Kampshoff / Wiepcke | Vielfalt in Schule und Unterricht | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 141 Seiten

Kampshoff / Wiepcke Vielfalt in Schule und Unterricht

Konzepte und Debatten im Zeichen der Heterogenität

E-Book, Deutsch, 141 Seiten

ISBN: 978-3-17-036312-0
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Heterogenität ist ein zentrales Schlagwort in Debatten um Inklusion und Chancengleichheit. Schule soll Heterogenität meistern, erzeugt sie aber gleichzeitig auch selbst. In diesem Band werden zunächst didaktische Unterrichtskonzepte auf ihre Eignung hin überprüft: Wie tauglich sind diese im Hinblick auf heterogene Schulklassen? Im Anschluss werden die Möglichkeiten eines einbeziehenden Unterrichts beleuchtet und dabei auch der Hintergrund sozio-kultureller Differenzdebatten um Gender, Migration und soziale Herkunft reflektiert. Abschließend werden die Professionalisierung der Lehrenden für Heterogenität und die Sicht der Lernenden auf Vielfalt in Schule und Unterricht in den Blick genommen.
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Adaptive Lernumgebungen
Ilonca Hardy, Susanne Mannel & Nicola Meschede
Die Bedeutung der Lern- und Entwicklungsstände von Schüler*innen für die Unterrichtsgestaltung ist in den letzten Jahren insbesondere vor einem inklusiven Bildungssystem in den Blickpunkt wissenschaftlicher und bildungspolitischer Diskussionen gerückt. Dabei werden heterogene Voraussetzungen in den Bereichen Leistung, sozio-ökonomischer Status, Migration und Ethnizität, Sprache, Alter, Geschlecht, Motivation und Interesse als relevant für die Unterrichtsgestaltung angesehen (z. B. Heinzel 2008, Tomlinson et al. 2003). Aus unterschiedlichen Begründungszusammenhängen wie der individuellen Förderung, des adaptiven Unterrichts, des inklusiven Unterrichts oder der Lehrer*innenprofessionsforschung sind Implikationen für schulische Bildungs- und Förderangebote abgeleitet worden (z. B. Dumont 2019; Hartmann, Hasselhorn & Gold 2017). Der Anspruch, der Unterschiedlichkeit von Kindern im Unterricht gerecht zu werden, kann dabei als Kernaufgabe erzieherischen Handelns verstanden werden (Klieme & Warwas 2011, S. 208). Das Eingehen auf die Unterschiedlichkeit von Kindern erfordert neben deren individueller Wertschätzung auch die Herstellung von Lerngelegenheiten, die für einzelne Lernende und deren Lernverläufe passend sind (vgl. Prengel 2006). 1           Adaptive Lernumgebungen
Unter dem Begriff der adaptiven Lernumgebungen lässt sich Lehrkräftehandeln mit dem Ziel der Herstellung einer Passung zwischen dem Lernangebot und den individuellen Voraussetzungen von Schüler*innen fassen (vgl. Corno 2008, S. 161; Decristan et al. 2017, S. 313). Parsons et al. (2018) verorten den Begriff der Adaptivität in den Ansätzen der sozial-konstruktivistischen Lerntheorie, der Metakognition und dem »reflective teaching« von Lehrkräften. Sie definieren adaptiven Unterricht entsprechend als »socially constructed as teachers metacognitively reflect on students’ needs before, during, and after instruction« (S. 209). So stellen sie in den Vordergrund, dass Lehrkräfte im Sinne einer adaptiven Expertise Kenntnis über individuelle Lernvoraussetzungen der Schüler*innen erlangen, über gelungene Lernentwicklungen reflektieren sowie Flexibilität in der Unterrichtsgestaltung zeigen. Sie beschreiben gleichermaßen professionelle Voraussetzungen von Lehrkräften im Bereich der Einstellungen zum Lerngegenstand und Lernen sowie der didaktisch-methodischen Kompetenzen. Corno (2008, S. 163ff.) begreift adaptive Lernumgebungen als lehr- und lernbezogene Maßnahmen auf der Makro- und der Mikroebene von Unterricht. Die Makroebene umfasst eine übergeordnete Anpassung des Curriculums, beispielsweise durch Differenzierungsmaßnahmen, während auf der Mikroebene die prozessbezogene Anpassung im Rahmen der Lehrkraft-Schüler*innen-Interaktion im Fokus steht. Vor diesem Hintergrund unterscheiden Hardy, Decristan und Klieme (im Druck) zwischen intendierter und implementierter Adaptivität. Die intendierte Adaptivität bezieht sich auf die Unterrichtsplanung von Lehrkräften, in welcher Adaptivität durch Kenntnis der Lernausgangslagen von Schüler*innen sowie Überlegungen auf der Ebene von differenzierten Lernangeboten erlangt werden soll. Die implementierte Adaptivität bezieht sich auf adaptive Unterrichtsepisoden, in denen die entsprechend geplanten Lernaktivitäten von Schüler*innen so aufgegriffen werden, dass sich eine Übereinstimmung von Intention und situativer Umsetzung ergibt. 1.1           Adaptivität auf der Makroebene
