E-Book, Deutsch, Band 2117, 282 Seiten
Kleudgen Lovecrafts Schriften des Grauens 17: Cthulhu Libria Neo
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-95719-927-0
Verlag: Blitz Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 2117, 282 Seiten
Reihe: Lovecrafts Schriften des Grauens
ISBN: 978-3-95719-927-0
Verlag: Blitz Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Die zweite Ausgabe des CTHULHU LIBRIA NEO-Magazins legt den Schwerpunkt auf
Horror in Eisenbahnen. Mit Kurzgeschichten von Silke Brandt, Markus Müller, Marius von der Forst, Ina Elbracht, Christopher Müller u. a.
Zahlreiche weitere Beiträge und Illustrationen machen das CLN zu einem einzigartigen Magazin der Weird Fiction.
Jörg Kleudgen, geboren 1968 in Zülpich am Rande der Eifel, verdankt die Entdeckung der Phantastik seinem Schulfreund und Klassenkameraden Kai Meyer (Das zweite Gesicht, Herrin der Lüge, Wellenläufer uvm.), der ihn mit den Texten H.P. Lovecrafts und Wolfgang Hohlbeins in Berührung brachte. Bereits in seiner ersten phantastischen Erzählung im Jahr 1987 emanzipierte er sich jedoch durch eine eigene bildhafte Sprache und die Wahl des Schauplatzes. Die Orte, an denen seine Geschichten stattfinden, hat der Autor meist zuvor auf seinen Reisen besucht. Während eines Studiums der Architektur konzentrierte sich Jörg Kleudgen
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Das Eisenbahnunglück von Staplehurst
Das Trauma des Charles Dickens
von Torsten Scheib
„Glanzlos ging die Sonne auf; aber sie beschien nichts Traurigeres als diesen Mann von guten Anlagen und edlen Gefühlen, der seine Fähigkeiten nicht zu verwenden und sich selbst nicht zu helfen vermochte, sondern im Bewusstsein des an ihn haftenden Giftes sich darein ergab, vollends von ihm aufgezehrt zu werden.“ Charles Dickens, Eine Geschichte von zwei Städten (1859)
Der neunte Juni des Jahres 1865 ist ein Freitag. Einen Ozean vom eigentlichen Schauplatz entfernt, in den Wirren des Amerikanischen Bürgerkriegs, befehligt Admiral Dixon Porter sieben Panzerschiffen den Übergangsversuch bei Grand Gulf, Mississippi. Im dänischen Sortelung erblickt der Komponist Carl Nielsen das Licht der Welt. In der Grafschaft Kent nähert sich ein Fährzug dem Bahnhof der Stadt Folkestone. Mit an Bord: der 53jährige Charles Dickens, auf dem Rückweg nach London. Eine Auszeit liegt hinter ihm; unbeschwerte Tage im französischen Boulogne-sur-Mer, etwa 35 Kilometer südlich von Calais gelegen. „Mein Tun und diese Schwermut … beides wird mir noch mein Ende bescheren“, gestand er vor dem Aufbruch Ende Mai dem von ihm sehr geschätzten Biographen John Forster (1812-1876). „Andernfalls poche ich auf einen baldigen Zusammenbruch.“ Doch war dies nicht der alleinige Anlass. Ein zweiter namens Ellen Ternan wartete in Frankreich; 27 Jahre jünger, Schauspielerin – und höchstwahrscheinlich entscheidend was Dickens’ Trennung von Ehefrau Catherine Hogarth betrifft. Formale Scheidungen eingeschlossen juristischer Konsequenzen waren erst mit Verabschiedung des Matrimonial Causes Act von 1857 für nahezu jedermann möglich. Davor war eine Scheidung ungemein kostspielig, da die Bewilligung einzig vom Parlament kommen durfte; unberücksichtigt der reputativen Konsequenzen. Nach dieser Hürde bezogen Catherine und der gemeinsame Sohn, Charles Culliford Dickens bzw. Charles Dickens Jr. (1837 – 1896), im Juni 1858 ein Anwesen im Londoner Stadtbezirk Camden. Die restlichen 9 Kinder blieben mit Dickens im westlichen Flügel des Travisstock House, dessen Pächter der Maler Frank Stone (1800 – 1859) war. Dickens graute es vor dem alleinigen Sorgerecht für die drei Mädchen und sechs Buben. So wie er die Hauptschuld des Kinderreichtums anlastete, versuchte er ebendiesen Umstand gleichfalls Catherine anzukreiden. Doch – waren dies die ausschlaggebenden Anlässe für eine Trennung? Missbehagte dem Intellektuellen Dickens eine bürgerliche Existenz? Störte ihn Catherines Antriebslosigkeit, die er in ihrer fehlenden Intelligenz vermutete?
