Knauer / Roth / Pergande | Von Anfang an dabei! | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Knauer / Roth / Pergande Von Anfang an dabei!

Partizipation und Demokratiebildung in der KiTa
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-451-83308-3
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Partizipation und Demokratiebildung in der KiTa

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

ISBN: 978-3-451-83308-3
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Als Mikrokosmos der Gesellschaft bietet die KiTa in all ihrer Vielfalt die Chance, Partizipation und Demokratie von Anfang zu leben und zu erleben. Sie kann eine 'Schule der Demokratie' sein, in der sich die Kinder zu sozial verantwortlichen, weltoffenen und toleranten Bürger*innen entwickeln können. Dies gilt umso mehr in Zeiten der institutionalisierten Kindheit, in denen die Kinder immer früher und immer länger in KiTas gehen. In diesem Buch wird unter inklusiver Perspektive aufgezeigt, wie Kinder in der KiTa von Anfang an und unabhängig von ihren individuellen, kulturellen oder sozio-ökonomischen Voraussetzungen beteiligt werden und Demokratie tagtäglich als Lebensform erfahren können.

Xenia Roth ist Psychologin und Theologin, seit 1999 Ministerialreferentin bei der Landesregierung Mainz; Leitung des Referates 'Grundsatzfragen der Kindertagesbetreuung' im Ministerium für Bildung.
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Demokratische Partizipation unter inklusiver Perspektive in Kindertageseinrichtungen1


Raingard Knauer

Als fachliche Anforderung scheint demokratische Partizipation in Kindertageseinrichtungen angekommen zu sein. Als wir uns 2001 im ersten Modellprojekt in Schleswig-Holstein mit demokratischer Partizipation in der KiTa beschäftigten (vgl. Hansen et al. 2004), war das Thema in diesem sozialpädagogischen Handlungsfeld noch relativ neu und vielen eher fremd. Heute gilt Partizipation neben Schutz und Förderung als eine wichtige Säule der Kinderrechte (vgl. u. a. Maywald 2021, S. 17f.) und ist ein zentrales Element von Demokratiebildung (vgl. u. a. BMFSFJ 2020, S. 161  ff.). Partizipation und Demokratiebildung sind inzwischen auch in den meisten Bildungsrahmenplänen der Länder für Kindertageseinrichtungen verankert. Verschiedene Förderprogramme unterstützen ebenfalls die Weiterentwicklung von Partizipation in der KiTa und den Transfer in die Praxis. So entwickeln die Wohlfahrtsverbände im Bundesprogramm »Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung« Projekte zur Umsetzung von Partizipation und Vielfalt in der KiTa und der Kindertagespflege (vgl. Koordinierungsstelle »Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung«). Auch die Demokratiewerkstätten des niedersächsischen Instituts für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) unterstützen KiTas nachhaltig bei der Umsetzung von Partizipation im KiTa-Alltag.2

Gleichzeitig lässt sich in der Praxis immer wieder pädagogisches Handeln beobachten, das sich wenig partizipativ zeigt. So macht die BiKA-Studie für die Krippe deutlich, dass Kinder die Fachkräfte in der Mehrheit der KiTas zwar als zugewandt erleben (vgl. Hildebrandt et al 2020a, S. 15), aber gleichzeitig direktive Handlungsanweisungen und grenzüberschreitender Körperkontakt für viele Kinder zum KiTa-Alltag gehören (ebd., S. 22). Diese Koppelung von Zugewandtheit und Grenzüberschreitung kann sich bei den Kindern zu der fatalen Erfahrung verdichten: ›Die Erwachsenen in der KiTa sind zwar nett, aber sie machen immer wieder Dinge, die ich eigentlich nicht will. Das dürfen sie wohl.‹

Gleichzeitig zeigt die Studie, dass die Mehrheit der untersuchten Fachkräfte (64 %) grundsätzlich keine pessimistische Einstellung gegenüber Partizipation hat. Auf Nachfrage hin finden aber »nur noch 17 % der Fachkräfte, dass sich diese Mitbestimmung auf die ureigensten Bedürfnisse wie Schlafen und Körperpflege erstrecken sollte« (Hildebrandt et al. 2020b, S. 35). Partizipation scheint pädagogischen Fachkräften also trotz einer grundsätzlich positiven Einstellung in einigen Themenbereichen dann schwer zu fallen, wenn es konkret wird. Daher ist es notwendig, nicht nur grundsätzlich zu klären, was unter Partizipation verstanden werden soll, sondern immer wieder zu konkretisieren, was Partizipation im KiTa-Alltag bedeutet, wie es gelingen kann, alle Kinder zu beteiligen, und wie die pädagogischen Fachkräfte selbst dabei unterstützt werden können, demokratisch zu handeln.

