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E-Book, Deutsch, 240 Seiten

Kaag Keine Angst vor dem Leben

Wie uns der Pragmatismus von William James in unsicheren Zeiten helfen kann - »In diesen unruhigen Zeiten lohnt es sich, die Schwimmkraft von William James' existentiellem Rettungsring zu testen.« Wall Street Journal
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-641-28093-2
Verlag: btb
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Wie uns der Pragmatismus von William James in unsicheren Zeiten helfen kann - »In diesen unruhigen Zeiten lohnt es sich, die Schwimmkraft von William James' existentiellem Rettungsring zu testen.« Wall Street Journal

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

ISBN: 978-3-641-28093-2
Verlag: btb
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Warum der Begründer des Pragmatismus und der empirischen Psychologie auch heute noch jeden erreicht, der darum kämpft, sein Leben lebenswert zu gestalten.
Im Jahr 1895 hielt William James, der Vater der amerikanischen Philosophie, einen Vortrag mit dem Titel »Ist das Leben lebenswert?«. Für James, der ein Vierteljahrhundert zuvor als junger Mann in einer existenziellen Krise über Selbstmord nachgedacht hatte, war dies bei Weitem keine theoretische Frage. Wie John Kaag schreibt, war James' gesamter philosophischer Ansatz von Anfang bis Ende darauf ausgerichtet, Leben zu retten. Eloquent, inspirierend und voller Erkenntnisse ist »Keine Angst vor dem Leben« vielleicht das klügste und wichtigste Selbsthilfebuch, das Sie je lesen werden.

John Kaag, Jahrgang 1981, ist Professor für Philosophie an der University of Massachusetts, Lowell. Er gilt als einer der spannendsten jungen Philosophen der USA und schreibt regelmäßig Artikel für Fachzeitschriften, aber auch für die »New York Times«, »Harper's Magazine« und viele weitere Magazine und Zeitungen. »Das Bücherhaus. Eine philosophische Liebesgeschichte« (en. Originaltitel: »AMERICAN PHILOSOPHY: A Love Story«) wurde 2016 u.a. vom »National Public Radio« zum Besten Buch des Jahres gekürt. Er lebt in der Nähe von Boston.

