E-Book, Deutsch, 300 Seiten
Kernchen Sternenstaub auf Asphalt
2. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7448-0303-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 300 Seiten
ISBN: 978-3-7448-0303-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eine Stadt, die sich nur im Kreise dreht. Wer einmal bleibt, der wird nie seine Träume suchen. Die 17 Jährige Hanna lebt in genau dieser Welt, bis eines Nachts der rebellische Toni unter ihrem Fenster auftaucht und ihr die nächtliche Stadt zeigt. Auf Tonis Bitten hin begibt sie sich auf eine Reise, an ihrer Seite die 80-jährige Frau Gwendolyn und der überhebliche Alex. Im alten Wohnwagen der Dame reisen sie umher, um Hannas Träume zu suchen, die Sterne und alles was dazwischen liegt. Aber woher kommen Tonis Briefe? Und wieso weiß er, wo genau Hanna sich befindet? Und was hat das alles mit Atepa zu tun, dem seltsamen Indianermädchen, das ab und an im Rainy Day Café auftaucht und dann wieder verschwindet? Hanna erkennt, wie paradox die Welt ist, in der sie lebt. Wie unweigerlich Träume mit der Realität verbunden sind, Schönheit mit Hässlichkeit und Sternenstaub mit Asphalt.
Franziska Kernchen, Jahrgang 1999, wuchs in der Seestadt Bremerhaven auf und schreibt Geschichten seit sie denken kann. Ihren erster Roman "Sternenstaub auf Asphalt", der aus vielen Beobachtungen, Begegnungen und Gedanken entstand, schrieb sie parallel zu ihrem Abitur. Sie liebt Bücher, spontane Abenteuer, Geheimnisse und die Sterne.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1. Kapitel
„Hanna, schön dich zu sehen!“ begrüßte Josh sie, der Inhaber des Rainy Day Cafés, in dem Hanna die Nachmittage jobbte. Wie der Name schon vermuten ließ, war das Café urgemütlich und besonders an regnerischen Tage gut besucht. Dann verbreiteten die kleinen roten Stehlampen, die in den großen Fenstern standen, ein warmes Licht. Das Café war relativ klein und an den Wänden waren Regale voller Bücher angebracht. Jegliche Buchklassiker fand man darin, von Alexandre Dumas über Sir Arthur Conan Doyle und Jane Austen bis hin zu Nicholas Sparks. Das war wohl eine der Besonderheiten am Café, man konnte in den kuscheligen roten Polstern ganze Nachmittage verschwinden und in den Bücherwelten abtauchen. Eine Flucht aus der Wirklichkeit, rein in bunte Welten, in denen alles möglich schien. Josh wischte gerade mit einem Lappen über die kleinen runden Tische und die gemütlichen, dunkelrot gepolsterten Sitzbänke. Leise Musik aus den 80ern dudelte aus dem Radio. Hanna liebte das Café, es war schon immer ihr Lieblingsort in dieser karierten, engstirnigen Stadt gewesen. Früher, als sie noch nicht Angestellte des Cafés gewesen war, hatte sie bei jedem Regentag das Café besucht, einen heißen Tee getrunken und war versunken gewesen in einem der vielen Bücher. Als sie vor einem Jahr gehört hatte, dass eine Aushilfe gesucht wurde, hatte sie sich sofort dafür beworben und mit ihrer herzlichen und verträumten Art schnell ihren Platz in dem Café gefunden. „Hallo Josh“, grüßte sie ihren Chef zurück. Sie nannten sich beim Vornamen, Josh war nur etwa sieben Jahre älter als sie. Alles andere käme ihnen beiden seltsam vor und da sie jeden Nachmittag unter der Woche zusammen hier arbeiteten, hatte sich im Laufe der Zeit so etwas wie eine Freundschaft zwischen ihnen entwickelt. Hanna ging in das kleine Hinterzimmer und legte ihre Tasche auf einen Stuhl. Dann zog sie sich eine helle Schürze über ihr blaues Sommerkleid und steckte das lange braune Haar zu einem Dutt auf. „Nicht so viel los heute, wie ich sehe!