Kleist / Wald | Das Käthchen von Heilbronn oder Die Feuerprobe. Textausgabe mit Kommentar und Materialien | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 178 Seiten

Reihe: Reclam XL ? Text und Kontext

Kleist / Wald Das Käthchen von Heilbronn oder Die Feuerprobe. Textausgabe mit Kommentar und Materialien

[Reclam XL - Text und Kontext] - von Kleist, Heinrich
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-15-960464-0
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

[Reclam XL - Text und Kontext] - von Kleist, Heinrich

E-Book, Deutsch, 178 Seiten

Reihe: Reclam XL ? Text und Kontext

ISBN: 978-3-15-960464-0
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Klassenlektüre und Textarbeit einfach gemacht: Die Reihe »Reclam XL - Text und Kontext« erfüllt alle Anforderungen an Schullektüre und Bedürfnisse des Deutschunterrichts: * Das Format ist größer als die gelben Klassiker der Universal-Bibliothek, mit ausreichend Platz für Notizen am Seitenrand. * Schwierige Wörter werden am Fuß jeder Seite erklärt, ausführlichere Wort- und Sacherläuterungen stehen im Anhang. * Zusatz-Materialien im Anhang erleichtern das Verständnis des Werkes und liefern Impulse für Diskussionen im Unterricht: zu Quellen und Stoff, Biographie des Autors, Epoche und Rezeptionsgeschichte. »Das Käthchen von Heilbronn oder Die Feuerprobe«, das 1810 erschien und uraufgeführt wurde, war im 19. Jahrhundert eines der beliebtesten Theaterstücke und das meistgespielte Drama Heinrich von Kleists. Das ?große historische Ritterschauspiel? handelt von Graf Wetter vom Strahl, Kunigunde von Thurneck und dem angeblichen Heilbronner Bürgermädchen Katharina, genannt Käthchen, die jedoch in Wahrheit die Tochter des Kaisers ist. Das fünfaktige Ritterschauspiel nimmt im dramatischen Werk Kleists eine Sonderstellung ein, da er die märchenhaften Elemente der damals recht beliebten romantischen Ritterdramen aufgreift - sie aber auch an manchen Stellen parodierend überzeichnet - und sprachlich den Blankvers mit längeren Prosapassagen mischt. Die Bände von Reclam XL sind im Textteil seiten- und zeilenidentisch mit den gelben Ausgaben der Universal-Bibliothek. UB- und XL-Ausgaben sind also nicht nur im Unterricht nebeneinander verwendbar - es passen auch weiterhin alle Lektüreschlüssel, Erläuterungsbände und Interpretationen dazu.

Heinrich von Kleist (18. 10. 1777 Frankfurt a. d. O. - 21. 11. 1811 zwischen Potsdam und Berlin am heutigen Kleinen Wannsee) bewegte sich in romantischen Dichterkreisen, seine bis heute modern wirkenden Dramen und Erzählungen entziehen sich allerdings schematischen Stil- und Epochenzuordnungen.
Kleist / Wald Das Käthchen von Heilbronn oder Die Feuerprobe. Textausgabe mit Kommentar und Materialien jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


[5]Erster Akt


Szene: Eine unterirdische Höhle, mit den Insignien des Vehmgerichts, von einer Lampe erleuchtet.

Erster Auftritt


Graf Otto von der Flühe als Vorsitzer, Wenzel von Nachtheim, Hans von Bärenklau als Beisassen, mehrere Grafen, Ritter und Herren, sämtlich vermummt, Häscher mit Fackeln usw. – Theobald Friedeborn, Bürger aus Heilbronn, als Kläger, Graf Wetter vom Strahl als Beklagter, stehen vor den Schranken.

GRAF OTTO (steht auf). Wir, Richter des hohen, heimlichen Gerichts, die wir, die irdischen Schergen Gottes, Vorläufer der geflügelten Heere, die er in seinen Wolken mustert, den Frevel aufsuchen, da, wo er, in der Höhle der Brust, gleich einem Molche verkrochen, vom Arm weltlicher Gerechtigkeit nicht aufgefunden werden kann: wir rufen dich, Theobald Friedeborn, ehrsamer und vielbekannter Waffenschmied aus Heilbronn auf, deine Klage anzubringen gegen Friedrich, Graf Wetter vom Strahle; denn dort, auf den ersten Ruf der heiligen Vehme, von des Vehmherolds Hand dreimal, mit dem Griff des Gerichtsschwerts, an die Tore seiner Burg, deinem Gesuch gemäß, ist er erschienen, und fragt, was du willst? (Er setzt sich.)

