E-Book, Deutsch, 286 Seiten
Köppen Empathy by Design
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7445-1079-0
Verlag: Herbert von Halem Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Untersuchung einer Empathie-geleiteten Reorganisation der Arbeitsweise
E-Book, Deutsch, 286 Seiten
ISBN: 978-3-7445-1079-0
Verlag: Herbert von Halem Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Empathie ist zum Modethema avanciert. Besonders im Bereich des Designs und des Managements wird sie zunehmend als professionelle Strategie und gleichzeitig moralische Kompetenz positioniert. Macht Empathie durch Design unsere Arbeitswelt also zu einem besseren Ort? Und was heißt es, Empathie programmatisch im Unternehmen einzuführen? Eva Köppen zeigt die überraschenden Effekte auf, die mit der Einführung von Empathie-geleiteten Arbeitsweisen wie Design Thinking einhergehen. Nicht nur mehr Freiräume, auch Frust, Dissonanzen sowie neue Kontrollstrukturen und Disziplinierungsformen sind die Konsequenzen. Die Autorin denkt die beiden Traditionen der Arbeits- und Emotionssoziologie zusammen, um die Bedeutung von Empathie als eines hoch aktuellen und kontrovers diskutierten Konzepts zu untersuchen. Durch eine Interviewstudie in einem IT-Unternehmen wird offenbart, welche Folgen Empathie-Anforderungen für Mitarbeiter und die Organisation haben. Dabei wird das aktuelle, positiv aufgeladene Bild von Empathie kritisch hinterfragt und die ambivalente Komplexität des Konstrukts aufgezeigt.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
2 Theoretische Rahmung
Im zweiten Teil der Arbeit wird ein theoretisches Kontextwissen über Empathie im Allgemeinen sowie speziell über Empathie im Organisationskontext aus interdisziplinärer und genuin soziologischer Sicht erschlossen. Die präsentierten Studien stecken den theoretischen Rahmen der Dissertation ab und liefern gleichzeitig das Hintergrundwissen, das in die Dateninterpretation im Verlauf der weiteren Arbeit eingeflossen ist. Zu diesem Zweck wird sich zunächst dem Phänomen der Empathie aus Sicht unterschiedlicher Forschungskontexte genähert (Kapitel 2.1). Eine Kenntnis dieser wissenschaftlichen Arbeiten ist hilfreich, um zu verstehen, aus welchem Wissensfundus der Managementdiskurs über Empathie seine Informationen und Legitimationen bezieht. Außerdem demonstriert der Blick in die Forschungsliteratur die Vielfalt der wissenschaftlichen Empathie-Interpretationen und das Fehlen einer eindeutigen Definition von Empathie. Anschließend wird die Frage aufgeworfen, wie sich die soziologische Disziplin zur Empathie beziehungsweise zu Empathie-nahen Konzepten positioniert. Aus diesen Komponenten wird in Kapitel 2.2 zunächst ein allgemeinsoziologischer Zugang zum Thema Empathie abgeleitet. Dann werden vertiefend emotionssoziologische Arbeiten hinzugezogen, die sich mit Empathie befassen und die Theoriediskussion zunehmend auf das konkrete Thema der Dissertation zuspitzen. Schließlich werden in Kapitel 2.3 arbeits-, organisations- und kultursoziologische Konzepte konsultiert, die speziell den Gegenstandsbereich der subjektgebundenen Eigenschaften im Unternehmenskontext behandeln. Die resümierten soziologischen Theorien über Emotionen und Empathie im Organisationskontext bilden den Nexus von Empathie und Arbeit ab und repräsentieren die „sensibilisierenden Konzepte“, die die Erfassung des vielschichtigen Phänomens der Empathie in der Arbeitswelt erleichtern, indem sie die Wahrnehmung im Untersuchungsfeld leiten, ohne sie zu determinieren (Blumer, 1954). 2.1 Was ist Empathie?14
