur wenige Tage, weil Klaras Schulferien zu Ende waren und sie mit ihren Eltern wieder abreisen musste. Ein Leben lang hatte sie sich gefragt, was aus ihr geworden wäre, wenn sie ihn statt Harald geheiratet hätte. Jedenfalls würde sie heute nicht in der kleinen Dachgeschosswohnung über einer Buchhandlung wohnen, was besonders schade wäre, denn ihren neuen Vermieter, den blinden Buchhändler Philippe Bloque, hatte sie sofort ins Herz geschlossen, und um ehrlich zu sein, brauchte sie seine Unterstützung mehr, als sie sich eingestehen wollte.
Die vergangenen Wochen waren verrückt und wunderschön zugleich gewesen. Eine Einbruchserie und ein Mord im Haus ihrer letzten Arbeitgeberin hatten Klara an ihre Grenzen und weit darüber hinaus gebracht. Doch war es nicht genau das, was sie gesucht hatte, als sie Harald verließ? Freiheit, Abenteuer und neue Freunde. Et voilà! All das hatte sie hier in dieser Kleinstadt vom ersten Tag an gefunden. Allerdings hatte sie im Traum nicht damit gerechnet, dass sie ihre Arbeitsstelle nach kaum einer Woche schon wieder verlieren würde, weil ihre Chefin versuchte, sie zu töten und wegen Mordes an ihrem Chauffeur selbst verhaftet wurde.
Zum Glück hatte Philippe schnell einen neuen Arbeitgeber für Klara gefunden. Alles, was sie über diesen Mann wusste, war, dass er ein wenig speziell sein sollte, allein lebte und dringend eine Reinigungskraft benötigte. Er war Kriminalschriftsteller und hieß Mo Sternberg. Vor einigen Jahren hatte er ein Buch geschrieben, mit dem ihm der Sprung auf die Bestsellerliste gelang. Leider sollte das sein einziger Erfolg bleiben. Ein bisschen aufgeregt war Klara schon. Sie verließ ihre Wohnung und lief die knarrende Holztreppe durch das Treppenhaus nach unten, vorbei an Philippes Wohnungstür im ersten Stock und trat hinaus auf den Marktplatz.
Der Sommer neigte sich langsam dem Ende zu. Die Septembernächte wurden kühler, die Platanen bekamen bereits gelbe Blätter. Klara zog ihre Strickjacke vorne zusammen und warf einen Blick durch das Schaufenster der Buchhandlung im Erdgeschoss. Philippe und Lukas würden erst in einer Stunde den Laden öffnen. Klara richtete im Spiegelbild ihren Pferdeschwanz und lächelte. Angespannt rückte sie den Gurt ihrer Umhängetasche zurecht, in der sie ihren Putzkittel und ein Paar rosa Gummihandschuhe verstaut hatte, und machte sich auf den Weg.
Bis zu Herrn Sternbergs Wohnung waren es nur zehn Gehminuten. Klara warf einen nervösen Blick auf die Uhr, was sie bereits den ganzen Morgen über immer wieder getan hatte. Es war kurz vor acht. Kein Grund zur Sorge. Sie lief durch Seitenstraßen an parkenden Autos vorbei und stand auf die Minute pünktlich vor der Haustür des Schriftstellers. Dann atmete sie tief durch, zupfte die Strickjacke zurecht und richtete den Kragen ihrer Bluse. Das Haus hatte vier Etagen, in denen acht Parteien wohnten. Klara suchte den Namen Sternberg auf den Schildern. Ihr Finger schwebte noch über dem Klingelknopf, als die Tür von innen aufgerissen wurde und ein junger Mann mit einem Fahrrad über der Schulter und einem Helm auf dem Kopf herausrannte.
Klara sprang erschrocken zur Seite. Mit einem kurzen Sorry! stellte er das Rad auf den Boden, schwang sich auf den Sattel und verschwand wie vom Teufel gejagt um die nächste Straßenecke. Klara fing die Haustür ab, bevor sie wieder zuschlug, und trat ein. Im Treppenhaus roch es etwas muffig, aber ansonsten waren die Steinstufen ordentlich geputzt, die Wände frisch in Zartgelb gestrichen. Links neben dem Eingang hingen Briefkästen. Darunter standen ein Fahrrad und ein zusammengeklappter Kinderwagen. Klara stieg die Treppe hinauf. Sie sah auf die Uhr und verfiel in einen Laufschritt. In der vierten Etage angekommen, hämmerte ihr Puls und sie schnaufte wie eine Lokomotive. Wie in jedem Stockwerk dieses Hauses gab es hier oben zu beiden Seiten je eine Wohnungstür. Ohne das Namensschild zu lesen, vermutete Klara, dass Herr Sternberg hinter der linken Tür wohnte. Vor der anderen Tür standen drei Paar Gummistiefel, zwei davon in Kindergröße, und ein Kranz aus Trockenblumen hing an der Tür. Das sah nicht nach einem alleinstehenden Schriftsteller aus.
Aus der Wohnung ihres neuen Arbeitgebers drangen Stimmen. Klara blieb vor der Tür stehen und lauschte.
»Stell dich nicht so an!«, schimpfte eine Frau.
