Kamleiter Der entzauberte Glaube
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-8288-6355-2
Verlag: Tectum
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Eine Kritik am theistischen Weltbild aus naturwissenschaftlicher, philosophischer und theologischer Sicht
E-Book, Deutsch, 370 Seiten
ISBN: 978-3-8288-6355-2
Verlag: Tectum
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Während schon vor fast 50 Jahren Menschen zum Mond geflogen sind, sind im 21. Jahrhundert noch mehr als zwei Milliarden Menschen Anhänger eines christlichen Gottes- und Menschenbildes, das in seinen Ursprüngen bis weit in die Antike zurückreicht. Wie plausibel kann aber das christliche Weltbild noch sein, angesichts der Erkenntnisse der modernen Natur- und auch Geisteswissenschaften? Wirkt ein transzendenter Schöpfergott nicht wie ein Fremdkörper in einer Welt, deren Geheimnissen man immer mehr auf die Spur kommt? Ohne eine radikal-atheistische Position zu vertreten, versammelt Peter Kamleiter die Erkenntnisse von Kosmologie, Evolutionsbiologie, Hirnforschung, der Philosophie, ja sogar einer mittlerweile auch selbstkritischen Theologie, um die Unvereinbarkeit althergebrachter Mythen und Vorstellungen mit moderner Wissenschaft zu belegen. Und Kamleiter fragt: Welche Existenzberechtigung und welcher gesellschaftliche Einfluss darf Kirche und Religion in Schulen, Medien und Politik beispielsweise in Fragen der Moral überhaupt noch zugestanden werden?
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1;INHALT;6
2;VORWORT;8
3;TEIL I: Vom Mythos zum Logos oder Vom Kampf progressiv-aufklärerischer und repressiv-metaphysischer Kräfte;16
4;TEIL II: Theistischer Transzendenzglaube versus evolutionärer Naturalismus oder Von der Unvereinbarkeit des theistischen Weltbildes mit dem modernen naturwissenschaftlichen Kenntnisstand;96
5;TEIL III: Die Infragestellung des (christlichen) Theismus durch die Theologie selbst oder Die intellektuelle Selbstauflösung des Theismus durch eine selbstkritisch gewordene Theologie;262
6;LITERATURVERZEICHNIS;366
VORWORT Mit dem vorliegenden Werk sollen Glaubwürdigkeit und Geltungsansprüche des theistischen Welt- und Gottesbildes – paradigmatisch in seiner christlichen Variante – unter Berücksichtigung natur- und geisteswissenschaftlicher Aspekte hinterfragt werden. Dabei steht die Kompatibilität jener für sich monopolistisch alleinseligmachende Wahrheiten reklamierenden Glaubensideologie mit den Erkenntnissen aus den modernen Natur- und Geisteswissenschaften auf dem Spiel. Es geht hier also um nichts weniger als die grundsätzliche Glaubwürdigkeit und Plausibilität des auf Offenbarungsschriften sich berufenden (christlichen) Theismus, also um dessen Gottes- und Weltbild und den damit verbundenen mehr oder weniger latenten Anspruch aller theistischen Offenbarungsreligionen, nämlich, die einzig wahre und göttlich legitimierte Sicht der Dinge zu besitzen. Eine Hybris, die in der Geschichte der monotheistischen Religionen zu unzähligen Kriegen und bestialischen Genoziden mit millionenfachen Opfern geführt hat. Dabei ist es nicht unsere Absicht, die Möglichkeit der Existenz eines allgemein gehaltenen göttlichen Prinzips philosophisch zu widerlegen, was aus prinzipiellen Gründen ohnehin nicht möglich sein dürfte und von unserer agnostischen Grundposition aus auch gar nicht intendiert ist. Der Theismus jedoch geht von ganz konkreten, nach seinem Selbstverständnis göttlich offenbarten und dogmatisierten Glaubenswahrheiten aus, ohne die er in der Tat auch seine Identität verlieren würde. Eine wissenschaftlich und plausibel begründete Infragestellung oder gar Widerlegung zentraler Glaubensaussagen würde die theistischen Religionen deshalb existentiell treffen, zumindest wenn sie den Anspruch der Rationalität aufrechterhalten und sich nicht komplett außer oder über jegliche Rationalität hinweg in die Welt des Unerforschlichen oder Irrationalen flüchten wollen, in der quasi a