E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Reihe: Piper Taschenbuch
Kilian / Matuschek Mann mit Grill sucht Frau mit Kohle
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-492-98261-0
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
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E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Reihe: Piper Taschenbuch
ISBN: 978-3-492-98261-0
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Alexandra Kilian, geboren 1985, arbeitet als Redakteurin für Stadtleben, Reportage und Stil in der Welt/Welt am Sonntag und Berliner Morgenpost. Seit 2016 lebt sie in London und ist als UK-Korrespondentin für die Funke Mediengruppe, den Feinschmecker (Jalag), B-EAT, SALON (Gruner + Jahr) und die Welt am Sonntag mit den Schwerpunkten Genuss, Design und Reise tätig. Seit 2019 fungiert sie neben Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann und Zwei-Sterne-Kollege Peter Maria Schnurr als Jurymitglied der Sat.1-Primetime-Sendung 'Top Chef Germany'.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
INHALTAllem Anfang wohnt kein Zauber inne? Mann ohne Grill trifft …? … Frau ohne Kohle? Der Tragödie erster Teil? Date-Profis – Einsatz am Herzen? Du suchst Mann mit Pferdeschwanz?? Keine Macht dem SpeedAuf heißen Kohlen – oder: »Warum liegt hier eigentlich Stroh? «? Ich bin ein Hirsch – holt mich hier raus!? Kamera ab – und gleich zu dritt? Tatort : Darkroom? Missions Impossible? HSDS : Hirschi sucht den Superspruch? Adel schützt vor Geilheit nichtDer Geist ist willig, das Fleisch ist zäh? MILFs und GILFs? Selbst macht sich’s die Frau? Ein bisschen Date und ganz viel Horror? Ich möchte das bitte nicht? Das perfekte Porno-Dinner? Okay, der muss es sein? Okay, die hätte es werden können? Alles hat ein Ende, nur dies Buch hat drei
Allem Anfang wohnt kein Zauber inne
Mann ohne Grill trifft ...
»Sven«, »Lars« und »Ölle«. So hießen sie, die Möbel in der heilen Mittelstandswelt Süddeutschlands, in der ich aufgewachsen bin. Einfamilienhaus, Wallfahrtskirche, jeden Sonntag Rinderroulade mit Knödeln. Die Orte um unser Dorf herum hatten so klangvolle Namen, wie »Oed«, »Au« oder schlicht »Wiese 1«. In der latent inzestuösen Enge meiner oberbayerischen Heimat war die Singlebörse Nr. 1 das Dorffest. Dating war hier unbekannt. Man traf sich auf dem Platz, trank Bier aus großen Krügen, und wenn man genug getrunken hatte, griff man nach der Banknachbarin und war dann ein Leben lang verheiratet.
In meiner neuen Heimat Berlin heißt das Dorffest Zitty und ist ein Stadtmagazin. »Der Michael« springt mir gleich ins Auge. Nein, ich suche nicht nach Männern. Und »Michael« ist auch kein Möbelstück aus dem Hause Ikea. Obwohl, vielleicht ja doch? Michael ist Toilettensklave. Als »Lebendtoilette Michael« bietet er alles an, was eine Toilette kann. Ja, alles. Kostenlos. »K.f.I.« – keine finanziellen Interessen. Und wenn man auf die Nase drückt, spült er?
Dann gibt es da noch »Horst, 55 (aber jünger aussehend)«, der nach »einem Studenten (bis 30)« sucht, der ihn (gegen Taschengeld) ›gefühlvoll von hinten …‹
Ich blättere um und freue mich zum ersten Mal, dass ich schon über 30 bin.
Erst jetzt erkenne ich, wo ich mich befinde. Die Rubrik nennt sich »Harte Welle«. Und ich wurde gerade unter ihr begraben. Ich wühle mich durch zwei Seiten Freaks und das, was man in meinem Dorf »pervers« nennt und hier, na ja, sagen wir »lebendige Szenekultur«. Ich nenne sie »F-D-P-Fraktion«: Freaks, Deppen, Perverse.
Heute Abend bin ich in der realen Welt eingeladen. Zur Grillparty bei einer Kollegin in Kreuzberg.
»Biste nich von hier, wa?«
Das ist auf dieser Party hier so der Standardspruch, wenn ich einen Satz sage, in dem ein »r« vorkommt. Das rolle ich scheinbar ein bisschen. Oder auch ein bisschen viel. Am schnellsten verrate ich mich, wenn jemand wissen will, was ich in Berlin mache. »Ich absolvierrrre gerrrrade das jurrrristische RRRReferrrrendarrrriat«, so klingt das dann in Berliner Ohren.