»Tue ich doch gar nicht!«, erwiderte eine Männerstimme. »Ich will nicht, dass du gehst.«
»Mo, das hatten wir jetzt schon tausendmal. Werde endlich erwachsen. Ich kann nicht ewig hinter dir herlaufen und mich um dich kümmern.«
»Bitte, Elsa, bleib. Wie soll ich denn ohne dich klarkommen? Ich brauche dich, und das weißt du ganz genau. Wenn du gehst, bricht mein Leben zusammen.«
»Jetzt werde nicht theatralisch.«
»Du versetzt mir sehenden Auges den Todesstoß? Elsa, das kann nicht dein Ernst sein. Warum bist du nur so herzlos?«
Es wurde still.
»Es ist acht Uhr«, sagte die Frau, ohne weiter darauf einzugehen, »sie kommt bestimmt jeden Moment, und du wirst dich zusammenreißen. Hast du verstanden?«
»Und wenn nicht?«, fragte der Mann kleinlaut.
Klara sackte das Herz in die Hose. Das waren nicht unbedingt die besten Voraussetzungen für optimale Arbeitsbedingungen. Philippe hatte mit Herrn Sternbergs Schwester telefoniert, und sie war diejenige, die Klaras Gehalt bezahlen würde. So wie sich das hier anhörte, war es nicht der Wunsch des Schriftstellers gewesen, eine Reinigungskraft einzustellen.
Klara putzte leidenschaftlich gern. Sie tat es seit vielen Jahren, eigentlich schon ihr gesamtes Leben lang, wenn man die Ausbildung zur Konditorin nicht hinzurechnete. Ihre Auftraggeber waren allesamt voll des Lobes für ihre Arbeit gewesen. Abgesehen von Frau Kronknecht, was allerdings nicht an Klaras Leistung lag als vielmehr daran, dass sie ihre Arbeitgeberin wegen Mordes ins Gefängnis gebracht hatte. Doch leider hatte es immer wieder Auftraggeber gegeben, die nörgelnd hinter ihr standen und Anweisungen gaben, wie die Wohnung zu reinigen sei, die alles besser wussten und sie ständig beobachteten. In solchen Fällen hatte Klara auch schon mehrfach das Handtuch oder vielmehr den Putzlappen geworfen. Auf derartige Anstellungen verzichtete sie liebend gern. Hoffentlich entpuppte sich diese hier nicht ebenfalls als ein Reinfall. Jetzt, da sie allein wohnte, musste sie selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen, sie brauchte das Geld. Ohne Harald kein Haushaltsgeld, aber auch kein Haustyrann, der nur an sich dachte. Klara straffte die Schultern und drückte auf den Klingelknopf. Gleich darauf tippelten Schritte auf die Tür zu.
»Guten Morgen, Frau Golder«, sagte eine schlanke Frau Mitte dreißig, die im Türrahmen auftauchte und mit der Sonne um die Wette strahlte. Ihre langen blonden Haare waren von rotblonden Strähnchen durchzogen und rahmten das bildschöne Gesicht ein. Sie trug ein dunkelblaues Etuikleid, das ihre Kurven in Szene setzte, und dazu blaue High Heels. Die Frau sah umwerfend aus, wie eine makellos durchgestylte Hollywoodschönheit.
»Guten Morgen, Frau Sternberg«, antwortete Klara unbehaglich und strich sich nervös eine Strähne hinter das Ohr.
Vom modischen Standpunkt her konnte sie mit dieser Frau nicht mithalten: Lange rote Fingernägel, Designerkleider oder ein teures Parfum waren beim Putzen fehl am Platz. Dabei war Klara keineswegs unattraktiv. Im Gegenteil. Sie war mit ihrer Figur zufrieden, und seit sie ihren Mann verlassen hatte, experimentierte sie immer öfter mit Kosmetika. Bis sie jedoch die Perfektion von Frau Sternberg erreichte, würde sie noch viel Übung benötigen.
»Kommen Sie doch herein«, bat diese mit einer einladenden Handbewegung.
Klara streifte die Füße auf dem Sisalabtreter ab.
»Mo?«, rief die junge Frau und schloss die Tür hinter Klara. »Bitte, hier entlang.« Sie ging auf eine angelehnte Tür am Ende des Flurs zu. Dabei kickte sie unauffällig einen Turnschuh zur Seite, der mitten im Weg lag, und lächelte verlegen über ihre Schulter zu Klara.
Die Wohnung erschien auf den ersten Blick aufgeräumt. Heller Laminatboden, weiße Raufasertapete, auf der Kinoplakate von Star Wars und Gladiator hingen. Ein blaues Herrenrennrad stand gegen die Wand gelehnt. Auf der linken Seite des Flurs sah sie eine geschlossene Tür, die daneben war nur angelehnt, und durch den Türspalt entdeckte Klara ein zerwühltes Kingsize-Bett mit dunkelblauer Satinbettwäsche. Dem Schlafzimmer schloss sich das Arbeitszimmer mit einem antiken Schreibtisch aus Holz mit Schnitzereien an. Auf ihm standen ein Bildschirm und eine Tastatur, an der Rückseite hingen jede Menge Kabel herab, die mit dem Drucker und anderen technischen Geräten verbunden waren. Hinter dem Tisch erstreckte sich ein riesiges Bücherregal über die gesamte Wand. Auf der gegenüberliegenden Seite stand ein altes, zerschlissenes Sofa. Vom Zimmer ging ein...