Kern Homo Sapiens 404 Band 4: Nur eine Kugel
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-95662-004-1
Verlag: Rohde, Markus
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 4, 78 Seiten
Reihe: Homo Sapiens 404
ISBN: 978-3-95662-004-1
Verlag: Rohde, Markus
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dies ist die vierte Episode der Romanserie 'Homo Sapiens 404'. Die Ereignisse auf NG27 schlagen hohe Wellen. Kipling drängt John, dorthin zurückzukehren, doch der hat andere Pläne, die er vor seiner Crew verbirgt. Ein unvorhergesehenes Ereignis zwingt ihn schließlich dazu, Kipling nachzugeben. Sie treffen auf NG27 ein und werden mit einer Situation konfrontiert, die das Überleben der gesamten Menschheit bedrohen könnte. Über die Serie: Einige Jahrzehnte in der Zukunft: Dank außerirdischer Technologie hat die Menschheit den Sprung zu den Sternen geschafft und das Sonnensystem kolonisiert. Doch die Reise endet in einer Katastrophe. Auf der Erde bricht ein Virus aus, der Menschen in mordgierige Zombies verwandelt. Daraufhin riegeln die Außerirdischen das Sonnensystem ab und überlassen die Menschen dort ihrem Schicksal. Die, die entkommen konnten, werden zu Nomaden in einem ihnen fremden Universum, verachtet und gedemütigt von den Außerirdischen, ohne Ziel, ohne Hoffnung.
Claudia Kern sah 'Star Trek' mit vier, 'Dawn of the Dead' mit zwölf und ihre erste Webseite mit zwanzig. Nach einigen Umwegen über die Heftromanserien 'Maddrax' und 'Professor Zamorra', eine Fantasy-Trilogie und zwei historische Romane hat sie diese Erfahrungen nun endlich in 'Homo Sapiens 404' verarbeitet. Ihre Kolumnen und Kritiken erscheinen im Magazin Geek!, auf www.robotsanddragons.de und auf www.claudia-kern.com.
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3
»Wenn es euch nichts ausmacht, würde ich lieber an Bord bleiben«, sagte Trevor. Kipling nickte. Er hatte nichts anderes erwartet. Sie saßen zusammen an einem langen Tisch in der Messe, aßen aus Trockenei und Wasser angerührte Eier und Speck, der aus etwas bestand, das wahrscheinlich nie gelebt hatte. Kipling ertränkte beides in Tabasco, um überhaupt etwas zu schmecken. »Du bist Gast auf diesem Schiff«, sagte Auckland. »Niemand wird dich zu irgendetwas zwingen.« Er drehte den Kopf und sah Ama’Ru an, die etwas abseits von ihnen an der Wand stand. Sie hielt in den Händen eines der kleinen Pads, die die Jockeys bevorzugten. Die Gottesanbeterin unter ihr wippte leicht auf und ab, so als wäre sie ungeduldig. Kipling hatte sich schon oft gefragt, ob die Tiere, die von den Jockeys übernommen wurden, zumindest einen Teil ihrer Persönlichkeit behielten, aber wann immer er einen Jockey online danach fragte, antwortete ihm nur Schweigen. »Du bist auch unser Gast«, fuhr Auckland fort, »aber–« Ama’Ru ließ ihn nicht ausreden. »Aber du wirst mich nicht auf die Station mitnehmen, auch wenn ich das wünschen sollte.« »Worauf du einen lassen kannst«, sagte Arnest. Trevor beugte sich zu ihm herüber. Sie saßen nebeneinander. »Ich bin mir nicht sicher, ob sie das können.« Arnest lachte laut. Ihm schien das geschmacklose Essen als Einzigem nichts auszumachen. Auf seinem Teller stapelten sich dünne Baconstreifen, und er aß bereits die zweite Portion Eier. Er trank sogar die dunkelbraune Brühe, die der Getränkeautomat ausgab, wenn man auf den Knopf mit dem Aufdruck ›Kaffee‹ drückte. Auckland beachtete ihn nicht. »Gut. Dann verstehen wir uns ja.« Ama’Ru richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihr Pad, so als interessierte sie die Unterhaltung nur am Rande. »Möchtest du etwas essen?«, fragte Kipling spontan. Ama’Ru wandte ihm nicht nur ihr Gesicht zu, sondern drehte auch das der Gottesanbeterin in seine Richtung. Oder vielleicht drehen sie beide ihre Köpfe, dachte Kipling. Das hätte bedeutet, dass nicht nur die Jockey, sondern auch ihr Tier ihn verstand. Sie sind so fremd. »Nein, danke«, sagte Ama’Ru. »Wir ziehen frische rohe Nahrung vor.« Kipling hob die Augenbrauen. »Wir? Die Jockeys, die ich kenne, verwenden nie den Plural, wenn sie von sich und ihrem Tier sprechen.« »Du kennst uns nicht.« Ama’Ru wandte sich wieder ihrem Pad zu. Nette Abfuhr. Kipling räusperte sich und griff verlegen nach der Tabasco-Flasche. »Ich möchte, dass auch du hier bleibst«, sagte Auckland zu Rin. Sie öffnete den Mund, wahrscheinlich, um ihm zu widersprechen, aber er redete einfach weiter: »Zum einen möchte ich unsere Gäste nicht allein auf der Eliot zurücklassen, zum anderen sollte jemand an Bord sein, der mit dem Schiff im Notfall fliehen kann.« »Dann bleib du doch hier.« Aus den Augenwinkeln sah Kipling, wie Ama’Ru kurz den Blick hob, so als würde sie der Ausgang des Gesprächs nun doch interessieren. »Nein«, sagte Auckland, und Ama’Ru senkte den Blick wieder. Einen Moment schien Rin die Entscheidung nicht akzeptieren zu wollen, dann aber gab sie zögernd nach. »Okay.