E-Book, Deutsch, Band 9, 256 Seiten
Reihe: Neue Reihe Sachbuch
Kipker / Venzke-Caprarese Realitäten in der Virtualität
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-8438-0779-1
Verlag: marix Verlag ein Imprint von Verlagshaus Römerweg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Metaversum - wie Virtual- und Mixed Reality unser Leben verändern | Neue Reihe Sachbuch
E-Book, Deutsch, Band 9, 256 Seiten
Reihe: Neue Reihe Sachbuch
ISBN: 978-3-8438-0779-1
Verlag: marix Verlag ein Imprint von Verlagshaus Römerweg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
SVEN VENZKE-CAPRARESE bezeichnet sich selbst als Technikenthusiast und ist Geschäftsführer einer Unternehmensberatung, die sich auf Datenschutz und Informationssicherheit spezialisiert hat. Die Themen Virtual Reality, Metaversum und digitale Kunst begleiten ihn seit vielen Jahren nicht nur beruflich. DENNIS-KENJI KIPKER lehrt als Professor für IT-Sicherheitsrecht an der Hochschule Bremen. Er ist Experte für Innovation und digitale Resilienz und Gründungsdirektor des cyberintelligence.institute. Hier forscht er interdisziplinär zu den prägenden Technologiethemen unserer Zeit und befasst sich in seiner Arbeit mit allen Fragestellungen rund um die Digitalisierung und ihre gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Technische Voraussetzungen // E-Learning, Fitness, Gaming, Digital Afterlife und mehr // Das »Metaversum« – Ein erster Definitionsversuch // Eine kurze Geschichte der virtuellen Realität // Blockchains, Kryptowährungen, Kryptokunst, NFTs, Smart Contracts und DAO // Social Media 2.0 // Künstliche Intelligenz // Mensch-Computer-Schnittstellen // Gesellschaftliche, kulturelle, politische, technische, rechtliche, ökologische und wirtschaftliche Auswirkungen
KAPITEL 2: TISCHTENNIS IM JENSEITS – VIRTUELLE ANWENDUNGEN IM LEBEN UND DANACH
Die Erfahrungen, die man mit Virtual-, Mixed- und Augmented-Reality-Anwendungen erleben kann, sind vielfältig. In diesem Kapitel wollen wir einen ersten Überblick über mögliche praktische Einsatzszenarien geben. Da den denkbaren Anwendungen kaum Grenzen gesetzt sind, hat dieser Überblick keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll vielmehr ein Gefühl dafür vermitteln, was Virtual und Mixed Reality alles möglich machen können und vielfach heute schon möglich machen und welchen Einfluss sie dadurch auf das menschliche Leben insgesamt entwickeln können.
Gaming
Die ersten Anwendungen für Virtual-Reality-Headsets, die von einer breiteren Masse genutzt wurden, waren Spiele. Bereits die ersten VR-Erfahrungen in den Arcade-Hallen der späten 1980er und der 1990er Jahre zeigten, dass sich VR-Anwendungen eher auf die Zielgruppe der privaten Endbenutzer, um nicht zu sagen der Gamerinnen und Gamer, konzentrieren würden. Tatsächlich wurden dann auch seit dem Durchbruch, den die damals noch recht unbekannte Firma Oculus VR im Jahr 2013 mit dem VR-Headset »Oculus Rift« und dann mit der »Oculus Quest« schaffte, zahlreiche Spieletitel entwickelt, die für VR-Erfahrungen ausgelegt waren. Entsprechend kompatible Autorennspiele machten es fortan möglich, dass sich Spieler direkt in ihrem Fahrzeug befanden und das Renngeschehen mit 360-Grad-Rundumblick absolvieren konnten. Spieler, die zusätzlich über ein Lenkrad als Eingabegerät verfügten, bot sich eine weitere Tiefe der Immersion in das Spiel. Es fehlte zwar noch das Erlebnis des Fahrtwindes sowie der Fliehkräfte, und das Fahren von Kurven war, je nach Lenkradsystem, allenfalls als Ruckeln über das Lenkrad zu spüren. Allerdings war der Grad der Immersion mit dem vorherigen Erleben am Bildschirm kaum noch zu vergleichen – und damit sind keineswegs pixelige Rennspiele aus den 1980er Jahren gemeint. Die VR-Erfahrung lieferte dabei so überragende Eindrücke, dass das eigentliche Spielgeschehen gelegentlich sogar in den Hintergrund rückte. Man stelle sich nur einmal vor, dass man als Fahrer eines Formel-1-Rennwagens in langsamem Tempo die Serpentinen eines Berges in den Pyrenäen hinauffährt, das Fahrzeug stoppt, aussteigt, ein paar Schritte Richtung Abhang geht, nur um das Panorama des Tals bei strahlendem Sonnenschein auf sich wirken zu lassen. Eine solche Erfahrung machten bereits die ersten frühen VR-Spiele möglich, wobei das Aussteigen aus dem Auto und das Gehen in Richtung Tal tatsächlich in der echten Welt durch das Aufstehen vom Stuhl und das Gehen in eine bestimmte Richtung erfahren werden konnte.