»Biste nich von hier, wa?« – »Nee, bin ich nicht.«
Eigentlich sollte ich auf dieser Party ja eine Frau kennenlernen, aber die ist wohl noch nicht hier. Dabei ist es dringend mal wieder Zeit für eine Freundin, denke ich mit einem Glas Wodka Bull in der Hand und schaue in die Runde. Muss ja nicht gleich eine für immer sein. Bei den Juristinnen habe ich mich schon mal umgesehen. Aber die sind alle so furchtbar kompetent. Und ein Rechthabenwoller in der Familie reicht eigentlich.
Gleich mal vorweg: Der Dating-Crack bin ich nicht gerade. Beim Online-Dating bin ich ungefähr das, was Reiner Calmund in der 400-Meter-Staffel der Hürdenläufer ist. Irgendwas zwischen »the Biggest Loser« und »der Schwiegerschreck«. Eigentlich ist diese moderne Liebeswelt etwas ziemlich Armseliges, denke ich. Geht das nur mir so? Die Kreuzberger Altbauwohnung füllt sich langsam mit schönen Menschen …
»Komm, ich stelle sie dir vor«, reißt mich Kollegin Sarah mit dem »Ich-habe-alles-im-Griff«-Lächeln aus meinen Gedanken. Gott, Verkupplungen sind so scheiße, denke ich und klammere mich im Geiste an der Bar fest.
»Welche ist es denn?«, frage ich leise. »Die Blonde mit den großen Brüsten«, schnarrt mich jemand von der Seite an. Alle wissen Bescheid. Nur ich nicht. Na toll.
Dann sehe ich sie.
Ach, die Hunziker ist auch hier?, schießt es mir durch den Kopf. Groß, blond. In der Tat. Auf die Brüste zu starren schaffe ich leider nicht. Noch nicht. Die knallblauen Augen lenken zu sehr ab.
Die Hunziker heißt Alexandra, und sympathisch ist sie auch. Auf den ersten Blick vielleicht etwas zu sehr Schicki-Micki-Perlhuhn-Fraktion für meinen Geschmack. Typ: Hannoveraner Hochadel. Doch das rückt in den Hintergrund, als sie zu reden anfängt: von deutscher Geschichte, ihrer Arbeit als Redakteurin und von sich. Sie ist solo. Schon seit sechs Jahren. Das ist auffällig lang. Haltbarkeitsdauer überschritten?, frage ich mich. Für eine hübsche junge Frau ist das eigentlich kein Zustand.
Während ich mit ihr rede, geht es mir kurzzeitig wie Raj, dem indischen Austauschstudenten aus der Sitcom The Big Bang Theory. Sobald eine Frau vor ihm steht, bekommt er keinen Ton mehr heraus – außer, er säuft sich vorher mutig. Bei Alexandra müsste er sich ins Halbkoma getrunken haben. Immerhin, ein paar Worte schaffe ich noch.
»Sag mal, sechs Jahre ohne Freund, heißt das auch sechs Jahre ohne Sex?« – »Milosz!«, sagt sie und schiebt noch ein entrüstetes »Frechdachs« hinterher. »Und bei dir? Bist doch auch solo.« – »Hey, und mich darf man das fragen, ja?« – »Ja.« – »Ich lerne viele Frauen kennen, ja.« – »Ach.« – »Ja.« – »Na ja, unter euch Referendaren scheint das ja auch ganz gut zu funktionieren … Wie ich hörte, hattest du gerade erst was mit einer Kollegin, die hier auch auf der Party ist«, sagt sie. – »Echt?«, frage ich, im Geiste Sarah erwürgend, »wer sagt denn so was?« – »Ist klar. Also jedenfalls käme so was bei mir nicht infrage«, sagt sie, »halbe Sachen sind nichts für mich – entweder ganz oder gar nicht.« – »Na, mit der Einstellung wird’s aber auch nicht leichter, wieder jemanden zu finden«, sage ich. – »Den Richtigen findet man wahrscheinlich nur mit der richtigen Einstellung«, sagt sie. – »Und wenn ich dir jetzt einfach erzählen würde, ich sei auf der Suche nach der Frau fürs Leben?«, frage ich. – »Dann würde ich jetzt natürlich noch drauf reinfallen, Milosz.« – »Ja, stimmt, ich hätte es einfach tun sollen.« – »Nee, authentisch bleiben ist immer besser.«
Ja – und immer unwirksamer. Die hat doch keine Ahnung, denke ich und sauge am Wodka. Beziehungsweise sollte sie sich überhaupt erst mal selbst auf ein Date oder zumindest einen Flirt einlassen, bevor sie mich vollquatscht – laut Sarah ist sie da ja völlig, sagen wir, unbedarft. Oder sollte ich tatsächlich mit folgendem, authentischen Steckbrief auf die Suche nach der Frau fürs Leben gehen?
