Kay / (em. Bering / Ströter-Bender | 1914-1915. Der ferne Krieg so nah. Die Wilhelmsburger Kinderzeichnungen zum Ersten Weltkrieg | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 151 Seiten

Kay / (em. Bering / Ströter-Bender 1914-1915. Der ferne Krieg so nah. Die Wilhelmsburger Kinderzeichnungen zum Ersten Weltkrieg

IRAND SERIES VOLUME I
4. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7549-5099-9
Verlag: epubli
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

IRAND SERIES VOLUME I

E-Book, Deutsch, 151 Seiten

ISBN: 978-3-7549-5099-9
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Im Jahr 2012 wurde bei Aufräumarbeiten auf dem Dachboden des Heimatmuseums Elbinsel Wilhelmsburg, Hamburg, eine Mappe von Schüler*innen Zeichnungen aus den Jahren 1914/1915 entdeckt, deren Inhalte sogleich auch ein internationales Interesse und erste Forschungen hervorriefen. Die über 300 Werke mit Themenstellungen zum Ersten Weltkrieges waren im Zeichenunterricht der lokalen Volksschule entstanden. Sie gliedern sich in vier Klassensätze aus drei Altersstufen (10 bis 14 Jahre). Als Motivreihen umfassen die mit einfachen Materialien gestalteten Zeichnungen die Themen Landkrieg, Luftkrieg, Seekrieg und Lazarett. Die Beiträge begeben sich auf eine Spurensuche zu diesen historischen Kinderzeichnungen und zu den weitgehend unbekannten Kindern, die sie schufen. Es ist das Vermächtnis und das kulturelle Erbe einer Generation, die folgend im Laufe ihres Lebens als Erwachsene noch einen weiteren Weltkrieg erleben musste. Es werden ergänzend bisher unveröffentlichte Arbeiten aus der Wilhelmsburger Sammlung vorgestellt.She is a history professor at Trent University in Ontario, Canada, whose courses address modern Germany, the Holocaust and comparative genocide. Her publications include 'German Children's Art during World War I,' in Global Studies of Childhood (2021) and the book Art and the German Bourgeoisie (University of Toronto Press, 2002). In addition, she has published many articles on the history of German childhood in Imperial Germany. She is currently at work on a book assessing the impact of World War One upon German children, as expressed in children's drawings.

She is a history professor at Trent University in Ontario, Canada, whose courses address modern Germany, the Holocaust and comparative genocide. Her publications include 'German Children's Art during World War I,' in Global Studies of Childhood (2021) and the book Art and the German Bourgeoisie (University of Toronto Press, 2002). In addition, she has published many articles on the history of German childhood in Imperial Germany. She is currently at work on a book assessing the impact of World War One upon German children, as expressed in children's drawings.

