Kramer | Am Ende der Welt traf ich Noah | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

Kramer Am Ende der Welt traf ich Noah

Atemberaubende Liebesgeschichte ab 14 Jahre
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-7320-0353-2
Verlag: Loewe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Atemberaubende Liebesgeschichte ab 14 Jahre

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

ISBN: 978-3-7320-0353-2
Verlag: Loewe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Es war so verlockend: Die Möglichkeit, in eine fremde Rolle zu schlüpfen, lag direkt vor mir. Ich brauchte nur zuzugreifen. Ein fremder roter Koffer zieht Marlene wie magisch an und ehe sie wirklich weiß, was sie tut, hat sie sich schon als dessen Besitzerin ausgegeben und ist in ein neues Leben abgetaucht. Als Irina Pawlowa verbringt sie ihren Sommer fernab der Zivilisation in einer alten Villa zusammen mit einer Nonne, einem Gärtner und einem Koch. Und Noah. Noah ist faszinierend, blind und in der Villa gefangen, denn irgendetwas außerhalb ihrer schützenden Mauern macht ihn schwer krank. Doch er möchte frei sein, und als Marlene sich in ihn verliebt, willigt sie ein, mit ihm zu fliehen. Was daraufhin passiert, konnte jedoch niemand vorhersehen. Ein Roman mit viel Atmosphäre, Spannung und einer unerwarteten Wendung am Ende. Diese atemberaubende Liebesgeschichte von Irmgard Kramer wird jugendliche und auch erwachsene Leser begeistern und in ihren Bann ziehen.

Irmgard Kramer wurde 1969 in Vorarlberg geboren und wuchs in einem alten Häuschen auf, das sich lebendig anfühlte. Nach 19 Jahren hängte sie die Arbeit als Grundschullehrerin an den Nagel und lebt heute als freie Autorin abwechselnd in Wien und im Bregenzerwald. Sie schreibt Geschichten für kleine und große Leser sowie Texte für Magazine. Hier geht es zur Webseite von Irmgard Kramer: www.irmgardkramer.at

