Kabatnik / Bülow / Merten | Pragmatik multimodal | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 7, 359 Seiten

Reihe: Studien zur Pragmatik

Kabatnik / Bülow / Merten Pragmatik multimodal


1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-8233-0519-4
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, Band 7, 359 Seiten

Reihe: Studien zur Pragmatik

ISBN: 978-3-8233-0519-4
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Sowohl Gespräche als auch Texte sind keinesfalls monomodale Kommunikationsanlässe und -angebote, sondern werden in Gestalt multimodaler Praktiken und Artefakte wahrnehmbar. Neben Sprache tragen Ausdrucksmodalitäten wie Gestik, Mimik, Körperhaltung und -bewegung, Stimme, also ganz grundsätzlich Körperlichkeit sowie Schriftbildlichkeit, Bilder, Emojis und mehr wesentlich zur Bedeutungsentfaltung im Kontext bei. Dieser Band nimmt sich der Bestimmung des Verhältnisses von Pragmatik- und Multimodalitätsforschung sowie einer multimodalen Pragmatik an. Die Zusammenführung von Studien zur multimodalen Pragmatik gibt einen Überblick über aktuelle und innovative Forschungsarbeiten, die sich aus einer pragmatischen Perspektive für multimodale Phänomene interessieren.

Jun.-Prof. Dr. Susanne Kabatnik ist Juniorprofessorin fur Digitale Lexikografie im Fach Computerlinguistik und Digital Humanities an der Universität Trier. Prof. Dr. Lars Bülow ist Universitätsprofessor für Germanistische Linguistik am Institut für Deutsche Philologie der Ludwig-Maximilians-Universität München. Prof. Dr. Marie-Luis Merten ist Assistenzprofessorin für Digitalisierte Kommunikationsräume in der Abteilung Linguistik an der Universität Zürich. Dr. Robert Mroczynski ist Vertretungsprofessor im Arbeitsbereich Germanistische Linguistik/Pragmalinguistik der Universität Leipzig.