Aber auch andere Spielegenres setzten sich im Hinblick auf ihre Erlebbarkeit in VR-Umgebungen immer weiter durch. Sportspiele, wie zum Beispiel virtuelles Tennis, Tischtennis oder Golfen standen bereits früh als VR-Spiele zur Verfügung. Auch hier war der Grad der Immersion mit bisherigen Spieleerfahrungen auf klassischen Computerbildschirmen kaum vergleichbar. Allein das Beispiel von virtuellem Tischtennis mag auch Lesern, die noch nie ein VR-Headset benutzt haben, ein Gefühl davon geben, wie unterschiedlich real solch ein computergeneriertes Spiel erfahren werden kann. Man stelle sich eine Tischtennispartie auf einem klassischen Computerbildschirm vor. Eine Bewegung wäre hier in der Regel ausschließlich mit Maus und Tastatur oder wahlweise per Gamepad möglich. Die zweidimensionale Darstellung der dreidimensionalen Umgebung würde zwar schon ein Gefühl für das Spiel aufkommen lassen und sicherlich auch eine Menge Spaß bieten können. Ein Tischtennisspiel in einer VR-Umgebung böte jedoch einen völlig anderen Grad der virtuellen Wahrnehmung. Denn tatsächlich würde man die Spielwelt hier durch die Augen des virtuellen Spielers sehen. Sowohl der Spieler als auch der Tischtennisschläger würden nicht mehr durch klassische Controller gesteuert werden, sondern durch die echten Bewegungen von Hand und Arm des Spielers. So würde das Headset die Bewegungen des Spielers dazu nutzen, um dessen Position in der virtuellen Welt zu berechnen. Man hätte also tatsächlich das Gefühl, dass man sich wie bei einer Partie Tischtennis in der echten Welt allein durch seine Bein- und Körperbewegungen durch den Raum und um seinen Teil der Tischtennisplatte bewegt. Der Schläger selbst würde ebenfalls durch die eigenen Bewegungen in der echten Welt gesteuert. Der Controller, den man, ähnlich wie einen echten Tischtennisschläger, in der Hand hält, würde von Sensoren erkannt und die Bewegungen in die virtuelle Spielewelt übernommen. Auf diese Weise wäre eine sehr realistische Darstellung der Ebenen eines Tischtennisspiels möglich. Hobbyspieler würden möglicherweise kaum noch einen Unterschied zu einem echten Tischtennisspiel bemerken und mit besseren Displays, realistischer dargestellten Umgebungen sowie besser berechneter Physik würden die Grenzen zur Realität vermutlich schon bald verschwimmen. Darüber hinaus ist es in Zukunft auch denkbar, dass ein Spieler gar keinen Controller mehr in der Hand halten muss, sondern stattdessen einen echten Tischtennisschläger benutzen kann, der von den Sensoren erkannt wird. Lediglich die detailgetreue Nachbildung des haptischen Feedbacks des auf den Schläger auftreffenden Balls wäre noch schwer umzusetzen. Allerdings ist dieses Feedback bei einem Tischtennisspiel so gering, dass es bei Hobbyspielern die Tiefe der Wahrnehmung kaum beeinflussen würde. Das Beispiel des virtuellen Tischtennisspiels verdeutlicht gut, wie weit sich die mögliche Immersion beim Erlebnis von Spielen in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. Man führe sich vor dem Hintergrund des eben dargestellten Spieleerlebnisses nur einmal die Anfänge des virtuellen Tischtennis aus den 1970er Jahren vor Augen, als eine Firma Namens Atari das erste Spiel dieser Art auf Spielhallen- und Fernsehbildschirmen ermöglichte. Das als Pong in die Spielegeschichte eingegangene Arcade Game bestand damals lediglich aus einer monochromen, zweidimensionalen Darstellung und ermöglichte das rein vertikale Steuern eines Balkens, um ein über den Bildschirm fliegendes Quadrat in die andere Spielhälfte zu befördern. Um nicht falsch verstanden zu werden: Sicherlich können beide Formen des virtuellen Tischtennisspiels eine gehörige Portion Spaß bieten. Die VR-Erfahrung ist jedoch so realitätsnah, dass sie das persönliche Fitnesslevel des Nutzers unter Umständen schnell an seine Grenzen führt und damit einem echten Spiel schon sehr nahe kommt.