Im Folgenden wird zunächst das Verhältnis zwischen Partizipation als Kinderrecht und Pädagogik skizziert (1). Darauf aufbauend werden Eckpunkte einer strukturellen Verankerung von Partizipation beschrieben (2) und es wird der Frage nachgegangen, wie pädagogische Fachkräfte demokratische Partizipation pädagogisch gestalten können (3). Abschließend werden Hinweise gegeben, wie pädagogische Fachkräfte selbst darin unterstützt werden können, demokratische Partizipation umzusetzen (4). Da es demokratischer Partizipation grundsätzlich immer um die Beteiligung aller Kinder in der KiTa geht, wird Inklusion in diesem Text als Querschnittsperspektive berücksichtigt (vgl. auch Sturzenhecker et al. 2022).

1. Demokratische Partizipation als Kinderrecht und Anforderung an pädagogisches Handeln


Partizipation von Kindern in der KiTa steht in engem Zusammenhang mit den Machtverhältnissen zwischen den Erwachsenen und den Kindern. Erwachsene Macht zeigt sich im KiTa-Alltag auf vielfältige Art und Weise. So sind pädagogische Fachkräfte nicht nur körperlich mächtiger als Kinder, sie gestalten auch Räume und Zeitstrukturen, planen Angebote, bewerten das Verhalten von Kindern u. v. m. (vgl. Hansen et al. 2011, S. 26 ff.). Nicht zuletzt aufgrund der Entwicklungstatsache (Bernfeld 1973, S. 51) und der damit verbundenen Angewiesenheit der Kinder auf Fürsorge und Erziehung durch die Erwachsenen liegt die Macht in pädagogischen Settings (insbesondere in der Arbeit mit sehr jungen Kindern) letztlich immer bei den Erwachsenen. Sie sind aufgefordert, diese im Sinne der Kinder einzusetzen, ihre Entwicklung zu fördern, ihr Wohlergehen sicherzustellen und sie zu schützen. Daher gilt es, im KiTa-Alltag die Machtungleichheit zwischen Erwachsenen und Kindern zu reflektieren, einzudämmen und so Adultismus (die Diskriminierung von Kindern alleine aufgrund ihres Alters, vgl. Richter 2013, S. 6) zu reduzieren.

Dazu braucht es ein Verständnis von Partizipation, das sich nicht auf ein gnädiges Zuhören reduziert, sondern eine Beteiligung der Kinder an Entscheidungen bedeutet und so das Machtverhältnis zwischen Fachkräften und Kindern verändert. Das macht bereits die seit 1990 im SGB VIII verankerte Formulierung in § 8.1 deutlich: »Kinder und Jugendliche sind entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen« (Hervorhebung R. K.).

Das Recht auf Partizipation ist eine der drei Säulen der UN-Kinderrechte (UN-KRK, insbesondere Artikel 12, 13 und 17). Als ein Recht muss Partizipation so gestaltet werden, dass die Prinzipien ›Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit‹ der Menschenrechte, die auch die Kinderrechte spezifizieren, Berücksichtigung finden. Artikel 1 der Menschenrechtskonvention von 1948 lautet: »Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.« Heiner Bielefeldt schlägt vor, den Begriff der ›Brüderlichkeit‹ durch den in der Behindertenkonvention der Vereinten Nationen von 2006 neu profilierten Leitbegriff der ›Inklusion‹ zu ersetzen (Bielefeldt 2011, S. 119). Dabei bedingen sich Freiheit, Gleichheit und Inklusion wechselseitig. Die Freiheit des Einzelnen muss sich immer auch an der Freiheit des Anderen orientieren. So haben alle unterschiedlichen Kinder in der KiTa die gleichen Rechte. Gleichheit muss immer freiheitlich strukturiert sein. Allerdings kann Freiheit und Gleichheit nur im Miteinander aller und in gegenseitiger Unterstützung gelebt werden. D. h. Partizipation muss so gestaltet werden, dass alle Kinder an Partizipationsprozessen teilnehmen (sich also aktiv beteiligen) und teilhaben (also auf Entscheidungen Einfluss nehmen) können (vgl. Beck 2022, S. 149). Nur wenn alle Kinder teilnehmen und teilhaben können, ist Partizipation inklusiv. Insofern sind demokratische Partizipation und Inklusion bzw. Differenzgerechtigkeit nicht zu trennen.

