Keegan | Das Gegenteil von Einsamkeit | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Keegan Das Gegenteil von Einsamkeit


1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-10-403333-4
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

ISBN: 978-3-10-403333-4
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Meisterhafte Stories voller Lebenslust Wenige Tage nach ihrem Yale-Abschluss starb Marina Keegan bei einem Autounfall. Sie war ein Ausnahmetalent, das der Welt brillante Texte voller Lebenslust hinterließ. Selbstbewusst und authentisch schrieb sie über Themen, die sie wie viele junge Erwachsene beschäftigten: Liebe, Lust, Eifersucht, Selbstzweifel, Geborgenheit, Ablehnung, Familie und Zukunft. Marina Keegans Stories und Essays vereinen schwerelosen, sensiblen und mitreißenden Optimismus mit ungeheurer literarischer Reife: hoffnungsvoll, wild und melancholisch. Man liest sich atemlos, lachend und mit Tränen in den Augen durch das ganze fulminante Buch.

Marina Keegan (1989-2012) war Autorin, Journalistin, Aktivistin und Schauspielerin. Ihre Abschlussrede in Yale ?Das Gegenteil von Einsamkeit? wurde zur Internetsensation (www.theoppositeofloneliness.com). Sie erhielt bereits als Studentin zahlreiche Literaturpreise; ihr Buch wurde hochgelobt und ein internationaler Bestseller.
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Einleitung


Am 10. November 2010 sah ich Marina Keegan zum ersten Mal. Ich hatte den Autor Mark Helprin bei einem Master’s Tea in Yale zu Gast, bei dem er sagte, es sei heutzutage fast unmöglich, als Schriftsteller den Durchbruch zu schaffen.

Eine Studentin stand auf. Dünn. Schön. Langes, rötlich braunes Haar. Lange Beine. Schamlos kurzer Rock. Nimbus wütender Energie. Sie fragte Helprin, ob das sein Ernst sei. Im Raum hielten alle die Luft an. Genau das hatten alle gedacht, aber niemand war mutig (oder unverfroren) genug gewesen, es auszusprechen.

Am selben Abend erhielt ich eine E-Mail von :

Hallo! Ich glaube nicht, dass Sie mich kennen, aber ich war die Studentin, die heute die Frage gestellt hat … Ich fand es traurig, von einem berühmten Schriftsteller zu hören, dass die Branche im Sterben liegt und wir lieber etwas anderes machen sollen. Vielleicht hatte ich einfach erwartet, dass er uns, die den Tod der Literatur wollen, etwas mehr ermutigt.

»Den Tod der Literatur aufhalten«: Marina meinte das zugleich selbstironisch (hätte sie den Satz laut gesagt, dann übertrieben, mit vielen bedeutungsschwangeren Pausen und überbetonten Konsonanten, um die Überspitzung zu zeigen) und 100 Prozent ernst.

Ein paar Wochen später bewarb sie sich für meinen Kurs zum Schreiben aus der Ich-Perspektive. Ihre Bewerbung begann so:

Vor ungefähr drei Jahren fing ich eine Liste an. Sie begann in einem marmorierten Notizbuch, hat sich aber seitdem in den Wänden meines Wortprozessors fortgesetzt. . So nenne ich sie. Ich gebe zu, sie ist eine richtige Sucht geworden. Ich erweitere sie im Unterricht, in der Bibliothek, vor dem Schlafengehen und im Zug. Sie enthält alles von Beschreibungen der Handbewegungen eines Kellners über die Augen eines Taxifahrers bis hin zu seltsamen persönlichen Erlebnissen oder gelungene Formulierungen. Inzwischen sind es 32 einzeilig beschriebene Seiten mit interessanten Sachen aus meinem Leben.

In meinem Kurs, den sie im Frühjahr ihres vorletzten Jahres belegt hatte, bediente sie sich der interessanten Sachen auf diesen zweiunddreißig Seiten für eine Reihe von Arbeiten, die ihre Kommilitonen in schriftlichen Kritiken mit beeindruckten Adjektiven schmückten: . (Drei Texte im Buch sind in diesem Kurs entstanden. Andere stammen aus Schreibkursen in Yale, geleitet von John Crowley und Cathy Shufro; einige aus Studentenzeitschriften; und drei – »Gepäckausgabe«, »Sklerotherapie« und »Ich töte für Geld« – schrieb Marina in ihrem vorletzten und letzten Jahr an der Buckingham Browne & Nichols School in Kursen unter der Leitung von Harry Thomas und Brian Staveley.)

