E-Book, Deutsch, 212 Seiten
Koller Fallstricke: Österreich Krimi
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-902784-84-1
Verlag: Federfrei Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 212 Seiten
ISBN: 978-3-902784-84-1
Verlag: Federfrei Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Lokalreporter Michael Wörner führt ein beschauliches Leben. Ein Haus mit Garten, eine wundervolle Frau und ein aufgewecktes Kind. Das ändert sich, als der Landespolitiker Fuhrmann mit aufgeschnittener Kehle nahe einem gerade neu eröffneten Aussichtsturm aufgefunden wird. An möglichen Motiven mangelt es nicht, und schon gar nicht an potentiellen Tätern: Parteifreunde, politische Gegner, Wirtschaftsleute und Personen aus Fuhrmanns persönlichem Umfeld. Wörner beginnt zu recherchieren, doch je tiefer er in diese Welt voll Hinterlist, Täuschung, Lüge und Verbrechen eindringt, desto stärker begibt er sich in persönliche Gefahr...
Michael Koller, geboren am 14. März 1972, lebt in Hoheneich bei Gmünd im Waldviertel. Nach Abschluss der Handelsakademie war er in unterschiedlichen Berufszweigen tätig und lernte so den Facettenreichtum des Lebens bestens kennen. Seine Leidenschaft war und ist das Schreiben. Zeitungsartikel, Kurzgeschichten, Gedichte, Romane und Internetblogs umreißen das Repertoire des Enfant Terribles der Waldviertler Schreibzunft.
Autoren/Hrsg.
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Tag 1
Der Klingelton bohrte sich in meinen Kopf. Durch jede Windung meines Gehirns. Mit geschlossenen Augen tastete ich über den Nachttisch. Bis ich das Handy endlich in den Händen hielt. Es musste noch sehr früh am Morgen sein. Zumindest ließ mein schlaftrunkener Zustand diese Annahme zu. Langsam öffnete ich die Augen und drückte die Taste mit dem grünen Telefonhörer. So viel konnte ich gerade noch auch ohne meine Brille erkennen. Den Schriftzug auf dem Display, der den Anrufer ankündigte, jedoch nicht. »Hallo?«, murmelte ich vor mich hin. Das Telefon nur halb am Ohr. »Mach, dass du aus dem Bett kommst!«, befahl die Stimme am anderen Ende der Leitung. Es war der Chefredakteur der Zeitung, bei der ich als Reporter arbeitete. Peter Hollaus. Was wollte er bloß an einem Sonntagmorgen von mir? »Im Naturpark ist eine Leiche gefunden worden. Mit durchgeschnittener Kehle. Beim Polizeifunk hat sich einer verplappert. Der Tote ist allen Anschein nach Ernst Fuhrmann.« Unvermittelt fuhr ich hoch. Meine Sinne waren mit einem Schlag zurückgekehrt und endgültig dem Reich der Träume entflohen. Ich räusperte mich. »Fuhrmann? Aber den habe ich gestern Abend noch gesehen. Bei der Turmeröffnung.« Bevor ich weitersprechen konnte, fiel mir Peter ins Wort. »Und die ist ihm anscheinend nicht gut bekommen.« Er hatte keinen allzu scharfen Sinn für Humor. »Wie auch immer. Du wohnst ja gleich um die Ecke. Ich will, dass du da sofort hinfährst und dich umsiehst. Mach Fotos. Rede mit den Polizisten und den anderen Kollegen, die sicher schon wieder vor uns da sind. Das komplette Programm. Ich rufe dich später für weitere Infos an. Und jetzt raus aus den Federn!