Kramer | Nordfriesische Verschwörung | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Reihe: Küsten Krimi

Kramer Nordfriesische Verschwörung

Küsten Krimi
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-96041-955-6
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Küsten Krimi

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Reihe: Küsten Krimi

ISBN: 978-3-96041-955-6
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Knisternde Spannung trifft auf nordfriesischen Humor. Nordfriesland wird von einer Serie von Mordanschlägen erschüttert. Die Spur führt die Kommissare Flottmann und Hilgersen in die Welt der Verschwörungsgläubigen. Doch schon bald wird klar, dass hinter den Geschehnissen viel mehr steckt. Sind die Beteiligten Opfer und Täter zugleich? Welche Rolle spielt der Anschlag auf eine Segelyacht vor fast dreißig Jahren, bei dem eine junge Frau ums Leben kam? Der hochsensible Musiker Leon Gerber kann wertvolle Hinweise liefern, die plötzlich alles in neuem Licht erscheinen lassen.

Gerd Kramer wurde 1950 in der Theodor-Storm-Stadt Husum geboren und ist dort aufgewachsen. Nach seinem Physikstudium in Kiel arbeitete er als Akustiker und Software-Entwickler im Rheinland. 1987 gründete er eine eigene Firma, in der er heute noch tätig ist. Einen Teil des Jahres verbringt er in seiner Heimatstadt, die ihm den Stoff für seine Romane liefert.
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1


Wie immer zu dieser Jahreszeit begab sich Dieter Bernecke nach dem Aufstehen ins Wohnzimmer, setzte sich im Pyjama auf den alten Holzstuhl und blickte Richtung Fenster. Die Sonne stand tief, und am Himmel zeigte sich keine Wolke. In wenigen Minuten würde der Schattenwurf der Windkraftanlage den Raum im Sekundentakt in Hell und Dunkel tauchen. Er spürte den inneren Zwang, darauf zu warten und auszuharren, bis der Spuk vorbei war. Stattdessen hätte er in ein anderes Zimmer gehen können. Warum er es nicht tat, wusste er nicht. Vielleicht wollte er sich immer wieder aufs Neue beweisen, dass er stark genug war, sich gegen solche Angriffe zu behaupten.

Kurz nickte er ein. Als er aufwachte, hatte das Hell-Dunkel-Spiel bereits begonnen. Es entfaltete eine hypnotische Wirkung und erzeugte Bilder und Traumsequenzen in seinem Kopf, die er nicht beeinflussen konnte. Er sah Maren und die Kinder am Strand, wie sie eine Sandburg bauten, Dolli, wie sie bellte, an ihm hochsprang und sich kraulen ließ, wenn er von der Arbeit heimkam. Arbeit hatte er schon lange nicht mehr, und Maren war mit Lisa, Daniel und dem Hund ausgezogen. Wann war das gewesen? Wie lange waren sie schon fort? Und wo lebten sie jetzt? Er konnte sich nicht erinnern. Wie so oft vermischten sich Traum und Wirklichkeit.

Die pochenden Schmerzen hinter der Stirn nahmen zu. Wetterfühligkeit hatte sein Arzt diagnostiziert, weil die Migräne besonders bei starkem Wind auftrat. Doch er wusste es besser. Mit dem Wind stieg der Infraschall der Windkraftanlage an, der ihn und auch weiter entfernte Anwohner krank machte. Der unhörbare Lärm war der eigentliche Grund für all seine Beschwerden.

Sein Tag verlief so eintönig wie jeder andere. Die meiste Zeit verbrachte er mit Fernsehen und Recherchen im Internet. Bis in den Abend hinein saß er im Wohnzimmer am Schreibtisch. Rund um seinen Laptop stapelten sich die Computerausdrucke und Zeitungsausschnitte. Irgendwann würde er aufräumen und alles in Ordnern abheften.

Er war froh, als er endlich Heimdall antraf. Ein Chat mit ihm war immer das Highlight des Tages.