Viele meiner Studenten klingen wie Vierzigjährige. Sie sind wortgewandt, orientieren sich aber an Vorbildern, ihre Stimmen sind gedämpft vom Wunsch, ihr aktuelles Alter und ihre eigenen Erfahrungen zu überspringen, weil sie beides für trivial halten, und produzieren dann Arbeiten von erwachsener Geschliffenheit, ohne über Los zu gehen. Marina war einundzwanzig und klang wie einundzwanzig: eine gescheite Einundzwanzigjährige, eine Einundzwanzigjährige, die sich in der englischen Sprache auskannte, eine Einundzwanzigjährige, die begriff, dass es wenig bessere Themen gibt, als jung, unsicher, blauäugig, frustriert und zuversichtlich zu sein. Wenn sie ihre Arbeit an unserem Seminartisch vorlas, prusteten wir vor Lachen, dann wechselte die Stimmung in Sekundenschnelle und uns brach das Herz.

Ich bitte meine Studenten immer, ihrer Abschlussarbeit eine Liste mit »Persönlichen Schwächen« beizufügen – Punkte, an denen sie bei ihrem künftigen Schreiben arbeiten möchten. Marina listete folgende auf:

  • Zu viele Polysyndeta[1]. Achtung!

  • Nicht mit Anaphern[2] übertreiben.

  • Hüte dich vor seltsamen Redewendungen und ihren Präpositionen.

  • Hüte dich vor Vergleichen.

  • Überschriften müssen gut sein! Nicht erst in letzter Minute auswählen! Vermeide Alliteration!

  • Achte darauf, dass modifizierende Wörter sinnvoll sind.

  • Bei der Darstellung allgemeiner Ideen mehr konkrete Beispiele einbauen.

  • Nicht vergessen, das Dokument vor dem Abgeben mit Hilfe der Rechtschreibprüfung auf Homophone wie »it’s« und »its« zu überprüfen.

  • Nicht zu viele Adverbien in einem Satz verwenden.

  • Bilder müssen stimmig sein. Du kannst dich nicht »wie ein Löffel aufrollen«.

  • Ungewöhnliche Formulierungen funktionieren besser am Ende eines Absatzes.

  • Ich lege ein Ei, ich legte ein Ei, ich habe ein Ei gelegt. Ich liege, ich lag, ich habe gelegen.

  • Entscheide dich klar für ein Thema.

  • Achte auf einheitliche Zeiten.

  • Verwende nicht zwei Präpositionen hintereinander.

  • Klebe nicht zu sehr an Dingen. Es hat nur eine Minute gedauert, diesen Satz zu schreiben!

  • ES GEHT IMMER (NOCH) BESSER!

***

Auf ihren hohen posthumen Podesten verliert man die Toten leicht aus den Augen. Trauer, Achtung und die homogenisierende Wirkkraft der Bewunderung verwischen die Einzelheiten, glätten die Dellen, schleifen scharfe Kanten. Marina war geistreich, freundlich und idealistisch; ich hoffe, ich vergesse nie, dass sie auch wütend, gereizt und provokant war. Ein bisschen wild. Mehr als ein bisschen nonkonformistisch. Wenn man es geruhsam haben wollte, war Marina nicht die Richtige. Als wir uns zu einer einstündigen Sitzung trafen, um ihre erste Seminararbeit gemeinsam zu redigieren, schafften wir dreieinhalb Zeilen. Sie wehrte sich gegen meine Vorschläge, weil sie nicht wie ich klingen wollte; sie wollte ihren eigenen Ton. Im Unterricht hatte sie feste Ansichten über Autoren, die wir lasen. Sie hasste Lucy Grealy, obwohl die meisten ihrer Kommilitonen sie liebten, und sie liebte Joyce Maynard, obwohl die meisten ihrer Kommilitonen sie hassten. Sie bewunderte und beneidete andere talentierte junge Schriftsteller. Als ich die beispielhaften Arbeiten zweier Studentinnen aus einem früheren Kurs verschickte, schrieb sie: »AHHHH ALICE’ AUFSATZ IST SO GUT OH MEIN GOTTELISAS IST AUCH SO GUT! Meine Güte. Nein, ich lass mich nicht entmutigen …« Sie verlor oft ihre Schlüssel und ihr Handy, manchmal tagelang, manchmal in ihrer Tasche, einem geräumigen tintenfleckigen Monstrum (bei einem Menschen wie Marina hätte man eine Tasche mit Reißverschluss erwartet, doch wie in allem war Offenheit ihr Markenzeichen); sie neigte zu Prokrastination und den unvermeidlich darauf folgenden durchgebüffelten Nächten; sie war frustriert von Abgabeterminen, Formalitäten, begriffsstutzigen Politikern, der Kluft zwischen Theorie und Praxis, der Angewohnheit ihrer Mitbewohnerin, mit einem Messer Brot abzuschneiden und es dann ins Nutella-Glas zu stippen, und ihrer eigenen Neigung zu Vergesslichkeit, alles Dinge, die in E-Mails und SMS den Universalfluch »GAH!« nach sich zogen.

