Kotte | Bonnie & Clyde vom Sachsenplatz | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Kotte Bonnie & Clyde vom Sachsenplatz

und zwei weitere authentische Kriminalfälle aus Dresden
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-95958-724-2
Verlag: Bild und Heimat Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

und zwei weitere authentische Kriminalfälle aus Dresden

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

ISBN: 978-3-95958-724-2
Verlag: Bild und Heimat Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Bis 1990 hängt im Deutschen Hygiene-Museum ein Skelett – die Knochen einer hingerichteten Doppelmörderin, die 1946 eine Mutter mit Kind auf furchtbare Weise tötete, die Leichen zerstückelte und das Fleisch für ein paar Pfennige an ihre Nachbarinnen verkaufte. Auf einem Gartengrundstück wird 1949 die Leiche der Kindergärtnerin Anita G. gefunden. Welcher der Männer, die um die attraktive junge Frau scharwenzelten, hat sie missbraucht und dann zu Tode gebracht? Inspiriert von klassenfeindlichen Heftromanen, begeht 1955 ein junges Pärchen einen skupellosen Raubmord am Sachsenplatz, um mit der Beute in den Westen zu fliehen.

Virtuos nimmt Henner Kotte die Spur der Täter und Ermittler auf und rekonstruiert aus Vernehmungsprotokollen, Tatortberichten und Presseartikeln drei aufsehenerregende Verbrechen aus den Anfangsjahren der DDR – packend und authentisch!

