Korittko / Pleyer | Traumatischer Stress in der Familie | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 334 Seiten

Korittko / Pleyer Traumatischer Stress in der Familie

Systemtherapeutische Lösungswege

E-Book, Deutsch, 334 Seiten

ISBN: 978-3-647-99628-8
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



In diesem Buch wird die Methodik der systemischen Therapie mit den Grundsätzen moderner Psychotraumatologie und Traumatherapie in Verbindung gebracht. Ziel ist es, traumatisierten Familien Lösungswege zu eröffnen, die ihnen dazu verhelfen können, nach erlittener Traumatisierung ein möglichst symptomfreies Leben zu führen. Neu ist, dass hier praxisorientiert beschrieben wird, wie Eltern und Kinder gemeinsam von Beratung oder Therapie profitieren können. Im ersten Teil werden neben historischen Aspekten der Psychotraumatologie die Ressourcen und Selbsthilfekräfte von Familien erläutert. Anhand von Beispielen wird erörtert, wie Familien und Paare nach einer Traumatisierung von außen (z. B. durch Unglücke, Krieg und Bürgerkrieg, frühkindliche Traumatisierung der Eltern, Tod eines Elternteils, traumatische Erfahrungen bei Pflegekindern) in Beratungsstellen unterstützt werden können. Im zweiten Teil des Buches werden systemtherapeutische Lösungswege im Bezugsrahmen der Kinder- und Jugendpsychiatrie vorgestellt. Die Konzepte der parentalen Hilflosigkeit und der kotraumatischen Prozesse bilden die Grundlage für detailliert beschriebene systemische Interventionen in der Therapie mit komplex traumatisierten Familien, in denen die vermeintliche Traumabewältigung von Einzelnen zur traumatischen Belastung für andere Familienmitglieder wird. Auch hier werden die theoretischen Vorüberlegungen durch Praxisbeispiele verdeutlicht. Vorworte von Gerald Hüther und Wilhelm Rotthaus leiten den Band ein.
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Geleitwort Dieses Buch hätten die Autoren auch Lehrbuch einer traumaorientierten systemischen Familientherapie nennen können. Denn sie schildern und veranschaulichen ein Arbeiten mit traumatisierten Personen im Kontext ihrer relevanten Bezugspersonen, in unserer Kultur zumeist Familienangehörige, das die Beziehungen des Traumatisierten innerhalb seines wichtigsten Bezugsfeldes in den Blickpunkt rückt und zu beeinflussen sucht, sei es mit dem Ziel der Unterstützung bei der Bewältigung der traumatischen Erfahrungen, sei es mit dem Ziel der Vermeidung sekundärer Traumatisierungen auf Seiten der Angehörigen, immer in der Absicht, eine ungestörte familiale Entwicklung wieder zu ermöglichen. Dabei konzentriert sich Alexander Korittko vorwiegend auf die Auswirkungen von Traumata, die von außen auf Familien eingewirkt haben, während Karl Heinz Pleyer komplexe Traumafolgestörungen innerhalb von Eltern-Kind-Beziehungen behandelt. Psychische Traumata sind auf den ersten Blick höchst individuelle Folgen »eines kurz oder lang anhaltenden Ereignisses von außergewöhnlicher Bedrohung mit katastrophalem Ausmaß, das bei nahezu jedem eine tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde« (ICD-10). Insofern ist der Gedanke naheliegend, Traumaarbeit erfordere einen individuumzentrierten, auf die psychischen Strukturen des Betroffenen ausgerichteten Blick, während eine systemische, auf die Beziehungen in einem größeren Kontext, zum Beispiel der Familie, orientierte Sicht demgegenüber dem Problem wenig angemessen erscheint. Doch gleich im Vorwort verweisen die Autoren auf die Kurzschlüssigkeit eines solchen Denkens. Traumatisierende Erfahrungen sind nämlich keine Ereignisse, die ihre Wirkungen in direkter Abhängigkeit von Ausmaß und Schwere des Traumas entfalten. Vielmehr werden dessen Folgen durch die Bewältigungsmechanismen des Einzelnen in sehr unterschiedlicher Weise beeinflusst und modifiziert. Und diese Traumabewältigung »vollzieht sich bei Betroffenen in Kommunikation mit sich selbst und mit anderen. Ihr Erfolg ist von erlebten Beziehungen und den Reaktionen der anderen abhängig« (S. 17, Vorwort der Autoren). Die Traumabewältigung des Einzelnen wird dabei nicht nur in rekursiven zirkulären