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E-Book, Deutsch, 422 Seiten

Köster Müll

Eine schmutzige Geschichte der Menschheit

E-Book, Deutsch, 422 Seiten

ISBN: 978-3-406-80253-9
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Mensch und Müll – das ist eine lange und innige Beziehung. Bereits die Neandertaler haben Dinge für nutzlos befunden, aussortiert und weggeworfen. Das alte Rom kämpfte ebenso mit Müllproblemen wie die Metropolen des 19. Jahrhunderts. Doch alles verblasst hinter den Abfallbergen der Gegenwart. Anhand der Produktion von und dem Umgang mit Müll schreibt Roman Köster eine erhellende Geschichte unserer Spezies. Sein Buch bietet die erste durchgehend schmutzige Geschichte der Menschheit.

In der Vormoderne waren Abfälle vor allem ein praktisches Problem. Sie lagen herum, rochen schlecht und behinderten den Verkehr. Im Zuge des starken und weltweiten Städtewachstums seit dem späten 18. Jahrhundert stieg die Aufmerksamkeit für durch Abfälle erzeugte hygienische Probleme, die die Ausbreitung von Typhus oder Cholera begünstigten. Heute hingegen ist der Müll von einer Frage städtischer Sauberkeit zu einem globalen Umweltproblem geworden. In seiner Globalgeschichte des Mülls von der Frühgeschichte bis heute geht Roman Köster den Ursachen dieser Entwicklungen nach und zeigt, wie sich das Wegwerfen, Entsorgen und Wiederverwerten im Lauf der Geschichte verändert hat.
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Einleitung
Waste is a luxury […] (John E. Young[1]) Eine Welt voller Müll
Mensch und Müll – sie führen eine lange und intime Beziehung. Wo Müll ist, da sind Menschen. Menschen produzieren immer Müll. Bereits die Neandertaler haben Dinge für nutzlos befunden, aussortiert und weggeworfen. Das alte Rom kämpfte mit seinen Müllproblemen, und der Dichter Juvenal beschrieb die Stadt als einen rechten Schweinestall. In Kairo wurde im 13. Jahrhundert in regelmäßigen Abständen ein Großreinemachen durchgeführt, um die engen Straßen der Stadt von den Abfällen zu befreien. Schnell wachsende Metropolen wie London und Paris hatten im 17. und 18. Jahrhundert große Schwierigkeiten, ihren Unrat aus der Stadt zu schaffen – ein Problem, das sich dann während des 19. Jahrhunderts noch dramatisch verschärfen sollte und sich bis heute angesichts weltweit steigender Abfallmengen nicht gemildert hat. Ganz im Gegenteil. Müllprobleme sind insofern nicht neu, und doch haben sie sich durch die Geschichte hindurch grundlegend verändert. In der Vormoderne waren Abfälle vor allem ein praktisches Problem. Sie lagen herum, rochen schlecht und behinderten den Verkehr. Es ging darum, die Städte sauber zu halten und gut dazustehen, etwa wenn herrschaftlicher Besuch vorbeikam. Im Zuge des starken und weltweiten Städtewachstums seit dem späten 18. Jahrhundert stieg indes die Aufmerksamkeit für durch Abfälle erzeugte hygienische Probleme, die die Ausbreitung von Typhus oder Cholera begünstigten. Nach dem Zweiten Weltkrieg hingegen musste man lernen, dass im Müll noch ganz andere Gefahren lauerten: Infektionskrankheiten bekam man zunehmend in den Griff, doch seine schiere Menge und die Belastungen der Umwelt durch giftige Substanzen eben nicht. Das vorliegende Buch geht den Ursachen dieser Entwicklung nach. Es bietet eine Globalgeschichte des Mülls – von der menschlichen Frühgeschichte bis heute. Und damit erzählt es eine Geschichte, die davon handelt, was Menschen für schmutzig, gefährlich, störend oder funktionslos erklärt haben. Das Buch beschreibt, welches Problem Abfälle für die Menschen darstellten, wie sie damit umgingen und welche Lösungen sie über die Zeit entwickelten. Es wird gezeigt, wie sich das Wegwerfen, Entsorgen und Wiederverwerten im Lauf der Geschichte verändert haben – und wie der Müll von einer Frage städtischer Sauberkeit zu einem globalen Umweltproblem wurde. Sich mit der Geschichte des Mülls zu beschäftigen, ist aus vielerlei Gründen interessant, nicht zuletzt, weil der Müll viel über die Menschen und ihre Geschichte erzählt: So wüssten wir heute viel weniger über Lebensweise, Ernährung und Sitten der Frühgeschichte, würde die Archäologie nicht deren Abfälle ausgraben. Das gilt genauso für das Mittelalter und die Frühe Neuzeit, deren Abfallgruben Aufschlüsse über den Alltag und die Wirtschaftsweise der damals lebenden Menschen zulassen. Und überraschenderweise gilt das auch noch heute: Mit der sog. Garbology hat sich mittlerweile ein ganzer Forschungszweig entwickelt, der in mitunter gar nicht so alten Deponien gräbt, um beispielsweise etwas über die Konsumgewohnheiten der Menschen während der 1970er Jahre zu erfahren.