Wie das nun folgende Kapitel verdeutlicht, kann es keine eindeutige Antwort auf diese Frage geben. Vielmehr eröffnen sich vielfältige Untersuchungsfelder über Empathie, die von unterschiedlichen Disziplinen bearbeitet werden und verschiedene Resultate zu Tage fördern. Ein Überblick über diese Definitionsversuche sensibilisiert nicht nur für die Komplexität des Themas Empathie. Er vermittelt auch das nötige Hintergrundwissen, um die in Kapitel 3 folgende Analyse der Managementdokumente über Empathie nachvollziehen zu können, denn die Texte aus diesem Bereich beziehen ihre Sinngehalte vielfach aus dem akademischen Wissensfundus zur Empathie.15 Dieser Abriss ist also notwendig, um die Argumentationslinien des Empathie-Programms besser rekonstruieren zu können. Gleichzeitig repräsentiert er den wissenschaftlichen Kontext, in dem sich Empathie als Forschungsgegenstand lokalisieren lässt. Einige der im Folgenden dargestellten Studien lassen sich nicht eindeutig dem Wissenschafts- oder Managementbereich zuweisen. Sie sind als Brückenfragmente zu betrachten, die sich selbst als wissenschaftlich bezeichnen und dabei stark anwendungsbezogen argumentieren (ein Beispiel dafür ist Golemans Konzept der „Emotionalen Intelligenz“). Es wird kein vollständiger Überblick über frühere und aktuelle Theoriekonzepte zur Empathie gegeben (ausführlich zur Geschichte der Empathie: Stueber, 2006; 2013). Das bedeutet, dass verschiedene Erkenntnisinteressen durchaus auch andere als die hier formulierten wesentlichen Fragen herausarbeiten und andere als die hier thematisierten Theorien in den Blick nehmen könnten. Die Forschungsansätze wurden in die folgenden, sich teilweise thematisch überkreuzenden Schwerpunkte gegliedert: Struktur, Ursprung, Entstehen und normative Bewertung der Empathie. 2.1.1 Struktur: Emotional oder kognitiv? Eine große Anzahl der Forschungsinteressen zur Empathie beziehen sich auf das Verhältnis von kognitiven und emotionalen Komponenten, aus denen sich Empathie zusammensetzt. Ist Empathie selbst an eine spezifische Gefühlsqualität gebunden? Ist Empathie gar eine Emotion?16 Oft wird sie als „Gefühl“ gekennzeichnet, ohne dass eine analytische Abgrenzung zu ihren kognitiven Gehalten stattfindet (siehe zum Beispiel Sennett, 2012, S. 42). Sie wird dann als „social feeling“ oder „vicarious emotion“ bezeichnet (Engelen & Röttger-Rössler, 2012, S. 4). Andere Forscher verstehen Empathie als ein Phänomen, das zwar an der Wahrnehmung von Gefühlen bei anderen ausgerichtet ist, selbst aber ohne emotionale Elemente auskommt. Meist wird innerhalb dieser Sichtweise zwischen (emotionaler) Empathie und (kognitiver) Perspektivenübernahme getrennt (Geulen, 1982). Während die emotionale Empathie situativ auftrete und eine spontane gefühlsmäßige Reaktion darstelle, bezeichne die Perspektivenübernahme die Fähigkeit, sich die Lebensgeschichte eines anderen erschließen zu können, ihn also über eine bestimmte Situation hinaus wahrzunehmen.17 Dies scheint die Empathie zunächst in die Nähe der Gefühlsansteckung zu rücken. Die Betonung der emotionalen Spontaneität der empathischen Reaktion verweist hier auf unbewusste und unreflektierte Abläufe, während derer die einfühlende Person unwillkürlich von einem Gefühl erfasst wird. Im Gegensatz dazu postulieren andere Forscher Empathie als emotionale Reaktion, die sich sehr wohl von Formen der Gefühlsansteckung unterscheiden lässt. So definiert