“ bemerkte sie, als sie in den Verkaufsraum in das fast leere Café trat. An einem Fenstertisch saß nur eine ältere Dame und an einem Anderen war ein junges Mädchen, das etwa so alt wie sie selbst sein könnte, in eines der Bücher vertieft. Die alte Frau kam jeden Montag und jeden Donnerstag in das Rainy Day Café, daher nannte Hanna sie im Geheimen die Donnerstagsdame. Sie verbrachte an solchen Tagen meistens den kompletten Nachmittag im Café und trank ihren Tee, sah aus dem Fenster oder las in der Tageszeitung, ganz egal, ob es regnete oder die Sonne schien. Heute schien die Sonne. „Nein, bei diesem Wetter ist es auch kein Wunder. Heute Morgen war es etwas voller, da kamen einige Menschen zum Frühstücken, aber jetzt, bei den Temperaturen, geht kaum einer zum Kaffee trinken rein.“ „Ich habe gehört, dass es morgen regnen soll“, merkte Hanna augenzwinkernd an. Das Café lebte quasi vom Wetter. War es warm und sonnig, dann war der Laden so gut wie ausgestorben. War es jedoch windig, kalt oder regnerisch, so war das kleine Café zum Bersten gefüllt. Noch ein Grund, wieso Hanna den Regen so liebte. Denn wenn es regnete, saßen so viele Menschen im Café beisammen, auch wenn jeder von ihnen in seiner eigenen Welt versank. „Das hoffe ich doch. Wenn es so weiter geht mit dem Wetter, muss ich meinen Kaffee wohl oder übel für mindestens 5 € die Tasse verkaufen, um die Miete zahlen zu können.“ Josh rieb sich über das gebräunte Gesicht, dann verschwand er in dem kleinen Raum hinter dem Tresen, um die Abrechnungen zu machen. Hanna merkte selber, dass das Café momentan nicht so viel einbrachte, aber aus Erfahrung wusste sie, dass bei der nächsten Regenperiode die wenigen Einnahmen das vom guten Wetter ausgelöste Defizit in der Kasse wieder ausgeglichen sein würden. Sie begann, die Theke abzuwischen. Es gab immer noch nichts zu tun. Sie arrangierte die Kuchenauslagen neu. Die Brownies nach ganz links, die Blaubeermuffins daneben, den Kirschkuchen nach ganz rechts und die Cupcakes irgendwo dazwischen. Gut, was nun? Die Teesorten! Sie machte sich daran, auch diese neu zu sortieren. Apfel kam dahin, wo gerade noch der Kräutertee war, der Ostfriesentee tauschte mit dem Rosentee den Platz und der schwarzen Tee mit dem Pfefferminztee. Puh, an solchen Tagen machte die Arbeit im Café wenig Spaß. Im Radio wurde gerade irgendein altes Country Lied von Tim McGraw gespielt. Hanna seufzte und sah zur Uhr. Eine halbe Stunde war erst vergangen, seit ihre Schicht begonnen hatte. Na, vielleicht kommen ja am späten Nachmittag, wenn die Sonne weniger stark ist, ein paar mehr Kunden, dachte sie hoffnungsvoll. Sie ließ ihren Blick durchs Café schweifen, während Tim Mc-Graw ein schmachtendes, sehnsuchtsvolles Lied sang. Das Mädchen, welches am Fenster saß, Hanna schätzte sie auf 17, blätterte gerade eine Seite aus Der Graf von Monte Christo um. Sie selbst hatte den Roman schon gelesen, wobei sie den Anfang spannender als das Ende fand. Als der Protagonist auf der Flucht aus dem Gefängnis war, hatte sie noch mitgefiebert, aber sein Rachefeldzug an seine Peiniger fiel ihr zu langatmig aus. Das Mädchen jedoch war schon bei der Hälfte des Buches angekommen und schien jede Seite der Geschichte förmlich zu