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Prolog
»EIN EKEL VOR DEM LEBEN«
Aber nimm den glücklichsten Menschen, den, der von der Welt am meisten beneidet wird, und in neun Fällen von zehn ist sein innerstes Gefühl ein Bewußtsein des Versagens. – William James, Die Vielfalt religiöser Erfahrung, 1903 »Ich bin ein elendes Wrack. Ich bin in den letzten drei Monaten von einem solchen Ekel vor dem Leben erfasst worden, dass mir das Briefeschreiben beinahe unmöglich geworden ist.« William James war an der Schwelle zum Erwachsenenalter und stand zugleich, wie er 1869 seinem Freund Henry Bowditch verriet, kurz vor einem Nervenzusammenbruch. In den nächsten zwei Jahrzehnten sollte James unaufhörlich schreiben – Briefe, Essays, Bücher –, als hinge sein Leben davon ab. Er würde zum Vater der amerikanischen Philosophie und Psychologie werden, aber als er an Bowditch schrieb, ahnte er noch nichts davon. Er musste im Gegenteil darum kämpfen, auch nur den nächsten Tag zu erleben.[1] James war gerade, nach einem achtzehn Monate langen Aufenthalt in Berlin, in sein Elternhaus nach Cambridge, Massachusetts, zurückgekehrt. Diese Reise, eine Mission auf der Suche nach körperlicher und geistiger Gesundheit, war zu einem Misserfolg geworden. Besser gesagt, sie hatte sich sogar als ausgesprochen kontraproduktiv erwiesen. Die Aussicht, nun, da er zurück in New England war, sein Medizinstudium abzuschließen, bereitete James wenig Freude. Er war nicht mit dem Herzen dabei, ja, er war bei gar nichts mit dem Herzen dabei. In Wahrheit war er es vielleicht bei zu vielen Dingen gleichzeitig. James’ Begabung als Universalgelehrter war zu einem Teil verantwortlich für sein geteiltes Selbst – er war teils Dichter, teils Biologe, teils Künstler, teils Mystiker. Es zog ihn in zu viele Richtungen gleichzeitig, wie einen Menschen auf einer Streckbank, und deshalb konnte er sich eine Zeit lang gar nicht rühren, ging es bei ihm weder vor noch zurück. Er war ein Mensch voller disparater Neigungen, und in seinen Anfangsjahren gelang es ihm beinahe nicht, sich zusammenzuhalten. Aber da war noch etwas anderes. James steckte auch philosophisch fest, hatte sich in Gedanken verrannt, die schon zahllose Denker vor ihm geplagt hatten: Vielleicht werden die Menschen von Kräften beherrscht, die außerhalb ihrer Kontrolle liegen; vielleicht sind ihre Leben von Anfang an determiniert, dazu bestimmt, in tragischer Bedeutungslosigkeit zu enden; vielleicht können sich die Menschen, sosehr sie sich auch mühen, gar nicht selbst helfen, als freie und vor Lebendigkeit pulsierende Wesen; vielleicht sind sie nichts anderes als bloße Zahnräder in einer unselig konstruierten Maschine. Die Sinnlosigkeit war das Problem, James’ Problem, und dieses Problem trieb ihn fast in den Selbstmord. Ende der 1860er-Jahre griff er nach einem roten Kreidestift, um ein Porträt in ein Skizzenbuch zu zeichnen: Ein junger Mann, der mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf allein dasitzt. Über diese Gestalt schrieb James: »HIER SITZEN ICH UND MEINE TRAUER.« Aber wenn man genau hinsieht, ganz genau, entdeckt man eine kleine, schwer erkennbare Änderung, die den Unterschied ums Ganze macht. Dann heißt es: »HIER BIN ICH TRAUER.« Es war ein Selbstporträt.[2] In seinem späteren Leben beschrieb James einmal eine Person, einen Typus, den man um Harvard herum allzu häufig antrifft und der von Geburt an unter psychischen Problemen leidet: »Es gibt Menschen, deren Existenz einem Zickzack-Kurs gleicht, wobei abwechselnd diese, dann jene Tendenz die Oberhand gewinnt. Ihr Geist führt Krieg gegen ihr Fleisch. Sie wollen vereinbaren, was nicht vereinbar ist, ihre wohlüberlegten Pläne werden von launischen Einfällen unterbrochen, und ihr Leben ist ein langes Drama des Bereuens und angestrengter Versuche, ihr Fehlverhalten und ihre Irrtümer wiedergutzumachen.«[3] Dies sind, in James’ Worten, die »kranken Seelen«, jene, die ebenso gut an einer Eliteuniversität einen Abschluss machen wie im McLean Asylum Selbstmord begehen können, einen Steinwurf vom Harvard Yard entfernt. Seit mehr als einem Jahrhundert gibt es Gerüchte, dass James selbst einen Abstecher in die Anstalt hinter sich gebracht hat, aber in den hundert Jahren seit seinem Tod sind sie verstummt. Heute wird James gewöhnlich als ein Mensch beschrieben, der sich seinem psychischen Leiden ohne Hilfe von Ärzten gestellt hat. Das stimmt aber nicht ganz: Er selbst war der Arzt. William James’ ganze Philosophie, von Anfang bis Ende, zielte darauf, ein Leben zu retten, sein Leben.