THEOBALD FRIEDEBORN. Ihr hohen, heiligen und geheimnisvollen Herren! Hätte , auf den ich klage, sich bei mir ausrüsten lassen – setzet in Silber, von Kopf bis zu Fuß, oder in schwarzen Stahl, Schienen, Schnallen und Ringe von Gold; und hätte nachher, wenn ich gesprochen: Herr, bezahlt mich! geantwortet: Theobald! Was willst du? Ich bin dir nichts schuldig; oder wäre er vor die Schranken meiner Obrigkeit getreten, und hätte [6]meine Ehre, mit der Zunge der Schlangen – oder wäre er aus dem Dunkel mitternächtlicher Wälder herausgebrochen und hätte mein Leben, mit Schwert und Dolch, angegriffen: so wahr mir Gott helfe! ich glaube, ich hätte nicht vor euch geklagt. Ich erlitt, in dreiundfunfzig Jahren, da ich lebe, so viel Unrecht, dass meiner Seele Gefühl nun gegen seinen Stachel wie gepanzert ist; und während ich Waffen schmiede, für andere, die die Mücken stechen, sag ich selbst zum Skorpion: fort mit dir! und lass ihn fahren. Friedrich, Graf Wetter vom Strahl, hat mir mein Kind verführt, meine Katharine. Nehmt ihn, ihr irdischen Schergen Gottes, und überliefert ihn allen geharnischten Scharen, die an den Pforten der Hölle stehen und ihre glutroten Spieße schwenken: ich klage ihn schändlicher Zauberei, aller Künste der schwarzen Nacht und der Verbrüderung mit dem Satan an!

GRAF OTTO. Meister Theobald von Heilbronn! Erwäge wohl, was du sagst. Du bringst vor, der Graf vom Strahl, uns vielfältig und von guter Hand bekannt, habe dir dein Kind verführt. Du klagst ihn, hoff ich, der Zauberei nicht an, weil er deines Kindes von dir abwendig gemacht? Weil er ein Mädchen, voll rascher Einbildungen, mit einer Frage, wer sie sei? oder wohl gar mit dem bloßen Schein seiner roten Wangen, unter dem Helmsturz hervorglühend, oder mit irgendeiner andern Kunst des hellen Mittags ausgeübt auf jedem Jahrmarkt, für sich gewonnen hat?

THEOBALD. Es ist wahr, ihr Herren, ich sah ihn nicht zur Nachtzeit, an Mooren und schilfreichen Gestaden, oder wo sonst des Menschen Fuß selten erscheint, umherwandeln und mit den Irrlichtern Verkehr treiben. Ich fand ihn nicht auf den Spitzen der Gebirge, den Zauberstab in der Hand, das unsichtbare Reich der Luft abmessen, oder in unterirdischen Höhlen, die kein Strahl erhellt, Beschwörungsformeln aus dem Staub heraufmurmeln. Ich sah den Satan und die Scharen, deren [7]Verbrüderten ich ihn nannte, mit Hörnern, Schwänzen und Klauen, wie sie zu Heilbronn, über dem Altar abgebildet sind, an seiner Seite nicht. Wenn ihr mich gleichwohl reden lassen wollt, so denke ich es durch eine schlichte Erzählung dessen, was sich zugetragen, dahin zu bringen, dass ihr aufbrecht, und ruft: unsrer sind dreizehn und der vierzehnte ist der Teufel! zu den Türen rennt und den Wald, der diese Höhle umgibt, auf dreihundert Schritte im Umkreis, mit euren Taftmänteln und Federhüten besäet.

GRAF OTTO. Nun, du alter, wilder Kläger! so rede!

