Kornwachs | Philosophie für Ingenieure | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 260 Seiten

Kornwachs Philosophie für Ingenieure


3. überarbeitete Auflage 2018
ISBN: 978-3-446-45787-4
Verlag: Carl Hanser
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 260 Seiten

ISBN: 978-3-446-45787-4
Verlag: Carl Hanser
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Warum versteht kein Mensch Bedienungsanleitungen? Was macht es zu einer solchen Qual, Fahrkartenautomaten der Deutschen Bahn ein Ticket zu entlocken? Wieso kann man viel mehr ausprobieren als wissen? Warum muss man bei Simulationen auf der Hut sein? Vereinfachen, aber wie?
Das sind nur einige der Fragen, die der Technikphilosoph Klaus Kornwachs in seinem Buch beantwortet. Er kennt die Welt der ca. 700.000 Ingenieure in Deutschland wie seine Westentasche und weiß um die alltäglichen Probleme hinter den technologischen Innovationen, die unser Land auf Wachstumskurs halten. In 'Philosophie für Ingenieure' schreibt Kornwachs über Erfindungen, technische Prozesse und Konstruktionsfehler - und darüber, welche Philosophie sich hinter der Technik verbirgt und wie aristotelische Logik bei der Konstruktion von Turbinen behilflich ist.
Von Platon bis Richard Sennett - Kornwachs hat geistesgeschichtliche Lösungsstrategien für handfeste praktische Probleme parat. Unterhaltsame Pflichtlektüre für jeden Ingenieur.
In der dritten Auflage hat der Autor viele philosophische Betrachtungen zu aktuellen Themen ergänzt, z.B. über autonome Technik, Industrie 4.0 und die Rolle der Arbeit sowie über Big Data und den Dieselskandal. Außerdem laden viele neue kleine Übungen zum Nachdenken und Verweilen ein.

Klaus Kornwachs (geb. 1947) studierte Physik, Mathematik und Philosophie in Tübingen, Freiburg, Kaiserslautern und Amherst (Mass., USA). Nach dem Diplom in Physik (1973) promovierte er in Freiburg (1976) und habilitierte sich in Philosophie in Stuttgart (1987). Von 1979 bis 1992 war er am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, Stuttgart, zuletzt als Leiter der Abteilung für Qualifikationsforschung und Technikfolgenabschätzung, tätig. 1991 erhielt er den Forschungspreis der Alcatel SEL-Stiftung für Technische Kommunikation. Von 1992 bis 2011 hatte er den Lehrstuhl für Technikphilosophie an der BTU Cottbus inne. Gastprofessuren und Fellowships führten ihn nach Wien, Budapest, Stuttgart, Dalian (China) und Stellenbosch (Südafrika). Er ist ordentliches Mitglied der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften (acatech). Klaus Kornwachs ist seit 1990 Honorarprofessor der Universität Ulm und seit 2013 Honorary Professor am Intelligent Urbanization Co-Creation Center an der Tongji University, Shanghai. Klaus Kornwachs gründete 2011 sein 'Büro für Kultur und Technik' und ist Herausgeber und Autor zahlreicher Fachbücher und Veröffentlichungen (www.kornwachs.de).
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Einleitung

Als ich Physik in den 60er und 70er Jahren studierte und wir Differenzialgleichungen brauchten, um etwas auszurechnen, wollten wir Studenten nicht über die Existenzbedingungen bestimmter Lösungsmannigfaltigkeiten nachdenken und über Beweise – wir wollten die Mathematik einfach nur anwenden. Also nahm ich kein Lehrbuch der Mathematik, sondern Titel wie »DGL für Ingenieure« oder »Matrizenrechnung für Ingenieure«. Da wurde nicht groß bewiesen, sondern gezeigt, dass es geht und wie man es rechnet.

Ob das in der Philosophie auch geht? Der Titel könnte so gesehen schon fast als Frechheit aufgefasst werden. Aber so ist er nicht gemeint. Philosophische Bücher für den akademischen Betrieb enthalten meist lange Erörterungen über einen Begriff oder ein Problem: Zuerst, was Platon schon dazu sagte, und dann das Mittelalter, und dann Leibniz, dann wie Hegel Kant verstanden hat, und dann schließt das Ganze mit ein paar vagen Andeutungen, dass auch heutige Probleme sich mit einem intensiveren Blick auf die Texte von Platon, Kant und Hegel besser verstehen und womöglich lösen ließen. Und dann? Dann ist das Buch zu Ende, der Leser hat zwar viel über Philosophiegeschichte gelernt, aber nicht, wie er sein Problem löst. Er weiß nur, er sollte noch mehr nachdenken und noch mehr lesen. Das Problem ist aber immer noch da ...