« Die Verbindung wurde unterbrochen. Ich legte das Handy hin und setzte meine Brille auf. Dann stieg ich aus dem Bett und öffnete die Vorhänge. Ein Blick auf den Radiowecker verriet mir, dass es zwanzig Minuten nach sieben war. Meine Frau Susan war bereits weg. Ihre Schicht im Krankenhaus begann um Punkt sieben Uhr. Ich schlüpfte in meine Hausschuhe und begab mich ins Bad. Unsere beiden Katzen schliefen auf der kleinen Bank im Vorzimmer. Während ich mir die Zähne putzte und mich rasierte, versuchte ich mich an die gestrigen Ereignisse zu erinnern. An die Eröffnung des neuen Aussichtsturms im Naturpark »Steinheide«, die von zahlreicher regionaler Prominenz aus Politik und Wirtschaft besucht worden war. Auch von Landrat Ernst Fuhrmann, der die Festrede gehalten hatte. Und nun nicht mehr am Leben war. Ich ging ins Obergeschoß unseres Einfamilienhauses und öffnete vorsichtig die Tür zum Kinderzimmer. Meine kleine Tochter Julia lag noch in ihrem Bettchen, die kuschelige Decke über ihr Kinn gezogen. Ich betrachtete sie eine Weile mit stolzem Blick und machte dann wieder kehrt. Julia war gerade sieben Jahre alt geworden, und sie freute sich schon auf ihr zweites Schuljahr nach den Sommerferien. Ich ging zurück ins Schlafzimmer und kleidete mich an. Dann rief ich Gerti Wallner, unseren guten Geist aus der Nachbarschaft an. Wir waren seit vielen Jahren miteinander befreundet, und sie half mir immer wieder mal aus der Patsche. Ohne große Erklärungen abzuwarten, versprach sie, gleich rüber zu kommen, um Julia Gesellschaft zu leisten. Nach diesem Gespräch informierte ich auch meine Frau, ohne jedoch zu sehr ins Detail über die Gründe meines Ausflugs zu gehen. Das hatte bis zum Abend Zeit. Zudem wusste ich ja auch selbst so gut wie nichts. Ich warf Notebook, Digitalkamera, Diktiergerät und Schreibblock in meine kleine Umhängetasche. Als ich mir gerade die Schnürsenkel band, läutete es an der Tür. Ich öffnete und begrüßte Gerti. Sie war im Herbst sechzig geworden. Auf mich wirkte sie eher wie fünfundvierzig. Voll von Lebensgeist, Tatendrang und Freude. All die Schicksalsschläge, die ihr Leben begleiteten, hatten ihr nichts anhaben können. Nur der Tod ihres Mannes hatte leichte Spuren hinterlassen. Spuren, die sie nicht wegwischen konnte. Sie war von mittlerer Statur und hatte krauses Haar. Hinter ihrer spitzbübischen Miene verbargen sich die Würde und Erhabenheit, die die pensionierte Volksschuldirektorin zeitlebens ausgestrahlt hatte. Ich küsste sie auf die Wange, schnappte die Tasche und bedankte mich. Es bedurfte keinerlei Einweisungen. Gerti Wallner kannte sich hier bald besser aus als ich selbst. Dann war ich auch schon weg. Ich war in Eile. Ich schritt durch den Garten zur Garage. Vorbei an der hohen Hecke, die zur Straße hin angepflanzt war. Vorbei an den reifen Obstbäumen. Es war ein strahlend schöner Morgen. Die Sonne erleuchtete den Himmel auf ihrem unaufhaltsamen Weg zum Zenith. Wohlige Wärme durchströmte meinen Körper. Der Sommer war eine herrliche Jahreszeit. Voll des Lebens. Voll sprießender Natur. Erst jetzt kam mir wieder der Grund meines Fortgehens in den Sinn. Ein Mord an einem hochrangigen Politiker. Ja, es waren auch die Grausamkeiten, die unter dem Lichte der Sonne hervorgekehrt wurden. * Ich stellte meinen Kleinwagen auf dem Besucherparkplatz ab und ging den Schotterweg in Richtung Aussichtsturm hinauf. Auf halbem Weg zwischen Parkeingang und Turm war eine größere Menschenmenge versammelt. Ein Team des Staatsfernsehens hatte sich über das allgemeine Fahrverbot in der »Steinheide« hinweggesetzt und war mit ihrem Übertragungswagen bis zur polizeilichen Absperrung gefahren. Es war mir schleierhaft, wie die schon hier sein konnten. Obwohl ich nur zwei Fahrminuten zum Parkplatz und maximal weitere zehn Gehminuten bis hierher hatte, schien ich der letztankommende Berichterstatter zu sein. Ich sah mich etwas unter