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3 Vor einer himmelhohen Felswand stand wie auf einem Tablett aus einer blühenden Wiese ein Schmuckkästchen. Das jedenfalls war mein erster Eindruck. Noch nie hatte ich so ein schönes Bauwerk gesehen. Das riesige Haus war schon in die Jahre gekommen und alles andere als perfekt, aber es hatte eine magische Wirkung auf mich. Schmale Säulen ragten in die Höhe, zinnerne Wasserspeier reckten ihre Dachrinnen-Hälse von den Gaupen. Im ersten Stock zog sich ein Balkon mit zarten Ornamenten wie ein Halsband um das Haus. Hinter hohen Fenstern bauschten sich weiße Vorhänge. Die Schindeln auf der Fassade waren im Laufe von Jahrzehnten dunkelbraun, manche fast schwarz geworden. Eine Steintreppe führte auf die Veranda zum Eingang. Grasbüschel wuchsen an den Rändern. Links und rechts umrankten Rosensträucher die Holzsäulen. Das Geräusch der zuknallenden Autotür ließ mich herumfahren. „Willkommen in der Villa Morris“, sagte Viktor und lachte, als er meinen verdatterten Gesichtsausdruck sah. Ich klappte den Mund wieder zu und versuchte, mich zusammenzureißen. Ja, der Anblick war wunderschön, aber auf den zweiten Blick sah man, wie baufällig das Gebäude war. Der Hals eines Wasserspeiers war abgeknickt und die Bruchstelle notdürftig mit einem Klebstreifen umwickelt. Und die Stufen zum Eingang bröckelten. Unwillkürlich musste ich an Sanatorien denken, die Lungenkranke vor hundert Jahren besucht hatten. So ein Sanatorium könnte das hier sein. Deswegen auch die Abgeschiedenheit. Keine Pension oder Hotel, wie ich vorhin gedacht hatte, sondern ein Kurheim. Ich nahm einen tiefen Atemzug und mir war, als durchströmte mich wirklich gleißendes Licht mit heilenden Kräften. Ich sah, wie Viktor die rückwärtige Tür öffnete und den roten Koffer vom Rücksitz holen wollte. „Nein, das mach ich“, sagte ich hastig und nahm dem erstaunten Mann den Koffer aus der Hand. „Er ist schwer.“ Wahrscheinlich war er der Meinung, Irina sei lungenkrank, weil sie hier herkam, um sich zu erholen. „Ich schaff das schon.“ Ich lächelte und fühlte mich stärker denn je. Um nichts in der Welt würde ich diesen Koffer loslassen. Zwei Zitronenfalter flatterten um mich herum. Über der zweiflügeligen Eingangstür streckte ein bärtiger Gamsbock seinen ausgestopften Kopf aus der Wand und schaute mich finster an. WAIDMANNSHEIL stand in verschnörkelter Schrift darüber. Die Flügeltüren öffneten sich und heraus trat – ich erschrak im ersten Moment – eine Nonne: schwarzes bodenlanges Kleid, Kreuz an einer langen Kette um den Hals, weißer Stehkragen, Kopfbedeckung. Ihr Haar konnte ich nicht sehen. Die Frau war schmal und trug eine Brille, die viel zu groß wirkte. Keine Ahnung, wie alt sie war. Sie wirkte uralt und blutjung gleichzeitig. Falten hatte sie jedenfalls keine; ihre Haut war wie Wachs und irgendwie kam sie mir vor wie eine Abbildung von diesen Nonnen auf uralten vergilbten Schwarz-Weiß-Fotos, mal schlafend, mal tot. Insgesamt passte ihre Erscheinung zu meiner Vermutung wie das Eckteil von einem Puzzle: Viele Sanatorien oder Kurheime wurden auch heute noch von Nonnen geführt. Wahrscheinlich gab es hier einen Seelsorger, Krankenschwestern, Ärzte und andere Kurgäste. Noch konnte ich aber keine entdecken. „Frau Pawlowa! Schön, Sie zu sehen.“ Lächelnd blieb die Nonne unter dem Balkon auf der Veranda stehen. Ich trug den Koffer nach oben und hatte das Gefühl, als ob hier schon viele Menschen die Steine zu Fußtritten verformt hatten. Sie strahlten Hitze von der vielen Sonne ab. An einer Holzsäule rechts stand auf einem Metallschild: 1891. „Viktor. Möchtest du Frau Pawlowa nicht das Gepäck abnehmen?“ „Das … das wollte er, aber … ich nehme meinen Koffer lieber selber“, stammelte ich, stellte den Koffer ab und glaubte, an einer Überdosis guten Holzgeruchs durchzudrehen, den das Haus aussandte, während mir die Nonne eiskalte Spinnenfinger reichte. Sie hielt kurz inne, legte für einen Augenblick die Stirn in Falten und musterte mich, während sie meine Hand festhielt. „Sie sehen jung aus … sehr viel jünger, als Sie sind.“ Wie alt sollte ich denn ihrer Meinung nach sein? Ich lachte nervös und wollte etwas erwidern, fast lag es mir auf der Zunge – dass das alles kein Wunder war, schließlich handelte es sich hier um ein Missverständnis und ich brauchte gar keinen Kuraufenthalt, aber sie sprach schon weiter. „Ich bin Schwester Maria Fidelis Steiner. Sie können mich Schwester Fidelis nennen. Wir haben miteinander korrespondiert.“ Ich schluckte. Worüber und weswegen hatten wir denn „korrespondiert“? Dieses Wort hatte ich zuletzt aus dem Mund meiner Großmutter gehört. Ich befreite mich von ihren Fingern und hielt mich mit beiden Händen am Koffer fest. „Es freut mich sehr, dass wir endlich jemanden gefunden haben, der Noah das Schwimmen beibringt.