Kremer | Sieben Strände | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 628 Seiten

Kremer Sieben Strände


1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7693-9472-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 628 Seiten

ISBN: 978-3-7693-9472-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



'Die letzte Station dieser kleinen Reise ist mein früheres Zimmer: Der Weg führt durch den runde Bogen zu dem weißen Anbau mit den dunkelgrünen Fensterläden. Einiges an Gerümpel steht herum, sobald ich die Fenster öffne, wirbelt viel Staub umher. Es diente die letzten Jahre offensichtlich als Abstellkammer, nur die zementierte Bett-Sofa-Konstruktion erinnert an früher. Ich setze mich auf dem harten Beton, dort wo einst die Matratze lag, und muss sofort grinsen: Meine Jugendzeit! Über die letzten Jahre war der Gedanke an Marcelo etwas verblasst. Ab dem Moment jedoch, indem ich in das Flugzeug gestiegen bin, wurde diese Vergangenheit wieder sehr lebendig. Die Überlegung keimt seit meiner Ankunft: Dieses Mal werde ich ihn besuchen. Heute noch. Wenn, dann muss es so sein! Hier zu sein, wo wir so viel erlebt haben und an ihn zu denken, das ist ein klares Zeichen.' 'Sieben Strände', deutsch für 'Sete Praias', ist ein Ort und Ausgangspunkt der Geschichte. Es symbolisiert auch die Stationen des Lebens dieses Mannes, durchlebte Wendepunkte. Als kleiner Junge bis zur Gegenwart der Erzählung, als er entscheidet, jemanden aufzusuchen, den er vor langer Zeit aus den Augen verloren hat. Einst war er sein bester Freund, beide wuchsen in der Metropole São Paulo auf. Sie waren unzertrennlich. Es wird jedoch ein Wiedersehen mit Konsequenzen, welches das Leben beider umkrempelt. 'Unter Palmen', dachte er, 'geht es mir besser.' Eine Zeit lang war es auch so, bis ihn das Leben wieder einholte.

Matthias Kremer ist in Dortmund geboren und in São Paulo aufgewachsen. Als junger Mann in seinen 20ern kam er nach Deutschland zurück und lebt nun in München. Seine ersten Berufserfahrungen sammelte er in beiden Ländern in der Hotelbranche, der er seitdem treu geblieben ist. Seine Leidenschaften sind Musik, Filme und Serien, sowie die Fotografie. Er bewegt sich gerne in fremde Länder und Kulturen, interessiert sich für Geschichte und Politik und schaut oft Dokumentationen. Seit seiner Kindheit liebt er Bücher und das Schreiben bereitet ihm große Freude. Während einer Reise nach Brasilien kam er auf die Idee ein Buch zu schreiben, in dem er Erlebnisse aus seiner Jugend, Eindrücke über das Land und Alltagsbeobachtungen in einer fiktiven Geschichte kombiniert und diese weiterentwickelt. Es ist sein erstes Buchprojekt.

