E-Book, Deutsch, 400 Seiten
Reihe: Historical Gold Extra
Joyce Freibeuter der Leidenschaft
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7337-3780-1
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 400 Seiten
Reihe: Historical Gold Extra
ISBN: 978-3-7337-3780-1
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Was für eine Frau! Statt damenhaft kokett ein Sonnenschirmchen in der Hand zu schwenken, fordert Amanda ihn mit dem Degen heraus. Clive de Warenne kann seinen Augen kaum trauen. Aber er hat versprochen, die aufreizend begehrenswerte Piratentochter zu ihrer Mutter nach England zu bringen. Als ehrenhafter Freibeuter steht er zu seinem Wort, bringt ihr sogar die Manieren einer Lady bei, um ihr den Einstieg in die vornehme Gesellschaft zu ebnen. Er selbst sieht sich keinesfalls als passender Heiratskandidat bis Amanda ihr Debüt gibt. Und eine so bezaubernde Ballkönigin ist, dass jeder Mann in ihrer Nähe ihn vor Eifersucht brennen lässt ...
Brenda Joyce glaubt fest an ihre Muse, ohne die sie nicht New-York-Times-Bestseller-Autorin hätte werden können. Ihre Ideen treffen sie manchmal wie ein Blitz - zum Beispiel beim Wandern, einem ihrer Hobbys neben der Pferdezucht. Sie recherchiert für ihre Historicals so genau, dass sie auch reale historische Figuren und sogar echte Zeitungsschlagzeilen von damals in ihre Romane einbinden kann. Oft verliebt sie sich beim Schreiben regelrecht in ihre Hauptfiguren.
Weitere Infos & Material
1. KAPITEL
King’s House
20. Juni 1820
Er war bekannt als der bedeutendste Freibeuter und Gentleman seiner Zeit, eine Auszeichnung, die ihn immer wieder belustigte. Freibeuter und Gentleman waren zwei Wörter, die niemals im selben Atemzug genannt werden konnten, selbst wenn er für diese Regel die Ausnahme bildete. Clive de Warenne, dritter und jüngster Sohn des Earls of Adare, betrachtete mit ernstem Gesicht den neu errichteten Galgen. Zwar stimmte es, dass er bisher noch nie eine Schlacht verloren hatte, doch er nahm den Tod nicht auf die leichte Schulter. Seiner Einschätzung nach hatte er bereits mindestens sechs Leben verbraucht, und er hoffte, dass ihm noch mindestens drei blieben.
Eine Hinrichtung lockte immer viele Menschen an. Jeder Schurke, jeder Pflanzer, jede Dame und jede Hure, alle kamen sie in die Stadt, um den Piraten hängen zu sehen. Morgen würden ihnen Vorfreude und Aufregung den Atem rauben. Es würde Applaus geben, wenn das Genick des Piraten mit einem Knacken brach, und Jubel.
Clive war ein hochgewachsener, breitschultriger Mann mit braunem, ein wenig zu langem Haar, das von der Sonne gebleicht war. Er besaß die leuchtend blauen Augen, für die die Männer der Familie de Warenne berühmt waren. Mit seinen hohen Stiefeln, einer hellen Hose aus Hirschleder und dem feinen Leinenhemd war er lässig gekleidet, doch er war schwer bewaffnet. Selbst wenn er sich in der guten Gesellschaft bewegte, trug er stets einen Dolch im Gürtel und ein Stilett im Stiefel, denn er hatte sich sein Vermögen nicht mühelos verdient und sich dabei eine Reihe von Feinden gemacht. Außerdem hatte er auf den Inseln keine Zeit für Mode.
Clive wusste, dass er im Begriff war, zu spät zu seiner Verabredung mit dem Gouverneur zu kommen. Aber einige nach der neuesten Mode gekleidete Damen betraten gerade den Platz, und eine davon war eine hinreißende Schönheit. Sie warfen ihm Blicke zu und flüsterten aufgeregt miteinander. Er sah, dass sie unterwegs zu dem Gerüst waren, um den Ort zu begutachten, an dem morgen die Hinrichtung stattfinden sollte. Unter gewöhnlichen Umständen würde er sich eine für das Bett aussuchen, doch ihm entging nicht, wie sensationslüstern sie waren, und er fühlte sich davon abgestoßen.