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Negation multimodal
Rede und Geste, Schrift und Bild
Ellen Fricke Abstract: This article aims to illustrate how the classical linguistic domain of negation (Blühdorn 2012; Jacobs 1991; Jespersen 1917) can be connected with a comprehensive multimodal perspective (Fricke 2012, 2021a). It explores the interaction between gesture and speech, as well as text and image, within the realm of negation. The article addresses the following key questions: 1. How do gesture and speech, and writing and image, interact when expressing negation? 2. To what extent can gestures or pictorial signs function as independent negation markers? 3. Can we observe processes of multimodal grammaticalization in this context? 4. What similarities and differences can be identified between gesture-speech and text-image relations? Through the analysis of examples, five hypotheses are developed, providing a foundation for further investigations. In particular, this study argues that (1) both gestural and pictorial (proto-)negators can be derived from physical actions of removing objects, and (2) the specific manifestation and grammaticalization of multimodal negation are influenced by the medium or modality used. Keywords: negation, multimodality, grammaticalization, gesture, image, semiotics, pragmatics, multimodal grammar, mediality, language acquisition, Jespersen cycle, co-speech gestures, emblems, intentionality, intensional logic 1Einführung
Ziel des vorliegenden Beitrags1 ist es, exemplarisch zu zeigen, wie man einen klassischen linguistischen Gegenstandsbereich wie die Negation (z. B. Blühdorn 2012; Dahl 2010; Deppermann/Blühdorn 2013; Jacobs 1991; Jespersen 1917) multimodal perspektivieren kann (Fricke 2012, 2021a). Im Zentrum stehen dabei die folgenden Fragen: 1. Wie wirken im Bereich der Negation Geste und Rede sowie Schrift2 und Bild zusammen? 2. Inwieweit können gestische oder bildliche Zeichen allein als Negationsträger fungieren? 3. Inwieweit lassen sich Prozesse einer multimodalen Grammatikalisierung beobachten? 4. Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede lassen sich für Geste-Rede- und Schrift-Bild-Relationen herausarbeiten? Im Rahmen qualitativer Analysen von ausgewählten Einzelbeispielen, die explorativ in einen Zusammenhang gebracht werden, wird eine Gruppierung von fünf Leithypothesen herausgearbeitet, die weiterführenden Untersuchungen zugrunde gelegt werden kann, beispielsweise in den Bereichen Deixis und Negation, Negation und Metonymie, Negation und interkultureller sowie technologischer Kontext (siehe die Ausführungen zum Forschungsausblick in Abschnitt 6). Untersucht man sprachliche Äußerungen an der Schnittstelle von Pragmatik und Grammatik unter dem Aspekt ihrer Medialität und Materialität (im Sinne von Zeichenmaterie nach Hjelmslev), dann stellt sich die grundlegende Frage nach der Reichweite und grundsätzlichen Leistungsfähigkeit von Analysekategorien im Hinblick auf die vorliegende Zeichenmaterie: Sind Konzepte wie z. B. Modifikation (Fricke 2012, 2021a) oder Determination (Hjelmslev 1969 [= 1943]) zeichenmaterieneutral, so der bereits von Hjelmslev formulierte Grundgedanke, dann sind sie grundsätzlich für beliebige Modalitäten adaptierbar und stellen ein potentielles tertium comparationis für die Analyse bereit. Im Falle der Negation und der damit verbundenen Negationsoperatoren scheint es sich auf den ersten Blick um solch ein zeichenmaterieneutrales Konzept zu handeln, welches überdies universal ist: „Wenn es irgendein semantisches Universal gibt, das heißt ein Phänomen, das in allen Sprachen auftritt, dann ist es die Negation. Jede Sprache hat grammatische und/oder lexikalische Mittel, um einen gegebenen Satz zu negieren.“ (Löbner 2003: 286). Wenn man im Hinblick auf die Analysekategorien jedoch zusätzlich spezifische mediale Eigenschaften der beteiligten Modalitäten berücksichtigt wie z. B. unterschiedliche Sinnesmodalitäten (auditiv vs. visuell) sowie ihre unterschiedlichen Konventionalisierungs- und Lexikalisierungsstufen (z. B. redebegleitende Gesten oder gewisse visuelle Durchstreichungen als zwar typisierte aber nur partiell konventionalisierte Einheiten), „dann stellt sich die Frage, welche Rolle solche spezifischen Kategorien im Kontext einer multimodalen Sprachbeschreibung spielen können und sollen und in welches Verhältnis sie zu zeichenmaterieneutralen abstrakten Kategorien zu setzen