Neben virtuellen Autorennen und Tischtennisspielen haben sich auch eine Reihe weiterer Spielegenres durchgesetzt, die Spieler mithilfe von VR-Headsets in virtuelle Welten entführen. Stellen Sie sich vor, wie es sich anfühlen würde, wenn man in die Rolle eines mittelalterlichen Bogenschützen schlüpfte und die Sehne des Bogens allein durch die Bewegung seiner Hände und Arme spannte. Oder aber, wenn man ein Schwert- oder Boxkampfduell mit einem virtuellen Gegner bestreiten würde. Auch sogenannte »Shooter« haben ihren Weg in die VR-Headsets gefunden. Um nur ein solches Spiel zu nennen, sei an dieser Stelle der im Jahr 2020 erschienene Ego-Shooter Half-Life: Alyx erwähnt, der zu dieser Zeit wohl einen der immersivsten VR-Shooter darstellte. Beachtlich an der Entwicklung war dabei, dass sich der Spieleentwickler Valve dazu entschloss, den Titel ausschließlich als VR-Spiel zu entwickeln, um die Erfahrungen der Spieler allein auf diese Umgebung abstimmen zu können. Außerdem handelte es sich bei diesem Spiel wohl um einen der ersten großen sogenannten »Triple-A-Titel« für VR-Headsets – also um ein Spiel, dass mit sehr großem Budget und erheblichen Produktionskosten entwickelt wurde. Half-Life: Alyx kann somit als einer der ersten VR-Blockbuster bezeichnet werden. Und tatsächlich war die Erfahrung im Jahr 2020 aufgrund der Qualität des Spiels und der Gestaltung der Spieleumgebung bahnbrechend. Auch bei dieser Software trat an vielen Stellen das eigentliche Spielgeschehen in den Hintergrund: So bot bereits die Eröffnungsszene des Spiels eine regelrechte Einladung, mit der Welt zu interagieren. In dieser steht man auf dem großen Balkon eines mehrstöckigen Hauses und kann bereits hier seine Umgebung erkunden. Die Darstellung ist dabei so realistisch, dass man in tiefe Straßenschluchten schauen kann, wenn man sich über das Geländer lehnt. Auf dem Balkon selbst stehen allerlei Dinge herum, die zur Interaktion einladen, etwa ein Radio mit Knöpfen, an denen man drehen kann, leere Getränkedosen, die man in die Hand nehmen und vom Balkon auf die tieferliegende Straße werfen kann; am Horizont bietet sich das dystopische Bild einer am Himmel hängenden Stadt und wenn man vom Balkon in den nächsten Raum geht, befindet sich hier eine Glasscheibe, die mit der Story zwar unmittelbar nichts zu tun hat, auf der man aber mit den im Raum herumliegenden Stiften malen kann. Etwas später im Spiel begegnet man riesigen Walkern, die so bedrohlich wirken wie jene aus dem Roman Krieg der Welten von H. G. Wells, regelrechte Höllenmaschinen. Obwohl die Erfahrung dieses Ego-Shooters im weiteren Spielverlauf als durchaus realitätsnah bezeichnet werden kann, zeigten sich auch bei diesem Spiel noch einige technische Beschränkungen, die sich nach wie vor auf viele VR-Erlebnisse übertragen lassen. Die erste Beschränkung hängt dabei mit der Bewegung des Spielers zusammen. Grundsätzlich lassen sich drei verschiedene Möglichkeiten unterscheiden, um sich in VR-Umgebungen zu bewegen: Führt man sich zunächst eine virtuelle Welt vor Augen, in der man seine Spielfigur bewegen...