priori jegliche Logik und Empirie außer Kraft gesetzt ist. Da es das Hauptanliegen dieses Buches ist, das (christlich) theistische Welt- und Gottesbild sowie die damit verbundenen Geltungsansprüche und den daraus abgeleiteten moralischen Führungsanspruch der Kirchen kritisch zu hinterfragen, erscheint es sinnvoll, vorab kurz zu erläutern, was unter dem von uns infrage gestellten „Theismus“ zu verstehen ist. Unter Theismus (ein in der Aufklärung geprägter Begriff, von griechisch theos = Gott) ist eine spezifische Gottesvorstellung der monotheistischen Weltreligionen zu verstehen, die von einem außerweltlichen, persönlichen, selbstbewussten und selbsttätigen, Gebete erhörenden allmächtigen, allwissenden und allliebenden Schöpfer und Lenker der Welt ausgeht.1 In der Vorstellungswelt der theistischen Offenbarungsreligionen ist der Mensch (wie auch die gesamte damals erfassbare Welt) nicht auf natürlich erklärbare Weise entstanden, sondern er stellt im biblischen Sinne das von einem personalen Gott geschaffene Ebenbild dar, das geschaffen wurde, um Gott zu danken, zu ehren und zu huldigen. So wie man sich die Erde als den Mittelpunkt der Welt vorstellte, so soll auch der ebenfalls nicht evolutiv, sondern im kreationistischen Sinne erschaffene Mensch Ziel und Mittelpunkt von Gottes Schöpfung sein. So zumindest sahen es die Autoren der jüdischen, christlichen und islamischen Offenbarungsreligion mit ihrem archaischen und anthropozentrischen Weltbild. In der Bundesrepublik leben etwa 40 % Theisten, 18 % Deisten2, 18 % Synkretisten (indifferente Menschen, was die Entscheidung zwischen einem „höheren Wesen“ und einem personalen Gott angeht) und 23 % Atheisten. Allerdings gibt es auch innerhalb der Konfessionen große Anteile an Nichttheisten. So sollen in der Katholischen Kirche nur 54 %, in der Evangelischen Kirche gar nur 43 % der Mitglieder als Theisten zu bezeichnen sein.3 Die hier aus kritischer philosophischer Sicht vollzogene Entzauberung des (christlichen) Theismus wird von drei Seiten her vollzogen: erstens von naturwissenschaftlicher, zweitens von philosophischer und drittens von kritisch-historisch agierender theologischer Seite. Durch das Zusammentragen hierfür relevanter Erkenntnisse aus der modernen Kosmologie, Evolutionsbiologie und Leib-Seele-Forschung über philosophische Reflexionen bis hin zur Kritischen Theologie ergeben sich aus Sicht des Erkenntnisstandes des 21. Jahrhunderts keineswegs nur polemische, sondern ernsthafte Einwände gegen den Theismus im Allgemeinen und gegen den christlichen Theismus im Besonderen. Der erste Teil des Buches („Vom Mythos zum Logos“) stellt den diachronen Teil dar, in dem das Spannungsverhältnis zwischen Mythos und Logos von den Vorsokratikern bis in die Gegenwart thematisiert wird. Dieser philosophiegeschichtliche Teil schildert die kulturelle Entwicklung der abendländischen Erkenntnis- und Wissenschaftsgeschichte unter dem Gesichtspunkt der Auseinandersetzung religiös motivierter reaktionärer wie restriktiver Kräfte mit den progressiven Strömungen innerhalb der Gesellschaften, zum Beispiel den Intellektuellen und Wissenschaftlern. Dabei wird ersichtlich, dass aufgrund sowohl der Explikationskraft der Wissenschaften als auch der auftretenden Widersprüche mit ihnen der Anspruch der Religionen, sakrosankt und unangreifbar über jeglicher wissenschaftlichen Kritik zu schweben, nicht berechtigt ist. Kulturgeschichtlich lässt sich nicht leugnen, dass auch Kulturen und die zu ihnen gehörenden und sie prägenden Religionen dem natürlichen evolutiven Prozess des Entstehens und Vergehens unterliegen. Teil II („Theistischer Transzendenzglaube versus Evolutionärer Naturalismus?