“ Meine Theorie mit dem Kuraufenthalt bekam Risse und stürzte dann in sich zusammen. Ich sollte einem Noah das Schwimmen beibringen? Sofort hatte ich das Bild eines nervigen Vierjährigen vor Augen, vermutlich weil kein Erwachsener, den ich kannte, Noah hieß. Aber noch mehr störte mich das Wort Schwimmen. Alles, was damit zusammenhing, jagte mir Angst ein. Das war nicht immer so gewesen. Früher hatte ich es geliebt zu schwimmen, war sogar im Schwimmverein gewesen. Bis zu jenem furchtbaren Tag, an dem etwas schiefgegangen war. Was, daran konnte ich mich nicht mehr erinnern, aber an die Verzweiflung, keine Luft mehr zu bekommen, umso mehr. Seither machte ich um Gewässer aller Art einen Bogen. Andererseits – war das nicht ohnehin alles egal? Viel länger konnte ich diese Rolle ja eh nicht durchhalten, oder? Ich sog den Holzgeruch ein und den süßen Duft der Rosen. Sie rochen so betörend, dass mir davon fast schwindelig wurde. Es war warm, aber hier oben war die Luft viel angenehmer, angenehmer, als ich es je erlebt hatte. Eine Holzbank an der Hauswand und ein Schaukelstuhl an der Ecke luden ein, sich mit einem Buch hinzusetzen oder einfach nur ins Grüne, in die Weite oder auf die hoch aufragende, steile Felswand zu schauen, je nach Himmelsrichtung. Paradiesisch eben. „Hatten Sie eine gute Reise?“ Schwester Fidelis lächelte und bat mich einzutreten. Sie erinnerte mich an die Stewards in dem Titanic-Film, die die Passagiere der ersten Klasse mit stolzgeschwellter Brust und golden polierten Knöpfen auf den Uniformen an Bord begrüßten. Ich glaubte, einen Antiquitätensalon zu betreten. Eine breite Holztreppe, bespannt mit einem roten Teppich, führte von mir weg geradewegs nach oben und verlieh der Eingangshalle etwas Königliches. Die Geländerstäbe waren kunstvoll gedrechselt. Auffällig waren die hohen Räume und die Vertäfelungen überall. Das Holz leuchtete in einem warmen Orangebraun. Der Blick nach draußen auf die zwei Rosenstöcke, den tiefblauen Himmel, die Tannenbäume und das Gebirge war traumhaft. Glitzerte in der Ebene hinter den Wipfeln ein See? „Von dieser Halle aus kommen Sie in alle Himmelsrichtungen“, sagte Schwester Fidelis. „Falls Sie sich verlaufen, müssen Sie nur zusehen, wieder hierher zurückzufinden.“ Der Kachelofen neben der Treppe musste einmal eine Pracht gewesen sein. Jetzt war er alt. Und so herrschaftlich die Villa auch war, über allem hing der Atem des Verlassenwordenseins. Verwirrt atmete ich vergangenes, prachtvolles Leben ein und wusste nicht, was ich damit anfangen sollte. Irina, wer bist du und wer sind diese Leute hier? Warum die Kette am Eingangstor? Warum der Chauffeur? „Die Villa ist sehr schön, nicht wahr?“ Ich nickte mit offenem Mund und starrte auf einen riesigen ausgestopften Raubvogel, der mit ausgebreiteten Schwingen über der Treppe hing. Vielleicht sollte ich jetzt endlich mein Gehirn einschalten und mich auf und davon machen, solange es noch nicht zu spät war. An einen Kuraufenthalt hatte auch nur ich glauben können. Beklommen wandte ich meinen Kopf von dem aufgerissenen Schnabel über mir ab. „Kommen Sie!“ Die Nonne stand schon auf der breiten Treppe, die im Bogen nach oben führte. „Aber passen Sie auf. Der Sisalteppich ist nur mit diesen dünnen Goldstangen befestigt. Man rutscht leicht aus.“ Ich zog meinen Kopf ein, als ich unter dem Steinadler hindurch leichtfüßig nach oben stieg, auf riesige Holzfenster zu, die von meinen Schultern aufwärts in die Höhe ragten. Eine mächtige Buche bewegte dahinter ihre sommergrünen Blätter. An diesem Tag schien alles wie mit Gold lackiert. Im oberen Stockwerk erwarteten mich weitere Jagdtrophäen, diesmal war es ein Hirsch, der genau wie der Steinadler und die Gämsen dem Haus eine morbide Atmosphäre verlieh. Die nagelten hier tote Köpfe auf Holz. Wie krank war das denn? „Passen Sie auf, dass Sie nicht drunterstehen, falls er herunterfällt.“ Die Nonne sah, wie erschrocken ich war, und lächelte verlegen. „War nur ein kleiner Scherz. Der hängt hier schon hundert Jahre. Sie brauchen keine Angst zu haben.“ Hatte ich trotzdem. Nicht vor dem Geweih, aber vor mir selbst. Wie war ich nur hierhergekommen? Heute Morgen noch saß ich mit meinen Eltern im Auto auf dem Weg nach Italien und jetzt war ich in dieser völlig fremden Welt gelandet. Paradies und Gruselkabinett in einem. Einen kurzen Moment bildete ich mir ein, der Hirsch schaute mich an. Ich hätte schwören können, er hatte seine Augen bewegt. Vermutlich drehte ich langsam durch. Nervös folgte ich Schwester Fidelis ans Ende des Flurs, die jetzt wieder die altmodische Stewardess mimte. „Ich habe die Master Suite für Sie richten lassen. Es ist ein Eckzimmer. Fantastische Aussicht und das Bad ist neu renoviert.“ Sie drückte die Klinke und ließ mich vor....


Irmgard Kramer wurde 1969 in Vorarlberg geboren und wuchs in einem alten Häuschen auf, das sich lebendig anfühlte. Nach 19 Jahren hängte sie die Arbeit als Grundschullehrerin an den Nagel und lebt heute als freie Autorin zwischen Bergen, Kühen und Käse im Bregenzerwald. Sie schreibt Geschichten für kleine und große Leser sowie Texte für Magazine.



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