Mann mit Grill
Leben
Erst Kuhdorf mit 4000 Einwohnern im Chiemgau. Dann Dorf mit zwei Millionen (München). Jetzt: Berlin-Friedrichshain. Alter Ostbezirk. In einer Zeitung war mal folgende Beschreibung des Viertels zu lesen: eine interessante Mischung aus Touristen, Studenten und Drogenopfern.
Arbeit
Ein Jahr McDonald’s Traunstein. Zwei Jahre Versicherungsvertreter. Jetzt Jura-Knecht, Möchtegernschriftsteller, Teilzeitrevoluzzer und Liebestheoretiker.
Liebe
Zwei oder drei »1 Jahr + x«-Beziehungen. Urlaubsflirts in Osteuropa (nein, nicht dafür bezahlt).
Frauen
sind toll. Aber eine allein und für immer? Dafür gibt es zu viele spannende Menschen in Berlin. Vielleicht später. Ich will erst mal »nette Bekanntschaften« machen. Krampfhaft nach der perfekten Frau suchen bringt sowieso nichts.
Bisherige Kennenlernorte
Bierbänke auf dem Dorffest. Bierbänke auf dem Oktoberfest. Bierbänke im Biergarten. Unter Bierbänken.
Größter Vermögensbesitz
Ein rostiger weißer Golf III mit 75 PS, der während der Fahrt gerne ausgeht.
Weltanschauliche Überzeugungen
Bin der Albtraum-Mann von Alexandra.
Will die Idee der Erwerbsarbeit überwinden …
… und nebenbei die eigene bürgerliche Existenz (sowie die Aussicht auf eine Erbschaft) durch das Schreiben von Büchern zerstören.
Größte Lebenslüge
Na gut, der Golf ist auf Mama zugelassen.
Wie wohl der Steckbrief von Alexandra aussähe? Ich werde mir ihre Suche nach »dem Richtigen« jedenfalls nicht entgehen lassen – ihre Nummer hab ich mir schon mal gesichert. Obwohl: Die lässt doch sowieso keinen an sich ran …
... Frau ohne Kohle
Kann sich bitte einfach jemand auf mich drauflegen. Geht das. Nur kurz, nur nackt. Gut, am besten schon für länger. So ein paar Jahre, wenn’s geht. Ach was, für immer. Nicht das mit dem Drauflegen jetzt, aber das mit dem da sein. Sechs Jahre ist es her, dass ich das erlebt habe. Zu intensiv, zu stark war die Liebe zu meinem ersten Freund. Und zu groß der Bruch, der dann kam. Seitdem: Arbeit, Familie, Freunde, Sport, Arbeit, Familie, Freunde, Sport … Das ist schön, zweifellos. Aber eben nicht alles.
»Wo bleibt denn jetzt der Prinz mit seinem scheiß Gaul?«, steht auf einer Postkarte an meiner Badezimmertür. Die übrigens meine Mutter da hingeklebt hat. Klar, so ein Lord Langweilig würde sich vorzüglich zu Fürstenberg-Porzellan und Fliegergroßvater-Besuch an der Kaffeetafel der Eltern machen. Und weder Vater noch Bruder – Oberstarzt und Offiziersjurist der Reserve – müssten weiterhin mit der Dienst-Schrotflinte im Anschlag für Ordnung in meinem nicht vorhandenen Liebesleben sorgen.
Nachdem ich Milosz kennengelernt habe, weiß ich, dass ich was ändern muss. Nicht, weil er was für mich wäre. Nein. Dafür waren mir die Fragen zu doof und die Blicke zu selten im Gesicht. Und auf Sarahs »Linda-de- Mol«-Verkupplungsaktionen reagiere ich grundsätzlich allergisch. Aber vielleicht sollte ich mich doch einfach mal auf dieses ganze Daten einlassen, um jemanden zu...