Welche Fragen stellen sich nun vor dem Hintergrund eines Verständnisses von Partizipation als Menschenrecht von Kindern an die pädagogischen Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen? Das Prinzip der Freiheit stellt die Frage nach den Selbstbestimmungsrechten jedes einzelnen Kindes, die gleichzeitig durch das Prinzip der Gleichheit (gleiche Freiheiten) begrenzt werden können und in Mitbestimmung übergehen. Gleichheit bedeutet auch, dass Partizipationsrechte nicht einzelnen Kindern zugestanden werden dürfen, sondern Rechte aller Kinder sein müssen. Das Prinzip von Inklusion wiederum fragt danach, wie jedes Kind vor dem Hintergrund seiner individuellen Fähigkeiten und Eigenheiten sowie unterschiedlichen sozio-kulturellen Zugehörigkeiten darin unterstützt werden kann, seine Selbst- und Mitbestimmungsrechte wahrzunehmen. Es darf keine Diskriminierung in oder durch Partizipation geben. Damit Partizipation ein Recht aller Kinder und keine Gnade der Erwachsenen ist, die sie einzelnen Kindern nach Belieben gewähren oder entziehen können, braucht es eine strukturelle Verankerung konkreter Beteiligungsrechte und geeigneter Gremien (siehe Abschnitt 2) für alle. Erst wenn sich Partizipation an Prinzipien der Demokratie orientiert, kann man von demokratischer Partizipation sprechen.

Das Prinzip von Inklusion verweist aber auch darauf, dass Partizipation als Kinderrecht immer eng verbunden sein muss mit dem pädagogischen Handeln der Fachkräfte. Diese müssen die komplexen und vielfältigen Aspekte von Demokratie pädagogisch so gestalten, dass sie für die konkreten Kinder der konkreten KiTa sichtbar und verständlich werden. Partizipation ist damit immer auch auf Demokratiepädagogik angewiesen.

Die im Deutschen geläufige Unterscheidung von Erziehung und Bildung erlaubt zwei hilfreiche Perspektiven auch auf Demokratiepädagogik: Aus der Perspektive von Demokratieerziehung stellt sich die Frage, was pädagogische Fachkräfte durch ihr Handeln tun können, um Kindern Demokratie zu vermitteln. Wie kann es ihnen gelingen, jedem Kind zu vermitteln, dass und welche Rechte es hat, um welche konkreten Beteiligungsthemen es aktuell geht und wie gemeinsame Themen in einem Beteiligungsgremium behandelt werden? Allerdings ist Erziehung keine einseitige Aktivität der Erwachsenen, die durch die Vermittlung spezifischer Inhalte abgeschlossen ist. Erziehung...


Hildebrandt, Frauke
Frauke Hildebrandt ist Professorin an der FH Potsdam und stellvertretende Leiterin des kooperativen Masterstudiengangs „Frühkindliche Bildungsforschung“ von Universität Potsdam und FH Potsdam. Ihre Lehr- und Forschungsgebiete sind kognitive Entwicklung (Schwerpunkt Sprache) und kognitiv anregende Interaktion in Lernprozessen und Partizipation.

Roth, Xenia
Xenia Roth ist Psychologin und Theologin, seit 1999 Ministerialreferentin bei der Landesregierung Mainz; Leitung des Referates „Grundsatzfragen der Kindertagesbetreuung“ im Ministerium für Bildung.

nifbe
Das Niedersächsische Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) wurde 2007 gegründet und verbindet auf innovative Weise die interdisziplinäre Forschung mit der Praxis sowie der Aus- und Weiterbildung im Elementarbereich.

Das Niedersächsische Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) wurde 2007 gegründet und verbindet auf innovative Weise die interdisziplinäre Forschung mit der Praxis sowie der Aus- und Weiterbildung im Elementarbereich.
Xenia Roth ist Psychologin und Theologin, seit 1999 Ministerialreferentin bei der Landesregierung Mainz; Leitung des Referates "Grundsatzfragen der Kindertagesbetreuung" im Ministerium für Bildung.
Frauke Hildebrandt ist Professorin an der FH Potsdam und stellvertretende Leiterin des kooperativen Masterstudiengangs "Frühkindliche Bildungsforschung" von Universität Potsdam und FH Potsdam. Ihre Lehr- und Forschungsgebiete sind kognitive Entwicklung (Schwerpunkt Sprache) und kognitiv anregende Interaktion in Lernprozessen und Partizipation.



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