E-Book, Deutsch, 440 Seiten
Kern Das Juwel der Harpyien
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7578-7480-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 440 Seiten
ISBN: 978-3-7578-7480-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der zum Tode verurteilte Dieb Flynt ist gezwungen aus seiner Heimat zu fliehen. Bei seiner Flucht wird er von dem blinden Magier Ganto unterstützt, der das Potential des jungen Diebes erkennt und sich daher seiner annimmt. Gemeinsam begeben sie sich auf eine Reise, bei der sie den Harpyien auf der Spur sind. Diese bösartigen Kreaturen wollen mithilfe eines einzigartigen Relikts ein Ritual vollziehen, welches unbedingt verhindert werden muss.
Martin Kern wurde 1991 im bayrischen Tegernsee geboren. Bereits in seiner Kindheit war er fasziniert von Geschichten über Magie und tauchte in viele fantastische Welten ein. Im Jahr 2011 schloss er seine Lehrzeit im Schreinerhandwerk ab und erwarb vier Jahre später seinen Meistertitel. Fast zeitgleich entdeckte er seine Leidenschaft zum Schreiben. Ausführliche Informationen unter: Web: www.martin-kern-autor.de Facebook: Martin Kern Autor Instagram: mar.tin.kern
Autoren/Hrsg.
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ABSCHNITT 1: DIEB
(14 Jahre später) DAS ELSTERNNEST
»Hey Fly, wach endlich auf! Oder hast du vor einen weiteren Tag zu verschlafen?« Flynt gab ein schlaftrunkenes Stöhnen von sich. Er war es leid, fast täglich von seinem besten Freund Rik aus dem Bett geworfen zu werden. Er drehte sich seitwärts, um sich der Stimme abzuwenden. Dabei fuhr ihm ein stechender Schmerz die Wange entlang. Vorsichtig tastete er das Gesicht ab. Seine Augen waren komplett zugeschwollen, sodass er lediglich die Silhouette seines Gegenübers erkannte: »Rik, was ist passiert? Und warum zum Geier bist du schon wieder so früh bei mir Zuhause?« Rik gab ein amüsiertes Glucksen von sich. »Bei dir? Sieh dich doch mal genauer um, Fly. Du bist in meiner Baracke.« Flynt schwenkte seinen Kopf nach links und rechts. Mit der Zeit gelang es ihm, immer mehr zu erkennen. Er erspähte karge Wände, modrige Möbel und ein verwanztes Bett, welches nicht sein Eigenes war. Letztlich wandte er sich Rik zu. Ein breites Grinsen zog sich über dessen Gesicht. Selbst mit den geschwollenen Augen erkannte Flynt die frettchenähnlichen Züge darin. »Wenn ich mir deine Visage ansehe, wundert es mich nicht, dass du dich an nichts erinnerst. Hab schon lange nicht mehr erlebt, dass auf jemandem so eingeprügelt wurde. Na ja, selbst den Besten erwischt es früher oder später, nicht war, Fly?« Dem jungen Flynt trieb es die Röte ins Gesicht. So von seinem besten Freund vorgeführt zu werden, passte ihm nicht. Da spielte es keine Rolle, ob dieser im Recht war. Rik setzte sich ebenfalls aufs Bett und lehnte sich gegenüber an die Mauer. Dabei bemerkte Flynt, dass dessen Fäuste geschwollen waren. Allmählich gelange es ihm die Puzzleteile zusammenzufügen. Er deutete darauf und meinte: »Sag bloß, du bist mir zur Hilfe gekommen?« Rik prüfte kurz seine pochenden Hände, ehe er sie lässig hinterm Kopf verschränkte. »Jepp, hab der alten Greta doch versprochen, dass ich auf dich aufpasse, oder?