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Männer um Anita Eine Mädchengeschichte aus dem Jahre 1949 Die Kindergärtnerin Ein verliebtes junges Mädchen / ein verliebter junger Mann / schauten sich tief in die Augen / ja, so fängt es immer an. Das Radio trällerte und die Mädchen sangen den Hit von Rita Paul: Darf ich Sie nach Haus begleiten / flüstert leis’ der junge Mann / Arm in Arm sie nun schon schreiten / ja, so fängt es immer an. Und nicht nur die jungen Mädchen gingen tanzen und träumten von der großen Liebe. Doch öffentlich wie heute konnte man Zuneigung nicht zeigen. Schon zu zweit gesehen zu werden, konnte für Gerüchte und schlechten Leumund sorgen. Auch die verfasste sozialistische Literatur in der sowjetischen Besatzungszone wusste um Gefühle und wie man über daraus folgende Intimitäten denkt. Sie »geht am nächsten Abend durch die Straßen. Sie ist erst sehr vorsichtig gewesen, besonders, als sie das Geschäft verlassen hat. Jetzt läuft sie, ohne sich umzusehen und ohne an den Kreuzungen argwöhnisch zu beobachten. Sie hat es eilig und spielt ungeduldig an der Handtasche, als der Strom der Fahrzeuge ihr einmal den Weg versperrt und als sie an einer Straßenbahnhaltestelle minutenlang warten muss. Dann fährt sie weit hinaus in den Süden der Stadt. Ich hätte mich doch, denkt sie, während sie auf der Plattform steht, von ihm mit dem Auto abholen lassen sollen. Aber nein, fällt ihr gleich darauf ein, das hätten ja die Kolleginnen gemerkt. Es wäre besser gewesen, wir hätten uns in einem Café getroffen. Aber dann hätte natürlich die Gefahr bestanden, dass uns jemand sieht. Nein, denkt sie, damit muss Schluss gemacht werden. Es soll niemand Grund gegeben werden, über mich zu reden. An den Rändern der Straßen stehen Fabriken, Mietshäuser, Geschäftsbauten, Ruinen. Die Straße wird breiter. Hier und da ist ein Garten in die Gebäudefront eingestreut, dann nehmen die Grünflächen zu. Einfamilienhäuser, Villen, ein Sportplatz. Sie steigt ab. An manchen Stellen wird gebaut. Sie trägt ihren hellen Sommermantel, die weißen Schuhe und das kleine Hütchen. Sie sieht flott und reizend damit aus. Wer aber ihr Gesicht betrachtet, der findet dort die Spuren von Sorge, der merkt, dass sie diesen Weg nicht gern geht, dass sie Furcht hat. Richtige Angst, die noch dadurch verstärkt wird, dass sie weiß, dass man ihr diese Angst ansieht.« Doch dann zum Schluß, was kommen muß / dann gab er ihr den ersten Kuß / doch sie, sie weinte, lief nach Haus / so gehn die ersten Lieben immer aus. Das sozialistisch propagierte Frauenbild kollidierte mit der gelebten Realität nicht nur im Inneren der weiblichen Bevölkerung. »Nach dem Krieg hatte sich die politische und soziale Stellung der Frau verändert. Infolge der enormen Verluste im Krieg gab es mehr Frauen als Männer, die nun zu einem bedeutsamen Faktor sowohl politisch als auch auf dem Arbeitsmarkt wurden. Außerdem war das Land aus der Erfahrung eines rechtsgerichteten totalitären Regimes hervorgegangen, das in Erziehung und Propaganda die Frau zwar mit einbezogen und mobilisiert, ihr jedoch eine subalterne und traditionelle Rolle zugewiesen hatte. Die kommunistische Ideologie plante demgegenüber eine grundlegende Erneuerung der politischen, sozialen, ökonomischen und juristischen Bedingungen für Frauen. Dieser Wandel wurde in der DDR von Anfang an mit einer neuen Familien- und Frauengesetzgebung in Gang gesetzt.« Slogans und ideologische Artikel warben für die weibliche Mitwirkung am Nationalen Aufbauwerk. Das mobilisierte Millionen und schuf Werte. Frauen waren per Gesetz den Männern gleichgestellt. Andererseits fielen ihnen Kinder, Küche, Hausputz und die Altenpflege zu. FDJ und DFD warben um Mitgliedschaften und indoktrinierten die Politik der SED. »Im Übrigen sollte die Frau außer Arbeit und Mutterschaft ebenso sich für die öffentliche Sphäre engagieren, d. h. für den Sozialismus und den Weltfrieden, gegen Imperialismus und kapitalistische Ausbeutung.« Anita Görke wird in jener Umbruchszeit zur Frau. Geboren wird sie am 29. Januar 1929 in die Zeit der wirtschaftlichen Depression und des aufkommenden Faschismus. Sie hat fünf Geschwister: drei Brüder, zwei Schwestern. Sie ist nicht das jüngste der Geschwisterkinder und hat in der Gemeinschaft mitzutun. Die Görkes wohnen am nördlichen Stadtrand von Dresden. Kaditz war ein Straßenangerdorf in Elbufernähe und erhielt im Zuge der Industrialisierung Reihensiedlungen mit Einfamilienhäusern. Ein solches nennt die Familie Görke ihr Eigen. 