Der imponierende Eingang zu King’s House lag direkt hinter ihm, als er die drei Frauen vorüber und zu dem Richtblock gehen sah. Die Faszination, die er auf die Damen des ton und der Inselgesellschaft ausübte, kam ihm sehr gelegen, denn wie alle Männer der Familie de Warenne war er den Freuden der körperlichen Liebe ausgesprochen zugetan. Die Blonde erkannte er wieder, sie war die Frau eines Pflanzers, den er gut kannte. Die dunkle Schönheit hingegen war zweifellos neu auf der Insel. Sie lächelte ihn an, wusste offensichtlich, wer und was er war, und ebenso offen bot sie ihm ihre Gunst an, sollte er sich entschließen, ihrer zu bedürfen.
Doch das tat er nicht. Er nickte ihr höflich zu, und sie hielt seinem Blick stand, ehe sie sich abwandte. Er war ein Adliger und ein angesehener Kaufmann – wenn er nicht gerade Kaperbriefe akzeptierte –, aber ihm haftete der Ruf an, ein Frauenheld und Vagabund zu sein. Eine besonders leidenschaftliche Geliebte hatte ihn sogar einen Freibeuter genannt. Tatsächlich war er zwar als Gentleman erzogen worden, doch er war in Spanish Town mehr zu Hause als in Dublin, mehr in Kingston als in London, und er machte daraus kein Geheimnis. Wenn er mitten im Kampf an Deck eines Schiffes stand, konnte vermutlich kein Mann ein Gentleman sein. Das würde seinen Tod bedeuten.
Aber was die Leute sagten, hatte ihn nie gekümmert. Er hatte sein Leben genau so eingerichtet, wie er es haben wollte, ohne die Hilfe seines Vaters, und er hatte sich den Ruf erworben, einer der größten Herren der Meere zu sein. Obwohl er sich immer nach Irland gesehnt hatte, dem schönsten Ort auf Erden, war ihm die Freiheit am wichtigsten. Selbst auf dem Familiensitz des Earls, umgeben von der Familie, die er liebte, war ihm bewusst, dass er seinen Brüdern so gar nicht ähnlich war – dem Erben und dessen potenziellen Ersatz. Verglichen mit seinen heimatverbundenen Brüdern war er wirklich ein Freibeuter. Die vornehme Gesellschaft warf ihm vor, anders zu sein, exzentrisch und ein Außenseiter, und sie hatte recht.
Kurz bevor Clive kehrtmachte, um King’s House zu betreten, gesellten sich zwei weitere Damen zu dem Trio, die Menge auf dem Platz wurde immer größer. Ein Gentleman, in dem er einen erfolgreichen Kaufmann aus Kingston erkannte, kam ebenfalls dazu und außerdem ein paar Seeleute.
„Ich hoffe, er genießt seine Henkersmahlzeit!“, sagte einer der Seeleute lachend.
„Stimmt es, dass er einem englischen Marineoffizier die Kehle durchgeschnitten hat?“, fragte eine der Damen atemlos. „Und seine Kajüte mit dessen Blut bestrichen?“
„Das ist eine alte Piratentradition“, erwiderte der Seemann grinsend.
Bei dieser absurden Behauptung verzog Clive das Gesicht.
„Hängen sie hier viele Piraten auf?“, fragte die Schönheit weiter.
Clive wandte sich ab. Diese Hinrichtung wird wie ein Zirkus werden, dachte er.
Und die eigentliche Ironie bei alldem lag darin, dass Rodney Carre einer der am wenigsten gefährlichen und erfolglosesten Vagabunden auf dem Meer war. Er sollte bloß deshalb hängen, weil Gouverneur Wood sich entschlossen hatte, um jeden Preis ein Exempel zu statuieren. Verglichen mit den Verbrechen der gnadenlosen kubanischen Seeräuber, die jetzt in der Karibik ihr Unwesen trieben, waren seine Vergehen nicht der Rede wert, aber Carre war derjenige gewesen, der sich hatte einfangen lassen.
Clive kannte ihn, wenn auch nicht sehr gut. Gelegentlich kam Carre nach Kingston, um sein Schiff zu überholen oder seine Waren auszuladen, und Clives Haus auf der Insel, Windsong, lag am nordwestlichen Ende der Harbor Street. In den letzten Jahren hatten sie kaum ein Dutzend Worte miteinander gesprochen und einander nur im Vorbeigehen einen Gruß zugenickt. Er hatte keinen Grund, Carres Schicksal zu bedauern.