Bischof-Köhler (1989) Empathie als die „[…] Erfahrung, unmittelbar der Gefühlslage eines Anderen teilhaftig zu werden und sie dadurch zu verstehen. Trotz dieser Teilhabe bleibt das Gefühl aber anschaulich dem Anderen zugehörig“ (ebd., S. ?). Laut Singer und Lamm (2009, S. 82) fühlen wir etwas, das dem Gefühl des anderen ähnelt, nachdem wir dessen affektiven Zustand beobachtet oder imaginiert haben und wir gleichzeitig wissen, dass der Gefühlszustand des anderen die Ursache für unsere Emotion ist. Versteht man Empathie wie Bischof-Köhler und Singer und Lamm als einen emotionalen und gleichzeitig bewussten Prozess, der sich reflektiert auf den Gefühlszustand des anderen bezieht, kann es sich nicht um eine unbewusste Gefühlsansteckung handeln, denn diese würde schließlich die unreflektierte Selbstbezogenheit der sich einfühlenden Person beinhalten. Auch Nussbaum formuliert: „Empathie ist nicht nur emotionale Ansteckung, da sie es erforderlich macht, sich in die mißliche Lage eines anderen zu versetzen, was wiederum eine Unterscheidung zwischen dem Ich und dem anderen sowie einen in der Phantasie stattfindenden Perspektivwechsel verlangt.“ (Nussbaum, 2014, S. 224. Hervorhebung im Original) Dieses von der Gefühlsansteckung zu unterscheidende, reflektiert-bewusste empathische Vorgehen ist von der oben erwähnten Perspektivenübernahme nicht mehr weit entfernt. Dies liegt darin begründet, dass Empathie immer auch ein reflektierendes Moment beinhaltet – allerdings nicht so kontrolliert-reflektiert, dass man von einer rein kognitiven Perspektivenübernahme ausgehen könnte. Andere Theorien konstituieren Empathie vergleichsweise unkompliziert als in verschiedene Ausprägungsformen aufgeteilt. Diese Ebenen reichen von frühen, imitierenden Reaktionen und emotionaler Ansteckung bis hin zu elaborierten Formen der kognitiven Perspektivenübernahme. Ein solches Modell verwendet de Waal (2009) denn auch zur Erklärung der historischen Entwicklung von Empathie. Sie nutze Hirnareale, die hundert Millionen Jahre alt seien. Dies bedeute, dass Empathie vor langer Zeit mit „[…] motorischer Nachahmung und Gefühlsansteckung [begann], woraufhin die Evolution Schicht um Schicht hinzufügte, bis unsere Vorfahren nicht nur fühlten, sondern auch verstanden, was sie möglicherweise wünschten oder brauchten. Die Gesamtfähigkeit scheint wie eine russische Puppe zusammengesetzt zu sein.“ (de Waal, 2009, S. 269)18 Die empathische „Gesamtfähigkeit“ sowie allgemein das nicht voneinander zu trennende Zusammenspiel zwischen Emotionen und rationalen Prozessen wurde auch in den Neurowissenschaften verstärkt hervor gehoben (vgl. Damasio, 2006). Dafür spricht auch die (mitunter stark angezweifelte) Theorie der Spiegelneurone, bei der davon ausgegangen wird, dass beobachtete und selbst ausgeführte Handlungen emotional „abgespeichert“ werden und unter anderem zu kognitiven Entscheidungsprozessen wieder herangezogen werden (Rizzolatti et al., 2008). Emotionalkognitive Empathie-Theorien gehen also von wechselseitigen Abläufen aus, in denen sich emotionale und kognitive Faktoren gleichermaßen zur Empathiefähigkeit verbinden können (Feshbach, 1974). Empathie als multidimensionales Phänomen erlaubt die Vorstellung, dass es unterschiedliche empathische Prozesse gibt, die in ihrer kognitiven Komplexität und ihrem emotionalen Anteil variieren (siehe auch die dreiteilige Empathie-Definition von Lamm et al., 2007). Dann kann Perspektivenübernahme als eher kognitiver Akt und Mimikry als...