[2] Genauso interessant ist allerdings das, was sich gerade nicht in den Müllgruben findet. Menschen haben über viele Jahrhunderte umfangreiche Praktiken des Wiederverwendens und -verwertens entwickelt. Steine, Schiffsplanken, Kochtöpfe oder Texte wurden wiedergenutzt und lassen beispielsweise Rückschlüsse über Netze der Kommunikation, Wertschöpfungsketten, maritime Verbindungen sowie Vorstellungen von Wert und Unwert zu, die Gesellschaften über die Zeit entwickelten. Die Rekonstruktion dieser Praktiken erlaubt mannigfaltige Erkenntnisse über die materiellen Grundlagen und die Wirtschaftsweise vergangener Zeiten – aber auch zu sich verändernden Wahrnehmungen von Schmutz und Sauberkeit, Ordnung und Gefahr, die sich mit der Existenz von Müll und im Umgang mit ihm manifestierten. Nicht zuletzt liefert die Betrachtung des Mülls auch Ansatzpunkte für eine Konsumgeschichte von unten. Sie nimmt weniger den Konsum von Adel und Bürgertum in den Blick, als das, was von ihren Tischen herunterfiel. Die Sammlung und Verwertung von Abgelegtem, scheinbar Nutzlosem ermöglichte zahllosen armen Menschen, ein bescheidenes Auskommen zu finden und kreative Überlebensstrategien zu entwickeln. Bis zu einem gewissen Maße schuf das Wiedernutzen aber auch immer wieder die Möglichkeit, an der Konsumgesellschaft teilzunehmen und sich in der sozialen Welt nach eigenen Vorstellungen zu präsentieren: etwa durch gebrauchte Kleider, Möbel oder Accessoires. Hier bieten sich Einblicke in eine Welt, die von der Konsumgeschichte oft genug außen vor gelassen wird und deren Mechanismen vielleicht weniger in Westeuropa, aber an zahllosen Orten der Welt nach wie vor eine große Rolle spielen. So viel Rückschlüsse das Thema in wirtschafts-, sozial-, umweltgeschichtlicher Hinsicht bietet: Im Hintergrund verfolgt das Buch – naheliegenderweise – noch eine andere Absicht: Es geht darum, die Wurzeln unserer gegenwärtigen Müllprobleme freizulegen, die dramatischer kaum sein könnten. Laut einer Studie der Weltbank fielen im Jahr 2016 geschätzte 2,01 Milliarden Tonnen Hausmüll an: eine tatsächlich kaum fassbare Menge. Allein an Plastikmüll produziert die Menschheit jeden Tag das Gewicht von etwa 100 Eiffeltürmen.[4] Die Müllmengen sind insbesondere seit dem Zweiten Weltkrieg exponentiell angestiegen.[5] Und die Prognosen stimmen wenig optimistisch. Werden keine drastischen Maßnahmen ergriffen, fallen weltweit im Jahr 2050 etwa 3,4 Mrd. Tonnen Hausmüll an, also noch einmal etwa 75 Prozent mehr als gegenwärtig.[6] Die Reduzierung des Mülls gehört seit den 1970er Jahren zu den großen Zielen der Umweltpolitik, und seit mindestens 15 Jahren ist Zero Waste ein vielgebrauchtes Schlagwort. Tatsächlich sind wir von diesem Ziel aber weiter entfernt als je zuvor.[7] Müllberg in Bulawayo, Simbabwe[3] Diesen Müll zu sammeln, zu entsorgen, zu recyceln, ohne dass er die Umwelt vergiftet oder im Meer landet, gehört gegenwärtig zu den großen Menschheitsaufgaben. Das Buch beschreibt jedoch nicht nur, wie es so weit kommen konnte. Es geht auch darum, zu zeigen, wie eng Müll mit der Art und Weise verbunden ist, wie wir unseren täglichen Lebensvollzug organisieren, Nahrung beschaffen, wohnen, uns kleiden, bewegen und unterhalten. Das galt für die Vormoderne genauso wie für die heutigen Zeiten des Massenkonsums – insofern ist der Müll auch ein Spiegel der jeweiligen historischen Zeiten. Gerade darum hat er aber mehr mit uns zu tun, als uns lieb ist. Verschwendung, Entwertung, Effizienz
Müll reiht sich ein in die bedrückende Phalanx von Umweltproblemen, die das Leben auf unserem Planeten bedrohen. Die Art und Weise jedoch, wie er in der gesellschaftlichen Debatte verhandelt wird, unterscheidet sich deutlich von anderen: Der Klimawandel bleibt häufig abstrakt, und im Grunde – wenn wir im Internet surfen oder ein Flugzeug besteigen – wissen wir nicht, wie hoch unser individueller Beitrag ist. Man liest viel über die Umweltbilanzen der Herstellung von Elektroautos, aber dem Fahrzeug selbst sieht man diese nicht an. Unseren Müll hingegen haben wir täglich vor Augen, und viele Menschen bekommen ein schlechtes Gewissen, wenn sie Lebensmittel wegwerfen oder große Mengen Plastikmüll zurücklassen. Abfälle konfrontieren uns auf eine sehr direkte Weise mit unserem persönlichen Beitrag zur Umweltverschmutzung. Es kommt aber noch etwas anderes hinzu: Über Müll lässt sich offensichtlich nicht nur unsere individuelle Verantwortung für Umweltprobleme adressieren, sondern zugleich eine Zustandsbeschreibung der Gesellschaft leisten. Das große Thema der Ressourcenverschwendung betrifft uns direkt, steht aber zugleich sinnbildlich für die krankhaften Auswüchse eines Wirtschaftssystems, das nicht nur Luft und Wasser vergiftet, sondern riesige Überschüsse produziert, die anschließend weggeworfen werden. Gerade weil wir den Müll zwar selbst produzieren, aber nicht aus freien Stücken, legen Abfallströme offen, wie der Kapitalismus offensichtlich daran scheitert, die Produktion unseren Bedürfnissen anzupassen. Manche sprechen von einer Waste economy, und neuerdings ist das Schlagwort des Wasteocene (in Anlehnung an das...


Roman Köster ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und hat sich über die deutsche Abfallwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg habilitiert.


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