Heimdall: »Hi, Dolli.«

Dolli: »Hallo, Heimdall. Ich hab gehofft, dass du um diese Zeit online bist.«

Heimdall: »Sonntagabende sind langweilig. Was gibt es da Besseres, als sich mit einem guten Freund zu unterhalten?«

Dolli: »Wie geht es dir?«

Heimdall: »Ich bin heute mit meinem Rollstuhl umgekippt. Das ist mir noch nie passiert. Jackie hat zu sehr an der Leine gezogen. Da bin ich über den Bordstein geprescht und der Länge nach hingeflogen. Zwei Jungs haben mir wieder auf die Beine geholfen. Na ja, nicht wirklich auf die Beine.«

Dolli: »Ist dir etwas passiert?«

Heimdall: »Nur ein paar Abschürfungen und eine Beule am Kopf. So etwas haut mich doch nicht um. Und wie geht es dir?«

Dolli: »So schlecht wie immer.«

Heimdall: »Hast du wieder Kopfschmerzen?«

Dolli: »Ja. Es ist windig draußen. Immer wenn viel Wind ist, sind die Kopfschmerzen besonders heftig, wie du weißt. Dann spüre ich den Infraschall am ganzen Körper. Auch, wenn ich hier im Haus bin.«

Heimdall: »Weil die tieffrequenten Geräusche der Windkraftanlage fast unvermindert Fenster und Mauern durchdringen. Man kann sich nicht davor schützen. Selbst Ohrstöpsel helfen nicht.«

Dolli: »Ja, ich weiß. Aber du glaubst ja, dass es nicht nur der Lärm ist, der mich krank macht.«

Heimdall: »Ich bin mir sicher, dass sie den Infraschall gezielt einsetzen, um sensible Menschen wie dich zu manipulieren. Wahrscheinlich seid du und deine Nachbarn nur Versuchskaninchen, und die Verantwortlichen planen, ihre Methode später in großem Maßstab einzusetzen. Überall sollen Windkraftanlagen gebaut werden, und irgendwann haben die Mächtigen alle Menschen unter ihrer Kontrolle.«

Dolli: »Glaubst du das wirklich?«

Heimdall: »Ja. Der Infraschall dringt tief in das Bewusstsein der Menschen ein, ohne dass sie sich wehren können. Und wenn damit Informationen transportiert werden, gelangen sie direkt in dein Gehirn, ohne dass du es merkst.«

Dolli: »Das klingt sehr beunruhigend. Ich würde gerne wegziehen. Aber das Haus ist alt und unverkäuflich. Obwohl ich den Preis mehrmals gesenkt habe, wird der Makler es nicht los.«

Heimdall: »Deshalb musst du das Übel an der Wurzel packen. Ich hab neue Erkenntnisse. Ich hab herausgefunden, dass alle Anlagen, die zur Manipulation der Menschen eingesetzt werden, mit einem roten Punkt gekennzeichnet sind.«

Dolli: »Mit einem roten Punkt?«

Heimdall: »Ja, unten am Betonsockel.«

Dolli: »Woher weißt du das?«

Heimdall: »Aus sicherer Quelle, die ich dir nicht nennen darf. Sonst bekomme ich Schwierigkeiten. Alle WKA mit einem roten Punkt sind gefährlich und werden von ganz bestimmten Technikern betreut, die in die Sauerei eingeweiht sind.«

Dolli: »Dann könnte die in meiner Nähe auch so eine Markierung haben. Das muss ich unbedingt herausfinden. Danke für den Tipp. Ich melde mich wieder!«

Heimdall: »Sei vorsichtig, Dolli.«

Dolli: »Du ebenso.«

Bernecke verließ den Chat. Vielleicht war das, was Heimdall erzählt hatte, der endgültige Beweis für die Gedankenmanipulation. Seit er sich gegen die Windkraftanlage wehrte, wurde er das Gefühl nicht mehr los, dass er nicht mehr er selbst war, sondern eine fremde Macht seinen Willen beeinflusste. Vor zwei Wochen hatte er sogar ohne Anlass die Möbel in seinem Arbeitszimmer kurz und klein geschlagen. Hinterher hatte er sich kaum daran erinnern können. Nur der Schreibtisch war verschont geblieben.

Den Prozess gegen die Anlage hatte er verloren. Dabei war es lediglich um den Schattenwurf der Flügel gegangen. Der trat nur in dieser Jahreszeit und auch nur morgens auf, wenn keine Wolken die Sonne bedeckten. Anfangs hatte ihn das Flackern zur Verzweiflung gebracht. Inzwischen konnte er damit leben. Die Sache mit dem Infraschall war viel ernster. Im Gegensatz zu den Schatten war der unhörbare Lärm ständig vorhanden und beeinflusste seine Gesundheit. Endlich gab es eine Erklärung, nicht nur für seine Krankheitssymptome, sondern auch für seine Depressionen und Wutausbrüche.