Wie weit darf man vereinfachen, wenn man seinen Freunden etwas erklären will? Das ist psychologisch wiederum einfach zu beantworten: Je freundschaftlicher und vertrauter man ist, umso mehr darf man Nebensächlichkeiten, Beweise, ausführliches Material etc. weglassen – der andere vertraut einem ja. Man darf sich auch von seinem eigenen Fachvokabular entfernen und plastische Beispiele verwenden. Fußnoten sind in der Geisteswissenschaft vertrauensbildende Maßnahmen, unter Freunden könnte man sie weglassen ...

Es geht uns allen so – je unsicherer wir in einem Gebiet sind- und das sind wir in fast allen Gebieten außer unserem eigenen Fachgebiet – desto eher müssen wir auf die Meinung anderer, insbesondere auf die von Experten, vertrauen. Doch wer ist Experte? Auch hier hilft es nur, sich auf gewisse Anzeichen zu verlassen, die uns zeigen, wer Experte sein könnte. Denn auch Experten irren ...

Dieses Vertrauen vorausgesetzt, möchte ich meinen Kollegen aus dem Ingenieurwesen und den Technikwissenschaften etwas mit Philosophie vertrauter machen. Ich will zeigen, dass sie alles andere als unnütz ist, und ich werde um etwas Geduld bitten, weil man für das Fragestellen und das Nachdenken Zeit braucht – die Zeit, die man nicht sofort in der Projektarbeit einsetzen kann, Zeit, die man nicht und Gedanken, die man nicht sofort verwenden kann. Trotzdem – und auch das will ich zeigen – gibt es eine nachhaltige Wirkung auf das eigene Leben, auf die Weise des Handelns und vielleicht auf den Stil, wie man Probleme löst. Ich will zeigen, dass Prof. Tom Morris Recht hat, wenn er sagt:

»Menschen ... ohne Philosophie mögen spektakulär viel Geld verdienen – aber nur vorübergehend. Sie werden dafür am Ende bestraft. Immer. «? 1

Aber was meint Tom Morris mit Philosophie? Das Wort hat ja auch eine ganz andere Bedeutung gewonnen – eben nicht nur die akademische Philosophie mit den Texten und Gedanken berühmter Philosophen. Jeden halbwegs systematischen, nach prinzipiellen Überlegungen gemahnenden Gedanken, nach dem sich jemand im Geschäft oder im Privaten richten könnte, nennt man heute gerne »Philosophie« – eben meine Philosophie, deine Philosophie, Unternehmens-Philosophie, etc. 2

Wozu brauche ich als Ingenieur Philosophie? Ist das nicht die Wissenschaft, die mit eigens dazu erfundenen Worten bewussten Unfug treibt? Die die Nadel im Heuhaufen im Dunkeln sucht, obwohl gar keine Nadel und gar kein Heuhaufen da sind?

Philosophie kommt aus dem Griechischen und heißt Liebe zur Weisheit. Aber was ist Weisheit und wer ist schon weise? Mit viel Wissen ist es nicht getan und mit nur viel Nachdenken und Grübeln auch nicht. Es geht eher darum, hartnäckig und zielsicher Fragen zu stellen. Die abendländische Philosophie – und nicht nur sie, sondern auch diejenige aller anderen Kulturen – stellt seit mehr als 2000 Jahren Fragen und sie versucht auch Antworten darauf zu geben – aber diese sind Antworten jeweils in ihrer Zeit. Und die Antworten der Antike sind andere als die des Mittelalters, und diese sind wiederum andere Antworten als diejenigen, die wir heute zu geben versuchen. Deshalb ist Philosophie als fragende Haltung schon so alt und in ihrem Bemühen, Antworten zu finden, immer jung. Philosophie ist daher nicht nur ein Vorläufer der modernen Wissenschaft und eine Methode, Erkenntnisse zu gewinnen, sondern auch eine Haltung, ja vielleicht sogar eine Lebensweise.

Ich habe als ausgebildeter Naturwissenschaftler (Physik) Philosophie studiert und bin dann, wie das Leben so spielt, unter die Ingenieure der Fraunhofer-Gesellschaft geraten, die zwar mit meinen Systemanalysen durchaus etwas, mit meinen wissenschaftstheoretischen Überlegungen zunächst gar nichts anfangen konnten, bis sie merkten, dass eine Diskussion über bestimmte Methoden des Vorgehens auch in den gestaltenden Wissenschaften durchaus von Vorteil sein kann. Die Frage: »Was mache ich da eigentlich ... ?« gab dann schon so manchem Kollegen den entsprechenden Drive, seine Doktorarbeit richtig zu strukturieren. Ich »überlebte« dreizehneinhalb Jahre in einem höchst anregenden interdisziplinären Kontext und machte die Erfahrung, dass meine Kolleginnen und Kollegen aus Technik, Ingenieurswesen und Ökonomie philosophischen Überlegungen durchaus zugänglich waren und diese als hilfreich für sich selbst und ihre Arbeit betrachteten. Ja – wenn nicht immer dieses Vokabular und diese »unnötigen Abstraktionen« gewesen wären, mit denen die philosophische Zunft so gerne daher kommt. »Die haben ja keine Ahnung, aber für alles einen bombastischen Begriff« lästerte ein Kollege. Da hatte er leider nicht ganz Unrecht ...