Interaktionsprozessen mit den aktuellen Bezugspersonen beeinflusst, sondern die Bezugspersonen sind in ihrer Reaktion umgekehrt auch von der Art und Weise der Traumabewältigung des Einzelnen abhängig. Zudem ist in nicht seltenen Fällen auch eine generationenübergreifende Perspektive erforderlich, um zu erkennen, wie traumatische Erlebnisse von einer Generation auf die nächste weitergegeben werden können und damit auch die mit ihr verbundenen emotionalen Probleme. Die Genesung des Traumatisierten in den vier bis sechs Wochen nach dem traumatisierenden Ereignis, in der ersten Schockphase also, hängt bereits entscheidend davon ab, wie sich die wichtigsten Bezugspersonen dem Traumatisierten gegenüber verhalten. Ihr Unterstützungsprozess fordert jedoch gegebenenfalls einen hohen Preis dadurch, dass sie ebenfalls den Schmerz und die Verzweiflung spüren und in einen Zustand von Erschöpfung geraten. Diejenigen, die sich um die Opfer kümmern, können dann selbst zum Opfer werden, wenn nicht auch sie angemessene Unterstützung erhalten. Alexander Korittko zeigt im ersten Teil des Buches in eindrucksvoller Weise auf, wie gut sich Traumatherapie und systemische Therapie miteinander verbinden lassen und wie notwendig diese Verbindung ist für den, der die traumatisierten Menschen und seine Angehörigen angemessen unterstützen will. Dabei vermittelt er den erfahrenen Traumatherapeutinnen wichtige systemische Einstellungen, Haltungen und Methoden, während er den systemischen Therapeutinnen eine Fülle von Anregungen und Konzepten aus seinem Erfahrungsschatz als bereits über Jahrzehnte tätiger Traumatherapeut vorstellt. Korittko beschränkt sich dabei weitgehend auf die Auswirkungen von Traumata, die von außen auf Familien eingewirkt haben, und behandelt systemische Vorgehensweisen, die dem Ziel dienen, in solchen Fällen posttraumatischen Stress zu bewältigen. Das ist didaktisch sicherlich geschickt, da dadurch die zusätzlichen Komplikationen, die in Fällen innerfamiliäre Gewalt zu beachten sind, zunächst einmal ausgeklammert werden. Zudem scheint diese Konstellation eher dem Erfahrungsspektrum des Autors zu entsprechen. Aber zweifellos ist gerade auch bei der Arbeit mit Traumastörungen in der Folge eines innerfamiliären Missbrauchs eine systemische Betrachtungsweise und ein systemisches Arbeiten von großer Bedeutung. Allerdings sind in solchen Fällen sowohl im Voraus als auch im Therapieprozess immer wieder neu Settingentscheidungen sehr sorgfältig zu treffen, die sicherstellen, dass primäre Opfer und eventuelle sekundäre Opfer eindeutig geschützt und nicht retraumatisiert werden. Spätestens seit Mitte der 1990er Jahre hat Traumatherapie im psychotherapeutischen Feld eine zunehmend große Aufmerksamkeit erfahren. Immer mehr Publikationen sind erschienen, spezielle Weiterbildungsangebote wurden lebhaft nachgefragt, und es entstanden eine Vielzahl hoch spezialisierter Behandlungseinrichtungen für traumatisierte Menschen. Im Verlauf dieser Entwicklung hat sich der Traumabegriff kontinuierlich erweitert. Naturkatastrophen, technische Katastrophen und Unfälle, Terrorhandlungen und kriegerische Ereignisse mit ihren unendlich vielfältigen Missbrauchshandlungen und körperlichen und seelischen Verwundungen machten deutlich, wie verbreitet mono- und polytraumatische Erfahrungen mit ihren gravierenden langfristigen psychischen Auswirkungen sind. Immer mehr wurde im Laufe der Zeit aber auch wahrgenommen, dass nicht nur große dramatische Ereignisse Traumafolgestörungen auslösen können, sondern dass auch im Nahbereich, beispielsweise in Familien, Menschen vor allem im Kindesalter durch Vernachlässigung, inadäquate Versorgung und Misshandlungen chronischen interpersonalen Traumata ausgesetzt sind, die ein durchaus charakteristisches Störungsbild zur Folge haben. So setzt sich das 2001 in den USA gegründete nationale Traumanetzwerk für Kinder (»National Child Traumatic Stress Network« – NCTSN) dafür ein, dass die Posttraumatische Belastungsstörung in den psychiatrischen Klassifikationen um die Entwicklungstrauma-Störung ergänzt wird, da sich interpersonale Traumatisierungen in der