THEOBALD. Zuvörderst müsst ihr wissen, ihr Herren, dass mein Käthchen Ostern, die nun verflossen, funfzehn Jahre alt war; gesund an Leib und Seele, wie die ersten Menschen, die geboren worden sein mögen; ein Kind recht nach der Lust Gottes, das heraufging aus der Wüsten, am stillen Feierabend meines Lebens, wie ein gerader Rauch von Myrrhen und Wachholdern! Ein Wesen von zarterer, frommerer und lieberer Art müsst ihr euch nicht denken, und kämt ihr, auf Flügeln der Einbildung, zu den lieben, kleinen Engeln, die, mit hellen Augen, aus den Wolken, unter Gottes Händen und Füßen hervorgucken. Ging sie in ihrem bürgerlichen Schmuck über die Straße, den Strohhut auf, von gelbem Lack erglänzend, das schwarzsamtene Leibchen, das ihre Brust umschloss, mit feinen Silberkettlein behängt: so lief es flüsternd von allen Fenstern herab: das ist das Käthchen von Heilbronn; das Käthchen von Heilbronn, ihr Herren, als ob der Himmel von Schwaben sie erzeugt, und von seinem Kuss geschwängert, die Stadt, die unter ihm liegt, sie geboren hätte. Vettern und Basen, mit welchen die Verwandtschaft, seit drei Menschengeschlechtern, vergessen worden war, nannten sie, auf Kindtaufen und Hochzeiten, ihr liebes Mühmchen, ihr liebes Bäschen; der ganze Markt, auf dem wir wohnten, erschien an ihrem Namenstage, und bedrängte sich [8]und wetteiferte, sie zu beschenken; wer sie nur einmal gesehen und einen Gruß im Vorübergehen von ihr empfangen hatte, schloss sie acht folgende Tage lang, als ob sie ihn gebessert hätte, in sein Gebet ein. Eigentümerin eines Landguts, das ihr der Großvater, mit Ausschluss meiner, als einem Goldkinde, dem er sich liebreich bezeigen wollte, vermacht hatte, war sie schon unabhängig von mir, eine der wohlhabendsten Bürgerinnen der Stadt. Fünf Söhne wackerer Bürger, bis in den Tod von ihrem Werte gerührt, hatten nun schon um sie angehalten; die Ritter, die durch die Stadt zogen, weinten, dass sie kein Fräulein war; ach, und wäre sie eines gewesen, das Morgenland wäre aufgebrochen, und hätte Perlen und Edelgesteine, von Mohren getragen, zu ihren Füßen gelegt. Aber sowohl ihre, als meine Seele, bewahrte der Himmel vor Stolz; und weil Gottfried Friedeborn, der junge Landmann, dessen Güter das ihrige umgrenzen, sie zum Weibe begehrte, und sie auf meine Frage: Katharine, willt du ihn? antwortete: Vater! Dein Wille sei meiner; so sagte ich: der Herr segne euch! und weinte und jauchzte, und beschloss, Ostern, die kommen, sie nun zur Kirche zu bringen. – So war sie, ihr Herren, bevor sie mir dieser entführte.

GRAF OTTO. Nun? Und wodurch entführte er sie dir? Durch welche Mittel hat er sie dir und dem Pfade, auf welchen du sie geführt hattest, wieder entrissen?

THEOBALD. Durch welche Mittel? – Ihr Herren, wenn ich das sagen könnte, so begriffen es diese fünf Sinne, und so ständ ich nicht vor euch und klagte auf alle, mir unbegreiflichen, Greuel der Hölle. Was soll ich vorbringen, wenn ihr mich fragt, durch welche Mittel? Hat er sie am Brunnen getroffen, wenn sie Wasser schöpfte, und gesagt: Lieb Mädel, wer bist du? hat er sich an den Pfeiler gestellt, wenn sie aus der Mette kam, und gefragt: Lieb Mädel, wo wohnst du? hat er sich, bei nächtlicher Weile, an ihr Fenster geschlichen, und, indem er [9]ihr einen Halsschmuck umgehängt, gesagt: Lieb Mädel, wo ruhst du? Ihr hochheiligen Herren, damit war sie nicht zu gewinnen! Den Judaskuss erriet unser Heiland nicht rascher, als sie solche Künste. Nicht mit Augen, seit sie geboren ward, hat sie ihn gesehen; ihren Rücken, und das Mal darauf, das sie von ihrer seligen Mutter erbte, kannte sie besser, als ihn. (Er weint.)

GRAF OTTO (nach einer Pause). Und gleichwohl, wenn er sie verführt hat, du wunderlicher Alter, so muss es wann und irgendwo geschehen sein?

THEOBALD. Heiligen Abend vor Pfingsten, da er auf fünf Minuten in meine Werkstatt kam, um sich, wie er sagte, eine Eisenschiene, die ihm zwischen Schulter und Brust losgegangen war, wieder zusammenheften zu lassen.

WENZEL. Was!

HANS. Am hellen Mittag?

WENZEL. Da er auf fünf Minuten in deine Werkstatt kam, um sich eine Brustschiene anheften zu lassen?

(Pause.)

GRAF OTTO. Fasse dich, Alter, und erzähle den Hergang.

THEOBALD (indem er sich die Augen trocknet). Es mochte ohngefähr eilf Uhr morgens sein, als er, mit einem Tross Reisiger, vor mein Haus sprengte, rasselnd, der Erzgepanzerte, vom Pferd stieg, und in meine Werkstatt trat: das Haupt tief herab neigt’ er, um mit den Reiherbüschen, die ihm vom Helm niederwankten, durch die Tür zu kommen. Meister, schau her, spricht er: dem Pfalzgrafen, der eure Wälle niederreißen will, zieh ich entgegen; die Lust, ihn zu treffen, sprengt mir die Schienen; nimm Eisen und Draht, ohne dass ich mich zu entkleiden brauche, und heft sie mir wieder zusammen. Herr! sag ich: wenn Euch die Brust so die Rüstung zerschmeißt, so lässt der Pfalzgraf unsere Wälle ganz;...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.