1949 lebt das jüngste der Geschwisterkinder, Bruder Dietmar Wilhelm, Jahrgang 1932, noch im elterlichen Haushalt. Anitas Biografie weist keine Besonderheiten auf: Schule, Kriegszeit, Dresdner Inferno, Ausbildung zur Erzieherin, Arbeitsantritt. Sie geht ihren eignen Weg wie alle in der Familie. Anita tut am sozialistischen Aufbauwerk mit. Sie wird Kindergärtnerin. Kindergärtnerinnen werden gebraucht. Das Kriegsende hatte Chaos hinterlassen. Waisen irren durch die Trümmer. Kranke brauchen Pflege, Kuren, Zuwendung. Die späteren Ermittlungen ergaben, »daß die Görke, Anita, vom Herbst 1947 bis in den Sommer 1948 als Kindergärtnerin in dem Kinderheim Radeberger Str. 53 tätig gewesen ist. Von hier aus nahm die Görke dann eine Stelle als Kindergärtnerin erst in Klingenberg und dann in Oberwiesenthal im Erzgeb. an. Der Grund des Wegganges war, weil das Kinderheim auf der Radeberger Str. aufgelöst und dort ein Altersheim eingerichtet wurde. Nach Angaben der Demmrich, Hildegard, wohnhaft Dresden-A. 23, Trachenberger Str. 25, welche s. Zt. schon in der Küche des vorerwähnten Kinderheimes tätig war, hat die Görke zur damaligen Zeit einen sehr guten Leumund gehabt. Die Görke hatte so gut wie keinen Umgang mit Männern gehabt. Im Gegenteil, sie war sehr zurückhaltend und zog es besonders vor, die Abende im Heim mit Musik und Spiel zu verbringen. Eine Bekanntschaft oder gar einen Verkehr mit Angehörigen der Besatzungsmacht scheidet nach Angaben der Demmrich vollkommen aus. Kurz vor ihrem Weggang hat die Görke einen vorübergehenden Briefwechsel mit einem außerhalb wohnenden, unbekannten Verwalter eines Kinderheimes gepflegt. Anläßlich dieses Briefwechsels soll die Görke einmal zu einer Kollegin geäußert haben, daß jener unbekannte Verwalter für sie zur Aufnahme engerer freundschaftlicher Beziehungen schon zu alt sei. Besonders schätzte die Görke an diesem Manne, daß er trotz der Freundschaft nie versucht habe, sich ihr geschlechtlich zu nähern. Etwa 14 Tage nach dem Weggang der Görke war diese einmal zu einem kurzfristigen Besuch im früheren Kinderheim Radeberger Str. 53. Etwa 4 Wochen danach hat die Görke dann noch einmal von Oberwiesenthal einen Brief an das Küchenpersonal des früheren Kinderheimes geschrieben. Dieser Brief sei jedoch dann nicht mehr beantwortet worden.« Man wird sich aus den Augen verlieren, hat Kollegin Demmrich wahrscheinlich gedacht. Das ist nicht nur bei ehemaligen Arbeitsverhältnissen der Fall, sondern vor allem bei Berufsanfängern, die nur kurze Zeit hier tätig sind. Aber sonst: Die Anita war ein nettes Mädel. Aufgeschlossen. Einsatzbereit. Zupackend. Stets freundlich. Und das Mädel lachte gern, spielte zur Laute, sang. Ein Kumpel, der mit Freunden durch dick und dünn geht. Erzieherin war Anita Görkes Traumberuf. Die ihr anvertrauten Kinder haben ihre Tante Anita stets geliebt. Und sie betrachtete die ihr anvertrauten Kinder, als wären es die eigenen. »Über die Charaktereigenschaften der Anita Görke kann« die Leiterin des Kinderheims in Oberwiesenthal, Johanne Grabner, Folgendes sagen: »Die Görke war mit Leib und Seele in ihrem Beruf tätig. Die ihr unterstellten Kinder hingen mit großer Liebe an ihr. Stets war die Görke fröhlich und lebensbejahend gewesen, nie konnte ich an ihr Launenhaftigkeit feststellen. Die Görke war geradezu überschäumend in ihrer gesunden sprühenden Lebenskraft, was dahingehend auf die Männer einwirkte, daß sie sofort von ihr gefesselt wurden. Dabei konnte ich beobachten, daß sich die Görke geradezu freute, wenn sie diese Wirkung beobachtete und damit die Männer reizte und es im gegebenen Augenblick verstand wieder zurückzuziehen. Wiederholt konnte ich dies feststellen, wenn männliche Dienstboten oder Handwerker oder Angehörige der Besatzungsmacht das Haus betraten. Vor einiger Zeit kam es noch vor, dass Angehörige der Besatzungsmacht zu uns ins Haus kamen. Hingegen die übrigen weiblichen Angestellten sich sofort im Haus versteckten, war es Anita, die in ihrer herausfordernden Art die Soldaten abfertigte und dabei keinerlei Angst zeigte. Oftmals konnte ich beobachten, daß die Anita eine unverhohlene Freude an der Verliebtheit dieser Soldaten zeigte. Ich halte es für unwahrscheinlich, daß die Anita Görke ein Verhältnis mit Angehörigen der Besatzungsmacht unterhalten hat, denn dafür halte ich sie zu anständig. Trotz dieser vorerwähnten Eigenschaften der Görke halte ich sie keinesfalls für eine Dirne, ihre Art sich so zu geben, entsprang einfach ihrer kräftigen, sich entfaltenden Vollreife.« Mädchen, passend zur Zeit: Anita Ein Mädchen, das in die Zeit und in ihren Beruf passt. Auch ihr Foto zeigt Anita offen lächelnd und in der Mode damaliger Gegenwart. Sie steht im Leben, plant die Zukunft, hat Interesse an Musik, spielt selbst ein Instrument und liebt das Singen. Eines der ihr anvertrauten Kinder ist ihr sehr ans Herz gewachsen. Der kleine Horst Kniebusch, kaum vier Jahre, war Flüchtlingskind, kam aus Ostpreußen in das zerstörte Dresden. Er sah aus wie ein aus dem Nest gefallener Spatz: rachitisch,...


Henner Kotte studierte Germanistik in Leipzig, Moskau und Dresden und arbeitet heute als Schriftsteller, Redakteur und Theaterkritiker. Zuletzt erschien in der Reihe Blutiger Osten Raubsache Leipzig (2016), außerdem Leipzig mit blutiger Hand (2015) und Blutiges Erz. Kriminalgeschichten aus dem Erzgebirge (2015).



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