verschlingen. Hanna hatte schon öfter bemerkt, dass sie auf ihrer Unterlippe kaute, wenn sie in ein Buch versunken war, die braunen Augen waren konzentriert auf die Seiten gerichtet. Sie sah immer ein wenig wie eine Indianerin aus, fand Hanna, deshalb nannte sie sie auch in Gedanken das Indianermädchen. Mit ihren langen dunklen Haaren, in die kleine Zöpfchen geflochten waren und den Ethnomustern auf ihrer Kleidung erinnerte sie Hanna sehr an eine Ureinwohnerin, aber so hübsch wie sie war, könnte sie auch als Model die aktuelle Sommerkollektion vorführen. Sie wirkte so, als würde sie wahllos irgendwelche Sachen tragen, aber genau das ließ sie in ihrem braunroten Top mit wildem Rautenmuster, der alten, dunklen Jeans und den Römersandalen so hübsch wirken. Die alte Dame, die am Fenster saß, winkte Hanna zu sich und diese eilte sofort an ihren Tisch. „Hanna, Liebes, könntest du mir bitte noch einen Tee bringen?“ „Sicher, Frau Gwendolyn. Rosentee, wie immer?“ „Das wäre reizend von dir, mein Kind“, strahlte die alte Frau. Mittlerweile hatte es sich etabliert, dass sie sich bei ihren Namen nannten, alles andere wäre in einer kleinen Stadt, in der man sich zweimal die Woche sah, nur albern gewesen Hanna brühte den Tee auf und servierte ihn ihrer Kundin. „Vielen Dank, Herzchen. Magst du dich ein Weilchen zu mir setzen?“ Hanna sah sich kurz im Café um, aber da immer noch kein neuer Gast aufgetaucht war, setzte sie sich an den Tisch der alten Frau gegenüber. Diese tauchte immer alleine auf, wenn sie in das Café ging, nie war ihr Mann, eine Freundin oder ein Familienmitglied an ihrer Seite. „Ach Gott, es ist viel zu warm für so eine alte Frau. Was soll ich bei diesem Wetter schon machen? Ich gehe ein! Alte Menschen wie ich sind nicht gemacht für solche Temperaturen,“ klagte diese. „Vielleicht täte Ihnen bei solcher Hitze ja eine kalte Limonade besser als der heiße Tee“, beratschlagte Hanna. „Es ist ja nicht nur die Wärme, Herzchen. Wenn es regnet, wird es mir nicht besser gehen und ich würde klagen über die kalte Nässe. Bei stürmischen Wetter wäre ich unzufrieden und bei blauem Himmel wäre es mir auch nicht recht. Ich bin zu alt, mir kann man kaum noch etwas recht machen.“ „Das Wetterphänomen, von dem Sie da gerade reden, kommt mir aber auch sehr bekannt vor. Es ist immer entweder zu warm oder zu kalt, nicht wahr?“ Hanna lachte ungezwungen. „Oh nein, das meine ich nicht.“ Hanna sah der Dame offen in das faltige Gesicht. Ihr fiel auf, dass sie einen traurigen Zug um den Mund hatte und ihre Augen trüb und glanzlos in die von Hanna blickten. Sie merkte, dass das Gespräch über den lockeren Smalltalk, den man gewöhnlich mit den Gästen des Cafés betrieb, hinausreichen würde. Die Dame fuhr fort mit ihrer Erzählung. „Die eigentliche Frage ist doch, was soll eine alte Frau wie ich überhaupt noch machen? Mein Mann ist schon längst verstorben. Schon seit zwei Jahren ist er tot und ich trauere ihm jeden Tag aufs Neue nach. Man sagt doch, die Zeit heile alle Wunden. Aber dem ist nicht so, überhaupt nicht. Es schmerzt jeden Tag aufs Neue, in einem leeren Bett aufzuwachen, das viel zu groß für eine Person ist. Das Haus ist viel zu still und mein einziger Gesprächspartner ist das Radio. Der Tag ist viel zu lang und hat viel zu viele Stunden, die alle irgendwie vergehen müssen.“ Sie sah Hanna in die Augen und fragte: „Ist es dir überhaupt recht, das ich so...