« Mehr Röte stieg in Flynts Gesicht. Er schämte sich, denn es war das erste Mal, dass er beim Stehlen erwischt wurde. Und ausgerechnet Rik kam ihm zur Hilfe. Sicher, er war sein bester Freund, doch er hasste es, in seiner Schuld zu stehen. Er war ohnehin immer in dessen Schatten, da Rik breit gebaut und muskulös war. So war er, trotz seines schleimigen und eingebildeten Auftretens, bei den Mädchen immer beliebter als er. Wieder setzte Rik ein breites Grinsen auf. Er kannte Flynt lange genug, um zu wissen, was in dessen Kopf vorging. »Keine Angst, Fly«, keckerte er. »Du bist mir nichts schuldig. Eine kleine Geste anlässlich deines Geburtstages würde ich sagen.« Flynt runzelte die Stirn. Wenn heute sein Jahrestag war, dann bedeutete dies, dass er anderthalb Tage bewusstlos war. Wenigstens habe ich meinen Fünfzehnten nicht verpennt, sinnierte er im Stillen. Doch das kaufte ihn nicht von Riks Schuld frei. »Da wir schonmal dabei sind:« Rik erhob sich vom Bett und öffnete die Schublade seines Nachttisches. Er kramte eine hölzerne Maske heraus und warf sie Flynt in den Schoß. »Herzlichen Glückwunsch, alter Taugenichts. Das ist doch das scheußliche Teil, für das du dein Leben aufs Spiel gesetzt hast, nicht?« Flynt war es durch seine geschwollenen Augen kaum möglich die feinen Schnitzerein zu erkennen. Erst nachdem er sie mit den Fingern abgetastet hatte, gab es keinen Zweifel daran. Es handelte sich um das Stück, das er aus Lord Harens Anwesen gestohlen hatte. Die Erinnerung an den Einbruch versetzte dem jungen Dieb einen Schlag in die Magengegend. Flynt hatte sich die antike Maske unter den Nagel gerissen, doch lief er einer Wachpatrouille in die Arme. Ein Anfängerfehler, der ihm um ein Haar das Leben gekostet hätte. Jetzt war er Rik doch dankbar, dass er ihn aus der heiklen Situation gerettet hatte. Flynt wog die Maske eine Weile in den Händen. Das dunkle Holz war fast so schwer wie Eisen und roch absolut scheußlich. Offenbar sah er nicht dasselbe darin wie sein Auftraggeber. »Du kriegst fünfzig Prozent von dem, was mir Kralle dafür versprochen hat«, schlug er seinem Freund vor. Riks Mundwinkel zogen sich wieder in die Breite. »Das ist doch mal ein Wort. Für so eine Gegenleistung rette ich dir gerne den Arsch. Jetzt aber raus aus den Federn. Lass uns diese Scheußlichkeit ins Elsternnest bringen. Du kennst doch Kralle, er ist nicht bekannt dafür der Geduldigste zu sein. Bei der Gelegenheit würde ich dir empfehlen, die Schwellungen begutachten zu lassen, bevor du Greta unter die Augen trittst.« »Da sprichst du ein wahres Wort. Die Stimmung zwischen Großmutter und mir ist ohnehin angeschlagen, seit sie erfahren hat, dass ich Aufträge für die Diebesgilde erledige.« Rik klopfte ihn schadenfroh auf die Schulter. »Der einzige Ort, wo ein Taugenichts wie du an ein paar Kupferstücke kommt.« Der junge Dieb spuckte ihm vor die Füße, woraufhin Rik gackernd zwei Schritte zurückwich. Draußen auf den Straßen von Khant schien die Sonne in ihrer vollen Pracht. Doch selbst im Hochsommer drang das Sonnenlicht niemals gänzlich bis in den untersten vierten Ring der Stadt. Dafür sorgten die meterhohen Müllberge, die die Wohlhabenden der oberen Kreise einmal die Woche hier her karren ließen. Es war ein gesetzloser Ort, an dem es fast so viele Diebe und Herumtreiber wie Bewohner gab. Die Armut war groß und an Stelle von Häusern reihten sich schäbige Baracken aneinander. Solche notdürftig