sind“ (Fricke/Mittelberg 2019: 321). Beginnen wir zunächst mit den multimodalen Geste-Rede-Relationen: Warum ist die Beteiligung des Körpers, warum sind Hand- und Kopfbewegungen für das Thema Negation und Verneinung (Jacobs 1991, zur terminologischen Abgrenzung siehe Abschnitt 3) relevant? Zwei bekannte Aspekte sind hier zentral (siehe z. B. Calbris 2011; Bressem/Müller 2014; Fricke et al. 2014; Kendon 2004; Harrison 2009a, 2018): Erstens die Beobachtung, dass Körperbewegungen verbale Negationsträger in lautsprachlichen Äußerungen ersetzen können, und zweitens die Annahme, dass die Form von Negationsträgern aus körperlichen Handlungen abgeleitet werden kann. Wir gehen zunächst auf den ersten Aspekt ein. Auf die Frage: Hast du das Buch aus der Bibliothek abgeholt? können wir mit einem laut vernehmlichen verbalen nein antworten oder aber auch mit einem stummen verneinenden Kopfschütteln als Äquivalent zur Satznegation. Daraus folgt: Eine Untersuchung von Negation und Verneinung in der gesprochenen Sprache darf potentielle nonverbale Negatoren nicht von vornherein aus dem Gegenstandsbereich der Sprachwissenschaft ausschließen. Sollten der Sprecher oder die Sprecherin aus bestimmten Regionen des südeuropäischen Raums, wie Süditalien, Griechenland oder der Türkei kommen, wird ihre Kopfbewegung allerdings kein Kopfschütteln auf der horizontalen Links-Rechts-Achse sein, sondern ein Nachhintenwerfen des Kopfes in den Nacken auf der vertikalen Oben-Unten-Achse. Derjenigen Achse, die wir Zentraleuropäer für die Zustimmung oder Bejahung verwenden (Morris et. al. 1979: 154 f.). Solche einzelsprachübergreifenden Unterschiede bieten ein weites Feld für die Untersuchung potentieller interkultureller Missverständnisse im Bereich der multimodalen Negation und Verneinung. Eine ähnliche Beobachtung lässt sich auch für die geschriebene Sprache anstellen. Auch hier stellt sich die Frage (z. B. Oversteegen/Schilperoord 2014): Warum sind bildliche Durchstreichungen für das Thema Negation und Verneinung relevant? Auch in diesem Fall sind wiederum die zwei bereits für Gesten genannten Aspekte zentral: Erstens die Beobachtung, dass Durchstreichungen funktional äquivalent zu verbalen Negationsträgern in lautsprachlichen Äußerungen sein können, und zweitens die Annahme, dass die Form von bildlichen Negationsträgern ebenfalls aus körperlichen Handlungen abgeleitet werden kann. Zum ersten Punkt ein Beispiel: DER SPIEGEL 38/2011 DER SPIEGEL 14/2010 Abb. 1 und 2: Der lexikalische Negationsträger un- ohne und mit Durchstreichung: Der Unbelehrbare und Der Unfehlbare, Spiegeltitel vom 10.09.2011 und 03.04.2010 Abb. 1 und 2 zeigen zwei Titel des Magazin DER SPIEGEL mit dem damaligen Papst Benedikt. Beide Überschriften enthalten substantivierte Adjektive ((der) Unbelehrbare, (der) Unfehlbare), in denen durch das kategorienerhaltende Negationspräfix un- die jeweilige adjektivische Stammgruppe modifiziert wird. Auf dem Spiegeltitelbild rechts ist jedoch nicht nur der verbale lexikalische Negationsträger, das Präfix un- an der Negation im engeren Sinn beteiligt, sondern auch die Durchstreichung, die hier als Äquivalent eines verbalen Negationsoperators fungiert. Dem damaligen Papst Benedikt, der bis zur Taille mit ausgestreckten Armen auf dem Spiegeltitel abgebildet ist, wird die Eigenschaft der Unfehlbarkeit abgesprochen. Verbal wäre der Titel zu paraphrasieren als Der nicht Unfehlbare. Die Durchstreichung, so meine These, fungiert in diesem Beispiel zumindest näherungsweise als Äquivalent eines verbalen Negationsoperators.3 Die folgenden Beispiele sind einer arbeitswissenschaftlichen Studie des interdisziplinären Forschungsprojekts MANUACT entnommen (www.manuact.org). Es geht um die Gestaltung von 3D-Schnittstellen mithilfe von Gestensteuerung. Der jeweilige Proband hat die Aufgabe eine manuelle Geste zu wählen, die in der Lage ist zu signalisieren, dass der auf dem Bildschirm links dargebotenen Zustand mit einem abstrakten geometrischen Dreieck in den rechts dargebotenen Zustand eines leeren Bildschirms überführt werden soll. Es geht also um das Entfernen oder Löschen von Objekten. Der in den Abb. 3 und 4 gezeigte Proband ahmt mit seinen Händen spontan die Handlung eines piktorialen Durchstreichens nach. Weitere Gesten, die in diesem Zusammenhang für Löschen bzw. Entfernen aufgetreten sind, waren Wegwerfen und Wegschieben, die zu einer...



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