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2. Blaumachen
(Robert, 17 Jahre alt) Das tägliche Aufstehen um 5.15 Uhr unter der Woche war für Robert eine große Qual. Kaum klingelte der Wecker, begann der Kampf gegen die Zeit, um jede Minute, die er länger im Bett bleiben konnte. So auch an diesem Morgen. Nachdem er es endlich geschafft hatte, aufzustehen, sich schnell zu waschen und hastig die Zähne zu putzen, schaute er wieder auf den Wecker: 6.10 Uhr. Er hatte noch 20 Minuten Zeit zum Frühstücken, dann musste sein Vater los. Es dämmerte schon, und es war noch sehr kalt, als er die Zimmertür hinter sich schloss und mit dem Rucksack in der Hand den Seitengang zur Küche nahm. Er hörte das Rumoren aus dem Esszimmer, das Klappern von Besteck und die durchdringende, laute Stimme von Maximilian, der wie jeden Morgen jammerte. Auch wenn sie sich nicht mochten, eines hatten sie gemeinsam: Sie waren keine Morgenmenschen. Und sie ignorierten einander. «Robert, beeil dich, dein Vater muss gleich los», hörte er Ingrid rufen. «Erst mal guten Morgen ...», antwortete er gereizt und machte sich eine große Tasse Kaffee mit heißer Milch. Da saß seine Familie beim Frühstück: Ingrid, die ihn mit ihren durchdringenden hellblauen Augen zur Eile mahnte, sein Vater, der ihm kurz einen guten Morgen wünschte und sich wieder den Notizen widmete, die er neben sich liegen hatte. Seine Brüder begrüßte er mit einem Lächeln und einem Schulterklopfen. Stefan und Peter sagten ein von Restmüdigkeit getränktes, aber freundliches ›Hallo Robert‹ und kauten weiter an ihren Brotscheiben oder aßen ihre Cornflakes. Robert setzte sich neben Stefan und schmierte sich ein Brötchen mit Erdbeermarmelade. Als er einen Schluck Kaffee und den ersten Bissen nahm, trafen sich seine und Ingrids Blicke. «Robert, ich muss dir etwas sagen», meinte sie kurz angebunden. «Ich habe mit deinem Vater gesprochen. Es ist schwierig für mich, euch vier jeden Tag von verschiedenen Schulen in verschiedenen Ecken der Stadt abzuholen, und einen Chauffeur können wir uns nicht leisten. Deshalb haben wir beschlossen, dass du und Stefan ab sofort mit dem Bus nach Hause kommt.» Robert sagte nichts, sah sich nur kurz um und versuchte, Ingrids fragendem Blick auszuweichen. Sein Vater nickte nur. Er wollte etwas sagen, aber Ingrid kam ihm zuvor. «Und noch etwas. Wir haben über dich gesprochen. Es wird Zeit, dass du dein eigenes Geld verdienst. Ab jetzt sollst du ein bisschen arbeiten, auch wenn es nur ein Praktikum ist. Du hast viel Zeit und deine Noten sind nicht so gut. Da du eher praktisch veranlagt bist, wäre es gut, es auszuprobieren. Was meinst du?» Robert dachte nur ›Scheiße‹ und antwortete: «Ich werd's mir überlegen», was Ingrid mit einem strengen Blick quittierte. Die Ankündigung, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause fahren zu müssen, hatte er schon länger erwartet und es störte ihn nicht, im Gegenteil. So hätte er mehr Zeit für sich und wäre nicht gezwungen, auf dem Nachhauseweg Gespräche zu führen. Aber dass er arbeiten gehen sollte, dieser für ihn seltsame und abstrakte Gedanke kam sicher von ihr. Aber darüber wollte er zu dieser frühen Stunde noch nicht nachdenken. «Übrigens, wegen der Abholung heute: Keine Sorge, ich gehe nach der Schule zu Julia und komme dann mit dem Bus zurück», sagte Robert, stand auf und brachte seinen Teller und seine Tasse in die Küche. «Dann kann ich mich schon mal daran gewöhnen ...» «Das ist gut», sagte Ingrid. «Aber komm nicht zu spät wieder, wir müssen noch über das Praktikum und die Arbeit reden.» Mit seinem Blick signalisierte Robert Desinteresse, winkte aber zum Abschied. Klaus Brunner hatte jeden Morgen einen langen Weg von Sete Praias in die Stadt. Zu der langen Strecke kam noch der stockende, chaotische Verkehr von São Paulo: Staus, hupende Autos, Fußgänger, die ohne Vorwarnung die Straße überquerten, rote Ampeln, die ignoriert wurden, und das alles unter einer ständigen Dunstglocke aus verschmutzter Luft und Abgasgeruch. Neunzig Minuten brauchte er mindestens. Um Zeit zu sparen, ließ er Robert und Stefan an einer Bushaltestelle am Weg aussteigen, von wo aus sie mit dem Bus weiter zur Schule fahren konnten. Dann brachte er die beiden Kleineren, Peter und Maximilian, zu ihrer Schule. Von dort aus fuhr er schließlich zur Arbeit. Von einem Vorort zum anderen, in ein Industriegebiet am Stadtrand, quer durch die Metropole, zweimal am Tag, das war nervenaufreibend. Robert sagte an diesem Morgen nicht viel, die Stimmung war allgemein