„Fühlst du das? Das ist mein Herz. Es ist gebrochen.“ Charles Dickens, Große Erwartungen (1860)
Schon 1855 wäre der ehelich unzufriedene Dickens um ein Haar in den Armen einer, wohlbemerkt, verheirateten Frau gelandet – Maria Beadnell, pikanterweise Dickens’ erste große Liebe, deren Liaison Beadnells Vater, ein wohlhabender Bankier, nicht billigte. Die anzügliche Chance auf ein womöglich amouröses Abenteuer mit Maria – alias Mrs. Henry Winter und Inspiration der Dora in Große Erwartungen – platzte, nachdem Dickens zum eigenen Leidwesen feststellte, dass Maria bedeutend geringer gealtert war als er. Entgegen Catherines nie versiegenden Stolz über ihren Gatten sowie deren unermüdlicher Unterstützung blieb Dickens ernüchtert.
Für Puristen ist Dickens größtes Mysterium weniger das offene, fragmentarische Ende des Episodenromans Das Geheimnis des Edwin Drood, vielmehr indes die Beziehung zu Ellen „Nelly“ Ternan (1839 – 1914), respektive die daraus resultierende Ereigniskette – in dem auch Wilkie Collins (1824 – 1889), einer der ersten Verfasser von Werken, die heute unter dem Begriff „Kriminalroman“ fungieren, einen erheblichen Part einnimmt. Waren die ausschließlich von Amateurlaien dargebotenen Aufführungen im Travisstock House stets Familie und Bekannten vorbehalten, wagte Dickens Anfang 1857 den nächsten Schritt: Collins’ Skript, The Frozen Deep (dt. Das Eismeer) unter Zuhilfenahme professioneller Darsteller*innen einem größeren Publikum zugänglich zu machen. Die ungeklärten Umstände über das Schicksal und den Verbleib von Sir John Franklins 1845 ausgeführter Expedition, eine Seepassage zu entdecken, war auch noch 16 Jahre danach tief im kollektiven britischen Bewusstsein verwurzelt. Gegenstandslose Gerüchte waren aufgetreten und schockierten unter anderem damit, dass Franklins Männer in ihrer Not dem Kannibalismus verfallen wären. Zivilisierte Seeleute Ihrer Majestät, die als letzten Ausweg die Barbarei wählen? Ausgeschlossen! Die Bevölkerung konnte, wollte derlei nicht akzeptieren; dementsprechend exorbitant waren die Aufschreie – und Dickens’ Widerspruch in der von ihm herausgegebenen Wochenzeitschrift, Household Words. Gleichwohl war er vom tragischen Element der fehlgeschlagenen Expedition so ungemein fasziniert, dass er im Frühjahr 1856 Wilkie Collins anwarb, aus der eigenen fragmentarischen Idee ein brauchbares Theaterstück zu formen. „So zahlreich die Änderungen, dass man das Stück auch Dickens hätte zuschreiben können“, so ein zweiter Dickens-Biograph, John C. Eckel. In der Tat, einiges mutet vertraut an. Zwei Männer, verliebt in dieselbe Frau – diese Dreiecksbeziehung findet man etwa in Dickens’ zwölftem Roman, Eine Geschichte aus zwei Städten (1859). Die gescheiterten Helden – auch dieser Archetyp feiert unter anderem in Eine Geschichte … eine Rückkehr – brechen zu einer dem Untergang geweihten Arktisexpedition auf; sind gezwungen, die Schiffe zu verlassen ehe Richard Wardour zum tragischen Helden wird, nachdem er das Leben des Konkurrenten Frank Aldersley rettet und dafür das eigene opfert. Selbst die Königin begeisterte das Stück, als es im engsten royalen Kreis am vierten Juli 1857 aufgeführt wurde. Indes trübte der unerwartete Verlust von Dickens’ Freund und Redakteur, Douglas Jerrold (1803 – 1857), die Euphorie und war für Dickens ein Ansporn, Frozen Deep auf einer großen Theaterbühne zu inszenieren und sämtliche Einnahmen an Jerrolds Familie weiterzuleiten. Heute ein Hotel, war die 1856 eingeweihte Free Trade Hall in Manchester dazumal Konzertsaal und Austragungsstätte für Vorträge und öffentliche Sitzungen – und weckte ob der Ausmaße Skepsis in Dickens, der infolge festlegte, dass man das Stück – bis auf die Rollen der eigenen Töchter – ausschließlich mit Berufsdarstellern besetzte. Eine der Bewerberinnen war die 18jährige Ellen Ternan. Bereits mit drei Jahren war die Tochter Frances Eleanor und Thomas Lawless Ternan zum ersten Mal auf einer Bühne aufgetreten und obgleich von eher überschaubarem Talent, verfiel ihr Dickens nahezu an Ort und Stelle; ein Umstand, der zu einem Teil des erwähnten Mysteriums emergieren würde. Ellen, kaum älter als Dickens’ Tochter Katey (1839 – 1929), war jung, schlagfertig, charakterstark, charmant und literaturbegeistert; Charakterzüge, die die – laut Dickens – lausige Hausfrau und Mutter Catherine nach Auffassung ihres Mannes kaum respektive noch nie besessen hatte. Geschwind stieg Ellen zu Dickens’ engster Vertrauten auf und – darüber hinaus? War es lediglich professionelle Wertschätzung, respektvolle Zuneigung oder womöglich doch eine Liebschaft; ein Ehebruch? Hieb- und stichfeste Nachweise existieren nicht, auch da Dickens die Beziehung bestmöglich unter Verschluss hielt – bis Catherine Dickens unwissentlich ein Päckchen öffnete, das nicht für sie bestimmt war, ungewollt und möglicherweise das Fass zum überlaufen brachte und das Mysterium komplettierte. Mochte ein Juwelier es abgeschickt haben, so war das darin enthaltene Armband nicht für Catherine, sehr wohl indes für Ellen bestimmt. Längst schlief das – noch – verheiratete Paar in getrennten Betten, gestand Dickens in Briefwechseln unverhohlen seine Antipathie gegenüber Catherine ein und prangerte ihre ‚Schwächen und krankhafte Eifersucht‘, ihren ‚verwirrten Geist‘ an. War Charles Dickens überzeugt, die überlegene Partie zu sein? Maß er den eigenen Möglichkeiten zu viel Gewicht bei; unterschätzte er die Noch-Ehegattin? Für Catherine waren die schmerzhaften Fakten wohl nun eindeutig. Dickens’ Auszug aus dem ehelichen Schlafzimmer war keine reine Phase, wie auch die ungewöhnlich langen Reisen und Abwesenheiten, die nur bekräftigten, weshalb ihr Mann unterwegs keine Briefe mehr an sie schrieb. Mochte Dickens sosehr betonen, dass er das Armband als reine Ehrbezeugung für eine der Darstellerinnen erworben hatte und es überdies sowieso nicht das erste dieser Art sei: ihm gelang es nicht, Catherine von der Überzeugung zu lösen, dass er sie ungeniert hinter ihrem Rücken betrog. Auch in Dickens’ ‚zweitem Heim‘, dem Londoner Garrick Club, blühten erste Gerüchte auf. Keine Erwähnung von Ellen Ternan, stattdessen von Georgina Hogarth (1827 – 1917), Dickens’ Hausmmagd und Schwägerin, die die angeblich wahre Mutter der Kinder wäre. Im Viktorianischen England ein gewissermaßen inzestuöses Verhältnis. Am Bemerkenswertesten: Catherine und Georginas Vater George Hogarth (1783 – 1870) war der Urheber der Gerüchte, wenngleich er es vehement abstritt. Man konnte es drehen und wenden: Bereits die bloße Vorstellung, dass...