[4] Philosophie war nie nur eine abgehobene intellektuelle Praxis oder eine bloße Wortklauberei. Sie war überhaupt kein Spiel, oder wenn sie das war, dann war es das ernsteste Spiel der Welt. Sie handelte davon, wie man bedacht und zugleich intensiv leben könnte. Ich möchte den Lesern gern James’ existenzielles Lebensrettungsprogramm vorstellen. Natürlich ist das Leben letztendlich eine letale Angelegenheit. Niemand kommt lebend davon. Aber einige Autoren – und ganz besonders James – können uns helfen, sozusagen am Leben zu bleiben, indem sie bewahren und weitergeben, was das Wichtigste am Menschsein ist, bevor wir wieder sterben. James entwickelte ein Denken, das er eine Philosophie der geistigen Gesundheit nannte. Das ist vielleicht kein echtes Medikament gegen die kranke Seele, aber ich stelle mir diese Philosophie gern als ein wirkungsvolles Hausmittel vor. Solch eine Philosophie wäre vollkommen unnötig, wenn es nicht Tatsache wäre, dass so viele von uns am Rande des Abgrunds taumeln. 2010 war ich selbst so weit. Ich war dreißig, steckte mitten in einer Scheidung, und hatte gerade mitansehen müssen, wie mein uns fremd gewordener, alkoholkranker Vater starb. Und ich war mit einem Postdoktorandenstipendium in Harvard und schrieb über – Sie haben es erraten – William James. Ich sollte eine Monografie über sein Verständnis von Kreativität abschließen, ein erbauliches Buch über die erlösende Wirkung seiner Philosophie, die allgemein als Pragmatismus bekannt ist. Der Pragmatismus, informierte James seine Leser im Jahr 1900, geht davon aus, dass Wahrheit an ihren praktischen Folgen gemessen werden sollte, daran, wie sie das Leben beeinflusst. Es ist ein schöner Gedanke, außer wenn einem das Leben selbst ziemlich sinnlos erscheint. James wusste das und entwickelte eine Philosophie, die sich dieser schmerzlichen Einsicht widmen sollte. Ich brauchte mehrere unglückliche Jahre, um sie zu verstehen. Ich glaube, dass mir William James’ Philosophie das Leben gerettet hat. Oder, genauer gesagt, sie ermutigte mich, keine Angst mehr vor dem Leben zu haben. Damit will ich aber nicht sagen, dass sie bei jedem so funktioniert. Verdammt, ich kann nicht einmal garantieren, dass sie bei mir auch morgen noch so funktioniert. Oder dass sie immer funktioniert. Aber damals tat sie es, zumindest einmal, und das genügte mir, ihr ewig dafür dankbar zu sein und mehr als nur geringe Hoffnungen zu hegen, was die Aussichten für dieses Buch anbelangt. James schrieb für unser Zeitalter: eins, das Tradition und Aberglauben scheut, aber verzweifelt nach existenziellem Sinn sucht; eins, das von Überfluss gekennzeichnet ist, aber auch von Depression und akuter Angst; eins, das Ikonen verehrt, die beschließen, dass ewiger Ruhm eher verlangt, das Leben vorzeitig zu beenden. Einer solchen Kultur hält James sanft, aber nachdrücklich vor: »Habt keine Angst vor dem Leben! Glaubt daran, dass das Leben lebenswert ist, dann wird euer Glaube dabei helfen, seine eigene Verwirklichung hervorzubringen.«[5] An guten Tagen, wenn meine eigene kranke Seele sich nur leise meldet, funktioniert James’ nachdrückliche Aufforderung sehr gut. An schlechten Tagen hilft sie mir durchzuhalten. Während ich selbst James’ Philosophie immer mehr als lebensrettend bewundere und schätze, stoße ich gleichzeitig umso häufiger auf Freunde, Nachbarn und Studierende, die vollkommen und anhaltend ins Straucheln geraten sind. Im Jahr 2014 fuhr ich mit dem Fahrrad zur Harvard University, zur Widener Library, um endlich das erbauliche Buch über James’ Pragmatismus abzuschließen. Es ging mir besser – das Buch zu schreiben schien jetzt nicht nur möglich, sondern sogar realistisch zu sein. Es war ein kalter, verschneiter Februarmorgen. Ich weiß nicht, was mich dazu trieb, mit dem Fahrrad zu fahren, aber genau das tat ich und bahnte mir meinen wackeligen und rutschigen Weg von Charlestown nach Cambridge. Die letzte Strecke führte mich über die Kirkland Avenue, an der William James Hall entlang, aber an jenem Tag war die Straße vor diesem mächtigen Gebäude durch gelbes Absperrband der Polizei abgeriegelt. Die William James Hall lässt die umliegenden Gebäude wie Miniaturhäuser erscheinen. Harvard war größtenteils mit einem Sinn für puritanischen Anstand errichtet und im Einklang mit dem Glauben, dass der Himmel einzig Gott vorbehalten bleiben sollte, sozusagen horizontal angelegt worden. Dieses Gebäude war allerdings nicht im Geiste der Demut errichtet worden. Dieser Wolkenkratzer, 1963 von Minoru Yamasaki gebaut – dem Architekten des World Trade Center –, in dem sich heute der Fachbereich Psychologie befindet, ist dezidiert modern. Monumental und humorlos erhebt er sich als ernster Tribut an einen Mann, der wohl der größte von Harvards großen Geistern war. Wenn man vom Dach der...


Kaag, John
John Kaag, Jahrgang 1981, ist Professor für Philosophie an der University of Massachusetts, Lowell. Er gilt als einer der spannendsten jungen Philosophen der USA und schreibt regelmäßig Artikel für Fachzeitschriften, aber auch für die »New York Times«, »Harper’s Magazine« und viele weitere Magazine und Zeitungen. »Das Bücherhaus. Eine philosophische Liebesgeschichte« (en. Originaltitel: »AMERICAN PHILOSOPHY: A Love Story«) wurde 2016 u.a. vom »National Public Radio« zum Besten Buch des Jahres gekürt. Er lebt in der Nähe von Boston.



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