Bernecke lehnte sich zurück und blickte durch das Fenster nach draußen. In diesem Moment schaltete der Bewegungsmelder die Außenbeleuchtung ein. Zuerst dachte er, eine Katze oder ein Kaninchen habe den Sensor ausgelöst. Aber dann sah er Maren und die Kinder um den Ahornbaum tanzen. Er konnte sogar ihr Lachen hören. Sein Herz machte einen Sprung. Er wollte gerade aufstehen und sie in Empfang nehmen. Doch in der nächsten Sekunde verschwanden sie wieder. Das Licht brannte immer noch. Aber sie waren weg. Hatten sie Angst vor ihm? Hatte er sie so schlecht behandelt, dass sie vor ihm davonliefen? Nein, das konnte er sich nicht vorstellen. Sie waren das Liebste, was er besaß. Alles hätte er für sie getan. Alles täte er auch jetzt noch für sie.

Bernecke blieb noch lange an seinem Schreibtisch sitzen. Das Licht im Garten war erloschen, und er fühlte sich allein und einsam. Nicht einmal ein Kaninchen besuchte ihn. »Du musst das Übel an der Wurzel packen«, hatte Heimdall gesagt. Genau das wollte er tun.

Er zog die obere Schublade auf und nahm eine Taschenlampe heraus. Dann verließ er das Haus durch den hinteren Ausgang, lief den Gartenweg entlang und stapfte durch das Feld auf die Windkraftanlage zu. Das Pochen in seinem Kopf wurde unerträglich. Doch die Anspannung half ihm, die Schmerzen zu ignorieren.

Den Weg hatte er schon oft zurückgelegt, sodass er sein Ziel mit geschlossenen Augen gefunden hätte. Erst als er fast dort war, schaltete er die Taschenlampe ein und leuchtete den Betonsockel ab. Den handtellergroßen Kreis musste er nicht lange suchen. Wieso war ihm der rote Fleck nicht schon früher aufgefallen? Er tastete mit den Fingern über die Stelle. Natürlich war die Farbe trocken. Aber sie glänzte im Lichtschein und wirkte nicht, als sei sie vor sehr langer Zeit aufgetragen worden. Jedenfalls hatte Heimdall recht. Die rote Markierung war das geheime Zeichen einer Verschwörung. Daran hatte Bernecke nun keinen Zweifel mehr.

Er suchte noch in der Nacht die anderen, weiter entfernten Anlagen auf, die jedoch keinen roten Punkt aufwiesen.

Es war weit nach Mitternacht, als er nach Hause zurückkehrte.

Im Bett schmiedete er einen Plan. An all seinem Elend war das verdammte Windrad in der Nähe schuld. Er sollte das Ding in die Luft sprengen. Aber dazu fehlten ihm die Mittel. Stattdessen wollte er dem Techniker auflauern, der die Manipulationen durchführte. Bernecke hatte ihn mit dem Fernglas oft beobachtet. Er kam stets Anfang des Monats. Wenn der Erste auf ein Wochenende fiel, erschien er den Montag darauf. Meistens jedenfalls. Ganz sicher war das allerdings nicht. Doch es war sehr wahrscheinlich, dass er auch an diesem Morgen kam. Es war immer derselbe Mann, der mit seinem roten Golf vorfuhr. Manchmal erschienen jedoch auch mehrere Monteure in einem Kastenwagen. Bernecke hoffte, dass das diesmal nicht der Fall war.

Er wollte den Techniker zur Rede stellen. Mit der Pistole im Rücken würde der Kerl die ganze Wahrheit preisgeben. Davon war Bernecke überzeugt. Die Waffe lag gut versteckt im Keller. Sein Vater hatte sie zur Abwehr von Einbrechern angeschafft. Eine Beretta 1934, Kaliber neun Millimeter. Niemand wusste davon, auch Maren und seine Schwester nicht. Vermutlich stammte sie aus irgendwelchen dunklen Kanälen und war nicht registriert. Ein Magazin mit neun Schuss Munition befand sich ebenfalls im Versteck. Nachdem Maren und die Kinder ihn verlassen hatten, hatte er die Pistole hervorgeholt, um sein Elend mit einem Kopfschuss zu beenden. Aber er hatte es nicht fertiggebracht. Nun, da er wusste, wie...


Gerd Kramer wurde 1950 in der Theodor-Storm-Stadt Husum geboren und ist dort aufgewachsen. Nach seinem Physikstudium in Kiel arbeitete er als Akustiker und Software-Entwickler im Rheinland. 1987 gründete er eine eigene Firma, in der er heute noch tätig ist. Einen Teil des Jahres verbringt er in seiner Heimatstadt, die ihm den Stoff für seine Romane liefert.



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