Entwicklung in der Posttraumatischen Belastungsstörung nicht zutreffend abbilden lassen. In diesem Konzept der Entwicklungstrauma-Störung werden die Folgen unsicherer und gestörter primärer Bindungen zu den Eltern oder sonstigen primären Beziehungspersonen für die Entwicklung eines Kindes ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Karl Heinz Pleyer erweitert diese Perspektive im zweiten Teil dieses Buches nun noch um eine weitere Dimension, indem er den Blick auch auf die Eltern dieser Kinder lenkt und sich mit den Traumata beschäftigt, die bei ihnen durch Lebenskrisen wie Paarkonflikte, Trennungen oder fortgesetzte Unterdrückung, aber auch durch gemeinsame Belastungen und die Entwicklung co-traumatischer Beziehungsmuster in der Folge von Behinderungen, Krankheiten, Verlust eines Kindes und dem Scheitern in der Erziehung hervorgerufen wurden. Seiner Erfahrung nach sind Eltern von Kindern mit schwerwiegenden Entwicklungs- und Verhaltensauffälligkeiten signifikant überdurchschnittlich durch eigene traumatische Erfahrungen vorbelastet. Um den Begriff des Traumas als Grundlage für die für ihn zentrale, in sehr unterschiedlichen Erscheinungsformen zu beobachtende »parentale Hilflosigkeit« zu rechtfertigen, verweist er auf Khan, der den Begriff des »kumulativen Traumas« geprägt hat, das aus Ereignissen und Belastungen resultiert, die jede für sich unterhalb der Traumaschwelle liegen, sich jedoch zu einem traumaäquivalenten Ereignis summieren. Zudem sucht er, die Realität in solchen Familien mit dem Konstrukt der »komplexen traumatischen Konstellation« angemessen zu erfassen. Er sieht die Grundkriterien der traumatischen Konstellation erfüllt, wenn beispielsweise in belasteten Eltern-Kind-Beziehungen die biologisch verankerte existenzielle Verantwortung als wesentlicher Bestandteil vor allem des mütterlichen Selbstwerterlebens zugleich mit dem intuitiven Bewusstsein der Unentrinnbarkeit verbunden ist. Würden in der konkreten Erziehung trotz aller Bemühungen die Bewältigungsmöglichkeiten der Eltern nachhaltig überfordert, sei prinzipiell mit denselben Folgen zu rechnen, wie sie auch im Falle eines Monotraumas beschrieben werden: das Erleben von extremer Hilflosigkeit und eines Ausgeliefertseins einer Situation von existenzieller Bedrohung mit den Symptomen Übererregung, Intrusionen und Konstriktion. In der Beziehungsgestaltung mit den Kindern seien dann Verzerrungen in der Wahrnehmung, Anpassungs- und Unterwerfungsstrategien sowie dauerhafte Veränderungen im Selbst- und Weltverständnis zu beobachten. Eine belastete Beziehung zum Kind oder das Scheitern in der elterlichen Funktion würden als gleich schwerwiegend erlebt wie eine vitale Bedrohung oder der Verlust eines Kindes durch Tod. Wenn ein so schwerwiegendes Erleben die Bewältigungsmöglichkeiten von Eltern überfordere, scheine es angemessen, von einem »parentalen Trauma« zu sprechen. Indem Pleyer nun mit dieser Traumaperspektive auf Eltern schaut, die in unterschiedlicher Weise »parentale Hilflosigkeit« erleben, eröffnet er eine Fülle von Verstehensmöglichkeiten für diese Eltern. Mütter und Väter, die so oft als »erziehungsunfähig« abqualifiziert werden und denen in vielen Fällen der Entzug der elterlichen Sorge droht, können sich nun Therapeutinnen gegenüber sehen, die ihnen nicht nur Zuversicht auf ein parentales Selbstwirksamkeitserleben und vielfältige Ideen...


Korittko, Alexander
Alexander Korittko, Diplom-Sozialarbeiter, Systemischer Lehrtherapeut und Lehrsupervisor, war in einer kommunalen Jugend-, Familien- und Erziehungsberatungsstelle tätig.

Hüther, Gerald
Gerald Hüther zählt zu den bekanntesten Hirnforschern im deutschsprachigen Raum. Er ist Vorstand der Akademie für Potentialentfaltung.www.gerald-huether.de

Pleyer, Karl Heinz
Karl Heinz Pleyer, Diplom-Psychologe, ist Psychologischer Psychotherapeut, Systemischer Lehrtherapeut und Lehrsupervisor.

Alexander Korittko, Diplom-Sozialarbeiter, Systemischer Lehrtherapeut und Lehrsupervisor, war in einer kommunalen Jugend-, Familien- und Erziehungsberatungsstelle tätig.


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