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Abb. 59: Seekrieg. Erna Öllerich, Klasse 4a (10 bis 11 Jahre) © MEW   Die Strahlen der Sonne hängen hier wie traurig herab. Ein Mensch scheint tot im Wasser zu schwimmen.   Abb. 60: Seekrieg, „E…Sch“ und “D…sch”. Irma Danker, Klasse 4a (10 bis 11 Jahre) © MEW Der Beginn des Krieges lag in den Schulferien und er sollte schnell zu Ende sein. In dieser Zeit der anfänglichen Fehleinschätzung, mit einer weit verbreiteten Siegeszuversicht und einer dümmlichen Überheblichkeit werden diese Zeichnungen entstanden sein. Wenige Blätter zeigen bereits den Übergang vom Angriffs-, Bewegungskrieg zum Stellungskrieg. (s. auch Abb. 39)  
Abb. 61: Landkrieg. H …, Klasse IVa (10 bis 11 Jahre) © MEW   Was die Kinder nicht gezeichnet haben?
Man muss aber auch nach dem fragen, was die Kinder nicht gezeichnet haben. Es gibt hier nur wenige Blätter mit Nicht-Kriegs-Szenen.
Abb. 62: Luftkrieg. Ella Bostelmann, Klasse 4 (11 bis 12 Jahre) © MEW   Hier wird eine theoretische Idylle vermittelt, die auch nicht der Wohnsituation der Kinder in den vier geschossigen Mietwohnungen entspricht. Enten schwimmen auf einem Teich, Kinder spielen mit einem Reifen bzw. Puppenwagen, Wasser wird gepumpt, ein Luftschiff mit deutscher Flagge scheint Wache zu halten. Gänzlich fehlen Darstellungen der Nöte alltäglichen Lebens zu Kriegszeiten in der Heimat wie Hunger, Mangel, Güterknappheit, der Kohlrübenwinter 1916/17, Nachschubproduktion in Rüstungsfabriken, Sammelaktionen, Todesanzeigen. Dies scheint sowohl einer Themenstellung („Kampfhandlungen“) und der Entstehungszeit in den ersten Kriegsmonaten geschuldet zu sein. Es finden sich keine Helden- oder Feldherrndarstellungen. Der Kaiser wird ebenso wenig in die Darstellungen einbezogen als auch ranghohe Militärs. Orden und Heldenverehrung oder andererseits Arrestzellen und Disziplinarstrafen werden nicht gezeigt. Weiter ist auch nichts zum Auszug der Soldaten in den Krieg, keine „Hurra-Begeisterung“ gezeichnet. Es finden sich keine Wiedersehensszenen, keine Abschiedsszenen wie auf Kinderzeichnungen dieser Zeit aus Moskau oder aus Paris. Schützengräben werden nur von oben gesehen angedeutet (s. Abb. 36, Abb. 40, Abb. 64). Es gibt keine Zeichnung von Soldaten in Schützengräben. Nur auf einer Zeichnung eines Lazaretts gibt es Soldatengräber mit der Inschrift „Heldentod“ (s. Abb. 43). Gefangennahmen oder gar die Ermordung Gefangener kommen nicht vor. Wohl aber auf feindlicher Seite scheinen Soldaten gerade getroffen worden zu sein (s. Abb. 38). Man findet keine zerfetzten Körper, nur gut versorgte Verwundete auf deutscher Seite mit gebrochenen Armen oder Beinen, also Verletzungen, die auch zu Hause vorkommen können (Krumeich 2014: 10). Die Lazarette erscheinen wie Erholungs-, Kurorte (Osburg 2014: 54). Die Lazarette sind stets harmlose Orte der Fürsorge und der Genesung, keinesfalls frontnahe erste Verbandsplätze mit vielen Verletzten und Verstümmelten. Tod und Sterben kommen nur am Rande, nebensächlich und gut abgemildert vor, was vielleicht dem kindlichen Verständnis geschuldet ist, aber vor allem von der Kriegspropaganda gewollt war. Kindersoldaten wie in den Kinderbüchern oft gezeigt, werden nicht gezeichnet, der ferne Krieg dort findet nur für Erwachsene statt. Soldaten aus den Kolonien von Frankreich oder England kommen nicht vor, wie auch keine Aufklärungsflüge durch Flugzeuge oder Zeppeline dargestellt sind.   Was fällt an den Zeichnungen auf?
Die deutsche Seite wird stets überlegen dargestellt. Perfektionismus, Disziplin auf deutscher Seite und „Laisser-faire“ beim Gegner lassen den Gegner unterlegen, feige und lächerlich erscheinen. Die Krankenschwestern sind stets große, kräftige Frauen, wohl aus kindlicher Sicht die helfende Mutter, die alles wieder gut macht. (Kay 2016/2017: 21-29) Manche Zeichnungen erinnern oft an harmlose Kinderspiele, die zu Ende sind, wenn die Mutter zum Abendbrot ruft. Gewalt kommt auf den Zeichnungen zwar vor, wird aber nur angedeutet, sie steht nie so im Vordergrund wie die Kriegstechnik. Tod und Verwundung werden dargestellt, aber auch nur durch Grabkreuze oder durch gut von Sanitätern bzw. mütterlichen Krankenschwestern versorgte Soldaten im Lazarett. Die Zeichnungen zum Seekrieg stellen die Marinetechnik und deren Zerstörung dar. Die Matrosen in den Rettungsbooten oder Rettungsringen erscheinen nicht bedroht (Zimmermann, 2015/2016: 30-31).   Was verstehen wir nicht an diesen Zeichnungen?