Auf der Makroebene lassen sich unterrichtliche Differenzierungsmöglichkeiten nach Quantität, Qualität, Methodik, Medien, Sozialform, Inhalt und Lernzeit unterscheiden (vgl. Haag & Streber, S. 43ff.). Aus empirischen Studien im Rahmen der ATI-Forschung ist allerdings bekannt, dass das Gruppieren von Lernenden anhand von Leistungsunterschieden per se wenig Einfluss auf die Leistungsentwicklung hat. Wie ist die geringe Wirksamkeit eines binnendifferenzierenden Unterrichts vor dem Hintergrund der Annahmen zur Adaptivität zu begründen? Auf drei Herausforderungen bei der Umsetzung von adaptiven Lernumgebungen auf der Makroebene soll im Folgenden eingegangen werden: (1) Adaptiver Unterricht findet im Spannungsfeld von Individualisierung und sozialem Kontext statt und soll weder in die Vereinzelung von Lernerfahrung münden, noch soll der Blick auf die individuellen Lernausgangslagen im sozialen Gefüge des Unterrichts verloren gehen. So führt Corno (2008, S. 164) aus, dass Unterricht auf einem Kontinuum zwischen Unterstützung und Offenheit sowie einem korrespondierenden Kontinuum der individuellen Leistungsfähigkeit von Lernenden angesiedelt ist. Entsprechend werden strukturierte, stark unterstützende Lernumgebungen eher bei Noviz*innen benötigt, während offene Angebote eher bei Lernenden mit hohem Vorwissen und/oder kognitiver Fähigkeit verortet werden. Ausgehend von dieser Annahme wird nicht nur relevant, inwiefern Schüler*innen unterschiedlicher Voraussetzungen ein individuelles Lernangebot erhalten, sondern auch, inwieweit der soziale Kontext Unterricht dazu führt, dass sich Subgruppen unterschiedlicher Voraussetzungen im Lernprozess annähern und somit von Unterschiedlichkeit profitieren (vgl. Corno 2008, S. 165ff.). Es ist davon auszugehen, dass Differenzierungsangebote somit trotz einer intendierten Adaptivität zu stark auf der Sichtebene von Unterricht angesiedelt sind, ohne dass die Bearbeitungsprozesse der Lernenden angemessen unterstützt werden. (2) Eine weitere Herausforderung findet sich in der Herstellung eines kognitiv aktivierenden Lernniveaus für alle Lernenden. Befunde zum individualisierten Unterricht legen nahe, dass es Lehrkräften häufig gerade in geöffneten und individualisierten Lernumgebungen nicht gelingt, die inhaltliche Fokussierung in einem kognitiv anregenden Maße aufrechtzuerhalten (vgl. Breidenstein & Rademacher 2016). Die kognitive Aktivierung kann über anregendes Lernmaterial bzw. Arbeitsaufträge erfolgen, sie kann im Gespräch durch entsprechende Impulse hergestellt werden oder in der Peerinteraktion stattfinden. Im Projekt IGEL (Individuelle Förderung und adaptive Lerngelegenheiten in der Grundschule; vgl. Hardy et al. 2011) wurde in einer der drei variierten Unterrichtsbedingungen die Wirkung von strukturierten Peer-Learning Episoden auf die Konzeptentwicklung bei Drittklässlern im naturwissenschaftlichen Sachunterricht untersucht. Im Vergleich zu zwei weiteren Unterrichtsbedingungen (Formatives Assessment, Kognitive Strukturierung, zusammenfassend Decristan et al. 2017) stellte sich das kooperative Lernen zunächst als kurzfristig weniger lernwirksam heraus; dennoch zeigte sich in Untersuchungen zu den Prozessen der Kooperation in leistungsheterogenen Paaren, dass leistungsstärkere und leistungsschwächere Lernende gleichermaßen an den inhaltlich fokussierten Gesprächen beteiligt waren und Konzeptentwicklung stattfand (vgl. Adl-Amini & Hardy 2017). Dieser produktive Diskurs entstand auf der Grundlage von strukturierten Arbeitsaufträgen und Rollenzuweisungen innerhalb der Tandems und kann als erfolgreiche kognitive Aktivierung auf Schüler*innenebene gedeutet werden. (3) Die Herstellung eines motivierenden und wertschätzenden Unterrichtsklimas für alle Lernenden ist eine Grundlage für gelingendes Lernen. Ein Befund im Kontext der IGEL-Studie zeigt hierzu, dass es die Kinder »at risk« sind, also diejenigen mit ungünstigen kognitiven Eingangsvoraussetzungen und Kinder mit Migrationshintergrund, die in besonderem Maße von einem Unterricht mit hohem Grad an konstruktiver Unterstützung profitieren. In dieser Subgruppe zeigten sich deutliche Unterschiede in der Leistung, je nachdem, ob die entsprechenden Werte der Unterrichtsqualität niedrig oder hoch ausgeprägt waren (vgl. Decristan et al. 2015). Mit diesem und anderen Befunden offenbart sich auch, dass die drei Basisdimensionen von Unterricht (kognitive Aktivierung, Klassenführung und konstruktive Unterstützung) als Faktoren gesehen werden können, die methodische Arrangements wie beispielsweise die Differenzierung qualitativ unterstützen und somit eine Adaptivität für bestimmte Schüler*innengruppen entfalten können. Eine solche Kopplung zwischen der Makroebene und der Unterrichtsqualität fand sich in der IGEL-Studie auch für die Umsetzung von Unterricht mit formativer Leistungsdiagnostik (vgl. Decristan et al. 2016). Insgesamt verweisen diese Befunde darauf, dass die Prozessebene für die Wirksamkeit von adaptiven Lernumgebungen eine bedeutsame Rolle spielt. 1.2           Adaptivität auf der Mikroebene
Adaptivität auf der Mikroebene erfordert von der Lehrkraft, einen fortwährenden Überblick...


Prof. Dr. Marita Kampshoff leitet die Abteilung Schulpädagogik der PH Schwäbisch Gmünd. Dr. Claudia Wiepcke ist Professorin für Ökonomische Bildung an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe.


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