zusammengezimmerten Unterkünfte aus Blech und Holz, bewohnten auch die zwei Freunde. Flynts Behausung war etwas größer, da er sie mit seiner Großmutter Greta teilte. Dafür genoss Rik mehr Freiheiten und war keinem Menschen Rechenschaft schuldig. Die beiden schlenderten zum angrenzenden höheren Ring. Dort lag einer der Eingänge des Elsternnests verborgen – dem Versteck der Diebesgilde. Einem riesigen unterirdischen Tunnelsystem, in dem sich jeder, der sich nicht auskannte, verlaufen würde. Zusätzlich gab es unzählige Fallen, die vor unerwünschten Eindringlingen schützten. Flynt und Rik bogen in eine menschenleere Seitengasse ein. Dort zwangen sie sich durch einen Bretterverschlag hindurch und tauchten ins Dunkle ein. Die Luft im Elsternnest war modrig und feucht. Was die beiden Freunde nicht weiter störte. Sie waren an den Gestank gewöhnt, da sie oft Aufträge für die Diebesgilde erledigten. Wobei sich ihre Aufgaben voneinander unterschieden. Flynt war auf Einbrüche und Diebstähle spezialisiert. Rik dagegen zählte zum Schlägertrupp. Zweitere waren notwendig, um Diebe aus brenzlichen Situationen zu befreien. Dieser Schutz bedeutete aber, die Beute zu teilen. Ein Grund, warum Flynt es vorzog alleine zu agieren. Eine Eigensinnigkeit, die ihm zum Verhängnis geworden war. Der junge Dieb hatte ein ausgezeichnetes Gedächtnis und kannte jeden Winkel und sämtliche Fallen im Elsternnest. Wobei er gegen diesen Ort eine Abneigung entwickelt hatte. Es war ein notwendiges Übel hier nach Arbeit zu fragen, um sich und seine Großmutter Greta über die Runden zu bringen. Vor Steuern blieben selbst die Armen nicht verschont. Einmal im Monat kamen die Geldeintreiber der oberen Ringe und forderten schier unverschämte Beträge. Die Tränke tauchte vor den beiden auf. So nannte man im Elsternnest den Ort, an dem sich die Heiler niedergelassen hatten. Viele von ihnen gab es dort nicht und den meisten fehlte die nötige Ausbildung. Aber zum Zusammenflicken reichte deren Qualifikation aus. Flynt hielt nach Hilda Ausschau, seiner bevorzugten Wahl unter den Heilern. Die kränklich wirkende Frau beherrschte ihr Handwerk wie keine Zweite hier. »Flynt«, krächzte sie mitleidig. »Was ist denn mit dir passiert? Hat dich etwa ein Schmied mit dem Amboss verwechselt?« Der junge Dieb schmunzelte. »Du weißt doch, Hilda, mein Gesicht sehnt sich nach kräftigen Hammerschlägen. Nicht umsonst nennt man mich den Stählernen.« Sein Freund Rik grinste bei dieser Aussage. Denn Flynt war schmächtig und in Schlägereien zog er meist den Kürzeren. Dafür war er ausdauernd, flink und geschickt – perfekt für Einbrüche und Diebstähle. Hilda packte Flynts Kopf und drehte ihn prüfend umher. »Schade um deine Augen, sie sind vollständig blutunterlaufen. Es wird Tage dauern, bis das alles verheilt ist.« Sie nickte zu Rik rüber. »Du brauchst gar nicht so zu grinsen. Ein frettchenartiges Gesicht wie deines hätte mehr von solchen Schwellungen profitiert.« Es war allgemein bekannt, dass Hilda jeden im Schlägertrupp verachtete. Da bot Rik keine Ausnahme. Sie behauptete oftmals, dass er etwas Verräterisches an sich hatte. Rik aber störte sich nicht an ihrer Abneigung ihm gegenüber. Er grinste sie nur hämisch an und meinte: »Tja, alte Frau, Fly hat das Gesicht und ich habe den Körper.« Sein Blick wurde ernster und...