“) thematisiert einige der wichtigsten Spannungsfelder zwischen dem Theismus und der modernen naturwissenschaftlichen Sichtweise. Die drei dargelegten Hauptbereiche sind die Kosmologie (Quantenphysik, Relativitätstheorie und die kosmologischen Modelle), die Evolutionsbiologie (die natürlich erklärbaren Voraussetzungen für die Entstehung und Entwicklung des Lebens) und das Leib-Seele-Problem. Im Gegensatz zu den spekulativen Glaubenssystemen – wie Religion, Mystik oder Esoterik – muss bei den von den einzelwissenschaftlichen Erkenntnissen sich abhebenden wissenschaftlich-metaphysischen Modellen die Rückgebundenheit mit den naturwissenschaftlichen Fakten und Erkenntnissen gewährleistet sein, um nicht ins Beliebige zu verfallen und damit ebenfalls zu einem pseudoreligiösen, rein spekulativen System zu degenerieren. Eine wichtige Aufgabe der Naturphilosophie besteht somit darin, die in unterschiedlichen einzelwissenschaftlichen Bereichen auftretenden Erkenntnisse zu einem konsistenten, einheitlichen und wissenschaftskompatiblen Weltbild zusammenzufügen, wobei sie immer aber auch eine kritische, erkenntnis- und wissenschaftstheoretisch begründete Distanz zu diesen zu wahren hat. Entgegen allen, hauptsächlich von theologischer Seite versuchten Kompatibilitätsbestrebungen zwischen Wissen und Glauben kommen wir zu der Überzeugung, dass die Dynamik des wissenschaftlichen Erkenntniszuwachses und die damit verbundenen philosophischen Implikationen sich immer mehr von den religiös-theistischen Anschauungen wegbewegen. Somit wird von uns ein naturalistischer Standpunkt vertreten, der von natürlich erklärbaren Ereignissen in der Natur (sowohl bei der Entstehung der Welt als auch in ihrer weiteren Entwicklung bis hin zum Leben und zu menschlichem Bewusstsein) ausgeht, bei der das entwicklungsgeschichtliche (evolutionäre) Welterklärungsprinzip eine absolute Schlüsselrolle darstellt. Mit dem Evolutionsgedanken ist es gelungen, die mit einer statischen Sichtweise verbundene, obsolet gewordene biblisch-kreationistische Weltanschauung erstmals naturwissenschaftlich und überzeugend zu widerlegen. Die Nicht-Existenz eines im Sinne des Theismus personal gedachten Gottes ist freilich aus einer naturphilosophischen Begründungsebene heraus nicht beweisbar. Jedoch handelt es sich unseres Erachtens aufgrund der erdrückenden Indizienlage beim Theismus um eine archaische, nicht mehr plausible und heute verzichtbar gewordene Zusatzhypothese. Außerdem sehen wir die „Beweislast“ für die Existenz metaphysischer Wesen nicht bei denjenigen, die sie aufgrund ihrer Unerkennbarkeit negieren, sondern bei denen, die sie trotzdem für existent erklären. Im dritten Teil schließlich („Die philosophische und die theologische Kritik am (christlichen) Theismus“) kommen die Geisteswissenschaften zum Zug. Um die in den bisherigen Teilen geschilderten Diskrepanzen zwischen Glaube und Wissen in der Gegenwart unter ganzheitlichen Gesichtspunkten zu komplettieren, ist es notwendig, die historische Retrospektive auf das faktisch Geschehene der Religions- und Kirchengeschichte mit einzubeziehen. Zunächst aber werden einige philosophische Kritikpunkte am Theismus angeführt. Gegenstand der Erörterung sind unter anderem das Theodizee-Problem, Ludwig Feuerbachs Religionsphilosophie, die Darlegung der theologischen Auffassungen bedeutender Theologen des 20. Jahrhunderts und ihre Infragestellung durch eine weniger dogmengebundene „philosophische Theologie.“ Es wird deutlich gemacht, dass der gewichtigste Gegner aller Theologie die Theologie selbst ist, nämlich die in ihrer kritisch-historischen Ausprägung. Die „suizidäre“ Kritik der Kritischen Theologie ist dabei wesentlich direkter und somit wirkungsvoller als die philosophische und naturwissenschaftlich begründete, weil sie ohne Umwege philosophischer oder naturwissenschaftlicher Argumentationen an der Heiligen Schrift selbst ansetzt und hierzu ihre theologisch begründeten Zweifel äußert. Diese sind dabei so massiv geworden, dass damit, würde nur ein Bruchteil ihrer exegetischen Kritik berechtigt sein, das ganze Glaubensgebäude in sich zusammenstürzen müsste. Zusätzlich führen wir noch eine historische Kritik an, indem die Infragestellung...