Im Sommer zwischen ihrem ersten und letzten Jahr lief alles so gut für Marina, dass sie nur selten GAH sagen musste. Früher hatte sie ihr Zimmer mit Titelbildern des tapeziert; jetzt machte sie dort ein Praktikum in der Literaturredaktion, durchforstete den Manuskripthaufen nach verborgenen Edelsteinen und schrieb auf dem Buchblog. Eines ihrer Stücke wurde für eine inszenierte Lesung bei einem wichtigen Theaterfestival ausgewählt, und sie schrieb den Großteil eines anderen, auf das sie, wie sie es formulierte, »jeden Tag 3 Stunden (keine Ausrede) verwandte«.

In diesem Sommer fand Marina außerdem Zeit, ihren Freunden und Lehrern zu schreiben. Nachdem sie gerade einen Text gelesen hatte, in dem ich die Ausreden erwähnte, mit welchen der Dichter Samuel Taylor Coleridge, ein unverbesserlicher Prokrastinierer, seiner säumigen Korrespondenz Vorschub leistete, begann sie eine E-Mail:

Entschuldigen Sie meine verzögerte Antwort! Tatsache ist, dass ich krank wurde, nachdem ich bei schlechtem Wetter übertrieben kurze Kniehosen trug – ganz zu schweigen von meinen Zahnschmerzen, Schlaflosigkeit, Gicht, Husten, Furunkel, entzündeten Augen, geschwollenen Hoden und rasender Epistolophobie.

Und beendete sie:

Und vor allem, seien Sie mit sich im Reinen und mir doppelt gewogen, meine teure Professorin, die ich Sie erwartungsvoll grüße als,

Ihre geneigte Studentin

(Im Nachtrag zu einer späteren E-Mail erklärte sie: »Seit ich die Coleridge-Briefe gelesen habe, verfolgen mich solche Unterschriftsfloskeln. Sie sind einfach so GUT. Zum Beispiel die kurze Verzögerung mit dem Komma vor dem Zeilenbruch. Einfach herrlich. COLERIDGE! Ich danke dir.«)

Aber sie freute sich, ans College zurückzugehen:

Ich merke, wie sehr ich Yale liebe. Da ich erstmals seit einiger Zeit die Minuten vor dem Einschlafen mit Gedanken an verbringe, betrachte ich Yale schon mit einer Art vorzeitiger Nostalgie. ICH MÖCHTE JEDEN KURS IM VERZEICHNIS BESUCHEN. ICH MÖCHTE JEDES GEBÄUDE KENNENLERNEN. ICH MÖCHTE...


Keegan, Marina
Marina Keegan (1989-2012) war Autorin, Journalistin, Aktivistin und Schauspielerin. Ihre Abschlussrede in Yale ›Das Gegenteil von Einsamkeit‹ wurde zur Internetsensation (www.theoppositeofloneliness.com). Sie erhielt bereits als Studentin zahlreiche Literaturpreise; ihr Buch wurde hochgelobt und ein internationaler Bestseller.

Jakobeit, Brigitte
Brigitte Jakobeit, Jahrgang 1955, lebt in Hamburg und übersetzt seit 1990 englischsprachige Literatur, darunter die Autobiographien von Miles Davis und Milos Forman sowie Bücher von John Boyne, Paula Fox, Alistair MacLeod, Audrey Niffenegger, J. R. Moehringer und Jonathan Safran Foer.

Marina KeeganMarina Keegan (1989-2012) war Autorin, Journalistin, Aktivistin und Schauspielerin. Ihre Abschlussrede in Yale ›Das Gegenteil von Einsamkeit‹ wurde zur Internetsensation (www.theoppositeofloneliness.com). Sie erhielt bereits als Studentin zahlreiche Literaturpreise; ihr Buch wurde hochgelobt und ein internationaler Bestseller.
Brigitte JakobeitBrigitte Jakobeit, Jahrgang 1955, lebt in Hamburg und übersetzt seit 1990 englischsprachige Literatur, darunter die Autobiographien von Miles Davis und Milos Forman sowie Bücher von John Boyne, Paula Fox, Alistair MacLeod, Audrey Niffenegger, J. R. Moehringer und Jonathan Safran Foer.

Marina Keegan (1989-2012) war Autorin, Journalistin, Aktivistin und Schauspielerin. Ihre Abschlussrede in Yale ›Das Gegenteil von Einsamkeit‹ wurde zur Internetsensation (www.theoppositeofloneliness.com). Sie erhielt bereits als Studentin zahlreiche Literaturpreise; ihr Buch wurde hochgelobt und ein internationaler Bestseller.
Brigitte Jakobeit, ausgezeichnet mit dem Heinrich-Maria-Ledig-Rowohlt-Preis, lebt in Hamburg und übersetzt seit 1990 englischsprachige Literatur, u.a. von Miles David, John Boyne, William Trevor, Christopher Isherwood, Celeste Ng und Patti Smith.



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