müde, er konzentrierte sich auf die Musik und die Nachrichten im Radio. Es liefen die üblichen Hits. ›Sailing‹ von Christopher Cross und ›Bette Davis Eyes‹ von Kim Carnes, unter anderem. Die Nachrichten brachten an diesem Morgen die neuesten Meldungen über Verkehrsunfälle und Staus, gefolgt von der Politik, die Robert aufmerksam verfolgte. Brasilien erlebte in diesem Jahr mit der neuen Regierung unter General João Figueiredo (1) eine leichte Öffnung in Richtung Demokratie. Robert konzentrierte sich auf die Nachricht vom Ende des Zweiparteiensystems und vergaß für einen Moment seine Müdigkeit. An der Bushaltestelle angekommen, bat er seinen Vater um Geld, verabschiedete sich mit einem flüchtigen Kuss und wartete mit Stefan auf den Bus. Kaum war er eingestiegen, schaute Robert hinterher und wartete kurz auf die Linie 61. Der Bus war wie fast jeden Morgen um diese Zeit überfüllt, aber mit etwas Mühe drängte er sich an den Leuten vorbei und stieg eine Haltestelle früher als sonst aus. Keiner seiner Mitschüler, zumindest keiner, den er kannte, war zu sehen, und so ging er die Hauptstraße in entgegengesetzter Richtung zur Schule entlang bis zu einer unscheinbaren Nebenstraße, die er drei Häuserblocks entlang lief, bis er an den Ort kam, den er suchte: Etwas versteckt zwischen den Häusern und der Straße befand sich ein kleiner, unscheinbarer, aber gepflegter Park, umgeben von alten Bäumen und Sträuchern. Bis auf zwei Hundebesitzer, die ihre morgendliche Runde drehten, war Robert allein und setzte sich auf eine Bank, um die frühe Sonne zu genießen. Nach und nach spendete die Sonne etwas Wärme, die anfängliche Kälte wich, er nahm sich Zeit, zündete sich eine Zigarette an und genoss die Stille, die plötzlich von einem Lied unterbrochen wurde. Es kam mit hoher Lautstärke aus einem der umliegenden Häuser und fügte sich harmonisch und auf ganz besondere Weise in die ruhige, sonnige Morgenstimmung ein. Robert hatte es noch nie gehört, aber es berührte ihn wie selten ein Lied zuvor. Der tiefsinnige, poetische Text über Zeit und Veränderung und der stilsichere, charakteristische Gesang von Gal Costa, getragen nur von einer akustischen Gitarre, passten perfekt zusammen. (2) Es munterte ihn auf, brachte ihn auf andere Gedanken. Und als das Lied zu Ende war und es gleich wieder losging, hatte er das Gefühl, dass es tatsächlich noch Menschen gab, die so empfanden wie er, das tröstete ihn und er fühlte sich in diesem Moment nicht mehr so allein. Vieles ging ihm durch den Kopf. Er war misstrauisch und aufgewühlt. Seine beiden Brüder würden bald die Schule wechseln. Ingrid hatte durchgesetzt, dass beide in ein Internat gingen. Dort könnten sie besser lernen, wären besser untergebracht und hätten einen geregelteren Tagesablauf. Maximilian sei mit seinen 6 Jahren noch zu klein für ein Internat, aber für Peter und Stefan mit ihren 9 bzw. 13 Jahren wäre es optimal, betonte sie. Am Wochenende und in den Ferien wären sie zu Hause oder könnten besucht werden. «Blödes Geschwätz!», sagte er laut. Er wäre gerne in ein Internat gegangen. Das sei zu teuer, hieß es, in seinem Alter müsse er die letzten Schuljahre erfolgreich abschließen, um dann zu studieren. Musste er nicht gut untergebracht sein? Brauchte er nicht auch einen geregelten Tagesablauf? Aber er sollte doch ein Praktikum machen. ... Wo und wozu? Das passte nicht. Ja, dachte er, immer diese sinnlosen Sprüche. Und sein Vater stimmte immer nur zu, schien geradezu hörig zu sein. Er rauchte die Zigarette zu Ende, saß noch eine Weile da, schloss die Augen und spürte die Wärme der Morgensonne auf seiner Haut. Inzwischen lief ein anderes Lied, das ihm nicht so gut gefiel, obwohl es von derselben Sängerin stammte. Seine Uhr zeigte 8.40 Uhr, der Unterricht hatte vor zehn Minuten begonnen. «Scheiß drauf», sagte er laut und ging wieder in Richtung Hauptstraße. Er überquerte sie und wartete an einer Bushaltestelle auf die Linie 711, die ihn nach Jabaquara bringen würde. Als der Bus endlich kam, war er überfüllt, aber das machte ihm nichts aus, denn er würde sowieso an der Endstation aussteigen. Dort angekommen, ging er eine halbe Stunde später durch die lange Unterführung zum Busbahnhof, wo er gezielt den Schalter der Viação Ultra aufsuchte, der Buslinie nach Guarujá. Der nächste reguläre Bus würde gleich abfahren, der Executivo, die Luxusvariante mit Service, Fernseher und mehr Beinfreiheit, eine Viertelstunde später. Ohne zu zögern kaufte Robert...



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