« »Kipling …« »Vergiss es. Ich komme mit.« »Natürlich kommst du mit.« Auckland schob seinen Teller von sich. Er hatte nicht einmal die Hälfte der Portion gegessen. »Ich wollte wissen, ob du noch irgendwas von der Station gehört hast.« »Nein, da unten herrscht Stille.« Kipling scrollte kurz durch seinen Twitter-Feed. »Die meisten glauben, dass Mak’Uryl das öffentliche W-Lan gesperrt hat und dass es ein zweites, privates gibt, über das die Stationscomputer miteinander kommunizieren.« »Das ist richtig«, sagte Ama’Ru zu seiner Überraschung. »Diese Sicherheitsvorkehrung gibt es auf all unseren Stationen.« Lanzo legte seine Gabel neben den fast leeren Teller und sah sie an. »Er hat also Kontakt zur Außenwelt?« »Davon gehe ich aus.« Ama’Ru konzentrierte sich weiter auf ihr Pad. »Warum haben die Jockeys dann noch nicht eingegriffen?« Lanzo sprach damit Kiplings Gedanken aus. »Weil Mak’Uryl Hilfe entweder nicht anfordern möchte oder nicht anfordern kann.« Ama’Ru tippte mit ihren langen, schmalen Fingern auf dem Touchscreen. »Hierarchien funktionieren bei uns anders als bei euch. Mak’Uryl herrscht über NG27 wie ein …« Sie unterbrach sich, suchte wohl nach dem richtigen Wort. »Tyrann?«, fragte Kipling. Ama’Rus Lächeln ließ ihr Gesicht auf einmal seltsam menschlich wirken. »Ich wollte König sagen. Niemand wird sich einmischen, solange er das nicht wünscht.« Kipling konnte sich das kaum vorstellen, schließlich hingen nicht nur Menschen- und Jockeyleben davon ab, was auf der Station geschah, es ging auch um wirtschaftliche Interessen. In den Blicken der anderen am Tisch sah er, dass sie die Aussage ebenso anzweifelten wie er. »Gibt es noch etwas, das du uns sagen möchtest?«, fragte Lanzo. »Nein. Aber ich würde euch bitten, frische Lebensmittel von der Station mitzubringen, solltet ihr welche finden.« »Schreib doch direkt einen Einkaufszettel.« Arnest stieß kopfschüttelnd den Atem aus, aber Auckland sah Ama’Ru an. »Wir werden sehen, was möglich ist.« Er stand auf und nahm seinen Teller. »Macht euch fertig. Wir verlassen den Hyperraum in dreißig Minuten.« »Und räumt euren Mist weg«, fügte Lanzo hinzu, als er sich ebenfalls erhob. »Jeder ist für seinen Platz verantwortlich.« Er sprach zu allen, aber Kipling war klar, dass er Arnest meinte, der ungerührt weiteraß und zwischen zwei großen Gabeln Rührei nur »Ja, ja« murmelte. Die Mischung aus Fürsorge und Strenge, die Lanzo ihm gegenüber zeigte, erinnerte mehr an einen Vater als an einen Bruder. »Schon gut«, sagte Trevor. »Lasst ruhig alles stehen. Wenn ich schon nicht mitkomme, kann ich hier wenigstens aufräumen.« »Danke, Kumpel.« Arnest klopfte ihm auf die Schulter, ohne den Blick von seinem Teller zu nehmen. Wenn das, was Lanzo Kipling vor Kurzem anvertraut hatte, stimmte und Arnest die Menschen wirklich nur in Familie und Mir-doch-scheißegal einteilte, dann war Trevor bereits in die erste Gruppe aufgestiegen. Laut Lanzo gehörten er und Rin ebenfalls dazu, Auckland jedoch nicht. Die Kriterien, nach denen Arnest die Einteilung vornahm, waren Kipling rätselhaft. »Kann ich dich kurz sprechen?«, fragte Rin, als Kipling in den Gang zu den Kabinen trat. »Klar.« Sie blieb vor ihm stehen. In der Messe lachte Arnest laut über etwas, das Trevor gesagt hatte. Rin schloss die Tür, und das Lachen verstummte. »Deckt das W-Lan der Eliot auch die Station ab?« Kipling dachte einen Moment darüber nach und schüttelte den Kopf. »Einen Teil ja, aber nicht alle Bereiche. Dafür ist das Signal zu schwach.« Als er Rins Blick bemerkte, fügte er hinzu: »Ich werde mich bei dir melden, wann immer es geht. Mach dir keine Sorgen.« »Ich mach mir jetzt schon Sorgen«, sagte Rin. »Wir waren bisher immer zusammen. Du, Arnest, Lanzo, ich …« Sie verzog das Gesicht. »Jourdain. Ich will das nicht ändern.« »Niemand reißt die Band auseinander, Rin. Aber wir brauchen einen Piloten auf der Eliot. Außerdem muss jemand auf unsere Gäste aufpassen.« »Ich weiß.« Kipling konnte sehen, wie sie sich zusammenriss, und auf einmal wurde ihm klar, dass sie Jourdains Tod am härtesten getroffen hatte. Acht Monate lang hatte sie das Kommando über die Mishima geführt, acht Monate, in denen kein Besatzungsmitglied gestorben war. Das war eine Leistung, die nur wenige Schiffe vorweisen konnten. Vielleicht glaubte sie, dass ihr Glück nun aufgebraucht war. »Jourdain war nicht der Anfang einer Serie«, sagte Kipling. »Er war eine Ausnahme, okay?« Rin ging nicht darauf ein. »Meld dich einfach, Kipling. Ich muss wissen, was da unten passiert.« Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Und drück mir die Daumen, dass...