den Leuten um. Neben den TV-Leuten erkannte ich auch zwei Reporter großer Wiener Tageszeitungen. Direkt am Absperrband stand Markus Hirscher, Chefredakteur der »Regionalzeitung«. Unser unmittelbares regionales Konkurrenzblatt. Er unterhielt sich gerade mit einem Streifenpolizisten. Auch ihn kannte ich. Gerber hieß er. Ein typischer Landgendarm der jüngeren Generation. Überheblich und inkompetent. Diese Sorte war auf das Abzocken von Autofahrern spezialisiert. Eine Mordermittlung war zehn Nummern zu groß für ihn. Gerber war auch bei der Presse kein Unbekannter. Zumal ein Vorfall trotz aller Vertuschungsversuche über ihn bekannt geworden war. Er hatte seine Lebensgefährtin mit seiner Dienstwaffe bedroht und war daraufhin mehrmals strafversetzt worden, bis er wieder zu seinem alten Dienstposten zurückkehrte. Statt Gefängnis wurde er weiter auf die Bevölkerung losgelassen. Dass unter solchen Vorzeichen das Image der Exekutive zunehmend Schaden nahm, war eine nur allzu verständliche Tatsache. Polizisten stellten im betrunkenen Zustand ohne irgendeine Grundlage Strafmandate aus, vergingen sich an Schutzbefohlenen und missbrauchten sowohl ihr Amt als auch die ihnen anvertraute Ausrüstung. Auch ich war schon in die Fänge dieser Willkür geraten. Darum hielt sich meine Begeisterung für diese Institution verständlicherweise in Grenzen. Ich ging auf Hirscher zu, der gerade sein Gespräch beendet hatte. »Hallo, Markus. Was sagt dieses Arschloch?« Ich hatte noch immer keinerlei Informationen. Markus Hirscher sah mich überrascht an. »Wenn das nicht Mike Wörner ist. Auch schon hier?« Ich sah auf den fünfzig Meter entfernten Tatort, der mit schwarzen Tüchern verhangen war. Ich kannte die Stelle sehr gut von meinen Wanderungen mit der Familie durch den Park. Eine kleine Senke zwischen zwei kolossalen Steingebilden, dem sogenannten Satansbett, und dem Teufelswecken, einem überdimensionalen Hinkelstein. Leute von der Spurensicherung liefen geschäftig herum. Und irgendwo darunter wohl der leitende Beamte der Kriminalpolizei in Krems, der meiner Heimatstadt Mürren unterstand. Hirscher sprach weiter: »Wie ich sehe, hat dein Chef mal wieder eine Spätzündung gehabt. Ansonsten wärst du schon mindestens vor einer Stunde hier gewesen. Jedenfalls vor mir.« Ich musterte ihn interessiert. Wir waren zusammen zur Schule gegangen. Und waren sehr gute Freunde gewesen. Wir hatten uns beide für Journalismus interessiert. Während er später in Wien studierte und Karriere machte, langte es bei mir allerdings nur für den Aufbaulehrgang und eine Anstellung beim »Wochenblatt«, einer wöchentlich erscheinenden Gratiszeitung. Umso verwunderter waren wir alle gewesen, als er vor zwei Jahren nach Mürren zurückkehrte und seinen jetzigen Posten antrat. Vom Starjournalisten im meinungsmachenden »Wirtschaftsblatt« zum Provinzschmierfink. Er hatte es mit Sehnsucht nach der Heimat, dem Bodenständigen erklärt. Doch dafür war er nie der Typ gewesen. Und die Menschen änderten sich nur allzu selten. Ich überging den herablassenden Ton in seinen Worten. »Nun, du kennst ihn ja. Gründlichkeit braucht nun einmal seine Zeit. Außerdem können wir uns niemanden leisten, der Tag und Nacht den Polizeifunk abhört. Wir sind eben auf Informanten angewiesen. Und die lassen sich mitunter etwas Zeit.« Ich grinste ihn kumpelhaft an, um vielleicht etwas aus ihm herauszukriegen, obwohl ich es kaum glaubte. Zu oft hatte er mir schon die lange Nase gezeigt und mir seine Überlegenheit demonstrativ...