„Und die Tochter des Piraten?“, fragte eine der Damen aufgeregt. „Werden sie sie auch aufhängen?“
„La Sauvage?“ Das war der Gentleman. „Sie wurde nicht gefangen. Und außerdem glaube ich nicht, dass irgendjemand auf der Insel ihr ein Verbrechen vorwerfen würde.“
Jetzt verstand Clive, warum er sich so beunruhigt fühlte. Carre hinterließ eine Tochter. Sie war zu jung, um wegen Piraterie angeklagt zu werden, auch wenn sie mit ihrem Vater gesegelt war.
Das ist nicht meine Angelegenheit, dachte er finster, während er sich King’s House zuwandte. Doch jetzt erinnerte er sich lebhaft an sie, denn gelegentlich hatte er sie gesehen, wenn sie auf den Wellen ritt wie ein Delfin, mit nichts als einem Chemisier bekleidet, oder wenn sie kühn am Bug ihres Kanus stand, ohne sich um Wind und Wellen zu kümmern. Sie waren einander nie offiziell vorgestellt worden, aber wie alle anderen auf der Insel erkannte er sie sofort. Sie schien ein sorgloses Leben am Strand und in den Straßen zu führen und war unmöglich zu verkennen mit ihrem langen, zerzausten, mondhellen Haar. Wild und frei war sie, und er hatte ihren übermütigen Freiheitsdrang stets bewundert.
Voller Unbehagen schob er seine Gedanken beiseite. Morgen, wenn Carre gehängt wurde, würde er sich nicht einmal in Spanish Town aufhalten. Stattdessen begann er sich zu fragen, was Woods wohl von ihm wollte. Sie waren Freunde – gelegentlich hatten sie in Sachen der Inselpolitik zusammengearbeitet und sogar bei der Gesetzgebung. Seit Woods im Amt war, hatte Clive zweimal Aufträge von ihm entgegengenommen und erfolgreich zwei ausländische Briganten gekapert. Woods war ein energischer Politiker und Gouverneur, und Clive respektierte ihn. Bei ein oder zwei Gelegenheiten hatten sie auch gemeinsam gezecht – Woods hatte eine Schwäche für weibliche Gesellschaft, wenn seine eigene Gattin gerade nicht in der Stadt weilte.
Zwei britische Soldaten sprangen zu den großen Türen des Gouverneurssitzes, als er an den sechs ionischen Säulen vorüberging, die den Ziergiebel mit dem prächtigen Wappen des Empire stützten. Seine von Gold und Rubinen glitzernden Sporen klirrten. „Captain de Warenne, Sir“, sagte einer der Soldaten. „Gouverneur Woods sagte, Sie sollen sofort hineingehen.“
Clive nickte ihm zu und betrat die weitläufige Eingangshalle mit dem Kristallkronleuchter. Während er auf dem gewachsten Parkettboden in dem runden Foyer stand, konnte er einen Blick in einen formellen Salon mit rotem Samt und Brokat erhaschen.
Thomas Woods stand hinter seinem Schreibtisch auf und lächelte bei Clives Anblick. „Clive! Komm herein, mein Guter, komm herein!“
Clive betrat den Salon und schüttelte Woods die Hand. Der Gouverneur war ein sehniger, gut aussehender Mann in den Dreißigern und trug einen dunklen Schnurrbart. „Guten Tag, Thomas. Wie ich sehe, wird die Hinrichtung wie geplant stattfinden.“ Die Worte waren heraus, ehe er darüber nachdenken konnte.
Woods nickte zufrieden. „Du warst fast drei Monate fort. Du hast keine Ahnung, was das bedeutet.“
„Natürlich habe ich das“, sagte Clive und verspürte wieder diese seltsame Spannung, als er an die Tochter des Piraten und ihre Zukunft dachte. Ihm kam der Gedanke, dass er Carre vielleicht in der Garnison in Port Royal besuchen sollte. „Bleibt Carre in Fort Charles?“
„Er ist ins Gefängnis gebracht worden“, erwiderte Woods. Das neu errichtete Gerichtsgebäude, das erst im vergangenen Jahr fertig geworden war, befand sich direkt gegenüber von King’s House...