So ist dieses Buch aus den Diskussionen, Vorlesungen, Seminaren und Workshops mit Ingenieuren, Technikern, Arbeitswissenschaftlern und Studierenden der technischen Fächer entstanden – mit hinein haben auch meine Erfahrungen gespielt, die ich als Geisteswissenschaftler an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus beim fächerübergreifenden Studienangebot für die technischen Fächer machen konnte. Nicht zuletzt verdanke ich der Aufgeschlossenheit von Günter Spur für solche Fragen viele Anregungen und Provokationen zum nochmaligen Nachdenken. Der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften in München und Berlin (acatech) hat durch höchst anregende Grundsatzdiskussionen um das Ingenieurwesen und die Technikwissenschaften, um Technikakzeptanz und um die tieferen Strukturen technischen Wissens neue Begegnungsmöglichkeiten für Technik und Philosophie geschaffen.

Um die Berührungsängste meiner Leserschaft zu mildern, werde ich versuchen, die Kapitel eher mit – hoffentlich anschaulichen – Beispielen und einigen fiktiven Dialogen anstatt mit abstrakten Definitionen auszustatten. Dies soll zeigen, welche Überlegungen zu einer Lösung beitragen oder gar führen könnten. Dabei werden dann die einen oder anderen philosophischen Begriffe, wo sie gebraucht werden, meist als Verallgemeinerung zur Beschreibung eines Problems eingeführt. Zwischendurch werden auch ein paar Fragen gestellt, über die man sich als Übung den Kopf zerbrechen kann. An der einen oder anderen Stelle sollen dann auch einige Methoden des philosophischen Nachdenkens ihre Anwendung finden: Phänomenologie, Begriffsanalyse, Deutung, logische Analyse und Wissenschaftstheorie sowie ethische Reflexion.

Die akademischen Kollegen aus der Philosophie werden es mir nachsehen, wenn ich gleich grob vereinfachend zu erklären versuche, was das heißt:

Phänomenologie: Der Versuch, möglichst ohne große begriffliche Voraussetzungen sich auf ein Problem oder eine Sache einzulassen, zu beobachten, ohne gleich zu einer Theorie oder vorschnell zu einer Gestaltung kommen zu wollen. Phänomenologie ist eine pragmatische Angelegenheit, wenn man noch keine Theorie hat. Man verfährt nach dem Motto: Mal sehen, was ist.

Kleine Übung: Versuchen Sie ohne Zuhilfenahme von Begriffen aus Ihrem Fachgebiet zu beschreiben, was sich in Ihrem Arbeitszimmer oder Büro befindet.

Begriffsanalyse: In der Mathematik ist das Geschäft schon erledigt: Saubere Definitionen (z.B. was ist ein Kreis?) erleichtern bekanntlich die Arbeit. Bei Begriffen wie Freiheit, Gerechtigkeit, Zuverlässigkeit, Wirtschaftlichkeit haben unterschiedliche Disziplinen voneinander abweichende Definitionen und damit Begriffsbedeutungen festgelegt. Man kann dabei ganz schön reinfallen. Wenn ein Wissenschaftstheoretiker oder ein Statistiker von Induktion spricht, meint er den Schluss von vielen Einzelfällen auf eine Regelmäßigkeit oder gar ein Gesetz: Wenn tausend Schwäne als weiß beobachtet wurden, sind eben alle Schwäne mit hoher Wahrscheinlichkeit weiß. David Hume (1711-1776) hat schon gezeigt, dass dies ein mit Unsicherheit behafteter Schluss ist. In der Schulmathematik kennt man die Induktion – der Schluss von n auf n+1. Dieser Schluss wiederum ist exakt, man kann sich auf ihn verlassen. In der Physik hingegen ist die Induktion die Erzeugung eines Stroms durch ein veränderliches Magnetfeld in einem Leiter. Solche Homonymien (also unterschiedliche Bedeutungen für dasselbe Wort in unterschiedlichen Kontexten)...


Kornwachs, Klaus
Prof. Klaus Kornwachs, Physiker und Philosoph, lehrt an der Universität Ulm und ist Autor und Herausgeber zahlreicher Publikationen (www.kornwachs.de).

Prof. Klaus Kornwachs, Physiker und Philosoph, lehrt an der Universität Ulm und ist Autor und Herausgeber zahlreicher Publikationen (www.kornwachs.de).



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