Zu diesen Zeichnungen sind bislang keine weiteren Informationen gefunden worden. Vielleicht gab es eine konkrete Aufgabenstellung, eventuell im Rahmen eines kaiserreichweiten Wettbewerbs. Vielleicht war die Ausstellung „Schule und Krieg“ des Zentralinstituts für Erziehung und Unterricht in Berlin im Frühjahr 1915 die Anregung für diese Zeichnungen (Lück E. H. und Rothe M.; Winterberg 2014: 106 f). Nicht zu entscheiden ist heute, wie weit die Verharmlosung in diesen Zeichnungen sowohl das Ergebnis einer gezielt auf die Kinder ausgerichteten Propaganda war und wie weit die Kinder die Realität gemäß ihrem Entwicklungsstand nach quasi gefiltert wahrgenommen und dann gezeichnet haben. Auch ist nicht bekannt, ob alle Zeichnungen aufbewahrt worden sind oder ob eine Auswahl (durch die Lehrer?) erfolgte. Diese Kinder, deren Väter und auch ältere Brüder am 1. Weltkrieg als Soldaten aktiv beteiligt waren, stellten 25 Jahre später im 2. Weltkrieg die befehlende, ausführende Generation dar. Welche Prägungen aus deren Kindheit in der ausgehenden Kaiserzeit dann für ihr Verhalten bestimmend waren, lohnt weitere Untersuchungen. (vgl. auch Kp. Jutta Ströter-Bender, Erinnerungskultur II)   Was ist bislang mit den Zeichnungen geschehen?
Neben Sammeln und Bewahren gehört zu den Aufgaben eines Museums die wissenschaftliche Aufarbeitung und die Präsentation der Objekte. Zur hundersten Wiederkehr des Beginns des 1. Weltkrieges hat das MEW am 1.8. 2014 die Ausstellung „1. Weltkrieg 1914 – 1918 … und so weiter … Kinder zeichnen Krieg – 100 Jahre alte Kinderzeichnungen“ eröffnet. Die regionalen Medien haben ausführlich darüber berichtet. Auch trug das Internet zum Bekanntwerden der Zeichnungen bei. Wie der Prophet nichts im eigenen Land gilt, konnte kein Interesse an diesen Zeichnungen bei wissenschaftlichen Instituten oder Kunsthallen im näheren Umfeld gefunden werden. Über eine Besucherin der Ausstellung in Wilhelmsburg kam der Kontakt zu Prof. Carolyn Kay von der Trent University in Ontario, Kanada zustande. Prof. Kay arbeitet über Kinderzeichnungen im 1. Weltkrieg (Kay 2019; Kay 2021). In der Zeitschrift des MEW (DIE INSEL) beschäftigte sie sich speziell mit den „Schulzeichnungen zum Ersten Weltkrieg von Kindern auf der Elbinsel Wilhelmsburg“ (Kay 2017: 21-29). 2016 kam eine Einladung zur Teilnahme an einer Ausstellung nach Pont-á-Mousson in Lothringen, also einem der damaligen heftigen Kriegsschauplätze in Frankreich. Die sehr umfangreiche Ausstellung im „Musée au fil de papier“ (s. Ville-Pont-á-Mousson) mit dem Titel „Kleine Hände im großen Krieg: Kinder im 1. Weltkrieg / Petit mains dans une Grand Guerre: Les enfants dans la Premiére Guerre Mondial“ wurde kuratiert von Jean-Francois Bauer. Dort war die Kinderwelt der Kriegszeit in Frankreich mit vielen Exponaten wie Kinderuniformen, Waffen, Brettspiele, Bücher und auch Zeichnungen zusammengetragen. Neben den auf die Kriegstechnik ausgelegten Zeichnungen der Wilhelmsburger Kinder mit den Kampfszenen wurden die Zeichnungen der etwa gleichaltrigen Kinder aus Paris gezeigt, die auch das persönliche Leiden mit Flucht, Schlangestehen vor Läden, Abschied des Vaters und auch Heimkehr eines Soldaten thematisierten. Pont-á-Mousson wie auch Paris waren ja Orte des Kriegsgeschehens, während es für die Wilhelmsburger Kinder „Der Ferne Krieg“ war. Ebenfalls 2016 entstand eine deutsch-französische Masterarbeit: „Un autre regard sur la Première Guerre mondial.  Le premier conflit mondial á travers les dessins des enfants de Wilhelmsburg (Allemagne)“ von Sandra Zimmermann (Zimmermann 2015/2016) an der Université d´Áix – Marsaille 2017 war das MEW eingeladen, an der Kunstakademie in Düsseldorf an der Konferenz INTERNATIONAL RESEARCH AND ARCHIVES NETWORK „CHILDREN AND YOUTH DRAWINGS: HISTORICAL DOCUMENTS OF CONFLICT; WAR AND GENOCIDE teilzunehmen. Thema war die Vorbereitung einer „International joint nomination for the UNESCO World Documentary Collection, Memory oft the World Register“ unter der Leitung von Prof. Dr. Jutta Ströter-Bender, Universität Paderborn und Prof. Dr. Kunibert Bering, Kunstakademie Düsseldorf. Die Teilnehmer kamen aus Benin, Kanada, Frankreich, Deutschland, England, Ungarn und Russland. Damit war die Wilhelmsburger Sammlung von Kriegskinderzeichnungen in einen zeitlich und örtlich stark erweiterten Rahmen eingebunden (SCRaR newsletter 2019-2) Seit 2017 gehört das MEW zum Netzwerk IRAND (International Research and Archives Network for Historical Children’s and Youth Drawings). Dies Netzwerk verbindet weltweit Universitäten, Archive, Sammlungen und Forschungsinstitute mit dem Ziel, gestalterische Arbeiten von Heranwachsenden grundlegend zu erforschen und im Sinne der UNESCO Friedenspädagogik zu vermitteln. 2018 zur hundertsten Wiederkehr des Endes des 1. Weltkriegs wurden die Wilhelmsburger Kinderzeichnungen in Erfurt im...



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